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Der Einbrecher, der sich für Bogart hielt: Bernie Rhodenbarr, #7
Der Einbrecher, der sich für Bogart hielt: Bernie Rhodenbarr, #7
Der Einbrecher, der sich für Bogart hielt: Bernie Rhodenbarr, #7
eBook426 Seiten5 Stunden

Der Einbrecher, der sich für Bogart hielt: Bernie Rhodenbarr, #7

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Über dieses E-Book

Buchhändler Bernie Rhodenbarr ist verliebt: in eine exotische osteuropäische Schönheit, die seine Leidenschaft für Humphrey-Bogart-Filme teilt. Er ist im siebten Himmel, weil er jeden Abend beim Bogart-Filmfestival mit seiner neuen Liebe Popcorn mampfen darf – bis ihre Casablanca-eske Idylle durch seine andere geheime Leidenschaft gestört wird: Einbruch.

Als er angeheuert wird, ein Portfolio mit wertvollen Dokumenten aus einem Apartment in der Park Avenue zu stehlen, kann Bernie natürlich nicht nein sagen. Aber die verfrühte Rückkehr des Bewohners zwingt Bernie, mit leeren Händen zu fliehen – und kurz darauf findet er sich in einen Mordfall verwickelt. Bevor man »Verhaften Sie die üblichen Verdächtigen!« rufen kann, ist er auf der Jagd nach dem Mörder, steckt mitten in den unerhörten Intrigen einer winzigen Balkan-Nation ... und wird von mehr finsteren dicken Männern und widerwärtigen Handlangern bedroht, als der große Bogie selbst auf der Jagd nach dem verflixten Vogel!

»Bernie steckt bis zu den Ohren in einer bizarren Geschichte, die sich um Exilanten aus einem Niemandsland in Mitteleuropa, pensionierte CIA-Männer und ein Vermögen (oder auch nicht) in alten Inhaberschuldverschreibungen dreht. Die Handlung ist ein Genuss, zu dem auch die üblichen abseitigen Unterhaltungen mit Bernies lesbischer bester Freundin Carolyn und einige wohlplatzierte Einsprengsel berühmter Bogart-Dialoge beitragen.« ~ Publishers Weekly

»Was hat das alles zu bedeuten? Nicht viel, aber wen kümmert das als Filmliebhaber? Es ist lustig, es ist albern, es ist unglaublich clever – und umwerfend romantisch. Spiel's nochmal, Bernie!« ~ Bill Ott in Booklist

SpracheDeutsch
HerausgeberLawrence Block
Erscheinungsdatum30. Okt. 2021
ISBN9798201449513
Der Einbrecher, der sich für Bogart hielt: Bernie Rhodenbarr, #7
Autor

Lawrence Block

Lawrence Block is one of the most widely recognized names in the mystery genre. He has been named a Grand Master of the Mystery Writers of America and is a four-time winner of the prestigious Edgar and Shamus Awards, as well as a recipient of prizes in France, Germany, and Japan. He received the Diamond Dagger from the British Crime Writers' Association—only the third American to be given this award. He is a prolific author, having written more than fifty books and numerous short stories, and is a devoted New Yorker and an enthusiastic global traveler.

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    Buchvorschau

    Der Einbrecher, der sich für Bogart hielt - Lawrence Block

    Kapitel 1


    Um Viertel nach zehn am letzten Mittwochabend im Mai steckte ich eine wunderschöne Frau in ein Taxi und sah zu, wie sie aus meinem Leben verschwand – oder zumindest aus meinem Viertel. Dann trat ich vom Bordstein auf die Straße und winkte mir selbst ein Taxi heran.

    »71st Street, Ecke West End«, sagte ich dem Fahrer.

    Er gehörte zu einer aussterbenden Art, ein kauziger alter Kerl mit Englisch als Muttersprache. »Das sind fünf Blocks hoch und ein Block quer. Es ist ein wunderbarer Abend, was macht so ein junger Mann wie Sie da in einem Taxi?«

    Er versucht, pünktlich zu sein, dachte ich. Die beiden Filme hatten etwas länger gedauert, als ich geplant hatte, und ich musste noch in meiner Wohnung vorbeischauen, bevor ich mich auf den Weg zu der von jemand anderem machen konnte.

    »Ich hab Probleme mit dem Bein«, sagte ich. Fragen Sie mich nicht, warum.

