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Der Engel von Sophienlust: Sophienlust Bestseller 82 – Familienroman
Der Engel von Sophienlust: Sophienlust Bestseller 82 – Familienroman
Der Engel von Sophienlust: Sophienlust Bestseller 82 – Familienroman
eBook252 Seiten3 Stunden

Der Engel von Sophienlust: Sophienlust Bestseller 82 – Familienroman

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Über dieses E-Book

Der Sophienlust Bestseller darf als ein Höhepunkt dieser Erfolgsserie angesehen werden. Denise von Schoenecker ist eine Heldinnenfigur, die in diesen schönen Romanen so richtig zum Leben erwacht.
Das Kinderheim Sophienlust erfreut sich einer großen Beliebtheit und weist in den verschiedenen Ausgaben der Serie auf einen langen Erfolgsweg zurück. Denise von Schoenecker verwaltet das Erbe ihres Sohnes Nick, dem später einmal, mit Erreichen seiner Volljährigkeit, das Kinderheim Sophienlust gehören wird.

In Sophienlust hatte das Stimmungsbarometer den Tiefpunkt erreicht. So etwas war noch nie da gewesen, aber Grund genug war dafür vorhanden. Denise von Schoenecker hatte bei ihrem ersten Ausritt nach langer Zeit Pech gehabt. Soeben hatte Alexander von Schoenecker den versammelten Angestellten und Kindern eröffnet, dass sie sich den Arm gebrochen habe und einige Tage in der Klinik bleiben müsse. Danach würde noch eine längere Schonzeit nötig sein. Und das vierzehn Tage vor Carolas Hochzeit! Alle blickten betroffen drein. »Dann werden wir die Hochzeit halt noch mal verschieben müssen«, sagte Carola Dahm sehr gefasst zu ihrem Verlobten Wolfgang Rennert. Er nickte stumm, aber unwillkürlich blickte er zu dem schmucken Häus­chen hinüber, das nun schon einige Wochen auf sie wartete. Mit viel Liebe und der großzügigen Hilfe aller, die ihnen von Herzen zugetan waren, hatten sie es eingerichtet. »Es tut mir leid«, sagte Alexander von Schoenecker deprimiert. Er hatte nun auch einige Sorgen, mit denen er fertig werden musste. Die drei großen Kinder Sascha, Andrea und Dominik, zeigten sich gefasst, aber der kleine Henrik, der sich gerade im Trotzalter befand, schrie unentwegt nach seiner Mutti. Alexander machte sich bittere Vorwürfe. Er hatte Denise zu diesem Ausritt überredet. Tapfer und zuversichtlich wie immer, hatte sie ihn nach dem Sturz zu trösten versucht. »Es ist ja nicht so schlimm«, hatte sie gemeint, aber für sie alle war es doch schlimm genug.
SpracheDeutsch
HerausgeberKelter Media
Erscheinungsdatum24. Jan. 2023
ISBN9783987572838
Der Engel von Sophienlust: Sophienlust Bestseller 82 – Familienroman

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    Buchvorschau

    Der Engel von Sophienlust - Patricia Vandenberg

    Sophienlust Bestseller

    – 82 –

    Der Engel von Sophienlust

    Caroline kannte keinen Eigennutz

    Patricia Vandenberg

    In Sophienlust hatte das Stimmungsbarometer den Tiefpunkt erreicht. So etwas war noch nie da gewesen, aber Grund genug war dafür vorhanden. Denise von Schoenecker hatte bei ihrem ersten Ausritt nach langer Zeit Pech gehabt. Soeben hatte Alexander von Schoenecker den versammelten Angestellten und Kindern eröffnet, dass sie sich den Arm gebrochen habe und einige Tage in der Klinik bleiben müsse. Danach würde noch eine längere Schonzeit nötig sein.

    Und das vierzehn Tage vor Carolas Hochzeit! Alle blickten betroffen drein.

    »Dann werden wir die Hochzeit halt noch mal verschieben müssen«, sagte Carola Dahm sehr gefasst zu ihrem Verlobten Wolfgang Rennert.

    Er nickte stumm, aber unwillkürlich blickte er zu dem schmucken Häus­chen hinüber, das nun schon einige Wochen auf sie wartete. Mit viel Liebe und der großzügigen Hilfe aller, die ihnen von Herzen zugetan waren, hatten sie es eingerichtet.

