Cyril oder die Spuren der Liebe: Schicksalsroman
Von Werner Siegert
()
Über dieses E-Book
Mehr von Werner Siegert lesen
Zwischen Lust und Flammenschwert: Roman Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenTöchter aus Elysium: Kriminalroman Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenTruski - das Römermädchen vom Reitstein: Kriminal-Satire Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenKinderschänder Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenNatalie - Du?: Erzählung aus dem Leben gegriffen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenSPURLOS verschwinden innerhalb weniger Wochen in München und Umgebung vier wohlhabende, betagte Witwen: Kriminal-Groteske Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenWer früher stirbt, spart sehr viel Geld: 39 Kurzkrimis Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie Tote an der Rosenbank: Kriminalroman Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie Frau ohne Handtasche: Novelle Erotique Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenJulia, der Tramp: Roman Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer Tote im Schilf: Kriminalroman Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie Recherche: Ein Frauenschicksal Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenMännerquote: Ein Wirtschaftskrimi Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenWir kriegen dich!: Kommissar Velmonds letzter Fall Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer Tod ist keine Frau: Roman Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenYpsilon: Ein psycho-phänomenaler Roman Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen15 Märchen für Erwachsene Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer Witwenwanderer: Erzählung Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenSefire: Die Geschichte einer schier aussichtslosen Flucht Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDas Mädchen, das nicht lachte: Eine wahre Erzählung Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer Fluch der Etrusker oder die Jagd nach dem Goldenen Geparden: Kriminal-Groteske Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenJohanna - das Mädchen Doppelbaum: Eine Schicksal-Erzählung Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen
Ähnlich wie Cyril oder die Spuren der Liebe
Ähnliche E-Books
Das achte Leben (Für Brilka) - EINLESEHEFT Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenErinnerungen einer alten Schwarzwälderin: Heimatroman: Die Lebensgeschichte des Wälder-Xaveri Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDas achte Leben (Für Brilka) Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenErinnerungen einer alten Schwarzwälderin Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenWir und Es Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenWeiße Nelken für Elise: Die Liebe meiner Großeltern zwischen Wehrmachtsbordell und KZ Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenEinfach Liebe: Mein Glück mit einer älteren Frau Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDas Bootshaus Bewertung: 2 von 5 Sternen2/5Konstantins Erbe: Sein erster unfreiwilliger Fall Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie unsichtbare Ost-West-Grenze: Det globt mir Keener Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenAus meinem Jugendland Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenWaldflüsterer: Thriller Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenElvira auf Gran Canaria Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenBiel: Band 1/8 Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie Hunde im Souterrain: Roman Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenSex Zwerge und einer dazu: Vergiftet, aus Versehen mit Absicht ... Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenSeelenverkäufer: Das Schicksal einer Deutsch-Amerikanerin Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenVerbotene Spiele Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie fünfte, letzte und wichtigste Reiseregel Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenBoy Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenOdile: Ein olfaktorisches Märchen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGlück Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie Schwarze Rosa Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenCORAS GEHEIMNISVOLLE RÜCKKEHR: Der Krimi-Klassiker! Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenTod, Leben und dazwischen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenEin Bräutigam fürs Leben Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenSie sagte sie sei Alma: Lebenspfade Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenHeute bei uns zu Haus Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenTrügerischer Schatten: Baden-Krimi Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDAS GEHEIMNIS DER METRO Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen
Allgemeine Belletristik für Sie