    »Ja? Was ist passiert? Sie wurden nicht angefahren, oder? Ich kann Ihnen nur sagen, dass ich hoffe, dass es kein Taxi war, und falls doch, hoffentlich nicht meines.«

    »Arthritis.«

    »Was, Arthritis?« Er drehte sich um und sah mich an. »Sie sind zu jung für Arthritis. Das ist was für alte Säcke, dann zieht man runter nach Florida und sitzt in der Sonne. Lebt in einem Wohnwagen, spielt Shuffleboard, wählt die Republikaner. Ein Kerl in Ihrem Alter, wenn Sie mir sagen, dass Sie sich beim Skifahren das Bein gebrochen haben oder sich beim Marathon einen Muskel gezerrt haben, das kann ich verstehen. Aber Arthritis! Wo soll Sie das hinbringen?«

    »71st Street, Ecke West End«, sagte ich. »Die nordwestliche Ecke.«

    »Ich weiß, wo Sie aussteigen wollen, aber warum Arthritis? Liegt das in Ihrer Familie?«

    Wie war ich da nur reingeraten? »Es ist posttraumatisch«, sagte ich. »Ich hab mich bei einem Sturz verletzt und seitdem arthritische Komplikationen. Normalerweise ist es nicht allzu schlimm, aber manchmal spielt es sich auf.«

    »Furchtbar, in Ihrem Alter. Was tun Sie dagegen?«

    »Gibt nicht viel, was man tun kann«, sagte ich. »Laut meinem Arzt.«

    »Ärzte!«, rief er und verbrachte den Rest der Fahrt damit, mir zu erklären, was mit der Ärzteschaft nicht stimmte. So ziemlich alles. Sie wussten nichts, man war ihnen egal, sie verursachten mehr Probleme, als sie lösten, sie kosteten ein Vermögen, und wenn man nicht gesund wurde, machten sie einen selbst dafür verantwortlich. »Und nachdem sie einen blind und zum Krüppel gemacht haben, sodass man keine andere Wahl hat, als sie zu verklagen, an wen muss man sich dann wenden? An einen Anwalt. Und die sind noch schlimmer!«

    Das brachte uns problemlos zur nordwestlichen Ecke der Kreuzung 71st Street und West End Avenue. Ich hatte daran gedacht, ihn zu bitten, auf mich zu warten, da ich oben nicht lange brauchen und ein Taxi für die Fahrt durch die Stadt benötigen würde, aber ich hatte genug von – ich schielte auf die Lizenz, die auf der rechten Seite des Armaturenbretts angebracht war – Max Fiddler.

    Ich bezahlte den Fahrpreis, fügte einen Dollar als Trinkgeld hinzu, und wie ein paar Smiley-Anstecker wünschten Max und ich uns noch einen schönen Abend. Ich überlegte mir zu humpeln, um den Schein zu wahren, aber das wäre dann doch des Guten zu viel gewesen. Also eilte ich an meinem Portier vorbei und in meine Lobby.

    • • •

    Oben in meiner Wohnung zog ich mich schnell um. Ich entledigte mich der Khakihose, des Polohemds und der inspirierenden Turnschuhe (Just Do It!) und zog ein Hemd, eine Krawatte, eine graue Hose, schwarze Schuhe mit Kreppsohlen und einen zweireihigen blauen Blazer mit einem Anker auf jedem seiner unzähligen Messingknöpfe an. Die Knöpfe – es hatte auch passende Manschettenknöpfe gegeben, aber die hatte ich seit Jahren nicht mehr gesehen – waren ein Geschenk von einer Frau gewesen, mit der ich vor einiger Zeit eine Beziehung gehabt hatte. Sie hatte einen anderen Mann kennengelernt, ihn geheiratet und war in einen Vorort von Chicago gezogen. Das Letzte, was ich von ihr gehört hatte, war, dass sie ihr zweites Kind erwartete. Mein Blazer hatte unsere Beziehung überlebt, und die Knöpfe den Blazer. Als ich mir einen neuen Blazer zulegte, ließ ich die Knöpfe von einem Schneider übertragen. Sie werden vermutlich auch diesen Blazer überleben und sind womöglich noch in einem guten Zustand, wenn sie mich überlebt haben, aber das ist nichts, worüber ich allzu lange nachdenken möchte.

    Ich holte meinen Aktenkoffer aus dem Wandschrank bei der Wohnungstür. In einem anderen Wandschrank, dem im Schlafzimmer, gab es ein Geheimfach in der Rückwand. Meine Wohnung wurde bereits mehrmals von Fachleuten durchsucht und bisher hat noch niemand mein kleines Versteck entdeckt. Außer mir und dem drogensüchtigen jungen Schreiner, der es für mich eingebaut hat, weiß nur Carolyn Kaiser, wo es ist und wie man es öffnet. Ansonsten, sollte ich das Land oder den Planeten abrupt verlassen müssen, würde das, was ich versteckt habe, wahrscheinlich so lange dort bleiben, bis das Gebäude einstürzt.

    Ich drückte die beiden Stellen, die man drücken muss, dann schob ich die Platte zur Seite, die man zur Seite schieben muss, und das Fach gab seine Geheimnisse preis. Es gab nicht viele. Das Fach umfasst etwa achtzig Liter, ist also groß genug, um so ziemlich alles, was ich stehle, so lange zu verstauen, bis ich in der Lage bin, es loszuwerden. Aber ich hatte seit Monaten nichts mehr gestohlen, und das, was ich mir zuletzt angeeignet hatte, war längst an ein paar Burschen verteilt, die dafür mehr Verwendung hatten als ich.

    Was soll ich sagen? Ich stehle Dinge. Idealerweise Bargeld, aber das ist im Zeitalter von Kreditkarten und 24-Stunden-Geldautomaten immer schwieriger zu finden. Es gibt noch Leute, die große Mengen an Bargeld besitzen, aber die haben normalerweise auch andere Dinge zur Hand, wie zum Beispiel große Mengen illegaler Drogen, ganz zu schweigen von Sturmgewehren und angriffslustigen Pitbulls. Sie führen ihr Leben und ich führe meines, und wenn sich die beiden nie kreuzen, geht das für mich in Ordnung.

    Die Dinge, die ich nehme, neigen dazu, dem Motto »Klein, aber fein« zu entsprechen. Schmuck, natürlich. Kunstgegenstände – Jadeschnitzereien, präkolumbianische Bildnisse, Lalique-Glasarbeiten. Sammelobjekte – Briefmarken, Münzen und einmal, erst kürzlich, Baseballkarten. Ab und zu ein Gemälde. Einmal – und nie wieder, bitte, Gott – ein Pelzmantel.

    Ich stehle von den Reichen, und das aus einem ähnlichen Grund wie Robin Hood: Die Armen, Gott behüte sie, haben nichts, was sich zu stehlen lohnt. Und die kleinen wertvollen Dinge, die ich davontrage, sind, wie Ihnen sicherlich aufgefallen ist, nicht die Art von Ding, die jemand braucht, um Körper und Seele zusammenzuhalten. Ich stehle keine Herzschrittmacher oder eiserne Lungen. Keine Familie wird nach einem Besuch von mir obdachlos. Ich nehme weder die Möbel noch den Fernseher (obwohl ich ab und zu schon mal einen kleinen Teppich einrolle und damit davonspaziere). Kurz gesagt, ich stehle die Dinge, ohne die man leben kann und die sehr wahrscheinlich versichert sind, vermutlich sogar für mehr als ihren Wert.

    Na und? Was ich tue, ist immer noch verkommen und verwerflich, ich weiß. Ich habe versucht, es aufzugeben, aber ich kann es nicht, und tief im Inneren will ich es auch nicht. Weil es das ist, was ich bin und was ich tue.

    Das ist nicht das Einzige, was ich bin oder tue. Ich bin auch Buchhändler, Alleininhaber von Barnegat Books, einem Antiquariat in der östlichen 11th Street, zwischen Broadway und University Place. In meinem Reisepass, den Sie hinten in meiner Sockenschublade finden (was dumm ist, denn, glauben Sie mir, das ist der erste Ort, an dem ein Einbrecher suchen würde), ist als mein Beruf Buchhändler aufgeführt. Der Pass enthält meinen Namen, Bernard Grimes Rhodenbarr, und meine Adresse in der West End Avenue sowie ein Foto, das man getrost als wenig schmeichelhaft bezeichnen kann.

    Es gibt ein besseres Foto in einem anderen Reisepass, demjenigen im Versteck hinten im Schrank. Darin wird behauptet, dass mein Name William Lee Thompson ist und ich ein Geschäftsmann bin, der in 504 Phillips Street in Yellow Springs, Ohio, wohnt. Der Pass sieht authentisch aus, was er auch sollte: Das Passamt hat ihn ausgestellt, genau wie den anderen. Ich habe ihn mir selbst besorgt, mit einer Geburtsurkunde, die ebenso authentisch war, aber leider nicht meine.

    Ich habe den Thompson-Pass noch nie benutzt. Ich besitze ihn seit sieben Jahren, und in drei weiteren Jahren wird er ablaufen. Selbst wenn ich ihn dann immer noch nicht benutzt habe, werde ich ihn wahrscheinlich zu gegebener Zeit verlängern. Es stört mich nicht, dass ich keine Gelegenheit hatte, ihn zu benutzen, genauso wenig wie es einen Kampfpiloten stören würde, dass er noch nie Gelegenheit hatte, seinen Fallschirm zu verwenden. Der Reisepass ist da, falls ich ihn brauche.

    Heute Abend würde ich ihn wahrscheinlich auch nicht brauchen, weshalb ich ihn dort ließ, wo er war. Ich ließ auch meinen Bargeldvorrat dort, da ich ebenfalls nicht erwartete, ihn zu benötigen. Als ich ihn das letzte Mal gezählt hatte, war er auf etwa fünftausend Dollar geschrumpft, weniger, als mir lieb ist. Idealerweise sollte ich über eine Bargeldreserve von fünfundzwanzigtausend Dollar für Notfälle verfügen. Ich stocke sie regelmäßig auf dieses Niveau auf, aber dann greife ich wegen der einen oder anderen Sache darauf zurück, und ehe ich mich versehe, ist kaum noch etwas übrig.

    Ein Grund mehr, mich an die Arbeit zu machen.

    Ein Handwerker ist nur so gut wie seine Werkzeuge, und das gilt auch für Einbrecher. Ich nahm meinen Ring mit Dietrichen, seltsam geformten Metallstreifen und anderen hilfreichen Anhängseln und steckte ihn in meine Hosentasche. Meine Taschenlampe hat die Größe und Form eines Füllfederhalters, dementsprechend steckte ich sie in die innere Brusttasche des Blazers. Ich musste die Taschenlampe nicht verstecken – sie werden in Eisenwarenhandlungen in der ganzen Stadt verkauft und es ist kein Verbrechen, eine bei sich zu tragen. Aber es ist definitiv ein Verbrechen, die Werkzeuge eines Einbrechers mit sich zu führen, und der einfache Besitz einer kleinen Sammlung wie der meinen reicht aus, um ihrem Besitzer einen verlängerten All-inclusive-Urlaub im Norden des Staates zu verschaffen. Also halte ich die Werkzeuge unter Verschluss und verstaue die Taschenlampe mit ihnen, damit ich sie nicht vergesse.

    Selbiges gilt für die Handschuhe. Früher benutzte ich Gummihandschuhe, die Art, die man anzieht, um abzuspülen, und ich schnitt die Handflächen zur Belüftung aus. Aber jetzt gibt es diese herrlichen Einmalhandschuhe aus Kunststoff, federleicht und kühl wie eine Essiggurke. Man kann eine ganze Rolle davon für wenig Geld kaufen. Ich riss zwei Handschuhe ab und legte den Rest zurück.

    Ich verschloss das Geheimfach, schloss den Wandschrank, schnappte mir den Aktenkoffer, verließ meine Wohnung und sperrte alle Schlösser ab. Es dauert länger, all dies zu berichten, als es auszuführen. Ich war um halb elf in meiner Wohnung eingetroffen und stand um Viertel vor elf wieder auf der Straße, umgezogen und mit allem Nötigen versehen.

    Als ich aus dem Gebäude trat, fuhr gerade ein Taxi vorbei. Ich hätte rennen und pfeifen können, um es anzuhalten. Aber es war nicht die Art von Abend, an dem Taxis Mangelware sein würden. Ich nahm mir Zeit, schritt langsam zur Bordsteinkante, hob eine Hand und winkte ein Taxi herbei.

    Raten Sie mal, mit wem ich das Vergnügen hatte.

    • • •

    »Was Sie hätten machen sollen«, sagte Max Fiddler, »Sie hätten mir sagen sollen, dass Sie noch woanders hingehen. Ich hätte warten können. Wie geht es Ihrem Bein? Nicht zu schlimm, oder?«

    »Nicht zu schlimm«, stimmte ich zu.

    »Was für ein Glück, dass ich Sie wiedergetroffen habe. Ich hätte Sie fast nicht erkannt, so wie Sie jetzt herausgeputzt sind und so. Wo geht’s hin, wenn ich fragen darf? Ein Date? Ich würde tippen, es ist ein Geschäftstermin.«

    »Rein geschäftlich.«

    »Nun, Sie sehen gut aus. Sie werden einen guten Eindruck machen. Wir nehmen die Transverse, in Ordnung? Quer durch den Park.«

    »Klingt gut.«

    »Gleich, nachdem Sie ausgestiegen sind«, sagte er, »hab ich zu mir selbst gesagt, Max, was zum Teufel ist los mit dir? Der Mann hat Arthritis und du hast ihm nicht gesagt, an wen er sich wenden soll. Kräuter.«

    »Kräuter?«

    »Kennen Sie sich mit Kräutern aus? Ich meine chinesische Kräuter, von einem chinesischen Kräuterarzt. Diese Frau steigt mit einem Stock in mein Taxi und lässt sich von mir nach Chinatown fahren. Sie ist selbst keine Chinesin, aber sie erzählt mir von diesem chinesischen Arzt, zu dem sie geht. Als sie das erste Mal zu ihm ging, konnte sie kaum laufen!«

    »Das ist wunderbar«, sagte ich.

    »Warten Sie, ich bin erst am Anfang!« Als wir in den Central Park fuhren, begann er mit einer Erzählung von Wunderheilungen. Eine Frau mit schrecklicher Migräne – in einer Woche geheilt! Ein Mann mit hohem Blutdruck – wieder normal! Gürtelrose, Psoriasis, Akne, Warzen – alles verschwunden! Hämorrhoiden – ohne Operation geheilt! Chronische Rückenschmerzen – wie weggeblasen!

    »Für den Rücken verwendet er Nadeln. Ansonsten nur Kräuter. Man zahlt achtundzwanzig Dollar für einen Besuch und die Kräuter sind inbegriffen. Er ist an sieben Tagen die Woche dort, von neun Uhr morgens bis um sieben am Abend …«

    Er selbst sei vom Grauen Star geheilt worden, versicherte er mir, und jetzt sehe er besser als in seiner Jugend. An einer Ampel nahm er seine Brille ab, schwang seinen Kopf herum und strahlte mich mit seinen klaren blauen Augen an. Als wir die Kreuzung der 76th Street mit der Lexington Avenue erreichten, gab er mir eine Visitenkarte mit Chinesisch auf der einen und Englisch auf der anderen Seite. »Ich verteile Hunderte von denen«, sagte er. »Ich schicke jeden zu ihm. Glauben Sie mir, ich freue mich, es zu tun!« Unten, zeigte er mir, hatte er seinen eigenen Namen, Max Fiddler, und seine Telefonnummer hinzugefügt. »Wenn er Ihnen helfen kann«, sagte er, »rufen Sie mich an und berichten Sie mir davon. Werden Sie das tun?«

    »Werde ich«, sagte ich. »Auf jeden Fall.« Ich zahlte, gab ihm Trinkgeld und humpelte hinüber zu dem Sandsteingebäude, in dem Hugo Candlemas wohnte.

    • • •

    Ich hatte Hugo Candlemas zum ersten Mal am vorherigen Nachmittag getroffen. Ich hatte mich an meinem üblichen Platz hinter dem Ladentisch befunden und gelesen, was Will Durant über die Meder und Perser zu sagen hatte. Von denen hatte ich zuvor wenig gewusst, abgesehen von den sexuellen Vorlieben, auf die ein Limerick von zweifelhafter ethnologischer Gültigkeit anspielt. Candlemas war einer von drei Kunden, die sich zu diesem Zeitpunkt zwischen meinen Regalen tummelten. Er stöberte still in der Lyrikabteilung, während eine Stammkundin, eine Ärztin im St. Vincent’s, im Nachbargang nach anderweitig vergriffenen Krimis suchte, über die sie herfiel wie die Pocken über die Prärieindianer. Meine dritte Kundin war ein in die Jahre gekommenes Blumenkind, das Raffles beim Sonnenbad im Schaufenster entdeckt hatte. Sie war hereingekommen, um ihn zu bewundern und um nach seinem Namen zu fragen, und nun sah sie ein Regal mit Kunstbüchern durch und legte einige Bände beiseite. Wenn sie alle kaufte, die sie ausgewählt hatte, würde der Kauf eine Menge Whiskas finanzieren.

    Die Ärztin ging als Erste und verringerte dabei meinen Bestand um ein halbes Dutzend Perry-Mason-Romane. Es handelte sich um Buchclub-Ausgaben, ein paar davon ziemlich abgegriffen, aber sie war eine Leserin und keine Sammlerin. Sie gab mir einen Zwanzig-Dollar-Schein und erhielt im Gegenzug ein wenig Wechselgeld.

    »Vor ein paar Jahren«, sagte sie, »haben die nur einen Dollar das Stück gekostet.«

    »Ich kann mich noch daran erinnern, als man sie nicht einmal verschenken konnte«, sagte ich, »und jetzt kann ich gar nicht genug davon vorrätig haben.«

    »Was denken Sie, woran das liegt? Haben die Leute nostalgische Erinnerungen an die Fernsehserie? Ich bin auf Umwegen dazu gekommen – ich hab die Serie gehasst, aber angefangen, A. A. Fair zu lesen, und musste feststellen, dass der Typ schreiben kann. Also beschloss ich zu sehen, wie er unter seinem eigenen Namen ist. Und es stellte sich heraus, dass die Bücher hart, temporeich und frech sind, ganz und gar nicht wie der Mist im Fernsehen.«

    Wir führten eine nette Unterhaltung, genau die Art, die mir vorgeschwebt hatte, als ich den Laden kaufte. Als sie gegangen war, brachte die Blumenmatrone, Maggie Mason mit Namen, ihre Schätze zu mir und stellte einen Scheck über zweihundertachtundzwanzig Dollar fünfunddreißig aus, was die zwölf Bücher inklusive Steuer kosteten. »Ich hoffe, dass Raffles davon eine Provision erhält«, sagte sie. »Ich muss schon hunderte Male an diesem Laden vorbeigekommen sein, aber es war sein Anblick, der mich zum Eintreten veranlasst hat. Er ist ein wunderbarer Kater.«

    Das ist er, aber wie konnte die überschwängliche Ms. Mason das wissen? »Danke«, sagte ich. »Er ist auch ein fleißiger Arbeiter.«

    Er hatte seine Position nicht verändert, seit sie hereingekommen war, außer um sich ein wenig zu brüsten, als sie ihn bewundert hatte. Meine Ironie war unbeabsichtigt – er ist ein fleißiger Arbeiter, der dafür sorgt, dass Barnegat Books ein völlig nagetierfreies Ökosystem ist –, aber sie hatte sie ohnehin nicht bemerkt. Sie habe, versicherte sie mir, den größten Respekt vor arbeitenden Katzen. Und dann ging sie mit zwei Einkaufstüten und einem perfekt strahlenden Lächeln.

    Kaum hatte sie die Schwelle überschritten, als sich mein dritter Kunde näherte, die Andeutung eines Lächelns auf dem Gesicht. »Raffles«, sagte er, »das ist ein prächtiger Name für diesen Kater.«

    »Vielen Dank.«

    »Und durchaus passend, würde ich sagen.«

    Was genau meinte er damit? A. J. Raffles war eine Romanfigur und der Kater war in einem Buchladen, aber durch diesen Umstand allein war der Name noch nicht viel passender als, sagen wir, Queequeg oder Arrowsmith. Aber A. J. Raffles war auch ein Gentleman-Einbrecher, ein Amateur-Safeknacker, während ich selbst ebenfalls ein Safeknacker war, wenn auch ein professioneller.

    Woher wusste dieser Bursche, weißhaarig, schmächtig gebaut, stäbchendünn und sehr adrett, wenn auch unzeitgemäß gekleidet in einen Anzug aus braunem Fischgrät-Tweed und eine Tattersall-Weste, all das?

    Zugegeben, es ist nicht das bestgehütete Geheimnis der Welt. Ich habe schließlich das, was man Einträge im Vorstrafenregister nennt, und die sind nun mal, wie der Name schon sagt, registriert. Meine letzte Verurteilung liegt schon etwas länger zurück, aber ab und zu werde ich verhaftet, und im Laufe der letzten Jahre war mein Name ein paar Mal in der Zeitung zu lesen. Leider nicht in meiner Rolle als Verkäufer seltener Bücher.

    Ich sagte mir wie Scarlett (auch ein schöner Name für eine Katze), dass ich später darüber nachdenken würde, und wandte meine Aufmerksamkeit dem Buch zu, das er auf den Ladentisch legte. Es handelte sich um einen schmalen, in blaues Leinen gebundenen Band, der die ausgewählten Gedichte von Winthrop Mackworth Praed (1802–39) enthielt. Er hatte zum Inventar gehört, als ich den Laden gekauft hatte. Ich hatte mit der Zeit die meisten Gedichte darin gelesen – Praed war ein Virtuose in Sachen Versmaß und Reim, wenngleich nicht sonderlich tiefgründig – und es war die Art von Buch, die ich gerne im Laden hatte. Niemand hatte je Interesse daran bekundet und ich war davon ausgegangen, es für immer in meinem Bestand zu haben.

    Nicht ohne Wehmut tippte ich die fünf Dollar einundvierzig ein, gab das Wechselgeld für zehn Dollar zurück und schob meinen alten Freund Praed in eine braune Papiertüte. »Es tut mir irgendwie leid, dass dieses Buch geht«, gab ich zu. »Es war schon hier, als ich den Laden gekauft habe.«

    »Es muss schwer sein«, sagte er, »sich von geliebten Bänden zu verabschieden.«

    »Das ist mein Geschäft«, sagte ich. »Wenn ich nicht bereit bin, sie zu verkaufen, sollte ich sie nicht im Regal stehen haben.«

    »Trotzdem«, sagte er und seufzte sanft. Er hatte ein schmales Gesicht mit hohlen Wangen und einem weißen Schnurrbart, der so perfekt aussah, als wäre jedes Haar einzeln gestutzt worden. »Mr. Rhodenbarr«, sagte er, während seine unschuldigen blauen Augen meine suchten. »Ich möchte Ihnen nur zwei Wörter sagen: Abel Crowe.«

    Wenn er nicht darauf hingewiesen hätte, wie angebracht Raffles Name war, hätte ich diese beiden Wörter vielleicht gar nicht als Namen gehört, sondern als ein Adjektiv und ein Substantiv, die englische Entsprechung für »tüchtige Krähe«.

    »Abel Crowe«, sagte ich. »Diesen Namen hab ich seit Jahren nicht mehr gehört.«

    »Er war ein Freund von mir, Mr. Rhodenbarr.«

    »Und von mir, Mr.–?«

    »Candlemas, Hugo Candlemas.«

    »Es freut mich, einen Freund von Abel kennenzulernen.«

    »Die Freude ist ganz auf meiner Seite, Mr. Rhodenbarr.« Wir reichten uns die Hände. Seine Handfläche war trocken, sein Griff fest. »Ich will keine Worte verschwenden, Sir. Ich möchte Ihnen einen Vorschlag unterbreiten, eine Angelegenheit, die in unser beider Interesse liegen könnte. Das Risiko ist minimal, die potenzielle Belohnung beträchtlich. Aber Zeit ist ein wichtiger Faktor.« Er warf einen Blick auf die offene Tür. »Wenn es einen Weg gäbe, wie wir unter vier Augen reden könnten, ohne Angst vor Unterbrechungen …«

    Abel Crowe war ein Hehler gewesen, der beste, den ich jemals gekannt habe, ein Mann von unangreifbarer Redlichkeit in einem Geschäft, in dem kaum jemand die Bedeutung dieses Wortes kennt. Abel war auch ein Überlebender eines Konzentrationslagers gewesen, mit einer ausgewachsenen Vorliebe für Süßes und einer Leidenschaft für die Schriften von Baruch Spinoza. Ich hatte mit Abel Geschäfte gemacht, wann immer ich die Gelegenheit dazu hatte, und bereute es nie, bis zu dem Tag, an dem er in seiner eigenen Wohnung am Riverside Drive von einem Mann getötet wurde, der – nun ja, egal. Ich hatte dafür sorgen können, dass sein Mörder nicht ungestraft davonkam. Das war eine gewisse Genugtuung gewesen, aber es hatte Abel nicht zurückgebracht.

    Und jetzt hatte ich einen Besucher, der auch ein Freund von Abel gewesen war und mir einen Vorschlag unterbreiten wollte.

    Ich schloss die Tür, sperrte sie ab und hängte das BIN-IN-5-MINUTEN-ZURÜCK-Schild ins Fenster. Dann führte ich Hugo Candlemas nach hinten in mein Büro.

    Kapitel 2


    Jetzt, zweiunddreißig Stunden später, drückte ich den Knopf einer von vier Klingeln im Windfang seines Sandsteinhauses. Er betätigte den Türöffner und ich stieg die Treppe hoch in den dritten Stock, wo er am oberen Ende der Treppe auf mich wartete und mich in seine Wohnung führte. Sie nahm das gesamte Stockwerk ein und war sehr geschmackvoll eingerichtet, mit einer Wand aus verglasten Bücherregalen, einem Juwel von einem Aubusson-Teppich, der auf dem von Wand zu Wand verlaufenden Teppichboden schwebte, und Möbeln, die sowohl elegant als auch bequem aussahen.

    Ein beklagenswerter Effekt eines dem Diebstahl gewidmeten Lebens ist meine Neigung, jeden Raum, den ich betrete, zu begutachten, immer aufmerksam nach etwas suchend, das sich zu stehlen lohnt. Es ist eine Form des Schaufensterbummels, vermute ich. Ich hatte nicht vor, Candlemas zu bestehlen – ich bin ein professioneller Einbrecher, kein Kleptomane –, aber ich blickte trotzdem mit offenen Augen umher. Ich entdeckte eine chinesische Schnupftabakflasche, kunstvoll aus Rosenquarz geschnitzt, und eine Gruppe von Netsuke aus Elfenbein, darunter ein dicker Biber, dessen Schwanz den Weg alles Fleischlichen gegangen zu sein schien.

    Ich bewunderte den Teppich und Candlemas führte mich herum, um mich auf einige andere hinzuweisen, darunter einen alten tibetischen Tiger-Teppich. Ich sagte ihm, es täte mir leid, zu spät gekommen zu sein, und er antwortete, ich sei genau pünktlich, es sei das dritte Mitglied unserer Gesellschaft, das sich verspätet habe, aber es müsse jeden Moment eintreffen. Ich lehnte einen Drink ab und nahm eine Tasse Kaffee an, und es überraschte mich nicht, dass er vollmundig, würzig und frisch gebrüht war. Candlemas sprach über Winthrop Mackworth Praed und spekulierte darüber, was der getan hätte, wenn die Tuberkulose sein Leben nicht verkürzt hätte: Er hatte einen Sitz im Unterhaus gehabt; hätte er sich stärker in der Politik engagiert und die Lyrik in den Hintergrund treten lassen? Oder wäre er vom politischen Leben desillusioniert worden, hätte aufgehört, tagespolitische Knittelverse zu schreiben, wie er es zum Ende hin getan hatte, und wäre dazu übergegangen, ein reifes Werk zu schaffen, das seine frühe Lyrik überragt hätte?

    Wir spekulierten darüber, bis es klingelte und Candlemas durch den Raum ging, um dem Neuankömmling die Haustür zu öffnen. Wir warteten am oberen Ende der Treppe auf ihn. Er entpuppte sich als ein dicklicher älterer Bursche mit einer Knollennase und einem breiten Gesicht. Er hatte den Teint eines Trinkers und den Husten eines Rauchers, aber selbst wenn man taub und blind wäre, hätte man trotzdem wissen können, wie er seine Tage zubrachte. Es sei denn, man hätte, sagen wir, eine schlimme Erkältung und könnte den Alkohol in seinem Atem und den Rauch in seinen Haaren und Kleidern nicht riechen. Dennoch hätte man es vielleicht erraten, wenn man die Art und Weise gesehen hätte, wie er sich die Treppe hochquälte, auf den Treppenabsätzen innehielt, um Luft zu holen, und sich auf den letzten Metern trotzdem noch viel Zeit lassen musste.

    »Captain Hoberman«, begrüßte Candlemas ihn und schüttelte seine Hand. »Und das ist–«

    »Mr. Thompson«, sagte ich schnell. »Bill Thompson.«

    Wir reichten uns argwöhnisch die Hände. Hoberman trug einen grauen Anzug, eine blau-braun-gestreifte Krawatte und braune Schuhe. Der Anzug sah aus wie das, was man vor der Perestroika an drittklassigen sowjetischen Bürokraten zu sehen pflegte. Der einzige Mann, den ich kannte, der in einem Anzug so schlecht aussehen konnte, war ein Cop namens Ray Kirschmann. Rays Anzüge waren teuer und gut geschnitten, aber sie sahen immer so aus, als seien sie für jemand anderen geschneidert worden. Der von Hoberman hingegen war ein billiger Anzug. Er hätte an niemandem gut ausgesehen.

