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Im Herzen die Sehnsucht: Leni Behrendt Bestseller 35 – Liebesroman
Im Herzen die Sehnsucht: Leni Behrendt Bestseller 35 – Liebesroman
Im Herzen die Sehnsucht: Leni Behrendt Bestseller 35 – Liebesroman
eBook253 Seiten3 Stunden

Im Herzen die Sehnsucht: Leni Behrendt Bestseller 35 – Liebesroman

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Über dieses E-Book

Leni Behrendt nimmt längst den Rang eines Klassikers der Gegenwart ein. Mit großem Einfühlungsvermögen charakterisiert sie Land und Leute. Über allem steht die Liebe. Leni Behrendt entwickelt Frauenschicksale, wie sie eindrucksvoller nicht gestaltet werden können.

Noch brütete die Hitze des Junitages über dem abendstillen Wald. Dunkel war es darin und unheimlich. Wie drohende Wächter standen die hohen Bäume rechts und links der Asphaltchaussee, auf deren hartem Boden Pferdehufe klapperten. Der Reiter mußte schon über ein falkenscharfes Auge verfügen, um sein Roß durch die Düsternis lenken zu können. Dicht daneben huschte es wie ein Schatten, unhörbar und geisterhaft. Ab und zu knackte es im Unterholz, Käuzchen klagten, in der Ferne heulte ein Hund. Das alles mutete so schauerlich an, daß einem furchtsamen Gemüt wohl das kalte Gruseln über den Rücken gejagt wäre. Allein der Reiter schien nicht so furchtsam zu sein; er pfiff vergnügt vor sich hin. tut es Rheinwein morgen…« entquollen die Töne melodisch den gespitzten Lippen. Munter klapperten die Hufe dazu, das Sattelzeug knirschte, das Roß schnaubte, und der Schatten daneben blaffte freudig auf. und hin ist hin…« ging die fröhliche Weise weiter. Es machte dem Dreigespann auch gar nichts aus, als es jetzt von dem dunkelverhangenen Himmel zu sprühen begann, leicht und nieselnd, fast wie der Niedergang eines Nebels. Unverdrossen setzte man wohl noch zehn Minuten lang seinen Weg fort, dann war der Wald zu Ende und ein weites Tal tat sich auf. Lichtlein blinkten in der Ferne, schienen die drei unverzagten Wanderer wie tröstend zu grüßen. Auf das nächste lenkte der Reiter zu und hielt bald darauf vor einem Haus, über das er den grellen Scheinwerfer seiner Taschenlampe gleiten ließ. Zum Lindenwirt, stand da einladend über der Tür, also gerade das, was der Mann suchte. Er saß ab, schlang den Zügel des Pferdes um die Eisenstange, die für derartige Zwecke angebracht war, und betrat dann den Flur, gefolgt von dem Schatten, der sich nun bei Licht als eine prächtige silbergraue Dogge entpuppte. »Guten Abend«
SpracheDeutsch
HerausgeberKelter Media
Erscheinungsdatum31. Mai 2022
ISBN9783740994198
Im Herzen die Sehnsucht: Leni Behrendt Bestseller 35 – Liebesroman

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    Buchvorschau

    Im Herzen die Sehnsucht - Leni Behrendt

    Leni Behrendt Bestseller

    – 35 –

    Im Herzen die Sehnsucht

    Es ritt in Prinz durch die Lande

    Leni Behrendt

    Es ritt ein Prinz durch die Lande,

    suchte die Prinzessin traut,

    bis er sie fand, manch ein Tag sich neigte,

    und manch ein Morgen wieder graut’…

    Noch brütete die Hitze des Junitages über dem abendstillen Wald. Dunkel war es darin und unheimlich. Wie drohende Wächter standen die hohen Bäume rechts und links der Asphaltchaussee, auf deren hartem Boden Pferdehufe klapperten. Der Reiter mußte schon über ein falkenscharfes Auge verfügen, um sein Roß durch die Düsternis lenken zu können. Dicht daneben huschte es wie ein Schatten, unhörbar und geisterhaft. Ab und zu knackte es im Unterholz, Käuzchen klagten, in der Ferne heulte ein Hund. Das alles mutete so schauerlich an, daß einem furchtsamen Gemüt wohl das kalte Gruseln über den Rücken gejagt wäre.

