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Der Prozess 2018
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eBook142 Seiten1 Stunde

Der Prozess 2018

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Über dieses E-Book

Der ehrenwerte Richter Simon F. ist frisch geschieden und es steht ihm eine glänzende Zukunft bevor. Doch als er eines Morgens aufwacht, befinden sich fremde Männer in seinem trauten Heim, die ihn kurze Zeit später verhaften und dann zu seinem Erstaunen wieder freisetzen. Da ihm seine Situation merkwürdig bekannt erscheint, aktiviert er alle Ressourcen und findet heraus, dass er vielleicht einen inoffiziellen Prozess am Hals hat, über den der Schriftsteller Franz Kafka schon vor mehr als einhundert Jahren ein gleichnamiges Buch verfasst hat.

Während die Geschichte immer neue Wendungen aufweist, beginnt der Richter Kafkas Prozess als Leitfaden zu verwenden, um sich zu behaupten. Wird er es schaffen sich mit Hilfe des Buches herauszuwinden oder wird er sich lediglich wie ein Wurm winden?

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum1. Apr. 2020
ISBN9783743883598
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    Buchvorschau

    Der Prozess 2018 - Reinhard Franz Forstner

    Tag 1 - Verhaftung

    Richter Simon F. erwachte in seinem geräumigen Ehebett und gähnte herzhaft. Er streckte sich und empfand es als grenzenlose Freiheit, im Bett auf niemanden mehr Rücksicht nehmen zu müssen. Im Schlafzimmer seiner Villa war es offensichtlich schon länger hell und Richter F. wunderte sich, warum ihn seine Hausangestellten so lange hatten schlafen lassen. Er beschloss, diesmal einfach im Bett zu frühstücken. Es war ein Luxus, den er seit seiner Scheidung öfters genoss und seine Ex-Frau hätte ein Frühstück im Bett auch mit Sicherheit missbilligt, was dem Ganzen eine zusätzliche Würze verlieh. Der Gedanke daran rang dem Richter sogar ein amüsiertes Lächeln ab. Freudig läutete der Richter die Glocke, um die neueste seiner Hausangestellten zu rufen. Sie hatte zwar gute Manieren, aber für des Richters Geschmack war sie viel zu wenig unterwürfig gegenüber einem Mann seiner Position. Zum Ausgleich war sie sehr jung und sah in ihrer Uniform auch noch fantastisch gut aus. Bereits im Bewerbungsgespräch hatte der Richter sorgfältig darauf geachtet, dass genau die Richtige die Stelle bekam. Der Richter räkelte sich in freudiger Erwartung im Bett und lauschte den Geräuschen.

    Fünf Minuten später wurde Richter F. unruhig. Eigentlich hätte die alte Haushälterin Rosemarie oder die hübsche, junge Dame in ihrer Stubenmädchenuniform erscheinen müssen, doch war nichts dergleichen geschehen. Ein Blick auf den Radiowecker am Nachttisch verunsicherte ihn zusätzlich, denn die Anzeige war erloschen. Fluchend griff sich der Richter die Fernbedienung und versuchte seinen Flachbildfernseher einzuschalten, um ein wenig Zeit totzuschlagen, bis sich endlich jemand bequemte zu erscheinen. Nach mehreren Versuchen stellte er jedoch fest, dass dies auch nicht funktionierte. Erst jetzt bemerkte er, dass das rote Lämpchen auf dem modernen Gerät ebenfalls nicht leuchtete.

    Just in dem Moment sprang die Tür auf und ein moderat gekleideter Mann mittleren Alters trat ein. Der Richter erkannte sofort, dass dieser Mann für ihn ein Fremder war. Das Gesicht konnte der Richter auch nicht genau erkennen, denn die untere Hälfte des Gesichts versteckte sich hinter einem dichten, schwarzen Vollbart, während die obere Hälfte äußerst unpassend von einer großen, sehr dunklen Sonnenbrille abgedeckt war. Auch der Hut des Fremden trug dazu bei, dass der Mann irgendwie unkenntlich wirkte, obwohl er doch gar nicht maskiert war.

    »Sie haben geläutet?«, erkundigte sich der Fremde, ohne die geringste Emotion in der Stimme. Der Richter schnauzte den Fremden an, als wäre er sein Diener, »Verdammt, Bursche. Wieso hat mich denn keiner geweckt? Sag der Haushälterin, dass ich heute im Bett frühstücke. Und irgend jemand soll sich den Fernseher und den Radiowecker ansehen, die Dinger sind kaputt. Verstanden?« Der fremde Mann zuckte mit den Schultern und erwiderte emotionslos, »Es gibt heute kein Frühstück. Sie sollten sich nochmals hinlegen und warten, bis wir sie zu uns bitten.« Ohne auf den Wutausbruch des Richters zu reagieren, verließ der Mann das Schlafzimmer und schloss die Tür hinter sich. Das Geräusch eines Schlüssels, der sich im Schloss drehte, verhieß jedenfalls nichts Gutes. Der Richter schwieg und dachte nach. War er gerade eben in seinem eigenen Schlafzimmer eingeschlossen worden? Hielt man ihn hier etwa gefangen? Immerhin war er Richter und genoss von Grund auf eine gewisse Immunität, ganz zu schweigen von Respekt seiner Position gegenüber.

