Parker köpft die Guillotine: Butler Parker 136 – Kriminalroman
Von Günter Dönges
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Butler Parker ist seinen Gegnern, den übelsten Ganoven, auch geistig meilenweit überlegen. In seiner auffallend unscheinbaren Tarnung löst er jeden Fall. Bravourös, brillant, effektiv – spannendere und zugleich humorvollere Krimis gibt es nicht!
Sie hatte geläutet, und Butler Parker erschien in ihrem Salon, den sie sich als Studio hatte einrichten lassen. Sie saß vor der elektrischen Schreibmaschine und hatte natürlich wieder mal keine Zeile zu Papier gebracht.
Lady Agatha Simpson, die vor Jahren beschlossen hatte, sechzig zu bleiben, war eine majestätisch stattliche Dame mit energischem Gesicht. Sie wandte sich zu ihrem Butler um und verkündete, sie habe einen perversen Appetit.
»Mylady schweben eine bestimmte Spezialität vor?« erkundigte Josuah Parker sich gemessen. Er war etwas über mittelgroß, fast schlank und strahlte eine beeindruckende Würde aus. Sein Alter war nur schwer zu bestimmen, was auf sein stets ausdrucksloses, glattes Pokergesicht zurückzuführen war.
»Machen Sie mir Vorschläge«, antwortete die ältere Dame ungeduldig. Sie schaltete die Schreibmaschine ab und schien ihre Absicht nachhaltig vergessen zu wollen, einen Krimi-Bestseller zu schreiben. Damit beschäftigte sie sich schon seit Monaten. Es war ihr erklärtes Ziel, einer gewissen Agatha Christie zu zeigen, wie ein spannender Kriminalroman wirklich auszusehen habe.
Bei dieser Absicht war es bisher allerdings geblieben. Sie fand immer wieder Entschuldigungen. Dazu gehörte auch ihr Interesse an Kriminalfällen aller Art.
Sie konnte sich dieses Hobby leisten, weil es einen Butler Parker gab, der seine schützende Hand über sie hielt. Darüber hinaus aber war sie eine immens reiche Frau, die sich fast jede Verrücktheit leisten konnte.
»Ich warte auf Ihre Vorschläge, Mister Parker«, wiederholte sie mit ihrer dunklen Stimme, die an einen Baß erinnerte. »Sie sind natürlich wieder mal ratlos, nicht wahr?«
»Ich befinde mich im Stadium des intensiven Nachdenkens, Mylady«, antwortete Parker gemessen. »Könnten Mylady sich für
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Butler Parker
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Parker köpft die Guillotine - Günter Dönges
Butler Parker
– 136 –
Parker köpft die Guillotine
Günter Dönges
Sie hatte geläutet, und Butler Parker erschien in ihrem Salon, den sie sich als Studio hatte einrichten lassen. Sie saß vor der elektrischen Schreibmaschine und hatte natürlich wieder mal keine Zeile zu Papier gebracht.
Lady Agatha Simpson, die vor Jahren beschlossen hatte, sechzig zu bleiben, war eine majestätisch stattliche Dame mit energischem Gesicht. Sie wandte sich zu ihrem Butler um und verkündete, sie habe einen perversen Appetit.
»Mylady schweben eine bestimmte Spezialität vor?« erkundigte Josuah Parker sich gemessen. Er war etwas über mittelgroß, fast schlank und strahlte eine beeindruckende Würde aus. Sein Alter war nur schwer zu bestimmen, was auf sein stets ausdrucksloses, glattes Pokergesicht zurückzuführen war.
»Machen Sie mir Vorschläge«, antwortete die ältere Dame ungeduldig. Sie schaltete die Schreibmaschine ab und schien ihre Absicht nachhaltig vergessen zu wollen, einen Krimi-Bestseller zu schreiben. Damit beschäftigte sie sich schon seit Monaten. Es war ihr erklärtes Ziel, einer gewissen Agatha Christie zu zeigen, wie ein spannender Kriminalroman wirklich auszusehen habe.
Bei dieser Absicht war es bisher allerdings geblieben. Sie fand immer wieder Entschuldigungen. Dazu gehörte auch ihr Interesse an Kriminalfällen aller Art.