    Allein der Reiter schien nicht so furchtsam zu sein; er pfiff vergnügt vor sich hin.

    »Bin ein fahrender Gesell,

    kenne keine Sorgen,

    labt mich heut der Felsenquell,

    tut es Rheinwein morgen…«

    entquollen die Töne melodisch den gespitzten Lippen. Munter klapperten die Hufe dazu, das Sattelzeug knirschte, das Roß schnaubte, und der Schatten daneben blaffte freudig auf.

    »Nur immer lustig Blut

    und froher Sinn,

    denn futsch ist futsch,

    und hin ist hin…«

    ging die fröhliche Weise weiter. Es machte dem Dreigespann auch gar nichts aus, als es jetzt von dem dunkelverhangenen Himmel zu sprühen begann, leicht und nieselnd, fast wie der Niedergang eines Nebels.

    Unverdrossen setzte man wohl noch zehn Minuten lang seinen Weg fort, dann war der Wald zu Ende und ein weites Tal tat sich auf. Lichtlein blinkten in der Ferne, schienen die drei unverzagten Wanderer wie tröstend zu grüßen.

    Auf das nächste lenkte der Reiter zu und hielt bald darauf vor einem Haus, über das er den grellen Scheinwerfer seiner Taschenlampe gleiten ließ.

    Zum Lindenwirt, stand da einladend über der Tür, also gerade das, was der Mann suchte. Er saß ab, schlang den Zügel des Pferdes um die Eisenstange, die für derartige Zwecke angebracht war, und betrat dann den Flur, gefolgt von dem Schatten, der sich nun bei Licht als eine prächtige silbergraue Dogge entpuppte.

    »Guten Abend«, grüßte gleich darauf eine sonore Stimme in die große Wirtsstube hinein, eine Stimme von bestrickendem Wohllaut, dunkeltönend wie eine schwingende Glocke.

    Schlagartig wurde es still unter den Männern, die am Stammtisch bei einem Sonntagabendschoppen gemütlich beisammen saßen. Aller Augen hingen an der Gestalt, die hoch und schlank an der Tür stand. Neugierig musterten sie das kühne, stolz geschnittene Antlitz, aus dessen gesunder Bräune blaue Augen blitzten, in dessen lachendem Mund ein prachtvolles Gebiß schimmerte. In dem blonden Haarschopf glitzerten die Regentropfen wie Diamanten. Das seidene Sporthemd war am Hals geöffnet, die langen Ärmel waren über die Ellenbogen gestreift. Eine graue Reithose von tadellosem Schnitt, gut sitzende Reitstiefel, eine Gerte mit goldblitzendem Knauf, dazu der kostbare Hund, ein wahres Prachtexemplar seiner Rasse.

    Das alles zusammen bewog den menschenkundigen Wirt, seine Behäbigkeit diensteifrig hinter der Theke hervorzuklemmen und devot dienernd zu fragen: »Der Herr wünschen?«

    »Futter für mein Pferd, meinen Hund und mich«, kam es vergnügt zurück. »Außerdem ein Nachtlager für uns wegemüde Wanderer. Kann auch mein Pferd damit rechnen, Herr Wirt?«

    »Aber gewiß, mein Herr. Ein geräumiger Stand für einen vierbeinigen Gast ist im Stall immer frei.«

    »Das klappt ja wunderbar. Haben Sie jemand, der mich führen kann? Ich bin es nämlich gewohnt, meinen braven Wanderkameraden selbst zu versorgen.«

    »Selbstverständlich, mein Herr. Ich komme mit Ihnen.«

    Mit einer Behendigkeit, die man dem kleinen Dicken nicht zugetraut hätte, kugelte er voran. Draußen nahm der Fremde den kleinen Koffer und die Deckenrolle, die er kunstgerecht neben dem Sattel verstaut hatte, ab, machte das Pferd los und schaute sich gleich darauf befriedigt in dem Stall um, in dem bereits zwei wohlgenährte Braune standen.

