Theo Retisch
Von Martin Cordemann
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Über dieses E-Book
Martin Cordemann
Tillmann Courth stand jahrelang als Conférencier auf der Bühne des Ersten Kölner Wohnzimmertheaters. Er schrieb und bestritt fünf Kabarett-Soloprogramme und geht heute einigen Kolleg?innen u.a. als Regisseur zur Hand, ist Comicexperte und betreibt die Webseite FIFTIES HORROR. Martin Cordemann ist Autor der Comics „Die DomSpitzen“ und „Bruder Thadeus: Das Münchner Kindl“ (Zeichner: Ralf Paul) sowie des Buches „Dada op Kölsch“. Als E-Book gibt es von ihm jede Menge Krimis und Science Fiction.
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Buchvorschau
Theo Retisch - Martin Cordemann
Tod
„Okay, was haben wir hier?"
Ich zeigte meinen Dienstausweis.
„Oh, Kommissar Retisch. Was führt Sie hierher?"
„Eine Leiche?! Sagen Sie es mir."
„Okay, männlich, ca. 1.80 groß, blondes Haar, tot."
„Todesursache?"
„Das ist noch nicht ganz sicher. Wahrscheinlich Selbstmord."
„Selbstmord? Ich lächelte müde. „Was soll ich dann hier?
„Naja... Der Polizist sah mich unsicher an. „Es ist nicht sicher, dass es Selbstmord war. Die Nachbarn haben Schüsse gehört...
„Schüsse? Was ist das für ein Selbstmörder, der mehrere Anläufe braucht?"
„Deswegen haben wir Sie ja auch sofort gerufen. Und... weil es ein Bekannter von Ihnen ist."
„Ein Bekannter?"
Ich trat in die Küche der kleinen Wohnung. Auf dem Fußboden lag die Leiche eines blonden Mannes. Daneben eine Pistole. Eine Blutlache bildete sich auf dem Linoleum. Der Polizist beugte sich herunter und hob den Kopf des Toten ein wenig an.
„Uuuups!"
Dieter Werkel.
In der Tat ein Bekannter.
Ich hatte ihn ein paar Mal verhaftet.
Und war mir sicher, dass es ich es wieder tun würde.
Bis jetzt.
„Okay, ich bin mit Selbstmord einverstanden", murmelte ich und erhob mich wieder.
„Ähm, das... das ist doch nicht Ihr Ernst, oder?"
Ich seufzte.
Hätte nichts dagegen gehabt, den Fall abzuschließen.
Werkel war ein Arschloch gewesen.
Ein wirklich sehr unnetter Mensch.
Der es durchaus verdient hätte, dass man ihn... selbstmordete.
„Nein, leider nicht."
Ich sah mich um.
„Wenn er mehr als einmal geschossen hat, wo ist dann die Kugel geblieben? Und überhaupt: Wenn irgendjemand diese Sache wie Selbstmord aussehen lassen wollte, warum hat er dann zugelassen, dass zweimal geschossen wurde? Das versaut doch alles! Naja. Was ist mit der Spurensicherung?"
„Müsste jeden Moment hier sein."
„Gut."
Ich steckte mir eine Zigarette an.
„Dann sehen wir uns doch mal um, ob wir hier ein paar Hinweise finden können."
Ich nahm ein Paar Gummihandschuhe aus meiner Tasche und sah mir die Waffe an. Sie roch, als wäre sie erst vor kurzem abgefeuert worden. Eine Pistole mit Trommel. Ich öffnete sie vorsichtig und sah hinein. Voll geladen. Ich drehte die Knarre um und alle Patronen fielen in meine Hand. Zwei davon waren benutzt worden.
Ich ließ die Patronen in einen Klarsichtbeutel fallen und die Knarre in einen zweiten. Beides drückte ich dem Polizisten in die Hand.
„Gut drauf aufpassen!"
Er nickte.
