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Sefire: Die Geschichte einer schier aussichtslosen Flucht
Sefire: Die Geschichte einer schier aussichtslosen Flucht
Sefire: Die Geschichte einer schier aussichtslosen Flucht
eBook124 Seiten1 Stunde

Sefire: Die Geschichte einer schier aussichtslosen Flucht

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Über dieses E-Book

Ein Grand-Hotel in München. Eine persische Großfamilie steigt in einen der Lifte. Die Tür schließt sich, ehe Sefire, die Tochter eines Diplomaten, zusteigen kann. Die Studentin nutzt diese Chance zur Flucht. Sie rennt in eine anderen Etage, sieht eine offene Tür, stürzt hinein - in das Zimmer eines wildfremden Mannes! Von dem zu Tode erschrockenen Hans Falke bittet sie um Asyl. Binnen weniger Minuten wimmelt das Hotel von Sicherheitsbeamten und Polizei. Man vermutet eine Entführung. Das Hotelzimmer wird zur Falle. Ach das Schild "Bitte nicht stören!" schützt, wenn überhaupt, nur bis zum nächsten Tag 12 Uhr. Dann muss Falke das Zimmer räumen. Die Verständigung ist schwierig.
Die Erzählung "Sefire" berichtet über 48 dramatische, schier aussichtslose Stunden. Falsche Spuren, die sie zu legen versuchen, werden aufgedeckt. Eine mit Falke befreundete Helferin wird zur Verräterin. Es gibt keinen Ausweg, außer ...
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum7. Aug. 2013
ISBN9783847648109
Sefire: Die Geschichte einer schier aussichtslosen Flucht

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    Buchvorschau

    Sefire - Werner Siegert

    Assil … Assil …

    Bitte! Versetzen Sie sich nur mal für den Bruchteil einer Sekunde in folgende, in meine Situation: Sie fahren mit dem Lift in einem dieser amerikanisierten Luxushotels in Ihre Etage ....

    Es ist kurz nach der Tischzeit. Der Flur liegt ruhig da. Die Bettwäsche-Container sind abgezogen. Die Service-Wägelchen mit den Röschen fürs Badezimmer, den Duschgel-Fläschchen und Vim-Dosen verschwunden. Die rotbunte Auslegeware schluckt jeden Trittschall. Es scheint, als sei ich der einzige Gast weit und breit. Arglos und in der Vorfreude auf ein paar Minuten Siesta schiebe ich meine Code-Karte in den Türschlitz, es summt leise ....

    .... da drückt mich jemand mit äußerster Vehemenz von hinten in mein Zimmer hinein, so rasch, dass ich beinahe stürze. Ich spüre einen Druck in meinem Rücken, beim Umblicken starre ich in das halb verschleierte Gesicht einer, ja was denn? Iranerin, Irakerin, Perserin, ich kann das doch gar nicht unterscheiden, so schnell, wie die mich aus ihrem Tschador, oder wie man das nennt, mit weitaufgerissenen Augen anstarrt und hastig die Tür hinter sich ins Schloss zieht. Mein Herz rast. Ich hatte so viele Fotos von arabischen, iranischen, persischen Fanatikerinnen, von hassverzerrten Polit-Hexen gesehen, von Terroristinnen, die gnadenlos mit Maschinenpistolen in Flughäfen herumgeschossen und hilflose Passagiere ermordet haben, dass ich in Bruchteilen von Sekunden aschfahl wurde, mich an der Wand festkrallte und bereit war, um mein Leben zu flehen, als die Frau mir nur immer wieder die Worte ins Ohr hämmerte:

    Assil...Assil...Assil, bitte Assil!

    An ihrer flehenden Geste erkannte ich, dass sie von mindestens soviel Angst gepeinigt war wie ich. Dass mir überhaupt keine unmittelbare Gefahr drohte. Dass sie unbewaffnet war. Erschöpft ging sie zu Boden, warf sich knieend vor mich, beugte sich tief zum Boden und stieß immer wieder ihr zischendes Assil ...Assil aus, das mir nicht in den Kopf wollte. Ich vermutete zunächst einen Namen dahinter, einen exotischen Vor- oder Nachnamen, zweifelte, ob nicht eine flüchtige Verwechslung vorläge, beugte mich hinab, um der Frau aufzuhelfen, fasste sie am Arm und setzte die Zitternde auf das Fußende meines Bettes.