    »Es tut mir leid«, sagte Alexander von Schoenecker deprimiert. Er hatte nun auch einige Sorgen, mit denen er fertig werden musste. Die drei großen Kinder Sascha, Andrea und Dominik, zeigten sich gefasst, aber der kleine Henrik, der sich gerade im Trotzalter befand, schrie unentwegt nach seiner Mutti.

    Alexander machte sich bittere Vorwürfe. Er hatte Denise zu diesem Ausritt überredet. Tapfer und zuversichtlich wie immer, hatte sie ihn nach dem Sturz zu trösten versucht. »Es ist ja nicht so schlimm«, hatte sie gemeint, aber für sie alle war es doch schlimm genug.

    Alexander nahm Henrik auf den Arm und redete beschwichtigend auf ihn ein. »Wir fahren ja zu Mutti, und bald ist sie wieder bei uns.«

    »Gleich soll sie kommen«, schluchzte der Kleine. »Alle Pferde bös!«

    Als sie dann in der Klinik an Denises Bett saßen, starrte er, plötzlich verstummt, mit tränenfeuchten Augen auf den geschienten Arm.

    »Sie werden die Hochzeit verschieben«, sagte Alexander beklommen.

    »Das kommt gar nicht infrage«, begehrte Denise auf. »Zweimal verschieben ist genug, ein drittes Mal wird sie nicht verschoben. In vierzehn Tagen bin ich längst wieder in Ordnung. Carola und Wolfgang sollen ihre Hochzeit mit allem Drum und Dran feiern und anschließend eine schöne Hochzeitsreise machen. Sie haben es sich redlich verdient.«

    Alexander hatte befürchtet, dass sie so reagieren würde. Er kannte seine Frau. Selbst in einer solchen Situation ließ sie sich nicht so leicht etwas ausreden.

    »Nun lass nicht gleich den Kopf hängen, Alexander!«, tröstete sie ihn. »Und mach dir keine Vorwürfe! Es war eben Pech. Es ist ja nur ein glatter Bruch. Und unser Henrik ist auch schön lieb, sonst dauert es nur länger, bis Mutti wieder daheim ist.«

    Das verstand der Kleine. Die Tränen versiegten. Liebevoll streichelte er Denises Wange und versprach: »Henrik ist ganz lieb. Dann kommt Mutti schnell wieder heim.«

    Wie sie es nur immer verstand, die aufgeregten Gemüter zu beruhigen und Ruhe zu stiften! Zärtlich und bewundernd küsste Alexander seine Frau.

    »Immer wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her.« Sie lächelte. »Du weißt es doch, Liebster!«

    Doch diesmal nützte der Glaube allein nichts. Diesmal musste schon etwas geschehen, sollte alles wie gewohnt weiterlaufen. Denise konnte ihre Arbeit mit dem gebrochenen Arm unmöglich bewältigen.

    Kurz entschlossen gab Alexander eine Annonce auf.

    *

    Weit entfernt von Sophienlust, von dem sie noch nie etwas gehört hatte, saß Caroline Ruprecht vor ihrer Schreibmaschine in der Kanzlei des Rechtsanwaltes Dr. Wend. Mit schnellen, geübten Fingern schrieb sie das Diktat, das er auf Band gesprochen hatte. Immer wieder ertappte sie sich dabei, dass sie viel zu intensiv seiner Stimme nachlauschte.

    Caroline war ein schüchternes Mädchen mit dichtem braunem Haar und schönen braunen Augen. Aber sie hatte wenig Selbstbewusstsein. Oft hatte sie sich schon gesagt, dass ein Mann wie Gerhard Wend unerreichbar für sie sei. Doch was nützte ihr diese Erkenntnis, da sie zum ersten Mal bis über beide Ohren verliebt war? Die Tatsache, dass es auch noch eine Carmen Gebhard gab, die schön, elegant und ungemein selbstbewusst war, schmerzte nur zusätzlich.

    Dunkle Glut schoss in Carolines Wangen, als sich die Tür auftat und der Anwalt, von dem sie träumte, eintrat.

    Dr. Gerhard Wend hatte schon mehr als ein Frauenherz betört. Er war der Typ, dem keine Frau widerstehen konnte, und er wusste das auch.

