In einer anderen Welt: Dr. Norden 4 – Arztroman
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Patricia Vandenberg ist die Begründerin von "Dr. Norden", der erfolgreichsten Arztromanserie deutscher Sprache, von "Dr. Laurin", "Sophienlust" und "Im Sonnenwinkel". Ohne ihre Pionierarbeit wäre der Roman nicht das geworden, was er heute ist.
»Jan Norden besucht die elfte Klasse des Gymnasiums. In diesem Schuljahr hat seine Schule ein einwöchiges Praktikum vorgesehen, und er hat sich dazu entschlossen, es bei uns zu absolvieren«, erklärte Schwester Elena den Kolleginnen und Kollegen, die sie an diesem Morgen im Schwesternzimmer zusammengerufen hatte. Lernschwester Caro schickte dem jungen Mann mit den dunklen Haaren und der schwarzen Brille einen verstohlenen Blick. Als er offen zurücksah, schoss ihr das Blut in die Wangen. Schnell schaute sie wieder weg und beugte sich hinüber zu ihrem Kollegen. »Ist das nicht der Sohn der Pädiatrie-Chefin?«, raunte sie ihm zu. Im selben Atemzug traf sie der strafende Blick der Schwester. »Um sämtliche Gerüchte gleich im Keim zu ersticken: Jan hat sich hochoffiziell beworben und wurde aus einer Reihe von Kandidaten ausgewählt.« »Natürlich. Auf eine andere Idee wären wir gar nicht gekommen«, versicherte Caroline. Diesmal war sie schon mutiger. Sie schickte Jan ein süßes Lächeln. Doch der dachte gar nicht daran, sich irritieren zu lassen. »Dann auf gute Zusammenarbeit!« Er deutete eine Verbeugung an. Die versammelten Kollegen tauschten teils belustigte, teils verdutzte Blicke. »Willst du denn auch Arzt werden?«
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Dr. Norden
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Buchvorschau
In einer anderen Welt - Patricia Vandenberg
Dr. Norden
– 4 –
In einer anderen Welt
Janni Nordens bittersüße erste Liebe
Patricia Vandenberg
»Jan Norden besucht die elfte Klasse des Gymnasiums. In diesem Schuljahr hat seine Schule ein einwöchiges Praktikum vorgesehen, und er hat sich dazu entschlossen, es bei uns zu absolvieren«, erklärte Schwester Elena den Kolleginnen und Kollegen, die sie an diesem Morgen im Schwesternzimmer zusammengerufen hatte.
Lernschwester Caro schickte dem jungen Mann mit den dunklen Haaren und der schwarzen Brille einen verstohlenen Blick. Als er offen zurücksah, schoss ihr das Blut in die Wangen.
Schnell schaute sie wieder weg und beugte sich hinüber zu ihrem Kollegen.
»Ist das nicht der Sohn der Pädiatrie-Chefin?«, raunte sie ihm zu.
Im selben Atemzug traf sie der strafende Blick der Schwester.
»Um sämtliche Gerüchte gleich im Keim zu ersticken: Jan hat sich hochoffiziell beworben und wurde aus einer Reihe von Kandidaten ausgewählt.«
»Natürlich. Auf eine andere Idee wären wir gar nicht gekommen«, versicherte Caroline. Diesmal war sie schon mutiger. Sie schickte Jan ein süßes Lächeln.
Doch der dachte gar nicht daran, sich irritieren zu lassen.
»Dann auf gute Zusammenarbeit!« Er deutete eine Verbeugung an.
Die versammelten Kollegen tauschten teils belustigte, teils verdutzte Blicke.
»Willst du denn auch Arzt werden?«, fragte Schwester Gabi.
Ohne auch nur eine Sekunde nachzudenken, schüttelte der jüngste Spross der Familie Norden entschieden den Kopf.
»Ich bewundere Menschen, die sich in den Dienst der Gesundheit stellen und ihr Handeln moralischen und ethischen Grundsätzen unterwerfen. Aber drei Mediziner in einer Familie sind mehr als genug, wie ich finde.«
»Und warum machst du dann ausgerechnet in unserer Klinik ein Praktikum?« Die nächste, durchaus berechtigte Frage, ließ nicht lange auf sich warten. Ebenso wenig wie die Antwort.
»Als Sohn eines Allgemeinarztes und einer psychologisch vorgebildeten Kinderärztin sehe ich es als meine Pflicht, mir ein eigenes Bild über diesen Beruf zu machen.«
»Du wirst doch sicher von morgens bis abends mit Krankengeschichten bombardiert?«, mischte sich Caro in das Gespräch ein.
Mit diesem Verhör hatte Janni nicht gerechnet. Er schob seine schwarz gerahmte Brille zurecht und nahm die Lernschwesteter ins Visier.