Grimms Märchen: Mit hochauflösenden, vollfarbigen Bildern Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Ilias & Odyssee Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer Struwwelpeter - ungekürzte Fassung: Der Kinderbuch Klassiker zum Lesen und Vorlesen Bewertung: 4 von 5 Sternen4/51984 Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDas Gilgamesch-Epos: Die älteste epische Dichtung der Menschheit Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer Tod in Venedig Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenItalienisch lernen durch das Lesen von Kurzgeschichten: 12 Spannende Geschichten auf Italienisch und Deutsch mit Vokabellisten Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer kleine Hobbit von J. R. R. Tolkien (Lektürehilfe): Detaillierte Zusammenfassung, Personenanalyse und Interpretation Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenAnnas Tagebuch: A Short Story for German Learners, Level Elementary (A2): German Reader Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenSchneewittchen und die sieben Zwerge: Ein Märchenbuch für Kinder Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Dienstanweisung für einen Unterteufel Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Sämtliche Creative Writing Ratgeber: 5 x Kreatives Schreiben Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenHarry Potter und der Stein der Weisen von J K. Rowling (Lektürehilfe): Detaillierte Zusammenfassung, Personenanalyse und Interpretation Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDenke (nach) und werde reich: Die 13 Erfolgsgesetze - Vollständige Ebook-Ausgabe Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5Walter Benjamin: Gesamtausgabe - Sämtliche Werke: Neue überarbeitete Auflage Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGerman Reader, Level 1 Beginners (A1): Eine Begegnung im Zug: German Reader, #4 Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGermanische Mythologie: Vollständige Ausgabe Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGriechische Mythologie: Theogonie + Die Götter + Die Heroen: Heldensagen und Heldendichtungen (Herkules + Der Trojanische Krieg + Theseus + Die Argonauten) Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenImmanuel Kant: Gesammelte Werke: Andhofs große Literaturbibliothek Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenHeinrich Heine: Gesammelte Werke: Anhofs große Literaturbibliothek Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5Die Frau ohne Schatten Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer Fremde von Albert Camus (Lektürehilfe): Detaillierte Zusammenfassung, Personenanalyse und Interpretation Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenStefan Zweig: Gesamtausgabe (43 Werke, chronologisch) Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenJames Bond 01 - Casino Royale Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Die Edda - Nordische Mythologie und Heldengedichte Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen80 Afrikanische Märchen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen
Rezensionen für Cyril oder die Spuren der Liebe
0 Bewertungen0 Rezensionen
Buchvorschau
Cyril oder die Spuren der Liebe - Werner Siegert
Grüß Gott !
Ich hatte nicht gedacht, dass es so schnell klappen würde. Heute erst war meine Anzeige in der Zeitung erschienen, ganz klein, unter Vermischtes
, und nun sollte es schon in einer knappen Stunde losgehen.
Aber am besten stelle ich mich erst einmal vor: Cyril Ronikoff. Sie tippen auf Russland oder Bulgarien? Nicht auf Kanada? Frankreich? Oder Österreich? Also, von dort überall kommen meine Vorfahren. Ich verlebte meine frühe Kindheit als Handgepäck, schaukelnd, bis ich irgendwo, in einem Auto, Flugzeug oder Zug abgestellt wurde. Eigentlich ist damit schon alles über mich gesagt. Mein Vater opferte sein Leben dem diplomatischen Dienst, meine Mutter dem Kisten- und Kofferpacken, dem Umziehen, dem Ein- und Ausschulen. Und meiner Edukation. Außerdem musste sie ständig mit anderen Münzen umgehen lernen und das Wichtigste in verschiedenen Sprachen einkaufen können, sofern ihr nicht eine Paola oder Carenne - an die beiden erinnere ich mich am allerliebsten - diese Alltäglichkeiten abnahm.
Das Handgepäck
musste immer mit, blieb in allen Schulen Exot, lernte von all diesem gescheiten Kram nur Bruchstücke. Überall ergatterte ich ein Puzzlestück an Wissen und Erkenntnis, aber leider jeweils aus einem anderen Karton. Dass ich die Teile aus Indien, Singapur, Sydney, Washington und Wien dennoch einigermaßen zusammenzufügen lernte, verdanke ich meiner Mama. Sie war meine liebste Lehrerin. Zunächst, weil ich gar zu gern auf ihrem Schoß saß und meinen Kopf an ihren Busen schmiegte. Später habe ich mich ganz und gar in sie verliebt. Sie war das, was man ein rassiges Weib nennen mochte. Aus dem slawischen Völkerverschnitt war eine schwarzhaarige Schönheit erblüht, die ich mir früh zur Geliebten erkor, zumal sie in meinen Augen mit ewiger Jugend gesegnet schien. Mochten Paola und Carenne dem kaum Vierzehnjährigen unvergessliche Lektionen in wollüstigen Umarmungen gewähren und so den Biologieunterricht auf sehr angenehme Weise ersetzt haben, zwischen ihren Schenkeln und Brüsten übte ich Verrat, denn mein Sinnen und die Sinnlichkeit - mag man mich schelten und der Hölle überantworten - galt nur Mama.