    Caroline wurde von einem Lächeln irritiert, wie er es ihr noch niemals geschenkt hatte. Ihre Verwirrung vertiefte sich, als er ganz dicht zu ihr herantrat und seine Hand auf ihre Schulter legte.

    »So viel Fleiß muss belohnt werden«, sagte er leichthin, obgleich er gar nicht auf die Maschine schaute, sondern in ihre Augen. »Haben Sie heute etwas vor, Caroline?«

    Er nannte sie beim Vornamen. Er sah sie so an, dass der Boden unter ihr zu schwanken begann. Er fragte, ob sie etwas vorhätte! Sie konnte nur den Kopf schütteln. Das tat sie zwar unbewusst, aber er nahm es als Antwort auf seine Frage.

    »Darf ich Sie dann zum Essen einladen?«, fragte er ohne Umschweife.

    »Mich?«, erwiderte sie fassungslos.

    »Sonst ist doch wohl niemand hier«, entgegnete er charmant. »Oder täusche ich mich? Nun, bekomme ich einen Korb?«

    Wieder schüttelte Caroline unbewusst den Kopf. Sie war viel zu verstört, als dass sie seine Worte für bare Münze genommen hätte.

    »Ich hole Sie gegen sieben Uhr ab«, erklärte er. »Für heute ist die Arbeit beendet, Caroline.«

    Sie wusste nicht, wie ihr geschah. Die Tür hatte sich schon wieder hinter ihm geschlossen, doch sie vermeinte noch immer den Druck seiner Hand auf ihrer Schulter zu verspüren.

    Das konnte doch nur ein Traum und niemals Wirklichkeit sein! Er hatte sie zum Essen eingeladen. Er wollte sie abholen. Der Mann ihrer Träume hatte Notiz von ihr genommen!

    Benommen erhob sich Caroline und blickte in den Spiegel. Dr. Gerhard Wend wollte mit ihr ausgehen. Es war einfach nicht zu begreifen.

    Wie spät war es? Schon fünf Uhr! Ob sie beim Friseur noch angenommen wurde? Und was sollte sie anziehen? Sie war so aufgeregt, wie es nur ein Mädchen sein konnte, dessen heimliche Wünsche plötzlich in Erfüllung gingen.

    *

    So übel ist sie gar nicht, dachte Gerhard Wend, als er Caroline gegenübersaß. Man kann sich an sie gewöhnen. Was ihn bewegte, verbarg er hinter einer lächelnden Miene.

    Caroline hielt den Blick gesenkt. Sie dachte: Er ist tatsächlich gekommen. Er hat sich nicht nur einen Scherz mit mir erlaubt. Pünktlich ist er auch gewesen. Niemals werde ich den Blick vergessen, mit dem Frau Hübner uns nachgeschaut hat!

    Das elegante Lokal, in das er sie geführt hatte, schüchterte Caroline ein. Doch schon nach dem ersten Schluck Wein fühlte sie sich wie im siebten Himmel.

    Vielleicht war sie gar nicht so hässlich, wie sie immer geglaubt hatte, vielleicht bedeuteten ihm Äußerlichkeiten gar nicht so viel? Jedenfalls war er so liebenswürdig, wie sie es sich selbst in ihren kühnsten Träumen nicht vorzustellen gewagt hätte.

    »Sie sind reizend, Caroline«, hörte sie ihn sagen, doch ausgerechnet da brachte der Ober das Essen. Es war delikat, aber das war ihr augenblicklich ziemlich gleichgültig. Immer wieder musste sie ihn ansehen. Sie hoffte nur, dass es nicht auffiel.

    Sie ist in mich verliebt, dachte Gerhard Wend zufrieden. Etwas Bessseres konnte mir gar nicht passieren. Komisch, dass ich das vorher nie bemerkt habe. Aber wie sollte ich auch. Sie war doch für mich bis zum heutigen Tag nur ein Fräulein Niemand.

    Carolines Glück war vollkommen, als Dr. Wend sie später noch in ein Tanzlokal führte. Sie vergaß die Welt, die elegant gekleideten Frauen, ja, selbst Carmen Gebhard, denn er hielt sie im Arm und flüsterte ihr zärtliche Worte ins Ohr.