„Er hat also wirklich zweimal geschossen?" fragte er.
„Hmm-hmm! nickte ich. „Sieht ganz so aus.
„Und... worauf?"
Ich hob vorsichtig den Kopf der Leiche an. Sein linkes Ohr war nur noch eine blutige Masse. Ebenso sein Hinterkopf. Am Ohr fanden sich Schmauchspuren.
„Tja, sieht so aus, als hätte er erst Zielübungen mit seinem Ohr gemacht. Dann hat er sich die Waffe aufs Auge gedrückt und BUMM!"
„Aufs Auge? Ist das nicht eher ungewöhnlich?"
„Was? Ungewöhnlicher als Zielübungen mit dem Ohr? Ich grinste. „Wissen Sie, wie schweineweh das tun muss, wenn man sich mit einer Kugel das Ohr wegjagt?
„Aber... aufs Auge? Steckt man sich die Knarre nicht normalerweise in den Mund?"
„Ja, normalerweise schon. Naja, sofern man bei Selbstmördern von normal sprechen kann. Das Schöne ist nur, dass die meisten nur einmal zuschlagen."
„Also... hat er Selbstmord begangen?"
„Das muss das Labor entscheiden. Wenn sich herausstellt, dass er Pulverspuren an den Fingern hat, dann würde ich das mal für relativ wahrscheinlich halten."
„Und wenn er keine hat?"
„Naja, also, auch wenn er erst einen Warnschuss abgefeuert hat: die Zeit, seine Handschuhe nach dem Schießen auszuziehen, hatte er jedenfalls nicht! Apropos, haben Sie hier irgendwo Handschuhe gesehen?"
„Nein."
„Tja, damit dürfte diese Möglichkeit wohl ausscheiden."
Ich sah ihn mir noch mal an.
Und etwas fiel mir auf.
Eine Hand Werkels war zur Faust geballt.
Ich hob sie an, aber ich konnte sie nicht öffnen.
Die Leichenstarre hatte bereits eingesetzt.
Ich nahm eine durchsichtige Tüte aus der Tasche und stülpte sie über die Hand.
„Was machen Sie da?"
„Beweise sichern", murmelte ich.
Im Hausflur wurde es laut. Die Spurensicherung kam.
„N’abend, Retisch."
„Abend, Meier."
„Schon so früh hier?"
„War in der Gegend."
„Was ham wir hier?"
„Möglicherweise Selbstmord."
„Aha. Haste mal ne Kippe?"
„Klar."
Ich reichte ihm eine.
„Danke."
„Ist übrigens n Bekannter. Dieter Werkel."
„Ah, dann hat’s also diesmal keinen falschen getroffen!"
„Mein Reden."
Ich gab ihm Feuer.
„Wenn ihr was findet, sagt mir Bescheid."
„Ist okay."
Meier öffnete seinen großen Koffer und machte sich an die Arbeit.
Ich sah mir die Wohnung an.
Durchsuchte sie professionell.
Das was ich suchte fand ich nicht.
Alles war recht aufgeräumt.
Ordentlich.
Das Bett gemacht.
Die Wäsche gewaschen.
Sauber im Schrank gefaltet.
Die Handtücher hingen glatt über den Stangen.
Der Zahnputzbecher war trocken.
Die Badewanne geputzt.
Der Aschenbecher kaum benutzt.
Am Anrufbeantworter blinkte ein Lämpchen.
Der Fußboden war makellos.
Außer in der Küche.
Wo seine Leiche lag.
Und blutete.
Ein ordentlicher Mensch.
Ein Arschloch zwar, ein Verbrecher, aber ordentlich.
Und tot.
Ich drückte auf die Taste des Anrufbeantworters.
„Werkel, du miese Ratte! Dafür krieg ich dich am Arsch, du Schwein!"
Dann nichts mehr.
Ich holte die Kassette aus dem Gerät und verstaute sie in einer Klarsichthülle.