Sie konnte sich dieses Hobby leisten, weil es einen Butler Parker gab, der seine schützende Hand über sie hielt. Darüber hinaus aber war sie eine immens reiche Frau, die sich fast jede Verrücktheit leisten konnte.
»Ich warte auf Ihre Vorschläge, Mister Parker«, wiederholte sie mit ihrer dunklen Stimme, die an einen Baß erinnerte. »Sie sind natürlich wieder mal ratlos, nicht wahr?«
»Ich befinde mich im Stadium des intensiven Nachdenkens, Mylady«, antwortete Parker gemessen. »Könnten Mylady sich für einen Krabben-Cocktail erwärmen?«
»Ihre Phantasie ist nicht gerade ausgeprägt«, grollte sie und schüttelte den Kopf.
»Es wäre noch ein Himbeerpudding vorhanden, Mylady.«
»Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?« Agatha Simpson sah ihren Butler leicht gereizt an.
»Bevorzugen Mylady möglicherweise eine Fleischpastete?«
»Unsinn, Mister Parker! Ich brauche etwas Appetitanregendes, was meine Kreativität beflügelt. Habe ich mich endlich deutlich genug ausgedrückt?«
»Mylady sehen meine bescheidene Wenigkeit ein wenig ratlos«, gestand Josuah Parker.
»Dieser Zustand ist mir nicht neu«, bemerkte die resolute Dame spitz, doch dann erhellte sich ihre Miene. »Ich hab’s jetzt. «
»Mylady sehen mich glücklich.«
»Frühlingsrollen«, sagte sie stichwortartig.
»Frühlingsrollen?« Parker hüstelte diskret. »Mylady meinen jene chinesische Vorspeise, die ...«
»Die meine ich«, sagte sie, ihren Butler unterbrechend.
»Um besagte Frühlingsrollen werde ich mich selbstverständlich sofort bemühen.«
»Sie müssen an Ort und Stelle gegessen werden, heiß und frisch, Mister Parker.«
»Mylady beabsichtigen demnach, das Haus zu verlassen?«
»Natürlich, Mister Parker. Und zwar möglichst schnell. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen.«
»Falls Mylady einverstanden sind, könnten Mylady in einem ausgezeichneten chinesischen Restaurant die erwähnten Frühlingsrollen zu sich nehmen.«
»Und wo ist das?« Die Detektivin war ungeduldig geworden.
»In Soho, Mylady. Ein gewisser Mr. Hua Li gilt als einer der besten Vertreter der chinesischen Küche.«
»Worauf warten Sie noch?« Lady Agatha wurde sehr aktiv. »In ein paar Minuten werde ich unten sein.«
Parker deutete eine knappe Verbeugung an und verließ Myladys Studio. Obwohl es auf Mitternacht zuging, machte ihm die geplante Ausfahrt nichts aus. Er war ein Mann, der nur wenig Schlaf brauchte. Als perfekter Butler rief er natürlich das Restaurant an und ließ sich mit Mr. Hua Li verbinden. Parker bestellte einen Tisch und gab zudem die Wünsche nach einigen Frühlingsrollen durch. Da er Myladys Appetit kannte, einigte er sich mit Hua Li auf ein halbes Dutzend dieser fernöstlichen Köstlichkeiten.
Zu diesem Zeitpunkt dachte er wirklich nicht an Verwicklungen. Und er konnte schon gar nicht ahnen, daß dieser Abend der Beginn eines haarsträubenden Abenteuers werden sollte.
*
»Warum, zum Teufel, halten Sie nicht an?« grollte die ältere Dame. Sie saß im Fond des hochbeinigen Monstrums, wie Parkers Privatwagen von Freunden und Gegnern genannt wurde. Es handelte sich um ein ehemaliges Londoner Taxi, das nach den Wünschen und Vorstellungen des Butlers sehr nachhaltig frisiert worden war.
Dieses Monstrum hatte es tatsächlich in sich. Unter der eckigen Motorhaube arbeitete eine Art Rennmotor, der dem Wagen die Rasanz eines Tourensportwagens verlieh. Entsprechend war das Fahrwerk ausgelegt worden, das diese Geschwindigkeiten ohne weiteres schluckte. Darüber hinaus aber war das ehemalige Taxi zu einer wahren Trickkiste auf Rädern geworden. Es enthielt schon fast skurril zu nennende technische Überraschungen, und mancher Verfolger in der Vergangenheit war daran schon gescheitert.