    Als sie dann in seinem Wagen saß, der lautlos dahinglitt, fragte er mit

    belegter Stimme: »Könnten Sie sich vorstellen, mich zu heiraten, Caroline?«

    Ihr wäre es lieber gewesen, wenn er diese Frage zu einer anderen Zeit, an einem anderen Ort gestellt hätte. Aber wozu sollte sie darüber nachdenken? Das Glück, das sie empfand, sprengte ihr fast die Brust. Natürlich brachte sie kein Wort über die Lippen.

    »Es kommt dir sicher überraschend, kleine Caroline«, flüsterte er ihr zu. »Aber irgendwann hättest du ja spüren müssen, was du mir bedeutest.«

    Wann hätte sie es spüren sollen, hätte sie sich fragen müssen. Wenn Carmen anrief oder wenn sie schmerz­erfüllt mitansehen musste, dass sie ihn abholte? Wenn er durch sie Blumen für diese schöne Frau bestellen ließ?

    »Und Carmen Gebhard?«, fragte sie gepresst.

    »Schäfchen«, lachte er leise, »sie ist eine alte Freundin, sonst nichts. Sie wird sich freuen, dass ich eine so reizende Frau bekomme. Du wirst mir doch keinen Korb geben, Caroline?«

    Sie waren schon bei ihrer Wohnung angelangt. Er ließ den Wagen ausrollen und legte den Arm um sie. Nicht der leiseste Argwohn kam ihr, als er sie küsste. Ihr erster Kuss! Dabei war sie bereits einundzwanzig Jahre alt. Sie hatte keine Ahnung von Männern und keine davon, wie Männer küssten, die eben einem Mädchen einen Heiratsantrag gemacht hatten. Für sie war dieser Kuss eine Offenbarung.

    »Ich kann es noch nicht glauben, dass du mich liebst«, flüsterte sie scheu.

    »Dann wirst du dich ganz schnell daran gewöhnen müssen, mein Schatz«, lächelte er. »Ich will nämlich nicht lange warten.«

    Wie auf Wolken schritt sie dahin, ein glückliches Lächeln auf ihrem jungen Gesicht, als er sich schnell von ihr verabschiedete, damit sie nur ja nicht zu spät ins Bett käme. Denn morgen früh wollte er sie frisch und munter vor sich sehen.

    »Was soll ich ohne dich machen«, hatte er gesagt, und diese Worte klangen in ihren Ohren noch immer wie Musik.

    *

    »Sie sehen heute aber hübsch aus«, stellte Frau Hübner fest, als Caroline mit einem freundlichen Gruß an ihr vorbeieilte.

    Caroline mochte ihre Wirtin wegen dieses Komplimentes an diesem Tag doppelt gern. Ich bin glücklich, dachte sie. Man sagt doch, dass Liebe jede Frau verschönt. Und Gerhard Wend liebte sie. Er wollte sie heiraten. Mehr Glück gab es gar nicht. Der Himmel schien das ebenfalls zu wissen. Hell strahlte die Morgensonne auf Caroline herab. Sie war viel früher als sonst. Aber sie wollte ja auch noch ein paar Blumen für seinen Schreibtisch besorgen. Irgendwie musste sie ihm doch zeigen, wie glücklich sie war.

    »Drei rote Rosen, ein zarter Kuss.« Onkel Heinrich hatte es früher immer gesungen. Komisch, dass sie heute ausgerechnet an ihn denken musste, obgleich sie doch schon so lange nichts mehr von ihm gehört hatte. Aber wenn man verliebt war, kamen einem wohl die seltsamsten Gedanken.

    Sie kaufte drei rote Rosen und dachte dabei, wie gut es doch war, dass sie immer so gespart hatte. Ganz arm brauchte sie nun auch nicht in die Ehe zu gehen. Für eine kleine Aussteuer reichte ihr Bankkonto schon.

    Sie wunderte sich nicht, dass die Tür zur Kanzlei unverschlossen war, denn die Zugehfrau vergaß das Zuschließen oft. Sehr gewissenhaft verschloss Caroline deswegen immer die Schränke. Eigentlich hätte Dr. Wend doch einmal ein ernstes Wörtchen mit der guten Frau reden müssen, überlegte sie. Aber dann wurde ihr bewusst, dass er nun nicht mehr Dr. Wend für sie war, sondern Gerhard, ihr zukünftiger Mann.