    »Ausgezeichnet, Herr Wirt. Mit dieser Herberge kann mein Kamerad wohl zufrieden sein.«

    »Ist aber auch ein bildschöner Bursche.« Schmunzelnd betrachtete der Dicke den braunglänzenden Prachtkerl. »Wertvolles Trakehnerblut, oh, lá, lá!«

    »So ein vorzüglicher Pferdekenner, Herr Wirt?«

    »Will ich meinen«, kam es stolz zurück. »Bin doch gedienter Husar und war einst Pferdebursche bei Seiner Durchlaucht, dem Fürsten Utz von Ivenhall. Blieb auch später auf seinem herrlichen Rittergut als Pferdepfleger, bis…

    Aber was schwatze ich da«, unterbrach er sich verlegen. »Das alles kann den Herrn, der ja fremd hier ist, nicht interessieren. Will lieber machen, daß der Prachtkerl zu seinem Futter kommt. Darf ich ihn betreuen? Es wäre eine große Freude für mich.«

    »Denn man immer zu«, war die lachende Erwiderung. »So einem geübten Betreuer überlasse ich meinen Kameraden gern.«

    Schmunzelnd sah er dann zu, mit welcher Liebe das Pferd versorgt wurde. Und während der Wirt seine Rundlichkeit hin und her bewegte, plauderte er zutraulich: »Der Herr wird sich gewiß wundern, daß ich Fettmops behaupte, Husar gewesen zu sein. Aber das Fett hat sich bei mir erst angesetzt, seit ich den Krug übernahm. Bis dahin war ich drahtig, hatte kein Gramm Fleisch zuviel auf den Knochen. Wollen der Herr mir das glauben?«

    »Ohne weiteres. Zur Rundlichkeit kann man bald kommen, wenn das Bier zu gut schmeckt und das Essen gleichfalls. Stimmt’s, Herr Wirt?«

    »So ist es, leider. Die Bequemlichkeit des nahenden Alters kommt noch hinzu. Nun, ich bin zufrieden.

    So, mein Liebchen, nun wären wir versorgt.« Zärtlich klopfte die Grübchenhand den Hals des Braunen. »Jetzt kommt dein Herr dran und auch der Herr Hund. Donner noch eins, in dem Kerl steckt Rasse! Na ja, wie der Herr, so das Gescherr…«

    Lachend verließ er den Stall und verschloß ihn sorgfältig.

    »Sie haben vergessen, das Licht auszuknipsen, Herr Wirt.«

    »Das lasse ich absichtlich brennen, damit Kamerad seine Mahlzeit findet, mein Herr…«

    »Wigram«, setzte dieser, sich vorstellend, hinzu.

    »Fühle mich geehrt, Herr von Wigram.«

    »Bitte, nur Wigram allein«, unterbrach dieser gelassen, was den Dicken ordentlich zu enttäuschen schien. Nichtsdestoweniger bediente er seinen Gast, als dieser in der Wirtsstube Platz genommen hatte, mit ganz besonderer Zuvorkommenheit. Setzte ihm ein Mahl vor, das ebenso schmackhaft wie reichlich war. Und der Wein, den er dazu kredenzte, wurde wahrscheinlich nur bevorzugten Gästen verabfolgt.

    Auch Treu, die Dogge, wurde reichlich bedacht. Nachdem der Hund die Schüssel geleert hatte, streckte er sich behaglich und bearbeitete einen gro­ßen Kalbsknochen mit seinem prachtvollen Gebiß.

