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Stille: Eine Erzählung
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eBook102 Seiten1 Stunde

Stille: Eine Erzählung

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Über dieses E-Book

Stille - ein Buch über ein unabänderliches Schicksal. Über die Hilflosigkeit, die uns alle überkommen könnte. Als Betroffene oder Angehörige. Einblick in Gedanken, Ideen, Gefühle, mit denen wir umgehen müssen, wenn das Leben einen anderen Weg geht, als den, den wir uns vorgestellt hatten.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum28. Dez. 2012
ISBN9783847627159
Stille: Eine Erzählung

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    Buchvorschau

    Stille - Gregor Kohl

    Gregor Kohl

    Stille

    Eine Erzählung

    Dieses eBook wurde erstellt bei

    Verlagslogo

    Inhaltsverzeichnis

    Titel

    Stille

    Impressum

    Stille

    Eine Erzählung

    Der Unfall ereignete sich an einem Sonnentag. Frühlingslicht, das zwischen Blättern hin und her sprang. Die Bäume trugen ein helles Grün, die Wiesen waren saftig, wie sie in der Werbung nicht schöner dargestellt werden können. Man sah die schwarzweißen, für den Norden typischen Kühe weiden. Die Landstraße war gerade, trocken, die Eschen standen Spalier. Ich weiß nicht wo es her kam, was da kam und plötzlich auf der Straße stand. Ich weiß, dass ich versuchte auszuweichen. Ich kam von der Straße ab und einer der Bäume wollte mein Schicksal sein. Wollte sich in mein Leben drängen, wollte es verändern. 

    Drei Wochen lag ich nach dem Unfall im Koma, so wird mir später erzählt, um dann doch wieder aufzuwachen. Ich öffne die Augen und starre gegen eine weiße Decke. Ich bin bei Bewusstsein, ohne mir bewusst zu sein, wo ich bin. Alles was ich registriere ist diese Decke über mir. Ich fühle keine Schmerzen, keinen Hunger, keinen Durst. Nur diese Leere steht vor mir und mir will nicht klar werden, was ich jetzt als nächstes tun werde. Ich überlege, wo ich bin, ob ich noch im Tiefschlaf bin, ob ich in einem Traum liege, ob es Zeit zum Aufstehen ist und ich arbeiten gehen muss. Welcher Tag ist heute? Ist heute Sonntag und ich kann liegen bleiben? Ein schöner Gedanke. Noch mal die Augen schließen und sich noch mal zur Seite drehen. Aber ich kann nicht. Ich kann nicht. Warum kann ich mich nicht umdrehen? So habe ich es doch immer getan. Ich mache immer den Wecker aus, bevor er überhaupt klingelt, und ich drehe mich noch mal auf die andere Seite. Noch etwas schlummern und den Kopf ins Kissen drücken. Der Welt noch mal für fünf Minuten den Hintern zeigen. Doch diesmal bleibe ich gerade liegen, ich kann mich nicht drehen, ich liege auf dem Rücken, ich kann nur die Decke anschauen. Ich liege auf dem Rücken, mein Kopf sagt mir das. Ich liege auf dem Rücken und kann mich nicht bewegen. Ich hatte schon einmal einen solchen Traum. Ich lag im Bett, die Bettdecke lag schwer wie Blei auf meinen Beinen, jemand stand in meinem Zimmer, nur ein Schatten, ich konnte den Kopf nicht wenden und wusste nicht wer dieser jemand war, ich hörte nur den Atem dieses Menschen. Ich konnte ihn nicht anschauen und die Dunkelheit wurde in meinem Zimmer immer schwärzer. Die Angst stieg in mir hoch, doch meine Hände konnten sich nicht rühren, sie blieben unter der Bettdecke begraben. Vor Angst begann ich das Vaterunser zu beten und damit wurde ich ruhiger und konnte wieder einschlafen. Am Morgen war alles vorbei und ich denke heute unwillig an diese Nacht zurück. Ich bin mir jetzt noch sicher, dass ich Besuch aus dem Jenseits hatte. Ich erzählte diese Geschichte damals meiner Mutter und bekam dann heimlich ein Amulett aus Lourdes unter das Bett gelegt. Sie erzählte mir das erst später, denn sie wusste, dass ich so ein Amulett eigentlich nicht wollte. Irgendwie finde ich es auch jetzt noch eher spannend, dass ich diesen Besuch hatte, wobei ein Kribbeln im Nacken mir die Angst unter die Hirnschale trieb. 

