Zwischen Pflicht und Liebe: Sophienlust 391 – Familienroman
Von Marisa Frank
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Über dieses E-Book
Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren.
Wieder einmal war es auf der Autobahn, in der Nähe von Maibach zu einem schweren Unfall gekommen. Der Himmel hatte alle Schleusen geöffnet, und so war ein Personenwagen beim Überholen ins Schleudern geraten. Der Fahrer hatte sein Auto nicht mehr unter Kontrolle gebracht, sondern war auf der anderen Fahrbahn frontal gegen einen Lastwagen geprallt. Zum Glück hatte es keine Massenkarambolage gegeben. Der Fahrer des Personenwagens und seine Beifahrerin waren tot. Wie durch ein Wunder überlebten jedoch die beiden Jungen, die sich auf dem Rücksitz befunden hatten. Sie waren noch klein und saßen jeder in einem Kindersitz, das auf der Rückbank befestigt war. Beide schluchzten vor sich hin. Sie glichen sich wie ein Ei dem anderen. Sie waren Zwillinge. »Weg, geh weg. Mami, Papi!« Mit seinen Händchen wehrte er den Helfer ab. »Nicht doch! Es ist alles gut.« Die Retter sprachen beruhigend auf den Kleinen ein. Es nützte nichts, er brüllte wie am Spieß. Man konnte ihn kaum festhalten, so wild schlug er um sich. Sein Bruder hingegen ließ alles willenlos mit sich geschehen. Ein junger Arzt hatte sich des schreienden Kindes angenommen.
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Sophienlust (ab 351)
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Buchvorschau
Zwischen Pflicht und Liebe - Marisa Frank
Sophienlust
– 391 –
Zwischen Pflicht und Liebe
Unveröffentlichter Roman
Marisa Frank
Wieder einmal war es auf der Autobahn, in der Nähe von Maibach zu einem schweren Unfall gekommen. Der Himmel hatte alle Schleusen geöffnet, und so war ein Personenwagen beim Überholen ins Schleudern geraten. Der Fahrer hatte sein Auto nicht mehr unter Kontrolle gebracht, sondern war auf der anderen Fahrbahn frontal gegen einen Lastwagen geprallt. Zum Glück hatte es keine Massenkarambolage gegeben. Der Fahrer des Personenwagens und seine Beifahrerin waren tot. Wie durch ein Wunder überlebten jedoch die beiden Jungen, die sich auf dem Rücksitz befunden hatten.
Sie waren noch klein und saßen jeder in einem Kindersitz, das auf der Rückbank befestigt war. Beide schluchzten vor sich hin. Sie glichen sich wie ein Ei dem anderen. Sie waren Zwillinge. Als ein Krankenwärter sie aus dem Auto heben wollte, begann einer von ihnen zu schreien:
»Weg, geh weg. Mami, Papi!« Mit seinen Händchen wehrte er den Helfer ab.
»Nicht doch! Es ist alles gut.« Die Retter sprachen beruhigend auf den Kleinen ein. Es nützte nichts, er brüllte wie am Spieß. Man konnte ihn kaum festhalten, so wild schlug er um sich. Sein Bruder hingegen ließ alles willenlos mit sich geschehen.
Ein junger Arzt hatte sich des schreienden Kindes angenommen. »Nun ist aber Schluß«, befahl er energisch und hielt es von sich ab. »Du bist sicher ein lieber Junge, wenn du aber so brüllst, dann glaubt man das nicht.«
Es half nichts, das Schreien dauerte an.
»Hoffentlich hat der Kleine nicht einen Schock bekommen«, sagte der Krankenwärter.
»Wir nehmen die Jungen auf jeden Fall mit ins Krankenhaus«, entschied der Arzt.
Das hatte der Kleine verstanden. Noch heftiger begann er in den Armen des Arztes zu zappeln. Dabei schrie er erneut nach seinen Eltern.