    Die Gäste am Stammtisch, fünf an der Zahl, die ausschließlich aus Landwirten bestanden, fühlten sich durch die Gegenwart des Fremden zuerst gehemmt, obwohl das Gasthaus auf Fremdenverkehr eingerichtet war und auch oft Durchreisende beherbergte. Aber daß einer gleich hoch zu Roß anrückte und einen Rassehund mit sich führte, war allerdings einmalig. Dazu machte der Mann einen unbedingt vornehmen Eindruck, etwas Befehlsgewohntes haftete ihm an. Und dafür hatten diese Männer einen untrüglichen Blick.

    Die Unterhaltung, die zuerst recht lebhaft gewesen war, ebbte ab. Es herrschte etwas wie ein verlegenes Schweigen an dem runden Tisch. Immer wieder gingen die Blicke der daran Sitzenden verstohlen zu dem Fremden hin, der nach dem guten Mahl eine Shagpfeife aus der Hosentasche zog, sie stopfte, anzündete und sich dann behaglich zurücklehnte. Genießerisch trank er den vorzüglichen Wein und schaute nachdenklich vor sich hin. Schien keine Notiz davon zu nehmen, was um ihn herum vor sich ging. Schaute nur kurz auf, als ein Mann eintrat, dem man auf den ersten Blick den Landwirt ansah. Eine kernige Gestalt, breit und untersetzt, mit einem frischen roten Gesicht, vollem, kurzgeschnittenem Haar und vergnügten Blauaugen. An der Art, wie man ihn am Stammtisch begrüßte, ließ sich erkennen, daß er eine geachtete Persönlichkeit war.

    Forschend ging sein Blick über Wigram hin, ein unmerkliches Stutzen, ein Aufblitzen der hellen Augen, dann nahm er an dem runden Tisch Platz, und schon kredenzte der Wirt ihm dienstbeflissen ein Seidel mit schäumendem Bier.

    »Guten Abend, Herr Verwalter«, grüßte er höflich. »Fühle mich geehrt, Sie auch wieder einmal bei mir zu sehen. Lange nicht hiergewesen.«

    »Tja, mein Lieber, ich habe auch nicht so viel Zeit wie Sie«, lachte der Ehrengast vergnügt, wobei die Augen lustig mittaten. »Für einen Stoppelhopser gibt es jetzt stramme Arbeit. Da winkt nach Dienstschluß der Bettzipfel mehr als ein guter Trunk. Prosit, meine Herren!«

    Damit tat er einen langen Zug aus dem Seidel und lachte wieder.

    »Ein Labsal ist das schon, hol’s der Kuckuck! Die Kiste, Herr Wirt!«

    Gleich darauf entnahm er dieser eine Importe, rauchte sie an und war nun bereit zu einem netten Plausch. Er wandte sich an seinen Nachbarn, einen stämmigen Mann mit pfiffigem Gesicht.

    »Nun, Herr Kartz, was gibt’s denn Neues in unserer Ecke?«

    »Wie soll gerade ich das wissen, Herr Verwalter?«

    »Na, tun Sie man nicht so!« kam es schmunzelnd zurück. »Was wäre so das Wichtigste?«

    »Daß der Inspektor von Angerbrück nach einem Mordskrach mit seiner schwierigen Herrin ihr den Krempel vor die Füße warf und türmte«, platzte der Mann, den man in der Umgebung »das Tageblatt« nannte, prompt heraus. »Dabei ist er eine arbeitsame, ehrliche Haut.«

    »Deshalb habe ich ihn ja auch anstelle des windigen Inspektors als besseren Ersatz nach Ivenhall geholt«, unterbrach ihn sein Nachbar vergnügt, sich dabei an den verblüfften Gesichtern der anderen weidend. »Wissen Sie das etwa noch nicht, meine Herren?«

    Lachende Verneinung von allen Seiten und dann ein beifälliges Nicken.