    Mit Zornesröte im Gesicht sprang der Richter aus dem Bett und stürmte zum Kleiderschrank. Rasch zog er sich einen sündteuren Anzug an und kämmte sich notdürftig vor dem Spiegel auf dem Schminktisch seiner Ex-Frau das schon schütter werdende Haar. Die Situation war einfach grotesk, ihn so zu behandeln. Immerhin war der Richter ein Jemand und keinesfalls ein Niemand. Der Richter nahm sich vor, für die fristlose Entlassung dieses fremden Mannes zu sorgen und stürmte zur Schlafzimmertüre.

    Nach dem zweiten Versuch gab der Richter schließlich auf. Wie er schon vermutet hatte, war die Tür abgeschlossen und alles Rütteln half ihm nicht, diese Tür zu öffnen. Der Richter grinste hämisch und griff nach seinem Telefon, welches er über Nacht immer auf dem Nachttisch in eine Ladeablage stellte. Doch die Ladeablage war ebenso leer, wie des Richters Magen, der sich schon bemerkbar machte. Wutschnaubend riss der hohe Beamte die Terrassentür in seinem Schlafzimmer mit beiden Flügeln gleichzeitig auf. Schon nach seinem ersten Schritt in die Freiheit stellte er fest, dass er draußen bereits erwartet worden war. Zwei grimmige, hünenhafte Männer kamen umgehend auf ihn zu und griffen ihm sofort unter die Arme. Ihr fester Griff und die Zielstrebigkeit ihres Handelns unterbanden jeden Gedanken an Gegenwehr, den der Richter instinktiv gehabt hatte. Auch diese beiden Männer hatten Vollbärte, dunkle Sonnenbrillen und Hüte. Auch wenn sie lange Regenmäntel trugen, gehörten sie mit Sicherheit zu dem Fremden im Haus. Der Richter bezweifelte doch sehr, dass es sich bloß um eine Modeerscheinung handelte, mit Vollbärten und Sonnenbrillen mitten im frühen Herbst in der Gegend herumzulaufen. Es ging eindeutig etwas Seltsames hier vor. Die beiden Hünen brachten den Richter zu einer von perfekt gestutzten Hecken und gut geschützten Sitzgarnitur, welche sich mitten in des Richters Garten befand. Zu seinem Erstaunen wartete dort bereits ein weiterer ungebetener Gast und er hatte es sich offensichtlich dort auch noch gemütlich gemacht.

    »Guten Morgen«, grüßte der sonderbare Mann mit Zylinder recht freundlich. Richter F. sog das Gesamtbild des Mannes in sich auf, als würde sein Leben davon abhängen. Das Gewand des Mannes wirkte, als wäre es aus dem neunzehnten Jahrhundert. Sein Bart glich dem des österreichischen Kaisers Franz-Josef. Das Kinn war frei und gut rasiert, aber der dichte Pelz an Wangen und Oberlippe ließen vermuten, dass dieser Bart nur angeklebt, anstatt gewachsen sein könnte. Auch die zwei strengen Burschen, die ihn hergebracht hatten, sah er jetzt in neuem Licht. Ihre dichten Vollbärte, Sonnenbrillen und Hüte dienten wohl eher dem Zweck, ihre Identität zu verschleiern und ihre Bärte waren mit Sicherheit auch nicht echt. Trotz der freundlichen Begrüßung lief der Kopf des Richters wieder rot an, doch bevor er seinem Ärger Luft machen konnte, drückte ihn seine Eskorte auf einen der freien Gartensessel und blieb hinter ihm stehen. Auf dem kleinen Gartentisch stand eine einzelne dampfende Tasse Kaffee und es war dem Richter sofort klar, dass diese Tasse eigentlich zum Geschirr und damit auch zum Besitz des Richters gehörte.