Nun ja, das alles sind bereits zuviel der Worte über mich. Wen wundert es, dass aus dem früh verführten Herum-Zögling kein sonderlich normaler Bürger wurde, mit einem normalen Beruf und normalen Tageslauf. Unstet, wie ich Kindheit und Jugend verbrachte, blieben meine Exkursionen in das Erwerbsleben. Zwar geizte Fortuna nicht mit Erfolgen, doch lockte stets das Neue, das Andere. Routine strangulierte mich. In meinen crazy forties
, der Manneskrise in der Lebensmitte, erlag ich der Versuchung, Romanschriftsteller zu werden, ein höchst erfolgreicher, versteht sich. Und mein Erstling stapelte sich bald schon zu vielen hundert Zetteln, mühsam gebändigt durch Gummiringe und alte Briefumschläge.
Doch der Versuch, die Story zügig und aus einem Guss ins Reine zu tippen, war wochenlang gescheitert. Meine Bude war ganz allmählich, aber offensichtlich in den Allgemeinbesitz von Freunden und Freundesfreunden, dito Freundinnen und diskutierwütigen Kaffee-, Tee- und Whisky-Schmarotzern übergegangen. Die einzige Arbeit, die ich völlig ungestört verrichten konnte, war das Spülen des Geschirrs. Hätte ich nur mehr davon gehabt, so wäre es mir durch anhaltendes Geklapper vielleicht sogar gelungen, die Besucher zu vertreiben, jedenfalls jene, die es mit einem Restbestand von Gewissen nicht vereinbaren konnten, mir so lange zuzuschauen.
Da kam mir der Gedanke zu entfliehen. Per Inserat fragte ich in der ABENDZEITUNG, wer wohl einem Schriftsteller für die Dauer der Reinschrift eines Romans ein möglichst ruhiges Ferienhaus im Alpenvorland bei geringen Kosten vermieten würde.
Und schon am Vormittag meldete sich eine Frau unbestimmbaren Alters. Sie stutzte zwar bei Cyril Ronikoff
und fragte dreimal zurück, doch als ich ihr versprach, auch den Rasen zu mähen, Laub zusammenzuharken und auf den Komposthaufen zu schichten, die erfrorenen Dahlien abzuschneiden und den Zaun zu reparieren, verlor sie ihre Angst, in die Hände des russischen Geheimdienstes zu fallen. Im übrigen müsse sie schon heute am Nachmittag hinausfahren, da passe es ihr gut, wenn ich mir das Häuschen gleich einmal ansehen könnte.
In aller Eile warf ich, was man so für vierzehn Tage, drei Wochen braucht, in einen Koffer. Besorgte Papier, eine Toner-Kassette, falls die alte schwächeln sollte, und packte meinen IT-Kram zusammen. Informierte eine Freundin, die aufgrund ihres unendlichen Mitteilungsdranges für rasche und weite Verbreitung sorgen würde, über eine plötzliche Reise und brachte ein paar Blumenstöcke zur Erholung in die Nachbarschaft.
Carola Pfänder hieß die Dame. Das Telefonbuch erwies sich als diskret. Zwar gab es viele Pfänders, aber keine Carola. Auch unter Fender oder Fänder suchte ich vergebens. So blieb alles offen. Ob sie Rechtsanwaltsgattin oder die Frau eines Diplomkaufmanns war, einem Tierarzt vermählt oder nur so etwas
war, ich konnte es vorher nicht enträtseln. Aber pünktlich war sie - auf die Minute.
Frau Pfänder musterte mich mit unverhohlener, immerhin aber auch verständnisvoller Neugier. Hatte sie doch zumindest gegenüber meiner Telefonstimme den Mut bewiesen, diesem Ronikoff ihr Häuschen in den Voralpen anzubieten. Trotz oder gerade wegen ihrer schon auffällig schlichten Erscheinung konnte ich mir dieses Häuschen nicht als gammelige Bruchbude vorstellen, sondern blieb nach unserm ersten Händedruck bei meiner Traumvision Chalet
.
Carolas Stimme war viel sanfter, ausdrucksvoller, als ich sie vom Telefon her in Erinnerung behalten hatte. Ihr Alter schätzte ich auf Mitte bis Ende 40. Silberfäden in ihrem schlicht nach hinten gekämmten, langen dunklen Haar, kleine Falten und eine fast durchscheinende weiße Haut konnten gut und gern auch eine jugendliche Fünfzigerin
verraten. Stirn und Nase verliehen ihrem Gesicht ein ausgeprägtes, interessantes Profil, von dem ich spontan auf Malerin oder Bildhauerin tippte. Sie trug nicht eine Spur von Make-up, einen schlichten, trachtengrünen Rock und einen hellgrauen, kaum gewölbten Pullover. Lebhafte, fast schwarze Augen trafen sich mit meinen Blicken.