Dann ging ich zurück in die Küche.
Meyer war gerade beschäftigt.
„Zwei Kugeln, murmelte er. „Die eine hat ihm das Gehirn zerrissen. Die andere steckt in der Küchenwand.
„Schön, meinte ich. „Sonst noch was?
„Muss noch den Paraffintest machen. Dann kann ich dir sagen, ob er selbst geschossen hat."
„Okay."
„Retisch."
„Hmm?"
Ich sah ihn fragend an.
„Was meinst du?"
„Ob das Selbstmord war?"
Er nickte.
„Wie groß sind die Chancen? Ich meine, er liegt in der Küche. Gut, vielleicht wollte er seinen teuren Wohnzimmerteppich nicht voll bluten, aber ansonsten?"
Ein elektrisches Geräusch ertönte.
Aus dem Wohnzimmer.
Meier sah mich fragend an.
Ich wusste es auch nicht.
Wir sahen nach.
Der Videorekorder war angesprungen.
Ziemlich veraltet, so was hatte heute kaum noch jemand.
Werkel zeichnete etwas auf.
Vielleicht wollte er sich das nach seinem Tod ansehen?!
Ich schaltete den Fernseher ein und suchte den Videokanal.
Es lief die neue Samstagabendshow der ARD: „Veronas Kaffeekranz".
Aus irgendeinem Grund wurde sie jetzt montags ausgestrahlt.
Ich seufzte.
„Er war nicht nur ein mieser Arsch, er hatte auch einen scheiß Geschmack!"
Ich deutete auf den Rekorder.
„Der kommt auch ins Labor. Findet heraus, ob er noch was anderes aufnehmen wollte. Etwas anderes, das er sich dann im Jenseits ansehen wollte."
Meier nickte.
„Sag mal, hast du hier Zigaretten gesehen?"
„Wieso? fragte Meier. „Hast du welche verloren?
„Nein. Ich ließ meinen Blick durchs Wohnzimmer gleiten. Kein Aschenbecher. Keine Zigaretten. „Aber der Aschenbecher in der Küche macht einen kaum benutzten Eindruck, oder?
Wir gingen zurück in die Küche.
Der Aschenbecher war benutzt worden.
Es fand sich ein wenig Asche darin.
Aber keine Kippe.
Wir stellten die ganze Wohnung auf den Kopf.
Zigaretten fanden sich keine.
„Gut. Ich steckte mir eine an. „Damit gehört dieser Laden ganz dir.
Ich trat hinaus auf die Straße. Eisige Luft umfing mich. Ich schlug den Kragen meiner Jacke hoch. Jetzt noch ins Präsidium, den Papierkram erledigen und dann war Schluss für heute. Ich machte mich auf den Weg.
Einen langen Weg.
Auf die andere Rheinseite.
Nach Kalk.
Wer kam auf die Idee, ein Polizeipräsidium so weit vom Schuss aufzubauen?
Scheiß Bürokraten!
Als ich endlich im Präsidium angekommen war, lief mir die Fleisch gewordene Antipathie über den Weg. Volker Klaus Weber, Leiter des Drogendezernats. Er hatte einen schnäuzerlosen Bart rund ums Gesicht und die dazu passende Kapitänsmütze auf dem Kopf. Sah aus wie ein Troll mit Segelschein. In seinem Fahrwasser schlingerte der Spacken vom Dienst, Ilja Raap, ebenfalls Drogendezernat.
„Na, Jungs! Laufen die Drogengeschäfte gut?"
Weber blieb stehen und sah mich kalt an.
„Was geht Sie das an, Retisch? Sie arbeiten nicht mehr für uns!"
Was zu einem Großteil an ihm lag.
Wer arbeitet schon gerne mit einem absoluten Arschloch zusammen?
Ich nickte und lächelte.
„Und Sie haben mich auch gerade wieder