    »Franz hat ihnen doch gesagt, dass sie im Zimmer bleiben sollen«, eröffnete der Mann das Gespräch und wollte wohl den Richter im Vorfeld abwürgen. Doch das alles fand Richter Simon F. nun einfach zu dreist. »Wissen sie überhaupt, wer ich bin?!?«, bellte der Richter mit möglichst drohendem Tonfall. Im nächsten Moment drehte sich alles im Kopf des Richters. Als er wieder klar denken konnte, schmerzte seine gesamte linke Gesichtshälfte und er stellte fest, dass Flüssigkeit aus seinem Mund und über sein Kinn lief. »Es ist die reine Höflichkeit meinerseits, überhaupt mit ihnen zu sprechen. Ich wünschte, sie würden sich zivilisierter benehmen«, rügte der sonderbare Mann. Der Richter spuckte Blut aus und blickte den Fremden zornig an. Er wollte ihnen allen am liebsten sofort mitteilen, dass er allesamt ins Gefängnis werfen ließe, überlegte es sich jedoch anders.

    »Also gut, reden wir! Was wollen sie überhaupt von mir?«, begann der Richter und hoffte, etwas Licht ins Dunkel zu bringen. »Es steht mir doch gar nicht zu, ihnen nähere Einzelheiten mitzuteilen. Ich erfülle lediglich meine Aufgabe«, beteuerte der Fremde sichtlich amüsiert über die rasche Verhaltensänderung des Richters. Dann fügte er hinzu, »Das Verfahren gegen sie wurde nun einmal eingeleitet. Sie werden alles zur gegebenen Zeit erfahren.« Der Richter schluckte. Es hatte keine Vorladung und keine Information gegeben, dass gegen ihn ein Verfahren liefe. Außerdem hatte er genügend politisches Kapital, um jedes Verfahren gegen ihn schon im Vorfeld im Keim zu ersticken. Wut kroch im Richter hoch, doch er starrte den Fremden nur zornig an.

    Aus einer weiteren Terrassentür kam unerwarteter Besuch eines vierten vollbärtigen Fremden. Der Richter selbst hatte diese Tür noch nie benutzt, daher musste er kurz nachdenken, aus welchem Raum seiner Villa der neue Eindringling gerade gekommen war. Er war aus dem Arbeitszimmer gekommen, stellte der Richter beunruhigt fest. Der Mann hatte die gleiche Verkleidung, wie der Wächter vor seinem Schlafzimmer, doch trug er ein Notebook mit sich und der Richter erkannte es sofort als das Seine.

    »Mein Computer ist zwar bestens mit Passwörtern geschützt, aber da ich noch nie etwas verbrochen habe, wäre es ohnehin bedeutungslos für sie, was sich auf dem Ding befindet«, spottete der Richter hämisch. Der Neuankömmling nickte dem Mann mit dem Zylinder nur kurz zu und verschwand dann wieder im Haus. Den Richter ignorierte dieser vierte vollbärtige Mann vollends, was diesen nur noch mehr reizte.

    »Die Zeit ist um. Gehen sie zurück ins Zimmer und entledigen sie sich aller Metallgegenstände und aller elektronischen Geräte, die sie bei sich tragen. Wir brechen in fünf Minuten auf«, informierte der sonderbare Mann, welcher der Anführer der Vollbärtigen zu sein schien. Der Richter weigerte sich, irgend etwas abzulegen. Er verbrachte die fünf Minuten lieber schweigend im Garten, ohne zurück ins Haus zu gehen. Wütend über seine Ohnmacht, versuchte er sich die Gesichter der Männer einzuprägen, um sie später identifizieren zu können. Gerade als er festgestellt hatte, dass dies eigentlich sinnlos war, weil sie alle so offensichtlich verkleidet waren, wurde es plötzlich finster.

    Dem Richter wurde von hinten ein Sack über den Kopf gestülpt und am Hals zugezogen. Der Sack war zwar luftdurchlässig, aber kein Lichtschimmer drang auch nur durch das kleinste Loch. Im nächsten Moment schlossen sich Ohrenschützer um seinen Kopf und diese nahmen dem Richter auch noch das Gehör. Blind und taub wurde Richter F. grob auf die Beine gestellt. Die Handschellen, die ihm angelegt wurden, brachten den Richter zu dem Schluss, dass er die Situation vollkommen falsch eingeschätzt hatte. Diese Männer ließen sich durch seine Position kein bisschen einschüchtern und sie folgten wie die Lemminge einfach nur stur ihren Aufgaben, so als hätten sie Scheuklappen vor der Realität angelegt. Die Realität besagte jedoch, dass der Richter ein mächtiger Mann war, aber diese Eindringlinge hatten ihn trotzdem aller Macht beraubt. Verärgert ließ sich der Richter von seinen Wächtern abführen.

    Wie viel Zeit vergangen war, wusste der Richter nicht. Vom Gerüttel während der Fahrt her, wusste er nur, dass er sich in einem Lieferwagen befand, auf dessen kalte Ladefläche er unsanft gelegt worden war. Wo die Fahrt hinging, war ihm nicht mitgeteilt worden.

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