    »Da haben Sie einen guten Griff gemacht, Herr Verwalter«, sprach nun Kartz wieder. »Kann diesem herrischen Gutsfräulein gar nichts schaden, wenn es kurz vor der Heuernte ohne Inspektor dasitzt. Denn einen Ersatz – und einen vollwertigen noch dazu – wird sie so leicht nicht bekommen. Habe ich recht, Herr Verwalter?«

    »Leider. Möchte gern wissen, was die junge Dame sich eigentlich denkt, daß sie so schroff die Herrin herauskehrt. Denn gerade sie hat es doch verdammt nötig, einen tüchtigen Mitarbeiter an ihrer Seite zu haben, der ihr helfend und ratend beisteht. Statt dessen vergrault sie alle durch ihre verflixte Art, und ihr wackelnder Besitz muß darunter leiden. Denn trotz ihrer landwirtschaftlichen Kenntnisse, die man ohne weiteres anerkennen muß, ist sie immerhin nur ein Mädchen von nicht viel mehr als zwanzig Jahren, dem die nötige Erfahrung fehlt. Schade, der möchte ich mal von Herzen gern meine Meinung sagen.«

    »Oje, Herr Verwalter!« Einer der Herren kratzte sich lachend den Kopf. »In Grund und Boden würde sie Sie schmettern mit ihren Blicken. Davon weiß mein Sohn ein Liedchen zu singen, der ein Jahr lang als Eleve auf Angerbrück arbeitete. Hätte der Junge nicht ein so dickes Fell, wäre er schon viel früher ausgekniffen.«

    »Hm. Hat er ihr am Ende seine Meinung gesagt?« fragte der Verwalter augenzwinkernd.

    »Er hat«, war die schmunzelnde Erwiderung.

    »Und was geschah? Machte die Empörte gar von ihrer Reitpeitsche Gebrauch?«

    »O nein, so weit vergißt sich das Freifräulein von Hugwart nicht. Sie wies den Unverschämten nur mit einer unnachahmlichen Geste vom Hof.«

    Man lachte herzlich über den Mann, der die Erwähnte vortrefflich nachahmte.

    »Dann würde es mir ja so ähnlich ergehen«, bemerkte der Verwalter Höhnke ironisch. »Also setze ich mich erst gar nicht der Blamage aus. Prosit, meine Herren, in dem Sinne!«

    Man trank sich vergnügt zu und sah dann nach dem Fremden hin, der jetzt aufstand, eine Verbeugung zu den anderen hin machte und, vom Wirt gefolgt, mit dem Hund nach dem Gaststübchen ging.

    »Schneidiger Kerl«, nickte Höhnke ihm anerkennend nach. »Wer mag er sein?«

    Man zuckte die Achsel, doch der Wirt, der gleich darauf zurückkehrte, konnte Antwort geben.

    »Wigram heißt er. Sein Trakehner steht im Stall, sein Hund ist bei ihm, nebst einem kleinen Koffer und einer Decke, in die ein Wettermantel gerollt war. Mehr weiß ich nicht. Nur meine Menschenkenntnis sagt mir, daß dieser Wigram ein wirklicher Herr ist.«

    »Da haben Sie recht«, bekräftigte der Verwalter. »Nun, zerbrechen wir uns nicht den Kopf. Schließlich befinden wir uns hier ja in einem Gasthaus, in dem schon so mancher Fremde logierte. Und neugierig sind wir alle nicht, stimmt’s, Herr Kartz?«

    »Bitte, keine Anzüglichkeiten!« wehrte der Geneckte sich schmunzelnd. »Man darf menschliches Interesse niemals mit Neugierde verwechseln. Prosit allesamt!«

    *

    Während man unten noch eine gute Weile zusammensaß und sich bei weiteren Schoppen angeregt unterhielt, begab sich der Fremdling oben in der blitzsauberen Stube zur wohlverdienten Nachtruhe. Der Wirt hatte ihm versprochen, noch einmal nach dem Pferd zu sehen. Somit befand es sich in guter Hut, wie Herr und Hund es gleichfalls taten.

