Auf der Spur nach den Dieben: Butler Parker 133 – Kriminalroman
Von Günter Dönges
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Über dieses E-Book
Butler Parker ist seinen Gegnern, den übelsten Ganoven, auch geistig meilenweit überlegen. In seiner auffallend unscheinbaren Tarnung löst er jeden Fall. Bravourös, brillant, effektiv – spannendere und zugleich humorvollere Krimis gibt es nicht!
Lady Agatha Simpson erlitt einen etwas aufgesetzt wirkenden Hustenanfall, als der Geistliche volltönend und überzeugend von der guten Seele sprach, die jetzt ihre letzte Ruhe gefunden habe. Der rosig aussehende Mann der anglikanischen Kirche ließ sich weitschweifig über das Leben der Verstorbenen aus und rühmte ihre Gutherzigkeit und Lauterkeit, ihre Charakterstärke und ihren Gemeinsinn. Butler Parker, ein Mann undefinierbaren Alters, vielleicht ein wenig vollschlank, etwas über mittelgroß und mit dem ausdruckslosen Gesicht eines gewieften Pokerspielers, wußte sehr wohl, was dieser Hustenanfall ausdrückte: Mylady war erheblich anderer Meinung als der Geistliche, der es wohl nicht besser wußte. Josuah Parker war mit Mylady auf den altehrwürdigen Dorffriedhof vor den Toren der Millionenstadt London gefahren, wo man Lady Bushter zur letzten Ruhe geleitete. Die Trauergemeinde war schon riesig zu nennen. Der Blut- und Geldadel Englands, mit dem Agatha Simpson eng verschwistert und verschwägert war, hatte sich ein Stelldichein gegeben. Auf dem kleinen Parkplatz vor dem Friedhof standen dicht an dicht die teuersten Nobelmarken der Fahrzeugindustrie. Parker langweilte sich ein wenig, doch er hätte sich nie gestattet, dies optisch auszudrücken. Sein Gesicht war ausdruckslos, seine kühlgrauen Augen hingegen blickten interessiert und wachsam. Er hatte sich, wie er sich eingestand, ein wenig ablenken lassen. Weit im Hintergrund, neben einem alten Grabstein unter einer noch älteren Linde, stand ein junger Mann, natürlich ebenfalls korrekt in Schwarz gekleidet. Dieser etwa dreißigjährige Mann schien entweder verstohlen Radio zu hören oder aber gewisse Funkdurchsagen zu erledigen. Ob der junge Trauernde nun ein kleines Transistorradio in der Hand hielt oder ein Funksprechgerät, ließ sich wegen der Entfernung nicht eindeutig klären. Parker wurde schließlich doch abgelenkt. Der Sarg war bereits ins Grab gesenkt worden, und Lady Simpson wurde ungeduldig. »Gehen wir«, sagte sie zu ihrem Butler. »Mein Bedarf an Lobreden ist reichlich gedeckt.« »Mylady waren und sind offensichtlich anderer Meinung als der Geistliche?« fragte Parker in gewohnt höflicher Art.
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Auf der Spur nach den Dieben - Günter Dönges
Butler Parker
– 133 –
Auf der Spur nach den Dieben
Günter Dönges
Lady Agatha Simpson erlitt einen etwas aufgesetzt wirkenden Hustenanfall, als der Geistliche volltönend und überzeugend von der guten Seele sprach, die jetzt ihre letzte Ruhe gefunden habe. Der rosig aussehende Mann der anglikanischen Kirche ließ sich weitschweifig über das Leben der Verstorbenen aus und rühmte ihre Gutherzigkeit und Lauterkeit, ihre Charakterstärke und ihren Gemeinsinn.
Butler Parker, ein Mann undefinierbaren Alters, vielleicht ein wenig vollschlank, etwas über mittelgroß und mit dem ausdruckslosen Gesicht eines gewieften Pokerspielers, wußte sehr wohl, was dieser Hustenanfall ausdrückte: Mylady war erheblich anderer Meinung als der Geistliche, der es wohl nicht besser wußte.
Josuah Parker war mit Mylady auf den altehrwürdigen Dorffriedhof vor den Toren der Millionenstadt London gefahren, wo man Lady Bushter zur letzten Ruhe geleitete. Die Trauergemeinde war schon riesig zu nennen. Der Blut- und Geldadel Englands, mit dem Agatha Simpson eng verschwistert und verschwägert war, hatte sich ein Stelldichein gegeben.
