Die Entführung von Berthold Weide
Von Aaron Aalst
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Buchvorschau
Die Entführung von Berthold Weide - Aaron Aalst
Behandlung
AARON
AALST
Die Entführung von Berthold Weide
Inhaltsverzeichnis
Behandlung
Schwester Margret
Freundschaft
Anzeichen
Monika
Blockade
Aufbruch
Ankunft
Abschied
»Ja bitte, herein!«
»Tag Professor! Sie wollen mich sprechen?«
»Ja, guten Tag Herr Kollege. Bitte, setzen Sie sich. Möchten Sie einen Kaffee?«
»Bitte keine Umstände. Ich bin wie immer in Zeitnot.«
»Ja mein Lieber, das ist der Fluch unseres Berufsstandes. Kommen wir also zur Sache. Es geht mir um Ihre Berichte über unseren Träumer. Sie schreiben die unglaublichsten Dinge. Scheint ein sehr interessanter Fall zu sein. Erzählen Sie mir bitte mehr darüber.«
»Nicht so ganz einfach. In kurzen Worten: Der Patient träumt ständig. Seine Schlafperioden richten sich nicht nach dem Erholungsbedürfnis des Körpers, sondern eher nach der Länge seiner Träume. Ich weiß, es steht auch Ihnen ins Gesicht geschrieben, dies scheint unglaublich, gegen die Natur. Aber es ist so. Es ist auch der Grund, warum der Patient zu uns gekommen ist, na ja, gebracht wurde. Sein längster Schlaf, nicht in der Klinik, hat genau sechs Tage gedauert. Sechs Tage ohne Aufnahme von Flüssigkeit oder fester Nahrung. Sechs Tage, ohne körperlichen Bedürfnissen nachzukommen. Ähnlich wie Patienten die im tiefen Koma liegen. Nach diesen Schlafperioden ist der Patient eine kurze Zeit wach. Dies scheint mir eher die Erholungsphase zu sein. Doch auch während dieser Zeit muss er träumen. Und nun zu einer Besonderheit. In kurzen Phasen träumt er realistisch. Ich meine damit, er träumt von Dingen, die er selbst erlebt hat. Diese können Jahre oder Wochen zurückliegen. Immer träumt er in allen Details. Anders bei seinen Langträumen. Er erlebt dann Dinge, die er selbst nicht mitgemacht haben kann. Es gibt keine erkennbare Richtung bzw. Themen der Träume. Geschichten aus seiner Jugend, als Soldat, erotische Erlebnisse und Ähnliches. Einzig in die Zukunft ist er noch nicht gereist.«
Einen Moment ist Stille im Büro des Chefarztes. Beide Männer sind in Gedanken versunken.
»Wie wollen Sie ihn therapieren?«
»Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Seit Tagen blättere ich in verschiedenster Fachliteratur. Spreche mit Kollegen, suche im Internet Hinweise. Bislang ohne Erfolg. Niemand hat einen ähnlichen Fall gehabt. Wir tappen völlig im Dunkeln.«
»Na ja, augenscheinlich ist der Patient gesund. Weder das EEG noch die organischen Tests haben andere Ergebnisse gezeigt.«
»Stimmt! Alles kann als normal bezeichnet werden. Wären da nicht diese Träume, diese überaus interessanten Träume. Ich habe meine Notizen, die ich bei den Gesprächen mit dem Patienten gemacht habe, überarbeitet. Es ist wirklich toll, wie detailliert er seine Erlebnisse aus seinen Träumen wiedergibt. Er nennt kleinste Details. Mit spürbarer Spannung gibt er seine Erlebnisse wieder. Ich selber bin sehr gespannt, was er mir im Nächsten Gespräch erzählen oder sagen wir lieber berichten wird.«
»Ich werde mich in dieser Sache ebenfalls umhören. Sollte ich etwas in Erfahrung bringen, benachrichtige ich Sie. Tut sich bei Ihnen etwas, bitte informieren Sie mich.«
»Danke Herr Professor. Selbstverständlich werde ich Sie auf dem Laufenden halten.«
»Ach Doktor Jung!« Professor Körner schaute seinen Mitarbeiter an. »Ist es möglich, bei Ihrem nächsten Gespräch mit dem Patienten dabei zu sein? Oder würde es nach Ihrer Einschätzung dazu führen, dass er Hemmungen aufbaut?«
»Hemmungen? Nein Herr Professor! Hemmungen habe ich bei ihm nicht festgestellt. Ich denke Sie können ohne Sorgen an der Sitzung teilnehmen.«
»Gut! Wann glauben Sie kann es sein?«
»Wenn er wach ist und Sie möchten – sofort. Aber wenn er heute wach ist, wäre es keine längere Schlafperiode gewesen. Und eine Solche sollten Sie abwarten.«
»Schön Doktor. Geben Sie mir Bescheid. Bitte mit einer kleinen Vorwarnung, damit ich meine Termine entsprechend legen kann. Danke!«
Doktor Jung geht gerade um die Ecke des Flurs zur Station, als er über Lautsprecher aufgefordert wird sich schnellstens bei der Stationsschwester zu melden. Nun, er steht kurz vor dem Schwesternbüro. Von den Schwestern ist keine anwesend. Auf der Tafel sieht er, dass die Lampe von Zimmer 10 leuchtet, sich also dort Personal aufhält. In diesem Zimmer liegt der Träumer, Herr Berthold Weide. Eilig geht Doktor Jung auf das Zimmer zu. Kaum hat er es betreten, bekommt er einen gehörigen Schreck. Der Träumer wird von zwei Schwestern festgehalten, die dabei beruhigend auf ihn einreden.
»Was ist passiert?«, erkundigt sich Doktor Jung.
»Wissen wir nicht! Anscheinend ein sehr anstrengender Traum. Wir haben gerade den Kaffee ausgetragen, als wir es bemerkten. Dem wollüstigen Stöhnen nach zu urteilen dachten wir, es sei ein erotischer Traum. Wurde allerdings immer heftiger. Wir werden ihn wohl ruhig stellen müssen.«
Die Schwester sah Doktor Jung fragend an.
»Nein, warten wir noch ein bisschen! Er wird sich von alleine beruhigen. Ich bleibe hier! Tragen Sie ruhig Ihren Kaffee weiter aus. Mir bitte auch eine Tasse.«
Etwas schnippisch antwortete die Schwester: »Wie Sie wollen!«
Es dauerte noch eine Weile, bis der Träumer ruhiger wird. Wieder gibt er ein zufriedenes Stöhnen von sich. Doktor Jung würde viel darum geben, wenn er jetzt wüsste, was sein Patient erlebt. Vorsichtig lüftet er die Bettdecke ein wenig. Wirklich, ein erotischer Traum, wie unschwer an dem schwellenden Glied des Patienten zu erkennen ist. Hoffentlich kann er über seinen Traum zu berichten.
Ich schaue auf meinen Bettnachbarn, mit dem ich, während meiner Anwesenheit hier noch nie sprechen konnte. Ein paarmal habe ich es versucht. Ich bekam keine Antwort von ihm. Heute liegt er auf dem Rücken und starrt die Decke an. Die ganze Zeit in der ich ihn anschaue, habe ich nicht einen Lidschlag bemerkt. Lebt der überhaupt noch? Ich beuge mich etwas nach vorne, um ihn besser sehen zu können. Ja, leben tut er noch, zumindest atmet er