Parker geht dem Büffel ans Leder: Butler Parker 269 – Kriminalroman
Von Günter Dönges
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Butler Parker ist seinen Gegnern, den übelsten Ganoven, auch geistig meilenweit überlegen. In seiner auffallend unscheinbaren Tarnung löst er jeden Fall. Bravourös, brillant, effektiv – spannendere und zugleich humorvollere Krimis gibt es nicht!
Lady Agatha zeigte weder Hemmungen noch Erbarmen. Beherzt verteilte sie Rippenstöße und trat gegen störende Schienbeine. Dabei ignorierte sie Schmerzenslaute ebenso souverän wie wütende Proteste. Spontan hatte sich die immens vermögende Dame entschlossen, an der Seite ihres Butlers über den sonntäglichen Flohmarkt in der Londoner Petticoat Lane zu bummeln. »Ich werde mir die Gemälde da drüben näher ansehen, Mister Parker«, teilte Agatha Simpson mit und arbeitete sich weiter vor. »Wie Mylady zu wünschen belieben«, antwortete Parker, der ihr in würdevoller Haltung folgte. »Wie hübsch!« schwärmte die ältere Dame gleich darauf. »In der Tat bemerkenswert«, ließ der Butler sich vernehmen. Seine Blicke waren allerdings auf ein Bild im Hintergrund gerichtet, das seine Herrin nicht weiter zu interessieren schien. Der junge Mann mit schulterlanger Hippiemähne, der die majestätische Dame und ihren schwarz gewandeten Begleiter mit lässigem Kopfnicken an seinem Stand begrüßte, hielt ein ausgesprochen vielseitiges Sortiment feil. Von wurmstichigen Kleinmöbeln über nostalgisches Gerümpel aller Art reichte das Angebot bis zu jenen Ölgemälden, die Agatha Simpsons Aufmerksamkeit erregt hatten. Mit einer Ausnahme handelte es sich um Kitsch der Jahrhundertwende. Man hätte darüber streiten können, was stilloser war – die süßlichen Darstellungen oder die protzigen Goldrahmen. Während Mylady mit entzückten Kommentaren nicht sparte, nahm Parker das Landschaftsbild näher in Augenschein, das der schwarzhaarige Verkäufer achtlos gegen einen Stuhl gelehnt hatte. Das Gemälde war in gedeckten, fast düsteren Farben gehalten und zeigte ein Stück Meeresküste. Im Vordergrund waren mehrere Menschen zu erkennen, in der Ferne Gebäude und eine Art Landungssteg, der weit in das stürmisch bewegte Wasser ragte.
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Parker geht dem Büffel ans Leder - Günter Dönges
Butler Parker
– 269 –
Parker geht dem Büffel ans Leder
Günter Dönges
Lady Agatha zeigte weder Hemmungen noch Erbarmen. Beherzt verteilte sie Rippenstöße und trat gegen störende Schienbeine. Dabei ignorierte sie Schmerzenslaute ebenso souverän wie wütende Proteste.
Spontan hatte sich die immens vermögende Dame entschlossen, an der Seite ihres Butlers über den sonntäglichen Flohmarkt in der Londoner Petticoat Lane zu bummeln.
»Ich werde mir die Gemälde da drüben näher ansehen, Mister Parker«, teilte Agatha Simpson mit und arbeitete sich weiter vor.
»Wie Mylady zu wünschen belieben«, antwortete Parker, der ihr in würdevoller Haltung folgte.
»Wie hübsch!« schwärmte die ältere Dame gleich darauf.
»In der Tat bemerkenswert«, ließ der Butler sich vernehmen.
Seine Blicke waren allerdings auf ein Bild im Hintergrund gerichtet, das seine Herrin nicht weiter zu interessieren schien.