Auf dem kleinen Parkplatz vor dem Friedhof standen dicht an dicht die teuersten Nobelmarken der Fahrzeugindustrie.
Parker langweilte sich ein wenig, doch er hätte sich nie gestattet, dies optisch auszudrücken. Sein Gesicht war ausdruckslos, seine kühlgrauen Augen hingegen blickten interessiert und wachsam. Er hatte sich, wie er sich eingestand, ein wenig ablenken lassen. Weit im Hintergrund, neben einem alten Grabstein unter einer noch älteren Linde, stand ein junger Mann, natürlich ebenfalls korrekt in Schwarz gekleidet. Dieser etwa dreißigjährige Mann schien entweder verstohlen Radio zu hören oder aber gewisse Funkdurchsagen zu erledigen. Ob der junge Trauernde nun ein kleines Transistorradio in der Hand hielt oder ein Funksprechgerät, ließ sich wegen der Entfernung nicht eindeutig klären.
Parker wurde schließlich doch abgelenkt.
Der Sarg war bereits ins Grab gesenkt worden, und Lady Simpson wurde ungeduldig.
»Gehen wir«, sagte sie zu ihrem Butler. »Mein Bedarf an Lobreden ist reichlich gedeckt.«
»Mylady waren und sind offensichtlich anderer Meinung als der Geistliche?« fragte Parker in gewohnt höflicher Art.
»Dieser Geistliche muß die falsche Beerdigung betreut haben«, antwortete Lady Agatha mit ihrer dunkel getönten Baritonstimme, die weit trug und die sie absolut nicht zu dämpfen gewillt war. »Die Verblichene war geizig, ein Klatschweib und verschlagen. Das weiß doch jeder hier.«
»Über Tote, so sagt ein lateinisches Sprichwort, Mylady, wenn ich darauf verweisen darf, soll man nur Gutes reden«, gab der Butler gemessen zurück.
»Papperlapapp«, raunzte seine Herrin. »Verschonen Sie mich mit Ihren Sprüchen, Mr. Parker!«
»Werden Mylady an der anschließenden Feier im privaten Kreis teilnehmen?«
»Das fehlte noch!« Sie schüttelte grimmig den Kopf. »Ich kann diese Heuchelei nicht ertragen. Wir fahren selbstverständlich zurück in die Stadt.«
»Wie Mylady wünschen.« Parker lüftete höflich seine schwarze Melone und geleitete die ältere Dame, die vor Jahren beschlossen hatte, ihr Alter mit sechzig anzugeben, zum Parkplatz. Agatha Simpson war eine majestätische Dame, die an die Walküre einer Wagner-Oper erinnerte. Sie sah erstaunlich rüstig aus, ja sie wirkte geradezu dynamisch. Sie trug ein schwarzes Kostüm und einen schwarzen Hut, der an einen Südwester erinnerte. Sie war eine skurrile Erscheinung, doch das machte ihr nichts aus. Sie lebte ihr Leben und scherte sich den Teufel darum, wie andere Menschen über sie dachten. Sie konnte sich ihre Exaltiertheit leisten, denn sie war eine immens reiche Frau.
Inmitten der Nobelkarossen auf dem Parkplatz stand ein ungemein schäbig aussehendes Londoner Taxi älterer Bauart. Es handelte sich um Parkers Privatwagen, der allerdings nach seinen sehr eigenen Wünschen technisch umgestaltet worden war. Lady Simpson nahm im Fond Platz und zerrte sich den schwarzen »Südwester« vom Kopf.
»Ich brauche etwas für meinen Kreislauf«, forderte sie von Parker. »Diese Lobhudeleien sind mir auf den Magen geschlagen.«
Butler Parker wußte, was dagegen zu tun war.
Aus der Innentasche seines schwarzen Zweireihers holte er eine flache Taschenflasche hervor, die in schwarzes Leder gehüllt war. Er schraubte den Verschluß ab, der dann als Silberbecher diente, und reichte Lady Agatha einen alten Kognak, den sie geübt wie ein Fuhrmann kippte.
»Das ist schon besser«, sagte sie. »So, und jetzt zurück nach Shepherd’s Market, Mr. Parker, mag man von mir denken, was man will. Was ist denn?«
»Sofort, Mylady«, erwiderte Parker. »Mylady mögen verzeihen, daß ich mich ablenken ließ. Der junge Trauernde dort scheint von seinem Transistorgerät förmlich hingerissen zu sein, wenn ich es so ausdrücken darf.«
Parker wandte den Blick ab von dem Mann, der wahrscheinlich der Übertragung eines Fußballspiels lauschte und jetzt langsam zu den Nobelwagen hinüberschlenderte, wo er dann hinter einem Daimler verschwand.