»Arme Kinder«, meinte ein Polizist. »Wir haben Ausweispapiere gefunden. Es handelt sich um das Ehepaar Schönauer, wohnhaft in Frankfurt.«
»Was wird jetzt geschehen?« fragte der Arzt. Der Regen, der etwas nachgelassen hatte, wurde wieder stärker. »Die Kinder können nicht länger der Nässe ausgesetzt werden.«
»Nehmen Sie die beiden nur mit in die Klinik. Wir werden inzwischen Nachforschungen bezüglich näherer Verwandter anstellen.«
»Wie wäre es, wenn Sie Frau von Schoenecker benachrichtigen würden? Sie ist schon oft helfend eingesprungen. Im Krankenhaus wird kaum jemand Zeit haben, sich eingehend um die Kleinen zu kümmern. Es müßte aber geschehen, sonst ist ein dauerhafter seelischer Schaden nicht auszuschließen.« Der Arzt wandte sich wieder dem Jungen zu.
»Jetzt bist du ganz naß. Wir werden dir etwas Trockenes anziehen. Dazu gehen wir in den Krankenwagen.«
Die Schreie des Kleinen, die nicht mehr so gellend gewesen waren, wurden wieder lauter. Schluchzend und würgend stieß er ein »Nein« hervor.
Als der Arzt ihn trotzdem zum Krankenwagen trug, schrie er erneut nach seinen Eltern, dann: »Michael, Michael!« Seine Stimme überschlug sich fast, so brüllte er. Trotzdem hatte ihn der Arzt verstanden.
»Dein Bruder kommt doch auch mit. Sieh nur.« Er trat etwas zur Seite und ließ dem Krankenwärter mit dem anderen Kleinen, der noch immer leise vor sich hin wimmerte, den Vortritt.
»Michael!« Mit aller Kraft warf der kleine Bub sich seinem Bruder entgegen. Beinahe wäre er dem Arzt aus den Händen gerutscht.
»Du scheinst der Temperamentvollere zu sein«, meinte er und zog ihn wieder fester an sich.
Im Inneren des Krankenwagens spielte sich wieder die gleiche Szene ab. Michael, der ein rotes Hemdchen trug, ließ alles mit sich geschehen, der andere Kleine hingegen protestierte immer wieder lautstark. Er gab erst etwas Ruhe, als er dicht neben seinem Brüderchen saß und dessen Händ-chen in seinem hielt. Er versuchte sogar, diesen zu trösten. »Michael lieb, sehr lieb«, sagte er und wischte ihm die Tränen von den Wangen.
Als sie das Krankenhaus betraten, sah Michael sich mit großen Augen um, dann verzog er ängstlich sein Gesicht. Der andere brüllte wieder los. Der Arzt reichte ihn weiter an eine Krankenschwester, aber auch diese konnte ihn nicht beruhigen. Er antwortete auf keine Frage, nannte auch seinen Namen nicht. Michael begann erneut, leise vor sich hin zu weinen, auch bei ihm half kein Zureden mehr. Trotzdem wurden die Zwillinge, so gut es ging, untersucht. Man überzeugte sich davon, daß sie beim Unfall nicht verletzt worden waren.
Die Stationsschwester sowie der Oberarzt waren erleichtert, als Frau von Schoenecker kam. Denise von Schoenecker war am Maibacher Krankenhaus bestens bekannt. Sie verwaltete in der Nähe der Kreisstadt ein Kinderheim für ihren Sohn. Sie war dafür bekannt, daß es ihr stets gelang, das Vertrauen eines Kindes zu gewinnen. Sophienlust, so hieß das Kinderheim, wurde das Heim der glücklichen Kinder genannt.
»Wir schaffen es wieder einmal nicht«, sagte Dr. Schifko und reichte der aparten, jugendlich aussehenden Frau die Hand. »Der eine der beiden ist besonders temperamentvoll und lebhaft. Im Moment dürfte er aber nur trotzig sein.«
»Die Kinder haben Furchtbares erlebt«, sagte Denise voller Mitgefühl. Der Polizeikommissar hatte ihr am Telefon von dem schrecklichen Unfall erzählt. »Sie sind nun Waisen. Wie heißen sie?«
»Der eine heißt Michael. Der andere hat es uns noch nicht verraten.«
»Wie alt sind die beiden?« fragte Denise weiter.