    Jäh wurde Caroline diesem berauschenden Gedanken entrissen, als sie eine tiefe Männerstimme vernahm, die sie nicht kannte.

    »Du musst es ihr sagen, Gerd!«, hörte sie erregt eine Stimme sagen. »Ich habe meine Verpflichtungen einzuhalten.«

    »Aber versteh mich doch!«, antwortete nun die vertraute Stimme von Gerhard Wend. »Caroline würde glauben, dass ich sie nur wegen dieser Erbschaft heiraten will. Sie ist ein sehr empfindsames Mädchen.«

    »Ich wusste gar nicht, dass du so altmodisch bist«, erwiderte die ihr unbekannte Stimme. »Geld beruhigt. Es wird auch für sie eine freudige Überraschung sein, dass sie eine reiche Erbin ist. Aber was ist eigentlich mit Carmen? Du bist doch sehr eng liiert mit ihr. Sei mir nicht böse, aber ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass du einem unbedeutenden kleinen Mädchen den Vorzug gibst. Du hast dich doch nicht etwa erst gestern für sie entschieden, nachdem ich dir sagte, wie reich sie sein wird?«

    Es klang sehr misstrauisch, und um Caroline begann sich alles zu drehen. Es war in ihr Bewusstsein gedrungen, dass sie eine reiche Erbin sein sollte, und plötzlich war ihr Traum vom großen Glück und der wahren Liebe vorbei.

    Gerhard Wend hatte sie zum Narren gehalten, weil er vor ihr gewusst hatte, dass sie viel Geld geerbt hatte. Die Rosen fielen Caroline aus der Hand, direkt in den Papierkorb. Es war fast symbolisch.

    Nicht eine einzige Sekunde überlegte sie noch. Wie gehetzt lief sie davon. Der Himmel schien sich verdunkelt zu haben, als sie auf der Straße stand.

    Fort, nur fort, war ihr einziger Gedanke. Nie mehr wollte sie diesem Mann begegnen, der ihr Liebe vorgetäuscht hatte. Warum war sie nur so dumm gewesen, ihm auch nur einen Augenblick zu glauben?

    Frau Hübner war zu Tode erschrocken, als sie an ihr vorbei in ihr Zimmer lief, in dieses bescheidene Zimmer, in dem sie ein Jahr gewohnt hatte.

    Mit bebenden Händen packte sie ein paar Sachen ein. Kaum ihrer Sinne mächtig, erklärte sie, als Frau Hübner an ihre Tür klopfte: »Ich muss dringend verreisen. Ich gebe Ihnen Nachricht, sobald es möglich ist.«

    »Aber wie sehen Sie denn aus, Kindchen?«

    Caroline gab keine Antwort. Hart schlug die Tür hinter ihr ins Schloss. Sie hatte das Gefühl, dass alles nur ein böser Traum sei, dennoch trieb sie eine zwingende Kraft vorwärts. Vom nächsten Taxistand ließ sie sich zum Bahnhof fahren. Völlig erschöpft erreichte sie einen Zug, für den eben das Abfahrtssignal gegeben wurde, ohne dass sie dessen Ziel kannte.

    Mutlos sank sie auf den Sitz. Sie war ganz allein in diesem Abteil, und als ihr dies bewusst wurde, kam sie wieder zu sich.

    Es war alles Lüge, dachte sie, und die wallenden Nebel vor ihren Augen lichteten sich. Was bedeutete ihr jetzt eine Erbschaft, da sie aller Illusionen beraubt worden war? Was bedeutete ihr Geld? Aber ihm musste es etwas bedeutet haben.

    Auf dem gegenüberliegenden Sitz lag eine Zeitung. Eine fettgedruckte Annonce erregte Carolines Interesse. Sie las:

    Perfekte Bürokraft dringendst gesucht. Persönliche Vorstellung im Kinderheim Sophienlust erbeten.

    »Die Fahrkarte, bitte!«, sagte im gleichen Augenblick jemand zu ihr.

    Erschrocken blickte Caroline den Mann in der blauen Uniform an. »Ich habe keine«, stammelte sie. »Es ging so rasch.«

    »Und wohin wollen Sie?«

    Wohin wollte sie? Wusste sie es?