    Assil, bitte, Assil, not return to Iran, bitte, Assil!

    Erst jetzt begann ich zu begreifen, obwohl es mir total vermessen erschien, mir, als einem einfachen Mann, einer natürlichen Person, wie sich die Juristen auszudrücken pflegen, jemandem Asyl gewähren zu können. Ich, ein deutscher Mann ausgerechnet einer iranischen Frau, einer wildfremden, exotischen jungen Frau! Ich, der ich hier selbst nur für anderthalb Tage in diesem Hotel zu Gast bin. Misstrauisch begann ich, an eine Falle zu glauben, an die Ouvertüre einer erpresserischen Affäre.

    Jetzt riss sie sich mit zorniger Entschlossenheit den Tschador vom Leib und schleuderte ihn auf den Boden.

    Assil, bitte, Assil, nix wegschicken, nix Telefon, nix Polizei! Stay in Allemagna. Nix return to Iran. Dann tot! Compris? Versteh?"

    Ich schaute auf die Uhr. Ich hatte nur zwanzig Minuten Pause, bis die Konferenz und meine die Präsentation weiterging. Und diese Zeit war wie im Fluge vergangen. Panik schoss in mir empor. Was sollte ich nur machen?

    Die Frau, nein, jetzt nahm ich es erst richtig wahr, dieses junge Mädchen, geschätzte 18 Jahre, hier in meinem Zimmer allein lassen? Allein mit allen meinen Sachen? Mit dem Telefon? Ich musste sofort nach unten. Stotternd versuchte ich, eine Sprache herauszufinden, in der wir uns verständigen könnten. Versuchte es natürlich zunächst in Deutsch, aber da starrte ich nur in fragende Augen.

    You speak English? erforschte ich.

    Just a bit!

    Am Akzent merkte ich, dass ihr Französisch eher geläufig sein müsste. Aber darin war ich nun wiederum ein radebrechender Laie. Eher kam ich mir vor wie eine Parodie auf einen deutschen Touristen, der dieser schwarzhaarigen Suzette einen äußerst komplizierten Sachverhalt in Bruchteilen von Sekunden mit Händen und Füßen, mit Gesten und einem Gemisch internationaler Wortgebilde zu erklären versuchte.

    You stay here, s`il vous plait, totale secret. I don’t tell anybody about you! Understand? In one hour! Ich zeigte ihr diese Zeit auf meiner Uhr, je suis retour and I help you, if I can, understand?

    Sie nickte - Gottseidank! Und dann sagte ich kühn und mit dem innerlichen Gefühl einer totalen Kapitulation, eines Totalverlustes, einer irrsinnigen Idiotie:

    Make yourself at home! Zeigte ihr den Kaffeetopf, die Kekse, holte aus meiner Tasche eine Tafel Schokolade. Sie lächelte mich an. Ja, als ich ihr die Schokolade in die Hand legte, bemerkte ich deutlich, wie sich eine Maske totaler Anspannung von ihrem Gesicht löste, von diesem sehr ausdrucksvollen Gesicht. Sie nahm meine Hand, drückte sie fest und seufzte nur: Gutt, gutt! - In Stunde retour?

    Ich raste zur Tür, denn Zuspätkommen bei Business-Präsentationen, das konnte schon das Ende bedeuten. Wie oft hatte ich meinen Mitarbeitern Standpauken gehalten, dass so etwas nie, nie und nimmer nie passieren dürfe, und jetzt hing ich hier noch fest, während unten bereits alle vorwurfsvoll auf die Uhr schauen würden.

    Eilig verließ ich das Zimmer, nicht ohne den Flur auf verdächtige Personen zu kontrollieren. Dann aber schoss es mir in den Kopf, dass ja irgendeine Gouvernante das Zimmer inspizieren könnte, ob alle Streichholzheftchen vorschriftsmäßig platziert, die Minibar komplettiert und die langweiligen Prospekte in der vorschriftsmäßigen Reihenfolge sortiert lägen. Also - zurück!