Parker hielt an und wandte sich gemessen zu Lady Simpson um.
»Dort droben ist ein chinesisches Restaurant«, sagte sie.
»In der Tat, Mylady«, räumte Parker ein. »Darf ich mir jedoch erlauben darauf zu verweisen, daß dieses Restaurant nicht unbedingt einen einladenden Eindruck macht?«
»Papperlapapp«, gab sie unwirsch zurück und öffnete bereits die Wagentür. »Ich will meine Frühlingsrolle endlich haben.«
»Möglicherweise entspricht die Qualität dieser Spezialität nicht Myladys Vorstellung«, warnte Parker.
»Das wird man ja sehen!« Die Sechzigjährige ließ sich natürlich nicht beirren und setzte ihren Kopf durch. Sie marschierte bereits auf den Eingang des kleinen Lokals zu und machte sich im Geist bereits über die erste Frühlingsrolle her.
Butler Parker hatte nicht übertrieben.
Das kleine, nur spärlich beleuchtete Restaurant entsprach niemals den Vorstellungen seiner Herrin. Es war schmal, lang wie ein Korridor und enthielt eine Vielzahl von kleinen Nischen. Die Ausstattung war abenteuerlich kitschig. Parker sah mit einem Blick, daß echte Kunst aus Ostasien nicht vertreten war. Dieser Tand stammte mit Sicherheit aus einem Plastikbetrieb Hongkongs.
Lady Agatha kümmerte dies wenig.
Sie hatte bereits eine freie Nische angesteuert und nahm Platz. Parker setzte sich notgedrungen zu ihr, obwohl das seinem Gefühl für Distanz nicht entsprach. Er hatte sich jedoch inzwischen daran gewöhnt, daß seine Herrin darauf bestand.
Ein schmaler Chinese erschien, der ein akzentfreies Englisch sprach und sich nach den Wünschen der Herrschaften erkundigte.
»Frühlingsrollen«, erwiderte Lady Simpson. »Sagen wir, so für den Anfang, erst mal drei. Und Sie, Mister Parker?«
»Ich würde einen grünen Tee bevorzugen«, gab der Butler zurück.
»Drei Frühlingsrollen?« wiederholte der Chinese. »Das macht genau zwölf Pfund.«
Mylady schluckte und schickte sich an, dem jungen Mann einiges über Preisgestaltung an sich und im allgemeinen zu erzählen, doch Butler Parker reagierte erstaunlich. Er zückte seine Brieftasche, warf Lady Simpson einen schnellen, warnenden Blick zu und bezahlte im voraus. Der Chinese nahm die Banknoten entgegen und trollte sich, nicht ohne noch einen prüfenden Blick auf Lady Agatha und Josuah Parker geworfen zu haben.
»Das ist doch unverschämt«, grollte Agatha Simpson. »Sind Sie sich klar darüber, was Sie da gerade gezahlt haben?«
»Zwölf Pfund, Mylady«, antwortete Parker gemessen. »Es dürfte sich, wenn ich so sagen darf, um Frühlingsrollen besonderer Art handeln.«
»So einmalig gut kann keine Frühlingsrolle sein, Mister Parker.« Sie war sehr aufgebracht, begriff dann aber plötzlich und spitzte ihren Mund. »Sie glauben...?«
»Eine vage Vermutung, um offen zu sein, Mylady.«
»Das wäre ja wunderbar.« Sie wirkte plötzlich sehr animiert. »Diese Nacht scheint noch interessant zu werden.«
Der junge Chinese tauchte bereits wieder auf.
Er stellte einen Teller auf den Tisch, auf dem drei Karikaturen von Frühlingsrollen lagen. Sie waren total verbrannt, trieften vor Öl und rochen bedenklich.
»Tee ist nicht mehr da«, sagte er zu Parker.
»Wie erfreulich«, erwiderte der Butler und musterte die Frühlingsrollen. Der Chinese entfernte sich, und Lady Agatha beugte sich angewidert zurück.
»Wo ist nun die Überraschung, die zwölf Pfund gekostet hat?« fragte sie Parker.
»Mylady erlauben?« Parker zog den Teller zu sich heran, nahm eine Gabel und brach mit einiger Mühe die erste verkrustete Frühlingsrolle auf. Er stocherte in der Füllung herum und wurde fündig: