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CORAS GEHEIMNISVOLLE RÜCKKEHR: Der Krimi-Klassiker!
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CORAS GEHEIMNISVOLLE RÜCKKEHR: Der Krimi-Klassiker!
eBook353 Seiten4 Stunden

CORAS GEHEIMNISVOLLE RÜCKKEHR: Der Krimi-Klassiker!

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Über dieses E-Book

Kümmern Sie sich um das Wunder von Muscatine!, befahl mir der Chefredakteur des New York Globe. Was für ein Wunder?

Die Hellseherin und Telepathin Bella Merlin behauptete, die millionenschwere und berückend schöne Cora Latour, Opfer eines geheimnisvollen Unfalls, soll ein Jahr nach ihrem Tod aus dem Grab auferstanden und wieder nach Hause zurückgekehrt sein... bestaunt von ihren Angehörigen und allen Einwohnern des Städtchens Muscatine.

Und als ich in Muscatine - im tiefsten Süden der USA - nachzuforschen begann, stieß ich auf eisige Ablehnung...

Der Roman Coras geheimnisvolle Rückkehr - ein klassischer Crime-Noir-Thriller - von Frank Harper erschien erstmals im Jahr 1961; eine deutsche Erstveröffentlichung folgte 1980.

Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum22. März 2021
ISBN9783748777946
CORAS GEHEIMNISVOLLE RÜCKKEHR: Der Krimi-Klassiker!

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    Buchvorschau

    CORAS GEHEIMNISVOLLE RÜCKKEHR - Frank Harper

    Das Buch

    Kümmern Sie sich um das Wunder von Muscatine!, befahl mir der Chefredakteur des New York Globe. Was für ein Wunder?

    Die Hellseherin und Telepathin Bella Merlin behauptete, die millionenschwere und berückend schöne Cora Latour, Opfer eines geheimnisvollen Unfalls, soll ein Jahr nach ihrem Tod aus dem Grab auferstanden und wieder nach Hause zurückgekehrt sein... bestaunt von ihren Angehörigen und allen Einwohnern des Städtchens Muscatine.

    Und als ich in Muscatine - im tiefsten Süden der USA - nachzuforschen begann, stieß ich auf eisige Ablehnung...

    Der Roman Coras geheimnisvolle Rückkehr - ein klassischer Crime-Noir-Thriller - von Frank Harper erschien erstmals im Jahr 1961; eine deutsche Erstveröffentlichung folgte 1980.

    Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

    CORAS GEHEIMNISVOLLE RÜCKKEHR

    Erstes Kapitel

    Ich wusste nicht, worauf ich mich eingelassen hatte, als ich in Cincinnati an Bord der Delta Queen ging. Sie war ein altes Schiff, der letzte Raddampfer auf dem Mississippi. Ihr Rumpf war schwarzer Stahl, ihre vier Decks waren weiß gestrichen, und ihr großes Doppelrad am Heck trieb sie langsam, doch beharrlich dahin. Wenn es hochkam, schaffte sie ihre zwölf Meilen die Stunde, und nach New Orleans brauchte sie nicht einen Tag länger als vor hundert Jahren, zehn Tage insgesamt.

    Ich fuhr nach New Orleans zum Mardi Gras, dem großen Karneval des Südens, der in Amerika nicht weniger berühmt ist als in Europa der Karneval von Nizza oder von Venedig.

    An Bord gab es nichts, womit man sich beschäftigen konnte. Radio oder Fernsehen schienen nie erfunden. Es gab auch keine Schiffszeitung, sodass es unmöglich war, sich auch nur über die wichtigsten Ereignisse auf dem Laufenden zu halten. Die Weltpolitik stand gleichsam still.

    Sicher, ich hatte Zeit, vielleicht zum ersten Mal in meinem Leben, nur war ich nicht daran gewöhnt, so viel Zeit zu haben. Ich versuchte es mit Büchern, die ich bald ungeduldig zuschlug, und oft trieb mich meine Hast im Laufschritt ums Promenadendeck, an Dutzenden von Liegestühlen vorüber, aus denen mir Menschen mit leiser Verzweiflung zulächelten.

    Etwas abseits lag das Mädchen, das Roberta hieß, das lange, seidig-blonde Haar halb über das Gesicht geweht und die graublauen Augen sinnend auf ein Buch gerichtet.

    Zuweilen machte sie eine kleine vergebliche Geste, sich das Haar aus der Stirn zu streichen. Das Buch, in dem sie las oder zu lesen schien, war ziemlich abgegriffen. Sie schien mich nicht zu beachten. Es fiel mir aber doch auf, dass sie jedes Mal den Blick hob, wenn ich mich von ihr entfernte, und dass sie mir dann eine Weile nachsah.

    Sie war ungewöhnlich schön, und ich hatte das Gefühl, sie schon irgendeinmal irgendwo gesehen zu haben.

    Ihr voller Name war Roberta Gregg, wie ich von einem Steward in Erfahrung gebracht hatte. Sie schien deutscher Herkunft zu sein.

    Meine Ungeduld gab sich erst nach Tagen, als wir Memphis, Tennessee, hinter uns gelassen hatten. Plötzlich hörte ich auf, mich nach klingelnden Telefonen, Schreibmaschinen und Fernschreibern zu sehnen, und ich blickte den Flugzeugen, die gelegentlich in Sicht kamen, nicht mehr mit Neid nach.

    Wir näherten uns dem tiefen Süden, und in einer Nacht war es so still, dass ich die Barrel-House-Blues, gesungen von Negern an einem Lagerfeuer am Arkansas-Ufer, hören konnte.

    Tagsüber schwelte die Hitze über dem Mississippi, dem großen melancholischen Strom, der sich in endlosen Windungen dahinzieht, zuweilen in einem harten Silbergrau und zuweilen graugrün schimmernd, mit den Schatten von seltsamen Bäumen an den dschungelgleichen Ufern.

    Mein Zeitgefühl funktionierte nicht mehr. Es gab nur noch den Fluss, die Ufer, die Zeitlosigkeit.

    Es mochte 1850 und nicht 1957 sein.

    Eines Morgens enttäuschte es mich, Miss Gregg noch nicht in ihrem Liegestuhl vorzufinden.

    Dagegen fand ich das Buch, in dem sie so oft las, in ihrem Liegestuhl, und ich griff danach. Trotz des halb zerrissenen Umschlags konnte ich den Titel doch entziffern. Das Buch hieß Die vier Freiheiten, sein Verfasser hieß Frank Jones.

    Frank Jones, das war ich, und das Buch, 1945 erschienen, enthielt meine Kriegserlebnisse in Deutschland, Frankreich und Japan.

    Damals war ich amerikanischer Kriegskorrespondent gewesen. Später hatte man mich auch nach Korea geschickt.

    In jenen Jahren war ich ein etwas wilder und abenteuerlicher junger Mann gewesen, und ich hatte an den Kriegen eine Art von bitterem Spaß gehabt.

    Übrigens war es kein schlechtes Buch, das ich jetzt, seltsam berührt, in der Hand wog. Es war ein Stück meiner Jugend. Vor zwölf Jahren und noch lange hinterher war ich stolz auf das Buch gewesen, und es freute mich, dass es noch nicht ganz vergessen war. Ich versuchte, die vier Freiheiten, für die Amerika in den Krieg gegangen war, aufzuzählen. Komisch – eine fiel mir nicht mehr ein.

    Ich war jetzt 42, und mein einstiger Idealismus war längst zum Teufel gegangen.

    Aus meinen Gedanken schreckte ich auf, als Roberta Gregg plötzlich vor mir stand. Sie duftete wie ein ganzer Korb voll Blumen. Unwillkürlich musste ich lächeln.

    »Verzeihen Sie... ich habe nur einen Blick in dieses Buch geworfen«, sagte ich.

    Ohne auf mein Lächeln einzugehen, nahm sie mir das Buch aus der Hand. »Schmeichelt es Ihnen etwa, dass ich in Ihrem Buch lese, Herr Jones?«

    Ich sah sie überrascht an. Schon einmal hatte ich das Gefühl gehabt, dass sie mir nicht fremd war. Dieses aparte Gesicht musste ich doch schon einmal gesehen haben, vielleicht in New York...

    »Es schmeichelt mir, dass Sie wissen, wer ich bin«, sagte ich in einem etwas idiotischen Ton, der mir selbst wehtat.

    Ihr Gesicht drückte nichts als Gleichgültigkeit aus. »Was ist daran so schmeichelhaft? Ein Steward sagte mir, wer Sie sind.«

    Ich konnte mein Gesicht nicht von ihr wenden. Ihr Körper war schmal und elegant, und aus der weißen Hemdbluse, die sie zu einfachen weißen Leinenslacks trug, hoben sich überraschend die fraulichen Formen ab. Ich blickte auf ihr feines, ovales Gesicht, auf ihre klare, doch ein wenig gerunzelte Stirn, auf ihr langes, seidig-blondes Haar. Mein Blick richtete sich auf ihre großen graublauen Augen, deren Glanz leicht verschleiert war, wie von einer geheimnisvollen Trauer, auf ihre kleine empfindliche Nase, auf ihren nicht lächelnden Mund.

    Es war nur in Gedanken, dass ich sie an mich zog, nur in Gedanken, dass ich sie auf den Mund küsste, tief und besinnungslos. Meine Gedanken entsetzten mich, und unwillkürlich trat ich einen Schritt zurück, aus Angst, mich wirklich zu vergessen.

    Das war mir noch nie mit einer Frau passiert.

    Schließlich fragte ich: »Darf ich wissen, wo Sie dieses alte Buch von mir aufgetrieben haben?«

    »Jemand schenkte es mir. Ich weiß nicht mehr wer, wo und wann.«

    »Gefällt es Ihnen?«

    »Es gefiel mir, als ich es zuerst las. Inzwischen ist viel Zeit vergangen. Heute gefällt es mir nicht mehr.«

    »Insbesondere was nicht?«

    »Es ist wohl doch etwas zu oberflächlich, Herr Jones.«

    Einen Augenblick später nickte sie mir kurz zu, wie zum Zeichen, dass sie es vorzog, für sich allein zu bleiben. Ich sah noch, dass sie sich in ihrem Liegestuhl niederließ und die obersten Knöpfe ihrer Hemdbluse aufzuknöpfen begann, und dann entfernte ich mich lächelnd, doch mit dem deutlichen Gefühl, abgelehnt worden zu sein.

    Am Heck der Delta Queen trat ich an die Reling und starrte in den schäumend weißen Gischt, den das Doppelrad aufwühlte. Ich war beunruhigt, und die Monotonie des Flusses, der als Old Man River besungen wird, lastete auf mir. Ich starrte in das Dickicht beider Ufer, auf die gigantischen Zypressen, die von Spanischem Moos fast erdrosselt wurden, auf die wilden Magnolienbüsche. Und dabei dachte ich an Roberta Gregg. Doch der Name sagte mir nichts.

    Wer war dieses Mädchen, und warum hatte ich das Gefühl, dass sie mir keine Fremde war?

    Abends wurde der Paw Paw Patch getanzt. Es war ein Tanz, mit Verbeugungen der Herren und Knicksen der Damen, der zur Tradition der alten Mississippi-Raddampfer gehört, und einer der Passagiere am Klavier in der Halle mit den dunkel glänzenden Mahagoniwänden spielte die Musik dazu.

    Ich hatte auf den Abend gewartet, und sobald die Musik begann, ging ich auf Miss Gregg zu.

    »Darf ich mit Ihnen tanzen?«

    Sie erhob sich und stand aufrecht und schmiegte sich, mit unpersönlichem Ausdruck, in meine Arme, und ich tanzte mit der Förmlichkeit, die sie mir aufzwang. Von allen Frauen war sie die Einzige, die kein Abendkleid trug. Ihr Kleid war aus schwarzem Organdy, etwas streng, und es war am Hals geschlossen. Sie trug es, als wollte sie damit kundtun, dass sie es nicht darauf anlegte, zu gefallen. Sie trug auch keinen Schmuck und kaum Aufmachung. Es war, als lehnte sich ihre fast phantastische Schönheit gegen irgendetwas auf. Und dabei dieser Blumenduft...

    Ich tanzte mit gerunzelter Stirn, in einer gewaltigen Anstrengung, mich zu erinnern.

    »Miss Gregg, besteht irgendeine Möglichkeit, dass ich Sie kenne?«

    Sie lachte auf, es klang etwas heiser. Es war zum ersten Mal, dass sie amüsiert schien. »Ist das ein Annäherungsversuch, Herr Jones?«

    »Nein, sicher nicht. Ich meine es ernst. Sind Sie aus New York?«

    »Nein... Doch vor sieben Jahren war ich einmal in New York.«

    Vor sieben Jahren war ich in Korea gewesen, und das schied aus. »Wo leben Sie jetzt?«

    »Meistens im Westen. In Los Angeles, San Francisco, Las Vegas.«

    »Sie reisen also viel?«

    »Ich bin immer auf der Reise.«

    »Immer?«

    »Lange bleibe ich nirgends.«

    Zu einer Frau, die immer auf Reisen war, hatte ich nie in Beziehungen gestanden, und doch schienen mir ihre Stimme, ihre Geste und ihre eigenwillige Persönlichkeit vertraut.

    »Haben Sie etwas mit Sport zu tun?«

    »Wie kommen Sie darauf?«

    »Ich bin Sportreporter für den New York Globe. Wäre es nicht möglich, dass ich Sie einmal in einer Sportarena gesehen habe?«

    »Weder spiele ich Tennis, noch reite ich Turnierpferde.« Ihr Mund verzog sich spöttisch und bitter. »Ich bin auch keine Ringkämpferin.«

    »Sind Sie vom Theater oder Film?«

    »Nein, auch das nicht. Geben Sie es auf, Herr Jones. Dass ich ein Buch von Ihnen besitze, beweist noch lange nicht, dass wir uns kennen.«

    Als ich sie später zu ihrer Kabine zurückbegleiten durfte, hatte meine Spannung durchaus nicht nachgelassen. Im Gegenteil. Immer stärker zog es mich zu ihr hin.

    Sie öffnete die Tür und drehte drinnen das Licht an, das auf einen Schrankkoffer fiel. Der gewaltige Koffer war abgegriffen, offenbar von vielen Reisen.

    Und ein wenig schäbig waren auch die roten Samtpantoffeln unter ihrem Bett.

    Sie wehrte mich nicht ab, als ich hinter ihr die Kabine betrat.

    »Machen Sie die Tür zu«, sagte sie zu meinem Erstaunen, fast in dem kaltblütigen Ton einer Frau, die Männer für Geld empfing.

    Plötzlich kam mir der Gedanken, dass sie eine Abenteurerin war, so damenhaft ich sie auch zuerst gefunden hatte, und dieser Verdacht verstärkte sich noch, als sie zwei Gläser Cognac einschenkte.

    Sie hielt mir ein bis zum Rand gefülltes Glas hin. »Sie haben mich so viele Dinge gefragt, dass eigentlich auch ich das Recht habe, Sie etwas zu fragen.«

    »Gern, Fräulein Gregg.« Ich konnte mir die Frage schon vorstellen, und ich war bereit, bis zu hundert Dollar für das Abenteuer auszugeben.

    »Wollen Sie mich nicht Roberta oder Bobby nennen, damit ich Sie Frank nennen kann? Das vereinfacht alles, zumal wir uns wahrscheinlich nie wieder sehen werden.«

    »All right, Bobby.«

    Ich war auf die brutalen Geschäfte gefasst, die zwischen solchen Männern, wie ich es war, und solchen Frauen stattfanden, als sie mir gerade in die Augen sah. Und dann kam auch schon die Frage: »Warum sind Sie eigentlich Sportreporter geworden, Frank?«

    Nein, darauf war ich nicht gefasst gewesen! Innerlich fühlte ich eine tiefe Befriedigung, dass das Bild, das ich mir anfangs von ihr gemacht hatte, rein geblieben war.

    »Ich verstehe Ihre Frage nicht.«

    »Frank, was hat den Autor von Die vier Freiheiten dazu gebracht, über so unwichtige Dinge wie Boxkämpfe und Pferderennen zu schreiben?«

    Meine Hand bebte. Ich verschüttete den Cognac. »Was erwarten Sie von einem Kriegskorrespondenten, wenn die Kriege aufhören? Soll er verhungern?«

    »Die Kriege hören leider nie auf.«

    »Sport ist nicht unwichtig für mich«, verteidigte ich mich. »Ich habe mein Bestes dafür gegeben, und ich schäme mich nicht, über solche Sportgrößen wie Ted Williams, Eddie Arcaro, Sugar Ray Robinson zu schreiben.«

    »Das war doch nicht immer Ihr Ehrgeiz?«

    »Was wissen Sie, was mein Ehrgeiz war? Ist es gar nichts, dass meine tägliche Spalte in fast dreihundert Zeitungen erscheint, dass ich mein eigenes Fernsehprogramm habe und dass mich jedes Kind in diesem Lande kennt?«

    Sie schüttelte den Kopf. »Es ist nicht allzu viel, Herr Jones.«

    Das kleine steile Fältchen, das zwischen ihren Brauen stand, die nicht ganz symmetrisch waren, gab mir zu denken.

    »Sonst noch Fragen, Roberta?«

    »Nein. Ich hoffe, dass Sie mir jetzt nicht böse sind.«

    »Ganz sicher nicht. Möglicherweise haben Sie recht, dass aus mir nicht viel geworden ist«, sagte ich lächelnd.

    »Wollen Sie mir einen Wunsch erfüllen?«, fragte ich nach einer Weile.

    Sie sah mich fragend an.

    »Können wir uns in New Orleans treffen, etwa bei Antoine

    »Das geht leider nicht.«

    »Vielleicht geht es doch?«

    »Nein, nein! Sie müssen jetzt gehen! Es ist schon spät.«

    »Gute Nacht, Roberta Gregg«, sagte ich, wahrscheinlich mit einem leisen Seufzer.

    Ihr herrliches Gesicht war fast ausdruckslos, als sie mich zur Tür begleitete. Zu meinem Erstaunen sah ich sie nach dem Lichtschalter greifen.

    Im Nu sank der Raum in Dunkelheit. Ihre Hand fuhr durch mein Haar, sie schlang die Arme um mich und küsste mich heiß auf den Mund.

    »Gute Nacht, Frank Jones. Leben Sie wohl«, sagte sie und schob mich rasch zur Tür hinaus.

    Dort auf dem Gang stand ich minutenlang in tiefster Verwirrung, bevor ich mich zusammenreißen konnte.

    Ich stieg die Treppe zum Deck hinauf. Der schwüle Nachtwind des Südens umwehte mich, ein ungeheurer Mond stand über dem Fluss, der langsam, lautlos und empfindungslos dahinfloss, dem weiten Delta zu.

    Mardi Gras enttäuschte mich. Der Karneval von New Orleans ist der einzige Karneval, den wir in Amerika haben, doch der Trubel ging mir auf die Nerven, und die Menschenmassen machten es für mich unmöglich, New Orleans wirklich kennenzulernen.

    Eine ganze Woche lang erscholl Musik von jeder Straßenecke. Wie Regen fiel Konfetti aus den Fenstern.

    Jedes Gebäude war mit gigantischen Masken dekoriert, die grün, golden und purpurfarben bemalt waren. Maskierte Frauen, die sonst fast unbekleidet waren, winkten von blumengeschmückten Wagen, umjubelt von phantastisch kostümierten weißen und schwarzen Menschen.

    All das schätzte ich nicht, und ich empfand es als zweifelhaften Genuss, die engen Straßen im Alten Viertel jenseits von Canal Street, der Hauptstraße der Stadt, entlanggeschoben zu werden.

    Das war ein Jammer, weil dieses alte Viertel, 1718 von den Franzosen erbaut und später von den Spaniern vervollkommnet, eine Köstlichkeit ist. Inmitten des Gedränges erhielt ich nur einen flüchtigen Eindruck von den Palästen aus rosa- und purpurfarbenem Ziegelstein, den hohen Fenstern und grünen Jalousien und den großen Balkons mit grünlich oder bläulich bemaltem Gitterwerk.

    Ich fand keine Gelegenheit, mich im Innenhof des berühmten Hauses Zu den beiden Schwestern umzusehen, und ich kam auch nicht dazu, im immer überfüllten Restaurant Antoine einen Tisch zu finden.

    Die ganze Woche lang fühlte ich mich nicht wohl, und den einzigen hübschen Abend verbrachte ich im Coliseum anlässlich des Boxkampfes von Ed Jersey gegen Joe Orange.

    Es war einer der aufregendsten Kämpfe, die ich je gesehen hatte, ein Kampf, der mir aus Gründen, die ich noch nicht ahnen konnte, auf lange Zeit unvergesslich blieb.

    Das Coliseum ist ein Rundbau mit weißgekalkten Wänden, der dreitausend Zuschauern Platz bietet. Rauchen ist erlaubt, und die Sitzreihen um den Ring verschwammen in einem bläulichen Nebel. Nur der Ring selbst lag in grellem Scheinwerferlicht, sodass die dunklen Körper der beiden Boxer von weißem Glanz übergossen waren. Auf mich, der ich aus New York kam, machte es einen befremdenden Eindruck, dass die Sitze nur für Weiße waren und dass sich unsere dunkelhäutigen Landsleute mit Stehplätzen auf der Galerie begnügen mussten.

    Gleich nach dem Gong zur dritten Runde landete Joe Orange eine Rechte, hinter der die ganze Kraft muskelstrotzender Jugend saß.

    Zu meinem Schrecken sah ich Ed Jersey in die Knie brechen. Ich hatte vielen seiner Kämpfe beigewohnt, und oft hatte ich seine Ringerfahrenheit, seine Verschlagenheit und seine Furchtlosigkeit bewundert. Aber er war alt, an die 45, und es tat mir weh, ihn am Boden zu sehen.

    »Ed! Ed!«, brüllte ich, als der Ringrichter zu zählen begann.

    Der alte Boxer kam bei 5 zu sich und stand bei 7 wieder auf den Beinen. Auf sehr schwachen Beinen. Seine Augen waren verglast, doch Joe Orange war zu unerfahren, um sofort nachzusetzen.

    Ed hatte sich bereits wieder erholt, als Joe endlich eine Serie von linken Jabs abschoss.

    Das gesamte Publikum war für Joe Orange, den einheimischen Schwergewichtler, nur ich schien für Ed Jersey zu sein.

    Längst war er nicht mehr der große Boxer wie in seiner Jugend, und doch gelang es ihm, sich neue Kraft aus jener Zeit auszuleihen. Mit kaltem Grimm versuchte er, sich für die Demütigung seines Knockdowns zu rächen.

    Wenn Furchtlosigkeit Punkte eingetragen hätte, dann hätte er wohl nach Punkten geführt, ungeachtet der entsetzlichen Schläge, die er im Nahkampf einstecken musste. Ein linker Jab, scharf wie die Klinge eines Rapiers, verletzte sein Auge in der siebenten Runde. Es begann sich mehr und mehr zu schließen.

    Erst als der alte Boxer in der neunten Runde noch einmal zu Boden ging, wenn auch dieses Mal nur kurz, sah ich mir Joe Orange näher an, und ich konnte ihm meine Achtung nicht länger versagen. Er war beinahe majestätisch in der Schönheit seines Körperwuchses und in seiner Urkraft, die sich in ungeheurer Angriffslust auszutoben schien. Er war geladen mit dieser Kraft, und dabei war er so geschmeidig wie ein Tänzer, der zu einer besonderen Musik tanzte, die nur er allein zu hören schien. Es musste eine barbarische, wilde Musik sein.

    In der zwölften und letzten Runde war Ed Jersey nur noch ein müder Mann. Nichts erinnerte mehr an seine einstige Größe.

    Natürlich fiel das Urteil zugunsten des einheimischen Schwergewichts aus.

    Joe Orange war groß. Meiner Meinung nach Weltklasse.

    Einige Minuten später suchte ich Ed Jersey in den Garderobenräumen auf und fand ihn auf dem Massagetisch, mit einem Eisbeutel auf dem Auge und verschwollenen Lippen, und doch grinste er.

    »Phantasiere ich, oder sind Sieʼs wirklich, Jones?«, murmelte er.

    Ich grinste zurück. »Es war ein guter Kampf, Jersey. Sie waren nie besser. Ja, ich hatte Sie nach Punkten vom.«

    »Unsinn, Jones. Ich weiß, wann ich geschlagen bin.«

    »Es ist keine Schande, Jersey. Sie hatten einen großen Gegner.«

    »Der Junge ist ganz groß. Er kann sogar Patty schlagen.«

    »Ich hatte ihn vorher nie gesehen. Wer ist er eigentlich?«

    »Er gewann als Amateur die Golden Gloves, und hier in New Orleans hat er bisher jeden Kampf gewonnen, alle durch K.o.«

    »Sie hat er aber nicht k.o. schlagen können!«

    »Gratulieren Sie lieber dem Sieger!«

    Ich blickte mich nach Joe Orange um. Er stand unter der Dusche, und die Wasserstrahlen umprasselten seinen gewaltigen Körper und sein lachendes Gesicht.

    »Joe... das ist Frank Jones vom New York Globe. Er will dir gratulieren«, rief Ed Jersey.

    Aus der Dusche hielt der junge Schwarze mir die Hand hin. Ich ergriff sie. »Meine Hochachtung! Sie haben mir imponiert«, sagte ich.

    »Ich hatte es schwer! Es war ein verdammt harter Kampf gegen Jersey.«

    Wegen dieser feinen Lüge gewann ich Joe Orange sofort lieb. Er war ein Gentleman, selbst in seiner Nacktheit unter der Dusche.

    »Was sind Ihre Pläne, Joe?«, fragte ich, mir die Hand abtrocknend.

    »Mein Manager verhandelt mit Patty wegen eines Kampfes im Herbst, und ich hoffe, dass Sie dabei sind, wenn ich die Weltmeisterschaft gewinne.«

    Ed Jersey ließ sich vom Massagetisch gleiten. Auf seine Helfer gestützt, wankte er zu einem Stuhl.

    »Geht’s besser?«, fragte ich.

    »Viel besser. Es sind nur meine alten Beine, die nicht mehr so recht wollen. Richtig getroffen hat Joe mich übrigens nie.«

    »Nicht ein einziges Mal, Mister Jones. Es ist ganz unmöglich, Ed Jersey je voll zu treffen«, rief Joe Orange aus der Dusche herüber.

    Der alte Boxer grinste stolz. »Junge, dich möchte ich trainieren! Ich kann dir deine Schwächen zeigen, kann dir zeigen, wie man sofort nachsetzt, mit einem tödlichen Uppercut.«

    »Jersey«, sagte ich, »es scheint Ihnen wirklich viel besser zu gehen. Wollen wir nachher ein Glas Bier zusammen trinken?«

    Sein Grinsen verschwand. Aus dem einen heilen Auge glotzte er mich verlegen an.

    »Dies ist nicht New York oder Chicago, Mister Jones.«

    Ich war schwer von Begriff. »Wetten, dass auch in New Orleans um diese Stunde noch Bier ausgeschenkt wird?«

    »Aber nicht für einen weißen Mann, begleitet von einem Nigger.«

    So war ich allein und verstimmt, als ich nach Mitternacht Canal Street überquerte, die Neustadt und Altstadt wie mit einem dicken Strich zu trennen schien, und mich im Alten Viertel verlor. Jetzt lag Royal Street leer in bleicher Beleuchtung, in der die rosa- und purpurfarbenen Häuser mit den seltsamen Balkons nur noch Schatten waren, wie von der Vergangenheit geworfen.

    In Bienville Street einbiegend, gelangte ich zur Bourbon Street, der Straße, in der das Laster seit Jahrhunderten eine alte Tradition ist.

    Die ganze lange Straße glühte in buntem Neonlicht. Jazz und Dixie-Jazz schlugen aus manchem Haus. Belesen wie ich war, wusste ich, dass fast jedes dieser Häuser einst ein Haus der Unmoral gewesen war, bewohnt von Kreolinnen, die den seltsamsten Süchten gefrönt hatten. Heute waren es Striptease-Lokale.

    Ausrufer priesen die Tänzerinnen an, die drinnen zu sehen waren: Wildcat Frenchie, Stormy, Lilly Christine. Durch halboffene Türen konnte man die grellbeleuchteten Mädchen auf der Bühne sehen.

    Das alles war recht gemein, so ungefähr das letzte an Sex, das einem für Geld geboten werden konnte, doch diese Straße scheffelte Geld, und die Tänzerinnen mochten über tausend Dollar wöchentlich verdienen. Und manche noch viel mehr.

    Ich war bis zum Silver-Slipper gelangt, als ich plötzlich, vor Schreck nahezu gelähmt, stehenblieb.

    Mein Entsetzen war so groß, dass ich nach einer Minute weiterlief, nein, davonlief. Einen kurzen Augenblick lang, auf der Delta Queen, hatte ich sie für eine Abenteurerin gehalten. Doch Striptease war noch schlimmer. Die Striptease-Tänzerin, kurz und geringschätzig Stripper genannt, ist eine Standardfigur in billiger amerikanischer Literatur, so billig, wie Cowboy, Gangster und Reporter es sind. Es war billig und niedrig, und es zerstörte mein Bild von Roberta Gregg, die so lieblich nach Blumen duftete...

    Vielleicht war es darum, weil ich mich wehrte, mir dieses Bild zerstören zu lassen, dass ich an der nächsten Ecke umkehrte und langsam, doch energisch zum Silver-Slipper zurückging.

    Eintrittsgeld wurde nicht erhoben.

    Ich bezahlte mit der Angst meines laut pochenden Herzens, mit der Angst, dass ich zu Roberta oder Bobby – ich hasste übrigens den Namen Bobby – in einer Verbindung stand, der ich mich nicht entziehen konnte.

    Die Umgebung, in die ich trat, war nicht ganz so schrecklich wie in den meisten Striptease-Lokalen. Immerhin war dies ein Theater. Da gab es eine Bühne, auf der im Augenblick Dixie-Jazz gespielt wurde – wie ich erfuhr, von den letzten Überbleibseln der einst berühmten Celestin-Kapelle, mit Papa Celestin, der immer noch in die Trompete sein berühmtes Lied blies:

    »Wenn die Heiligen einmarschieren...«

    Logen und Sitze waren aus rotem Samt, der seit 1770 allen Staub eingefangen zu haben schien, den Staub der Jahrhunderte, sozusagen historischen Staub. Die Kellnerinnen waren bekleidet. Man konnte Champagner oder schottischen oder amerikanischen Whiskey bestellen. Unter den

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