Schon damals, in den ersten Sekunden unserer Begegnung, hätte ich ihr aus vollem Herzen sagen können: Ich liebe Dich
. Viele andere Frauen, die mir in meinem Leben begegnet waren, mussten lange oder gar vergebens auf diesen wahrscheinlich lang ersehnten Satz warten. Indes, ich liebte nur meine Mutter. Das Bild, das sich mir tief eingeprägt hatte, als sie - schöner denn je - schon Ende 30 an Krebs verstarb, verließ mich nie. Und der Verrat im Lotterbett Paolas, die gespielte Leidenschaft, mit der ich Carenne ihre hitzige Lust vergalt, diese Unaufrichtigkeit blieb seit je her mein Problem. Und nicht nur meins.
Carola lächelte, als sie meinen Hausstand besichtigte. Diese Mischung von Wohnkultur und Chaos, von dekorativer Strenge und hingeworfener Lässigkeit, so gestand sie mir später, habe in ihr spontan den Wunsch geweckt zu bleiben. Yin und Yang seien die ersten Worte gewesen, die sich auf ihrer Zunge formten.
So wurden wir uns auch schnell einig, nicht mit zwei Autos nach Inzell zu fahren, sondern meines zu nehmen, und ich würde sie nach Traunstein chauffieren, damit sie von dort per Zug zurück nach München reisen könne. Ihre Ente
blieb derweil auf meinem Mietparkplatz zurück.
Fünfviertelstunden Fahrt durch einen goldenen September erschienen mir bereits wie eine Hochzeitsreise. Häufig schaute ich forschend zu meiner Beifahrerin hinüber. Was war es, was mich für diese Frau so einnahm? Ich hatte es nicht nötig, ältere Damen zu trösten. Carola erschien mir überdies als eine Frau jenseits jeder Andeutung dessen, was man Sexappeal zu nennen pflegt. Die langen Haare allenfalls, die sich noch gut zu Zöpfen flechten ließen, jetzt schlicht mit einem dunkelgrünen Samtband zusammengehalten, zierten sie mit einem äußerst weiblichen Attribut. Saß da ein Mutterabbild neben mir? Häufte mein Gehirn die ganzen Sympathien und die Liebe, die Zeit meines Lebens der Mama gehörten, auf diesen Typus Frau?
Frau Pfänder - ich musste mich geradezu zwingen, sie nicht mit Carola anzureden - erhielt zwischen Ramersdorf und dem Chiemsee eine moralisch integre Fassung meines Lebenslaufs. Natürlich galt die Neugier meinem Buch, doch äußerst schüchtern vorgebracht. Und die Enttäuschung war gar nicht zu überhören, als ich ihr gestehen musste, dass es mein Erstling sei und so kein Wunder, dass sie noch nie von einem Cyril Ronikoff ein Buch gefunden habe.
Es brennt etwas auf meiner Seele
, gestand ich ihr. Mit diesem Buch, mit seinen Gestalten und Szenarien möchte ich zuallererst herausfinden, wie ich selbst zu dem geworden bin, was ich bin!
Und das wird andere interessieren? Ich will Sie nicht verletzen, aber wer ist schon Ronikoff? Ein Werbetexter, ein Journalist, ein Reiseleiter, ein Hobbytöpfer, oder was nicht noch - aber reicht das? In einer Zeit, in der jedes Jahr zigtausende neuer Bücher erscheinen?
Natürlich nicht. Doch selbst, wenn, was ich schreibe, nie gedruckt würde, ich müsste es tun. Die Zettel, Notizen, Skizzen, die ich da gebündelt habe, sie sind im Fieber entstanden, in der fiebrigen Suche nach .... ja, nach was? .... nach den Spuren der Liebe.
Und so etwas soll heute gelesen werden? In dieser liebe-losen Zeit, noch schlimmer, in einer Zeit, in der kaum jemand wirklich zu lieben versucht? Zu lieben wagt? Nicht einmal sich selbst? Lieben, das übersetzt man doch heute mit Sex, mit Bett. Und da glauben sie, es gäbe genügend sensible Menschen, die mit Ihnen auf die Spurensuche nach etwas gehen, was sie nie kennengelernt haben?
Vielleicht gerade deshalb? Und wenn es nur .... nur die Spuren der Mutterliebe sind, die jemand in sich wiederfindet und ihnen folgend den Weg zu einem Nächsten findet!