    »Nach Sophienlust«, erwiderte sie mechanisch.

    Hilfe suchend nahm Caroline die Zeitung zur Hand. »Dahin will ich«, flüsterte sie mit tränenerstickter Stimme und deutete auf die Annonce.

    *

    Mit väterlichen Ermahnungen, die Station nicht zu verpassen, hatte der freundliche Schaffner ihr die Fahrkarte ausgehändigt.

    Verrückt war das, was sie so impulsiv beschlossen hatte. Alles war verrückt. Ihre Welt war aus den Fugen geraten.

    Caroline presste ihre Fingernägel in die Handfläche. Ganz fest. Der Schmerz machte ihr bewusst, dass sie nicht mehr träumte. Der Traum war zu Ende, seit ihr die schmerzhafte Wahrheit bewusst geworden war.

    Die sechste Station, hatte der Schaffner gesagt. Fünfmal hatte der Zug bereits gehalten. Caroline hatte es im Unterbewusstsein registriert. Noch fuhr er ratternd durch den Wald, dann tauchten Häuser auf und rauchende Schornsteine. Caroline stand auf. Ein harter Ruck warf sie auf die Bank zurück. Der Zug hielt. Sie brauchte einige Sekunden, bis sie es begriffen hatte.

    Ein schriller Pfeifton zerriss die Stille, als sie ausstieg. Ein vorwurfsvoller Blick traf sie, als sie schwankend auf dem Bahnsteig stand.

    »Nächstes Mal etwas schneller bitte, Fräulein!«, ermahnte sie eine ihr fremde Stimme, dann setzte sich der Zug wieder in Bewegung.

    Caroline trat ins Freie.

    Autobusse und Personenwagen standen auf dem Bahnhofsplatz. Ein älterer Herr lief ihr in den Weg.

    »Können Sie mir bitte sagen, wie ich zum Kinderheim Sophienlust komme?«, hörte Caroline sich mit fremder Stimme fragen.

    Der Mann zuckte die Schultern und ging an ihr vorbei. Dafür stand ein kleiner Junge plötzlich an ihrer Seite.

    »Sie wollen auch nach Sophienlust?«, fragte er. »Mein Papi will mich dorthin bringen. Ist es schön dort?«

    Caroline wusste es nicht. Es war ihr auch völlig gleichgültig. Man suchte eine Bürokraft, und vielleicht bekam sie die Stellung. Aber die klaren Kinderaugen blickten sie erwartungsvoll an, und plötzlich fühlte sie sich nicht mehr so entsetzlich einsam. Es war ein Kinderheim. Kinder waren nicht verlogen.

    »Wie heißt du?«, fragte sie wie unter einem Zwang.

    »Felix«, erwiderte der Junge. »Felix Niklas. Dort kommt mein Vati. Wollen Sie mit uns fahren?«

    Bevor Caroline noch etwas erwidern konnte, stand der Vater des Jungen vor ihr. Sie sah in ein ernstes, markantes Männergesicht, in helle, forschende Augen, die die gleiche Farbe hatten wie die des Jungen.

    »Die Dame möchte auch nach Sophienlust, Papi«, hörte sie wie von weit entfernt.

    »Entschuldigen Sie, bitte«, wandte sie sich dem Herrn zu. »Ich will nicht aufdringlich sein, aber ich weiß nicht, wie ich nach Sophienlust komme.«

    Noch ein abschätzender Blick umfing sie, dann erwiderte der Herr: »Sie können gern mit uns fahren.«

    Er steuerte auf einen großen grauen Wagen zu. Caroline folgte ihm. Der Junge trippelte neben ihr her. Als der Mann die Wagentür öffnete, setzte sich der Junge neben sie.

    »Haben Sie auch ein Kind in Sophienlust?«, fragte er.

    Caroline schüttelte den Kopf. »Ich suche eine Stellung«, erwiderte sie tonlos.

    »Dann bleiben Sie immer dort?«, fragte der Junge interessiert.

    »Wenn ich die Stellung bekomme, ja«, antwortete sie.

    »Was ist das für eine Stellung?«, wollte er wissen.

    »Sei doch nicht so neugierig, Felix!«, mischte sich der Vater des

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