    Wir gingen in Candlemas’ Wohnung und besprachen den Plan. Captain Hoberman wurde in einer Stunde im zwölften Stock eines Hochsicherheits-Apartmentgebäudes an der Kreuzung 74th Street und Park Avenue erwartet. Er war meine Eintrittskarte in das Gebäude. Sobald er mich am Portier vorbeigebracht hatte, würde er seinen Termin wahrnehmen, während ich vier Stockwerke tiefer selbst eine Verabredung hatte.

    »Sie werden allein sein«, versicherte Candlemas mir, »und ungestört. Captain Hoberman, wie lange werden Sie im zwölften Stock sein? Eine Stunde?«

    »Weniger als das.«

    »Und Sie, Mr., äh, Thomas, werden die Sache in zwanzig Minuten erledigt haben, obwohl Sie sich die ganze Nacht lang Zeit lassen könnten, wenn Sie möchten. Wollen Sie beide sich wieder treffen und gemeinsam das Gebäude verlassen? Was denken Sie?«

    Ich dachte, dass ich mir die ganze Angelegenheit hätte schenken und in das erste Taxi hätte steigen sollen, als ich die Gelegenheit dazu gehabt hatte. Anstatt mit einer wunderschönen Frau davonzufahren, hatte ich mehr über chinesische Kräuter erfahren, als ich je beabsichtigt hatte. Ich hatte die letzten beiden Wochen damit zugebracht, mir Filme mit Humphrey Bogart anzusehen, und offenbar hatte das mein Urteilsvermögen beeinträchtigt.

    »Das hört sich unnötig kompliziert an«, sagte ich. »Es ist nicht allzu schwer, aus einem Gebäude herauszukommen, es sei denn, man hat einen Fernseher unter dem Arm oder eine Leiche über der Schulter.«

    Es ist auch nicht allzu schwer, in ein Gebäude hineinzukommen, wenn man weiß, was man tut. Das hatte ich am Vortag auch zu Candlemas gesagt und vorgeschlagen, dass wir auf Captain Hoberman verzichten sollten. Aber er hatte nichts davon hören wollen. Der Captain war Teil des Pakets. Ich brauchte meinen Captain ungefähr so sehr wie Toni Tennille den ihren und hatte ebenso wenige Chancen, ihn loszuwerden.

    • • •

    Hoberman musste auch auf dem Weg nach unten an jedem Treppenabsatz eine Pause einlegen. Als wir nach draußen kamen, hielt er sich am gusseisernen Geländer fest, während er sich erholte. »Entscheiden Sie«, sagte er. »Wo kann man hier am besten ein Taxi bekommen?«

    »Lassen Sie uns zu Fuß gehen«, sagte ich. »Es sind nur drei Blocks.«

    »Aber einer davon ist quer.«

    »Trotzdem.«

    Er zuckte mit den Schultern, zündete sich eine Zigarette an, und los ging’s. Ich verzeichnete das als Sieg, musste aber meinen Irrglauben einsehen, als er geradewegs in das Wexford Castle, eine irische Bar in der Lexington Avenue, marschierte. »Zeit für einen schnellen Drink«, verkündete er und bestellte sich einen doppelten Wodka. Der Barkeeper, der aussah wie ein Mann, der alles gesehen hatte, sich aber an nichts davon erinnern konnte, goss aus einer Flasche ein, auf deren Etikett ein Russe mit Pelzmütze und grimmigem Grinsen abgebildet war. Ich begann zu sagen, dass wir bis Mitternacht am Ziel sein sollten, aber bevor ich den Satz zu Ende bringen konnte, hatte der Captain seinen Drink auch schon in sich hineingeschüttet.

    »Wollen Sie etwas?«

    Ich schüttelte den Kopf.

    »Dann lassen Sie uns gehen«, sagte er. »Wir sollten vor Mitternacht dort sein. Dann tritt die Spätschicht den Dienst an.«

    Wir traten wieder auf die Straße. Der Drink schien ihn ein wenig aufgelockert zu haben. »Hier ist eine Frage für Sie«, sagte er. »Wie viele Murmeln würde ein Murmeltier sammeln, wenn ein Murmeltier Murmeln sammeln könnte?«

    »Das ist wirklich eine Frage, ja.«

    »Kennen Sie den Herrn schon lange?«

    Zweiunddreißig Stunden, beinahe dreiunddreißig. »Nicht sehr lange«, räumte ich ein.

    »Was halten Sie von Folgendem: Als er mir von Ihnen erzählt hat, hat er nicht Ihren richtigen Namen benutzt. Er hat Sie anders genannt.«

    »Ja?«

    »Ich würde meinen, Rot und Fahr, aber das war es nicht. Rot und Gar? Ergibt keinen Sinn. Rotenball?« Er zuckte mit den Schultern. »Es spielt keine Rolle, aber es war auf keinen Fall Thompson. Nicht mal annährend.«

    »Nun, er wird auch nicht jünger«, sagte ich.

    »Gehirnverkalkung«, sagte er. »Sie denken, dass es darauf hinausläuft?«

    »Ich denke nicht, dass es so extrem ist, aber–«

    »Es reicht aus, mir Sorgen zu machen«, sagte er. »Das sollten Sie wissen. Es steht ziemlich viel auf dem Spiel, die

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