Der junge Mann mit schulterlanger Hippiemähne, der die majestätische Dame und ihren schwarz gewandeten Begleiter mit lässigem Kopfnicken an seinem Stand begrüßte, hielt ein ausgesprochen vielseitiges Sortiment feil. Von wurmstichigen Kleinmöbeln über nostalgisches Gerümpel aller Art reichte das Angebot bis zu jenen Ölgemälden, die Agatha Simpsons Aufmerksamkeit erregt hatten.
Mit einer Ausnahme handelte es sich um Kitsch der Jahrhundertwende. Man hätte darüber streiten können, was stilloser war – die süßlichen Darstellungen oder die protzigen Goldrahmen.
Während Mylady mit entzückten Kommentaren nicht sparte, nahm Parker das Landschaftsbild näher in Augenschein, das der schwarzhaarige Verkäufer achtlos gegen einen Stuhl gelehnt hatte. Das Gemälde war in gedeckten, fast düsteren Farben gehalten und zeigte ein Stück Meeresküste.
Im Vordergrund waren mehrere Menschen zu erkennen, in der Ferne Gebäude und eine Art Landungssteg, der weit in das stürmisch bewegte Wasser ragte.
Mit der grellen Buntheit der übrigen Exponate konnte dieses Bild nicht entfernt konkurrieren. Auch der Rahmen war wesentlich schlichter und an einer Ecke sichtbar beschädigt. Dennoch strahlte es einen eigentümlichen Reiz aus.
Zwei Minuten später war der Butler mit dem Inhaber des Standes handelseinig. Das Gemälde wurde in Packpapier eingeschlagen und wechselte zum Preis von dreißig Pfund den Besitzer.
»Und was wollen Sie für die anderen Bilder haben, junger Mann?« fragte Lady Agatha, die Parkers Einkauf mit mißbilligendem Kopfschütteln quittiert hatte.
»Hundert Pfund das Stück«, gab der Verkäufer Auskunft.
»Hundert Pfund?« wiederholte Mylady entrüstet. »Das kann doch nicht Ihr Ernst sein.«
»Klar ist das mein Ernst, Lady«, gab der Verkäufer zurück. »Die sind doch viel größer und schöner als das Bild, das Ihr Butler gekauft hat. Allein die Rahmen sind Stück für Stück einen Hunderter wert.«
»Mister Parker hat den Ladenhüter, den Sie ihm angedreht haben, ohnehin viel zu teuer bezahlt«, urteilte die füllige Dame, deren ausgeprägter Hang zur Sparsamkeit an schottische Vorfahren denken ließ. »Das könnte man mit einem anständigen Rabatt bei den übrigen Bildern verrechnen.«
»Hundert Pfund und keinen Penny weniger«, beharrte ihr Gegenüber. »Wenn Ihnen das zu teuer ist, müssen Sie ja nichts kaufen.«
»Ihre Preise sind reine Halsabschneiderei, junger Mann«, empörte sich Mylady. »Das können Sie mit einer alleinstehenden Dame, die jeden Penny dreimal umdrehen muß, nicht machen.«
»Daß ich nicht lache«, konterte der langhaarige Händler. »Einen Butler können Sie sich leisten ...«
Irritiert hielt er inne, weil Agatha Simpson in diesem Augenblick nach einem der Bilder griff.
»Zehn Pfund, junger Mann«, bot sie an. »Jeder Schilling mehr wäre unverschämt.«
»Bei dir piept’s wohl«, platzte dem Verkäufer unvermittelt der Kragen. »Scher dich weiter, fette Krähe, und laß die Finger von meinen Bildern!«
»Habe ich recht gehört, Mister Parker?« wandte sich Mylady hocherfreut an den Butler. »Was der Flegel da von sich gegeben hat, war eindeutig eine Beleidigung.«
»Ein Eindruck, dem sich auch meine bescheidene Wenigkeit nicht entziehen kann, Mylady«, pflichtete Josuah Parker ihr bei.