Mutterliebe!
Sarkastisch, ja, fast zynisch wiederholte diese Frau das Wort, und weil sie dabei ihre Stimme nur ganz wenig hob, war die Verletzung nicht zu überhören, die sich hier in eine Mutterseele eingeätzt hatte.
Doch dabei blieb's. Je mehr ich Neugier zeigte, Fragen stellte, desto entschiedener verstummte sie und deckte Schweigen über offensichtlich schwere Jahre.
Wir hatten die Autobahn verlassen und steuerten auf eine Bergkulisse zu, die in der späten Nachmittagsonne prangte. Ein Feldweg nahm uns auf und wand sich - meine Neugier höhnend - über viele staubige Kilometer dahin. Zuletzt umfing uns noch der Wald, dann kam ein Bauernhof. Carola ließ mich anhalten. Gemeinsam betraten wir den niedrigen Flur des sicherlich mehr als zweihundert Jahre alten Wohnhauses. In der Küche trafen wir die alte Hanna, eine Bäuerin wie gemalt. Mit Gesichtszügen, die so zerfurcht waren, dass man ebenso hätte annehmen können, sie habe ein Leben lang geweint oder gelacht.
Hanna
, schrie ihr Carola fast ins Ohr, der junge Mann hier wohnt für ein paar Tage in unserem Haus! Und seinen Namen kannst Du gar nicht sprechen: C-y-r-i-l ! Also, versorg ihn gut. Geht's gut so weit?
Die Hanna nickte nur. An ihrer Schürze wischte sie die Hände ab. Sie hatte eine Wanne voller Äpfel zerschnitten. Dann schaute sie mir ganz fest ins Gesicht und trat so nah auf mich zu, als ob sie mich betasten wollte wie die Knusperhexe den Hänsel.
Soo, soo!
war ihr ganzer Kommentar. Is' ollweil guat, Carla!
Und kicherte auch wie die Alte im Märchen. Die Theres, die is nuffa mit'm Baby!
Ich musste mich anstrengen, die Oma zu verstehen. Nuffa
war eine Stiege höher. Carola ließ mir - ihrem Knigge auch in dieser bukolischen Umgebung treu - den Vortritt. Eine amüsante Fehleinschätzung, denn oben angekommen lugte die Theres aus der Tür, mit einer prallen, hellleuchtenden Rubensbrust und ihrem milchprustenden Hannes auf dem Arm. Beim Anblick eines fremden Mannsbildes entfuhr ihr ein schriller Schreckenslaut. Kreischend floh sie zurück in die Kammer. Carola drängte sich an mir vorbei und schob sich wie ein lebendiger Paravent zwischen Mutterglück und Voyeur. Wohlerzogen knarzte ich die Treppe wieder hinab und wartete, von einem jungen Kätzchen umschmeichelt, am Auto.
Die Hanna kennt mich schon als Kind, kennt meinen Vater noch und meinen Mann! Hier auf dem Hof bekommen Sie alles, was man so braucht. Zweimal in der Woche fährt der Micha auf Inzell und bringt alles mit, was man ihm aufträgt
, erklärte mir Carola nach der Baby-Inspektion.
Dann stiegen wir wieder in meinen Wagen und holperten den Feldweg weiter. Ganz plötzlich tauchte rechts, ein wenig abseitig hinter einer alten, vergreisten Fichtenhecke das Häuschen
auf. Ein altes Jagdhaus oder war es ein Austragshäuserl gewesen, in das sich früher der Altbauer und seine Frau zurückgezogen hatten, wenn die Jungen den Hof übernahmen? Es stand längs zum Weg, der hier in einer Linkskehre im Wald verschwand. Unten dicke Steinmauern, oben - sichtbar neu - alles aus dunkelbraunem Holz, und zu meiner großen Freude ein Balkon über die ganze Frontseite, mit Blick weit ins Tal und zu den Bergen hinüber. Über dem Gartentor, üppig berankt mit Glyzinien, stand in kaum noch lesbarer Schrift Grüß Gott!
.
Ich kam mir vor wie in einem Heimatfilm. Verdammt einsam! zischelte mein Unterbewusstsein. Direkt zum Gruseln, mit dem schwarzen Wald dahinter und der schnellen Dämmerung über dem Land vor uns. Da war sie wieder, meine alte Angst, alleingelassen zu werden.
Carola