»Selbstverständlich drehen sich viele Gespräche in unserem Haus um die Medizin. Allerdings sind für den Zuhörer Wissen, Erkenntnisse und Fähigkeiten, die auf den Erfahrungen anderer basieren, keine Erfahrungen im engeren Sinne, sondern bloß abstraktes Wissen. Daher bedarf es selbst gewonnener, unmittelbarer Erkenntnisse, um die Ausbildung von Emotionen, Motivationen und Willensentscheidungen anzuregen.«
Mit wachsender Belustigung hatte Schwester Elena den Ausführungen des Gymnasiasten gelauscht. Sie kannte die Nordens gut genug, um zu wissen, dass der Computerfreak Janni von seiner Familie auch gern ›Professor‹ genannt wurde. Auch an diesem Morgen wurde er dieser Rolle voll und ganz gerecht.
Um dem unterdrückten Kichern und Raunen der Kollegen ein Ende zu bereiten, traf Elena eine Entscheidung.
»Gabi, du führst Jan bitte herum und zeigt ihm alles.« In ihre Worte hinein klingelte das Telefon. Sie bat die beiden zu warten, und nahm das Gespräch an. Es dauert nur kurz.
»Planänderung!« Sie schnitt eine Grimasse. »Gerade wird wieder einmal eine unserer Lieblingspatientinnen eingeliefert. Wir wollen doch mal sehen, ob ein junger Mann sie besänftigen kann.«
»Nicht schon wieder Frau Barmbichler.« Lernschwester Caro verdrehte die Augen.
»Was ist mit ihr?«, erkundigte sich Janni neugierig.
»Das wirst du gleich selbst erleben«, unkte Schwester Gabi und winkte den neuen Praktikanten mit sich.
*
Als sich Dr. Daniel Norden an diesem Morgen der Praxis näherte, war er in ein angeregtes Gespräch vertieft.
» … wo der Zettel für die Reinigung geblieben ist. Wenn ich in der Praxis bin, sehe ich mal nach, ob ich ihn versehentlich in den Geldbeutel gesteckt habe«, versprach er. Es war bitterkalt, und der Atem stand in keinen Wölkchen vor seinem Mund. Er wollte gerade fortfahren, als sein Blick auf eine Gestalt fiel, die zusammengekauert neben dem Eingang saß. Allein der Gedanke an den kalten Boden ließ ihn frösteln. »Ich muss aufhören, Feelein. Ich melde mich später wieder.« Schnell verabschiedete er sich von seiner Frau. Er steckte das Mobiltelefon ein und blieb vor dem Besucher stehen.
Die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, war er eingemummelt in einen Parka, unter dem zwei knochige Knie hervorlugten. Die Jeans war schmutzig und zerrissen. Auf einem Knie hatte sich ein feuchter Fleck ausgebreitet. Unsichtbare Finger nestelten an etwas, das in grauer Vorzeit einmal ein Stofftier gewesen sein mochte. Daniel Norden dachte kurz nach. Dann bückte er sich.
»Hallo. Kann ich etwas für Sie tun?«
Er bekam keine Antwort. Das Bündel regte sich nicht. Nur die Finger fuhren rastlos durch das struppige Fell des Tieres.
»Hören Sie mich? Mein Name ist Norden. Ich bin Arzt. Kann ich Ihnen irgendwie helfen?«, wiederholte er sein Angebot.
Endlich kam eine zweite Hand zum Vorschein. Auch sie war zerkratzt und blutig. Sie schlüpfte aus dem Ärmel und kletterte hoch zur Kapuze. Das graue Licht des noch jungen Tages fiel in zwei riesige Augen. Sie lugten nach rechts und links, ehe sie sich an Dr. Nordens Mund festsaugten.
Jetzt bestätigte sich seine Ahnung: Er hatte es mit einem Mädchen zu tun. Dem Aussehen nach zu schließen musste sie um die fünfzehn Jahre alt sein. Noch immer sprach sie kein Wort.
Daniel beschloss, ihr Schweigen zu ignorieren.
»Du bist verletzt. Was ist passiert?« Er streckte die Hände aus und schob behutsam die Kapuze weiter zurück. Das, was er zu sehen bekam, war nicht dazu angetan, ihn zu beruhigen. An ihrer Stirn prangte eine Platzwunde. Eingetrocknetes Blut klebte an Stirn und Wange. Es war offensichtlich, dass sie gestürzt war.
Das Mädchen zuckte zurück und drängte sich noch tiefer in die Ecke. Mit immer hektischeren Bewegungen zauste sie das Stofftier.
»Ganz ruhig. Ich tue dir nichts«, redete Dr. Norden beschwörend auf sie ein. »Du bist verletzt. Wenn du mit mir in die Praxis kommst, helfe ich dir.«
Wieder bekam er keine Antwort. Daniel überlegte kurz. Dann richtete er sich auf.
»Wenn du nicht mit mir sprechen willst, kann ich dich nicht zwingen. Ich gehe jetzt in die Praxis. Falls du es dir anders überlegst, weißt du, wo du mich finden kannst.« Scheinbar ungerührt nickte er ihr zu und ging auf die Tür zu. Plötzlich hörte er hinter sich ein Rascheln. Er blieb stehen und drehte sich um. Das