    Das Mädchen erschrak, als ich erneut durch die Tür trat. Wortlos nahm ich das Schild mit dem Ruhe heischenden Finger vor dem stilisierten Frauenkopf BITTE NICHT STÖREN! und hing es nach draußen. Und don`t serve the telefon! radebrechte ich noch. Dann lief ich mit zitternden Knien und hochrotem Kopf zum Lift. Der mich natürlich, wie immer in solchen Situationen, ein Jahrhundert warten ließ, bis es Bingbong machte, und dann noch mit rotem Lämpchen, also erst einmal aufwärts bis zum 21. Stock.

    Ich weiß nicht mehr, was für eine Entschuldigung ich stammelte, als ich ohne jegliches Konzentrationsvermögen in den Salon Heidelberg stürzte. Hatte da jemand Na endlich! gesagt - oder war es meine Phantasie, die solchen Horror inszenierte? Weshalb war ich ohne einen der Kollegen hierher gefahren? Es sollte eine Routinesache werden. Eigentlich eine Formalität, denn der Klient war uns schon seit Jahren treu. Aber jetzt floss mir jeder Satz stockend aus dem Mund. Unsere Scribbles und Entwürfe schienen mir merkwürdig fremd und belanglos. Power-Point-Charts öde

    Irgendetwas ist mir beim Essen nicht gut bekommen... flunkerte ich, um der Runde etwas Verständnis für meine Fahrigkeit abzugewinnen.

    Aber es war doch so leicht, und überhaupt nichts Außergewöhnliches!

    Aha, dachte ich mir, sollte das etwa eine Kritik sein? Besticht unser Wettbewerber mit Schlemmerplatten und schwerem Burgunder? Aber gleich waren meine Gedanken wieder bei dem Mädchen, erklang in meinen Ohren ihr beschwörendes Assil, Assil! Wurde mir die Aussichtslosigkeit ihrer Situation klar. Fragte ich mich nach ihrer Herkunft. Die insistierenden Fragen des Marketing-Fritzen, der Auskunft über Zahlen, Aufwand und Kosten erheischte, pfiffen durch die Luft wie Säbelhiebe.

    Ich kniff mich in den Handrücken. Schüttete den Underberg hinunter wie einen Zaubertrank, von dem ich Erlösung erhoffte. Konnte das Mädchen nicht zurück in diese Flasche fliehen?

    Ich nahm Zuflucht zu einer neuen These der Kommunikations-Psychologie. Hier war ich fit, war mir alles präsent, konnte ich am Flipchart interessante Kurven zeichnen, bekam ich wieder Boden unter die Füße, konnte ich - mit wieviel Überzeugungskraft? - unsere neue Kampagne einbetten.

    Ich begann, wie ein Buch zu reden. Ich redete, um nicht an anderes denken zu können. Fragen ließ ich nur zu, wenn sie sich mit drohender Vehemenz artikulierten.

    Der Preis für dieses ganz und gar tölpelhafte Verhalten war in Viertelstunden zu zahlen. Nein, ein Blick auf die Uhr bläute es mir ein: So würde ich noch Stunden hier um den Auftrag kämpfen. Und immer wenn es in die Abendstunden hinein dauerte, war eine ermüdende, so wahnsinnig männerhafte Bar-Session unumgänglich. Meist gab man sich damit nicht zufrieden. Zuletzt klapperten wir auf einen Absacker mit dem Taxi noch Kneipen in der Altstadt ab, aus denen noch Lärm und Remmidemmi erscholl. Nur nicht heute!

    Noch knappe fünfzehn Stunden blieben mir, um das Asylproblem zu lösen. Und jedes lächerliche Disputieren um Design, um noch farbigere Farben und den überzeugendsten Text, um die Gültigkeit der Aussage, die Griffigkeit der Packung, jedes Hin und Her von Argumenten, die längst nur noch dem Buhlen um Selbstbestätigung, der Wichtigtuerei galten, ließ diese kostbare Zeit zusammenschmelzen. Alles nach dem Motto: Es ist schon alles gesagt, aber noch nicht von mir.

    So sann ich wenigstens darauf, eine kurze Pause zu erzwingen, simulierte einen Übelkeitsanfall und erbat, mich für zehn Minuten auf mein Zimmer zurückziehen zu dürfen. Kleinschmidt kam noch auf die Idee, es solle mich jemand begleiten, so echt mimte ich den Sterbenskranken. Auch wollte man den

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