    »Siehst du, mein Treu, da haben wir es wieder einmal glänzend getroffen.« Zärtlich kraulte er den Kopf des Tieres, das auf dem Bettvorleger lag und mit klugen Augen zu seinem Herrchen aufschaute. »Wir speisten vortrefflich, haben ein Dach überm Kopf, unser treuer Wanderkamerad ist prächtig aufgehoben, also schließen wir erst einmal die Augen zum erquickenden Schlaf. Alles weitere wird sich finden.«

    Die letzten Worte kamen schon schlaftrunken, und gleich danach lagen Herr und Hund im tiefen Schlummer.

    Als sie frisch und munter daraus erwachten, warf Adalbert Wigram einen Blick auf die Armbanduhr, die bereits die neunte Morgenstunde zeigte.

    Flugs sprang er aus dem Bett und lachte zu dem Hund hin, der sich wohlig streckte.

    »Wir sind ja gute Kameraden, Treu! Schlafen hier seelenruhig, während unten unser braver Kampf- und Streitgenosse mit Ungeduld auf sein Frühstück wartet. Wird sich über die Vernachlässigung nicht wenig wundern, unser Getreuer.«

    Hurtig begann er bei der primitiven Waschgelegenheit seine gewohnte Morgenwäsche. Nun, die Schüssel besaß ein ganz gutes Ausmaß, Wasser war reichlich vorhanden, Seife gleichfalls, mehr brauchte man schließlich zum Waschen nicht. Schon zwanzig Minuten später erschienen Herr und Hund in der Gaststube, wo der Wirt sie freundlich begrüßte.

    »Einen schönen guten Morgen! Gut geschlafen, ja? Das freut mich. Habe Kamerad schon versorgt. Es geht ihm glänzend, und er mag mich anscheinend gern.«

    »Das freut mich nun wieder, Herr Wirt. Herzlichen Dank für Ihre Mühe. Aber auch wir sind hungrig.«

    »Den Hunger werden wir gleich stillen, Herr Wigram. Nehmen Sie bitte Platz und lesen Sie indes die Zeitung.«

    Während der Wirt enteilte, griff Adalbert nach dem angepriesenen Blatt. Sein erster Blick fiel auf ein Inserat, in dem die Gutsverwaltung Angerbrück einen Inspektor suchte. Es mußte schon ein wahres Phänomen sein, was da an menschlichen sowie landwirtschaftlichen Qualitäten verlangt wurde. Und dabei hatte dieses Wunderwesen sich dem Befehl der Herrin unbedingt unterzuordnen.

    Es blitzte in den Augen des Lesers auf, ein amüsiertes Lächeln umspielte seinen Mund. Wenig später erschien dann der Wirt mit einem wahrhaft lukullischen Frühstück. Speckeier, Aufschnitt, Brot, Butter, Honig und eine Kanne, aus der es aromatisch duftete. Dazu noch ein Kännchen mit gelber, fetter Sahne nebst Zuckerdose.

    »Erbarmen, Herr Wirt, Sie wollen mich wohl nudeln!« Lachend hob der Gast die Hände. Doch der Dicke hörte gar nicht darauf; schon war er wieder zur Tür hinaus. Als er nach Minuten zurückkehrte, trug er eine Schüssel mit Milch und einen Fleischknochen.

    »So, da ist auch etwas für unser Hundchen. Komm nur, sollst dich laben.«

    »Sagen Sie mal, Herr Wirt«, Adalbert kniff ein Auge zu, »gehört das alles hier zum üblichen Frühstück, das Sie Ihren Gästen vorzusetzen pflegen?«

    »I bewahre«, kam es schmunzelnd zurück. »Aber wir Gastronomen haben nun einmal unsere Lieblinge unter den Gästen.«

    »Da freuen wir uns aber, was, Treu?« lachte Herrchen herzlich. »Was meinst du, ob wir in dieser fetten Pfründe fürs erste seßhaft werden? Herumzigeunert sind wir ja lange genug. Wollen Sie uns das erlauben, Herr Wirt?«

    »Aber mit dem größten Vergnügen, Herr Wigram. Mögen Sie bleiben, solange es Ihnen gefällt.«