*
Sir Edward Lime gehörte zu den illustren Trauergästen und hielt es für seine selbstverständliche Pflicht, der kleinen Feier beizuwohnen. Er war mit dem Haus Bushter weitläufig verwandt und konnte sich dieser Ehrenpflicht nicht entziehen. Zusammen mit den übrigen Trauergästen saß er im Saal des Bushter-Anwesens und stocherte gelangweilt in dem Apfelkuchen herum, den man als kleinen Imbiß serviert hatte.
Sir Edward, ein gestandener Endfünfziger, untersetzt, bullig, war froh, als einer der Hausangestellten an ihn herantrat und ihm meldete, in der Halle des Hauses erwarte ihn dringend sein Fahrer. Da sei etwas mit dem Wagen geschehen.
Sir Edward erhob sich, entschuldigte sich bei seinen Sitznachbarn und eilte erleichtert aus dem düsteren Saal. Er nahm sich vor, nicht wieder zurückzukehren. Er wollte sich eine Zigarre anzünden und ein wenig durch den Park des Bushter-Landsitzes schlendern.
Sein Fahrer hieß Harry Linson – ein mittelgroßer, schlanker Mann, vierzig Jahre alt, zuverlässig wie eine Schweizer Präzisionsuhr – und kam ihm zitternd vor Empörung entgegen.
»Was gibt’s denn, Harry?« erkundigte sich Sir Edward jovial. »Mann, Sie sehen ja aus, als hätte man den Wagen total zusammengefahren.«
»Was auch der Fall ist, Sir!« Harry Linsons Stimme zitterte vor Erregung. »Grundlos, Sir, bestimmt. Er ist absichtlich angefahren worden. Ich habe es ganz deutlich gesehen.«
»Und wer hat das getan?« Sir Edward geriet nun ebenfalls in Empörung, denn er fuhr einen sehr teuren Rover, der ein kleines Vermögen gekostet hatte. Und als Bankier schielte Sir Edward auf den Cent.
»Zwei junge Strolche, Sir«, antwortete Fahrer Linson. »Und sie behaupten, ich hätte die Schuld.«
»Das wollen wir doch mal sehen!« Sir Edward nahm ruckartig den Kopf vor und damit seine typische Kampfhaltung ein. Begleitet von seinem Fahrer, ging er zum rückwärtigen Parkplatz, wo sich die Chauffeure der übrigen Staatskarossen bereits um den Rover versammelt hatten und den Fall diskutierten.
Die Fahrer traten respektvoll zurück und stellten ihre Unterhaltung ein, als Sir Edward auf dem Plan erschien. Er wandte sich den beiden jungen Männern zu, die neben ihrem uralt aussehenden Ford standen und den Schaden besichtigten.
Der teure Rover war schlimm zugerichtet worden.
Der Uraltford hatte ihn seitlich gerammt und beide Türen eingedrückt. Der Ford zeigte hingegen erstaunlich wenig Sachschaden, nur sein linker Kotflügel war eingebeult.
Die beiden Männer mochten zwischen achtundzwanzig und dreißig Jahre alt sein. Sie trugen sportliche Anzüge, gaben sich lässig und verfügten durchaus über Manieren, wie sich zeigte.
»Hier, meine Karte, Sir Edward«, sagte der jüngere der beiden Männer. »Bevor wir uns beschimpfen, sollten wir uns kennen, denke ich.«
Sir Edward Lime nahm die Karte entgegen, überflog den Aufdruck und ... schluckte dann. Er schaute hoch, sah die beiden jungen Männer an und ... schluckte erneut.
»Schon gut, Harry«, sagte er dann, sich an seinen Fahrer wendend. »Ich werde das mit den beiden Herren regeln. Sie können wieder zurück zum Tee gehen. Sie übrigens auch!«
Er meinte damit eindeutig die übrigen Fahrer, die sich daraufhin zusammen mit Harry Linson zurück in die Küche des Hauses begaben, wobei man leise das, seltsame Verhalten des Sir Edward Lime diskutierte, der für sein cholerisches Temperament bekannt war.
»Wir werden uns schnell einigen«, sagte nun der ältere