    Nun liege ich also wieder genauso da, kann mich nicht rühren und ich habe das Gefühl, dass wieder jemand in meinem Zimmer steht, an meinem Bett. Ich fühle mich belauert. Und tatsächlich, diesmal kann ich jemanden sehen. Wenn ich den Kopf weit nach rechts drehe, sehe ich eine Krankenschwester in grüner Kutte. Ich werde also operiert, denke ich. Man nimmt mir jetzt wahrscheinlich endlich den Blinddarm raus, der wohl entzündet ist, ich kann mich deshalb nicht bewegen, weil ich eine Beruhigungsspritze bekommen habe, die den Körper ganz ruhig stellt, die einen gelassen alles betrachten lässt. Jetzt werde ich bald die Anästhesie bekommen, denke ich mir. Ich kann mich aber gar nicht erinnern, dass ich ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Ich weiß nichts von einer Aufnahme, wann war nur die Besprechung mit der Anästhesistin? Ich habe doch überhaupt nichts unterschrieben. Was macht die Schwester da nur? Sie wuselt um mich herum, registriert mich gar nicht. Jetzt kommt sie an mein Bett, sicher wird mir der Puls gefühlt, man setzt mir mein Häubchen auf und dann geht es in den Operationssaal. Diesmal hat man mir wohl beim Anziehen des Engelskleidchens und der Unterhose geholfen. Bei meiner ersten Operation hatte ich mich damals noch selbst umgezogen. Damals dachte ich, dass da auch ein OP-Häubchen dabei sei und wurde letztlich von den Schwersten mit der OP-Unterhose auf dem Kopf abgeholt. Das war mir sehr peinlich. Diesmal werde ich also besser betreut. Die Schwester spricht mich an. Sie fragt mich, ob ich sie verstehen kann. Klar. Ich möchte ihr antworten, doch ich kriege keinen Ton heraus. Ich nicke. 

    Mit ihrer lauten, zu lauten Stimme gibt sie mir zu verstehen, dass ich einen Unfall hatte, dass ich im Koma lag und jetzt endlich aufgewacht sei. Also doch keine Blinddarmoperation, denke ich mir. Was ich für mich in einem Satz zusammenfasse, dauert in meiner Wirklichkeit eine Ewigkeit. Mein Gott, liebe Frau, sprich normal mit mir, denke ich. Ich kann Dir folgen, auch wenn ich hier liege und anscheinend mehr tot als lebendig bin. Ich möchte meine Freundin sehen, möchte das der Schwester sagen, ich möchte ihr sagen, dass sie still sein soll, bekomme aber keinen Ton heraus. Müssen wohl die Schläuche Schuld daran sein, die ich sicherlich in meinem Hals stecken hatte. Außerdem ist ja klar, dass man nach drei Woche Schweigen das Sprechen erst wieder lernen muss. Diese Gedanken sacken auf mein Bewusstsein, mein Mund ist eingerostet und ich schweige. Ich habe keine Ahnung, wie es jetzt weiter geht. Als Kind habe ich Die Schwarzwaldklinik" im Fernsehen geschaut, demnach müsste jetzt ein Arzt, Oberarzt oder gleich der Professor kommen, mir fürsorglich auf die Hand tätscheln und mir erklären, was alles an mir geflickt wurde, dass es sehr kritisch um mich stand und dass dann dank Saschas ausgezeichneter Pflege alles gut geworden ist. Aber keiner kommt. Ich weiß bis jetzt noch nicht, warum ich überhaupt im Koma lag, was tatsächlich passiert ist, der Professor kommt auch nicht. Außerdem, ich bin Kassenpatient. 

    Wie geht es jetzt weiter? denke ich laut und die Stille hält an. Die Schwester drückt auf einen Knopf, das kann ich aus den Augenwinkeln erkennen, es ist eine Klingel, denn eine Weile später kommen zwei weitere Krankenhäusler herein. Das sind jetzt die Ärzte, denke ich mir. Sie begrüßen mich, als wäre ich vom Himmel gestiegen und erklären mir, dass ich am nächsten Tag genauer erfahren werde, was geschehen ist. So ist das also. Irgendwie hatte ich mir das anders vorgestellt. Wenn man schon aus dem Koma aufwacht, dann stehen erstmal alle Familienangehörige da, dem behandelnden Arzt wird allseits gratuliert und der Patient macht gleich einen Scherz und alle fallen sich in die Arme. Zum Beispiel könnte der Patient ja sagen, dass er Appetit auf Linsensuppe hat, das Publikum lacht, die Blumenkinder sagen ein Gedicht auf und alles wird im goldenen Licht ausgeblendet. Es ist aber Nachtschicht. Ich warte also auf morgen; da ich mich ruhig verhalte, nehmen sie das als Zeichen meines Einverständnisses, ich sehe eine Spritze auf mich zukommen und schlafe ein. 

    Am nächsten Tag - ich weiß nicht, ob es wirklich der nächste Tag ist, ich vermute es, erkennen kann ich es nicht, denn ich habe kein Fenster, also kein Tageslicht - nach meinem Schlaf also und während meines Erwachens werde ich von einem Arzt aufgesucht. Er gibt sich als solcher zu erkennen und spricht in einem ruhigen, gelassenen, fast herablassenden Ton mit mir. Er erklärt mir, dass ich im Koma lag, was ich schon wusste, ihm meinen Wissensvorsprung aus Höflichkeit aber lieber verschweige. Er sagt, dass ich einen Verkehrsunfall hatte. Ich wurde wohl nach dem Unfall aus meinem Auto mit Hilfe der Feuerwehr befreit, das Auto hatte sich um einen Baum geschmiegt. Es habe Bremsspuren gegeben, doch sei bis heute noch nicht klar, warum ich gebremst habe und wie ich von der Fahrbahn abkommen konnte. Er fragt mich erst gar nicht, ob ich es erklären kann. Ich habe auch keine Ahnung und bin nur froh diese Sorte Dialog erst gar nicht aufnehmen zu müssen. 

    In betont sachlich-ruhigem Ton erklärt er mir weitschweifend, dass ich im Moment vom Kopf ab gelähmt sei. Er erklärt mir

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