    »Verbindlichsten Dank. Da wollen wir uns mal gleich über den Preis einigen. Genügen zehn Mark pro Tag?«

    »Das ist zuviel, Herr Wigram. Die Hälfte wäre angemessen, das ist nämlich hier der übliche Satz.«

    »Aber nicht für einen Gast mit Pferd und Hund«, winkte der andere entschieden ab. »Außerdem scheinen Sie sehr gutgläubig zu sein. Wenn ich mich nun als armer Wandergesell hier einniste und mich dann aus dem Staub mache, ohne die Zeche zu bezahlen, hm?«

    »Dann wäre ich ein schlechter Menschenkenner und verdiente es nicht anders«, entgegnete der Dicke trocken. »Vergessen Sie bitte nicht, Herr Wigram, daß ich als Gastwirt und früherer Angestellter eines Fürsten meine Erfahrungen sammeln durfte«, schloß er vielsagend, worauf es in den blauen Augen seines Gegenübers humorvoll aufblitzte.

    »Na schön, sollen Sie diesmal recht behalten. Und nun nehmen Sie bitte Platz und leisten Sie mir ein wenig Gesellschaft. Oder erlaubt das Ihre Zeit nicht?«

    »Doch, um diese Stunde schon, also bin ich so frei. Was die Stammgäste betrifft, gibt es jetzt stille Zeit, weil sie als Landwirte nun stramme Arbeit zu leisten haben. Da kommen sie nur am Sonntag oder auf einen Husch herein, um einen Schoppen zu trinken. Aber die Sommergäste werden bald anrücken, und dann ist hier Hochbetrieb. In den Sommermonaten könnte ich zwanzig Fremdenzimmer haben, nicht eins davon würde leerstehen.«

    »So wird die Gegend hier gern besucht?«

    »Ja. Natürlich nur von solchen Menschen, die Naturfreunde sind und wirkliche Erholung suchen. Den anderen wäre es hier zu langweilig. Denn in dieser ländlichen Umgebung gibt es keine Vergnügungen, und die Stadt liegt zehn Kilometer entfernt. Hier kann man sich nur am ländlichen Idyll erfreuen, spazierengehen, Waldluft atmen, im See baden, gut essen und nicht minder gut schlafen.«

    »Und wie ist es mit den Ausflüglern?«

    »An schönen Sonntagen rücken sie in Scharen an. Baden, fahren im Kahn oder im Segelboot.«

    »So groß ist der See?«

    »Will ich meinen. Er mißt gut sechs Kilometer in der Länge und vier in der Breite, von hier bis zum Rittergut Ivenhall, wozu ja auch dieses Gasthaus gehört. Ich bin hier nur Pächter, hoffe jedoch zuversichtlich, einmal Eigentümer zu werden. Leider ist der alte Fürst vor einigen Monaten gestorben, und wie sein Sohn über den Verkauf denkt, weiß ich nicht.«

    »Ist das denn ein so unzugänglicher Herr?«

    »Keine Ahnung, da ich ihn nicht kenne, genauso wenig wie alle anderen in der Umgebung. Es weiß niemand, wo die junge Durchlaucht eigentlich steckt. Nicht einmal der Verwalter von Ivenhall.«

    »Wie merkwürdig.«

    »Kann man wohl sagen. Tja, das ist eine traurige Geschichte, nämlich so: Der Großvater des jetzigen Besitzers der großen Herrschaft Ivenhall war ein Weiberheld und Hasardeur. Jedenfalls bekam er es rasch fertig, seinen reichen Besitz, den er vom Vater übernahm, unter den Hammer zu bringen. Und wie es ja oft bei solchen leichtsinnigen Naturen der Fall ist, schoß er sich eine Kugel in den Kopf und überließ seinen zurückgebliebenen jungen Sohn seinem Schicksal. Dieser wanderte aus, und man hörte jahrelang nichts mehr von ihm.«

    »Und wer ersteigerte die Herrschaft

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