»Sie dürften ungefähr zwei Jahre alt sein«, gab der Oberarzt Auskunft. Er hielt inne und horchte. »Hören Sie, jetzt brüllt er schon wieder. Er fängt sofort damit an, wenn ihm etwas nicht paßt.«
»Das werden wir gleich haben.« Denise ging auf die Tür zu, hinter der das Brüllen erklang. Sie drückte die Klinke nieder und trat ein. Die Kinderschwester sah hoch. Dies nützte der kleine Junge aus. Er entwischte ihren Händen und rannte zur Tür. Dort hielt Denise ihn fest.
»Du hast es aber eilig«, meinte sie. »Wohin willst du denn nur so schnell?«
»Weg! Laß los!« Zornig, aber mit feuchten Augen, blickte der Kleine zu ihr auf.
»Etwa ohne deinen Bruder? Das hätte ich nicht von dir gedacht.«
Denise nützte seine Verwirrtheit aus. Rasch fragte sie: »Wie heißt du?«
»Andreas«, antwortete der Kleine automatisch.
»Michael und Andreas.« Denise lächelte. »Du bis also der Andreas? Du willst dein Brüderchen beschützen, nicht wahr?«
»Ich… ja.« Andreas nickte heftig. »Wir wollen zu Papi und Mami.« Er schnupfte auf.
»Das geht nicht, aber ihr könnt mit zu mir kommen.« Denise hatte An-dreas wieder losgelassen. Freundlich sah sie ihn an.
»Mit dir? Wer bist du?« Neugierig musterte Andreas Denise. Offensichtlich gefiel sie ihm. Sein Mund verzog sich zu einem Lächeln.
Denise kniete sich auf den Boden. »Ich bin die Tante Isi. Kannst du das sagen?«
Andreas nickte, dann wiederholte er klar und deutlich: »Tante Isi.«
»Gut.« Denise hob die Hand und fuhr Andreas über das blonde Köpfchen.
Nun kam die Schwester näher. Sie rechnete mit Andreas’ Widerstand, aber nichts dergleichen geschah. Der Junge hielt still.
Dr. Schifko atmete erleichtert auf. Er nickte der Stationsschwester zu. In seinen Augen stand Bewunderung. Denise von Schoenecker hatte es wieder einmal geschafft. Der kleine Junge war zahm geworden.
Andreas drehte sich nach seinem Bruder um. »Michael auch«, forderte er.
»Michael, komm her!« Denise streckte die Hand nach dem anderen Kleinen aus. Er lehnte an der Wand. Noch immer weinte er still vor sich hin.
»Michael weint«, sagte Andreas.
»Ja«, bestätigte Denise. »Wollen wir ihn trösten?«
Wieder nickte Andreas. »Michael holen.« Er sah Denise an, wartete bis diese zustimmend nickte, dann drehte er sich um und tappte zu seinem Bruder hin. »Michael, komm!« Seine Stimme klang fordernd, und als Mi-chael darauf nicht reagierte, packte er ihn einfach am Arm und zog ihn mit – bis zu Denise hin. »Tante Isi ist da«, sagte er und ließ ihn los.
Michael sah nicht hoch, er schluchzte auf.
»Aufhören«, befahl Andreas. Er versetzte seinem Bruder einen Stoß.
Erschrocken verstummte Michael.
»Er ist lieb«, sagte Andreas und legte seinen Arm um die Schultern von Michael. »Sag doch, daß du lieb bist.«
»Lieb«, echote Michael.
Andreas nickte zufrieden und schaute abwartend auf Denise.
»Fein, nun sehe ich, daß ihr beide lieb seid.« Denise strich auch Mi- chael über das Haar.
Wieder nickte Andreas, dann verkündete er: »Und jetzt gehen wir zur Mami.«
Denise beugte sich hinunter und nahm ihn auf den Arm. Ehe sie etwas sagen konnte, forderte Andreas: »Michael auch, Michael ist auch lieb.«
»Natürlich.« Die Verwalterin des Kinderheims hob den zweiten Kleinen ebenso hoch und setzte sich mit den beiden auf einen Stuhl. Erstaunt stellte die Stationsschwester fest, daß Andreas seine Ärmchen zutraulich um Denises Hals schlang.
Denise zog die Kinder enger an sich, dann meinte sie: »Ich würde mich sehr freuen, wenn ihr mich begleiten würdet.«
»Mitgehen«, stimmte Andreas zu. Doch dann schränkte er ein. »Mami soll auch mitgehen.«
»Ich will