Aus Erfahrung wußte er, was unweigerlich folgen würde. Nur der langhaarige Verkäufer hatte keine Ahnung, wie spontan die resolute Dame sich Genugtuung zu verschaffen pflegte, wenn sie sich in ihrer Ehre verletzt fühlte.
Deshalb traf Agatha Simpsons Reaktion ihn wie der sprichwörtliche Blitz aus heiterem Himmel.
*
Mylady plazierte das goldgerahmte Ölgemälde treffsicher auf dem Haupt des völlig verdutzten Händlers. Er zeigte sich dieser Behandlung ebenso wenig gewachsen wie die schon etwas morsche Leinwand.
So kam es, daß sich der ungalante Standinhaber unversehens auf dem Boden wiederfand. Aus dem nostalgischen Wandschmuck war eine nicht sehr dekorative Halskrause geworden, die ihrem Träger ausgesprochen unbequem zu sein schien.
Für Lady Agatha war der Fall damit erledigt. Sie machte auf dem Absatz kehrt und bahnte sich weiter ihren Weg durch die Menge.
Mit einer höflichen Geste half Parker dem sichtlich beeindruckten Verkäufer auf und drückte ihm diskret eine ansehnliche Banknote in die Hand.
Der junge Mann wußte nicht, wie ihm geschah. Abwechselnd starrte er auf die davoneilende Lady und den Geldschein in seiner Hand.
»Sofern Ihnen Unkosten durch ärztliche Behandlung entstehen, darf man Sie höflich bitten, sich unter Vorlage entsprechender Rechnung an diese Anschrift zu wenden«, sagte der Butler und übergab dem Mann eine Visitenkarte.
Parker deutete eine Verbeugung an, lüftete höflich die schwarze Melone und folgte gemessenen Schrittes seiner Herrin. Vorher hatte er sich Namen und Anschrift des Händlers, die auf einem Schild am Stand vermerkt waren, fest eingeprägt.
Kopfschüttelnd sah der Trödler dem skurrilen Paar nach und betastete vorsichtig die wachsende Schwellung an seiner Stirn.
Es lag nicht nur an der Körperfülle, daß Agatha Simpson so majestätisch wirkte. Hinzu kam, daß sie sich mit dem Pathos einer Bühnenheroine in Szene setzte.
Obwohl Mylady die Sechzig überschritten hatte, war sie gegen weibliche Eitelkeit keineswegs gefeit. Besondere Sorgfalt verwandte sie auf die Auswahl ihrer Hüte. Zwei martialische Nadeln vom Format mittlerer Grillspieße sorgten dafür, daß die Kreuzung zwischen Napfkuchen und Südwester der temperamentvollen Lady nicht vom ergrauten Haupt rutschte.
Ein Tweedkostüm, das ausufernde Körperpartien nur mit Mühe zu bändigen vermochte, rustikale Schnürstiefel und ein perlenbestickter Pompadour am Handgelenk vervollständigten den Aufzug der resoluten Dame.
Dieser Pompadour hatte es in sich: Er barg Myladys sogenannten Glücksbringer, ein massives Hufeisen, das von einem stämmigen Brauereigaul stammte.
Den Glücksbringer, den sie aus humanitären Gründen in eine dünne Lage Schaumstoff gewickelt hatte, wußte Lady Agatha ebenso beherzt wie treffsicher einzusetzen. Daß er den Adressaten jemals Glück gebracht hätte, ist allerdings nicht überliefert.
Josuah Parker, ein Mann von etwas über mittelgroßer Statur und schwer bestimmbarem Alter, stellte in jeder Hinsicht das Urbild eines hochherrschaftlichen Butlers dar. Er trug einen konservativ geschnittenen Zweireiher mit weißem Eckkragen, dazu die steife Melone und den unvermeidlichen Regenschirm am angewinkelten Unterarm.
Seine stets würdevolle Haltung wirkte manchmal so steif, als hätte er einen Ladestock verschluckt. Das glatte, alterslos wirkende Gesicht zeigte nur selten