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Sax Royal: Eine Lesebühne rechnet ab
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eBook130 Seiten1 Stunde

Sax Royal: Eine Lesebühne rechnet ab

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Über dieses E-Book

Die Lesebühne Sax Royal zählt zu den erfolgreichsten Lesebühnen außerhalb Berlins. Seit fünf Jahren begeistert sie ein wachsendes Publikum in der Scheune, dem größten Klub im Herzen des Szeneviertels Dresden-Neustadt, mit ihren Geschichten, Gedichten und Liedern. Zahlreiche Gastspiele führen sie zudem immer wieder in verschiedenste Städte des Landes. Die Besonderheit von Sax Royal ist ihre Vielfältigkeit: Prosa und Lyrik, Tiefsinn und Hochkomik, politischer Anspruch und humoristischer Ausbruch schließen sich hier nicht aus, sondern finden zueinander wie die Faust und das Auge.
SpracheDeutsch
HerausgeberVoland & Quist
Erscheinungsdatum4. Juni 2014
ISBN9783863910488
Sax Royal: Eine Lesebühne rechnet ab

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    Buchvorschau

    Sax Royal - Michael Bittner

    Schicksalsjahre einer Lesebühne. Ein Vorwort

    Am Anfang war das Wort, das fehlte. Wie sollten sich fünf junge Schriftsteller nennen, die auf Anregung des Verlegers und Literaturveranstalters Leif Greinus beschlossen hatten, eine Lesebühne zu gründen? Vorschläge, die uns noch heute die Schamesröte ins Gesicht treiben, wurden ernsthaft diskutiert. Wochenlang suchten wir nach einem zugleich poetischen und leichtfüßigen Namen. Am Ende entschieden wir uns stattdessen für »Sax Royal«. Eine Taufe mit fatalen Folgen: Erst später nämlich entdeckten wir, dass ein österreichisches Bläser-Quintett unseren Namen teilt. Noch heute beschweren sich deshalb gelegentlich bei Auftritten ältere Ehepaare über die langen Ansagen und wollen wissen, wann endlich die Musik beginnt.

    Kennengelernt hatten sich die Mitglieder der Lesebühne unter widrigen Umständen im dunstigen Muschebubu diverser Kulturkeller. Das hatte für die weitere Zusammenarbeit große Vorteile, verbirgt doch ein Kellerloch meist die eigenen Gesichts- und Körperzüge zur Genüge, vergeistigt doch der Alkohol so manch unüberwindlich scheinenden Disput. Wir konnten uns also annähern wie die Kinder in fröhlichem Sandkastenspiele, es wurden Verbindungen geknüpft, die viel fester sind als das Netz kollegialen Respekts.

    Der erste Schicksalsschlag traf unsere Lesebühne schon früh: Bereits nach einem Jahr nahm unser Gründungsmitglied Janusz Kocaj eine Abkürzung auf dem Weg zum Erfolg und schrieb sich an der Schauspielschule »Ernst Busch« ein. Janusz ist jetzt reich und berühmt – zumindest soweit wir wissen: Wann immer wir bei ihm klingeln wollen, lassen die Leute vom Sicherheitsdienst die Hunde los. Einen mehr als würdigen Ersatz fanden wir aber schnell in Julius Fischer aus Leipzig. Seitdem bilden Michael Bittner, Julius Fischer, Roman Israel, Max Rademann und Stefan Seyfarth ein unverbrüchliches Team. Wir fahren sogar einmal im Jahr auf Betriebsausflug ins Zittauer Gebirge. Das sagt ja wohl alles!

    Mit diesem Buch schafft sich Sax Royal ein Denkmal, welches bald zusammenstürzen wird, um sich danach selbst wieder aufzubauen. Das Buch, Archetyp einer vergangenen Generation, der alle Autoren noch angehörig sind, ist ein Bekennen der Fehler, der eigenen und der fremden, und eine Liebeserklärung an das Wort, mal ernst, mal heiter, aber nie dumm. Wir wünschen nunmehr eine angenehme Lektüre mit diesem Querschnitt unseres Schaffens. Sax Royal möge ewig lesen.

    Max Rademann

    Geldzurückgarantie

    Ich war gerade vom Zahnarzt zurück, als mein Telefon schellte. Ich streifte mir die Jacke vom Leib, ließ sie zu Boden fallen und eilte ins Wohnzimmer, um den Hörer abzunehmen.

    »Herr Pachaly, hier ist noch mal die Schwester Angelika, Zahnarztpraxis Schovin. Ich muss mich bei Ihnen entschuldigen. Ich habe jetzt ganz vergessen, Ihnen Ihre zehn Euro zu geben. Sie wissen schon, die fürs laufende Quartal.«

    »Ach so, ja. Na, da muss ich eben die Tage noch mal bei Ihnen vorbeischauen«, erwiderte ich.

    »Ja, das wäre ganz lieb, Herr Pachaly, nicht dass wir’s noch vergessen, wäre doch schade!«

    »Ja, nee, das bekommen wir hin, ich komme einfach morgen oder übermorgen noch mal bei Ihnen vorbei. Kein Problem.«

    »Ja, das wäre gut, Herr Pachaly. Schön. Hamse nur recht schönen Dank, ne. Und Entschuldigung noch mal.«

    »Nee, alles gut. Kein Problem. Ich komm vorbei.«

    Dann hängte ich auf. Schon wieder zehn Euro, so ein Scheiß, ich hatte ja noch knapp 100 Euro einstecken vom letzten Mal Falschparken und Abschleppen. Vorsichtig fühlte ich an meiner neuen Backenzahnfüllung und spürte ein leichtes Magengrummeln. Ich ärgerte mich, dass ich in den frühen Morgenstunden so ganz und gar nicht zur Nahrungsaufnahme neige. Jetzt durfte ich weitere zwei Stunden keine Nahrung zu mir nehmen. Einer mir sehr eigenen Logik folgend wollte ich mir nun anstelle eines Butterhörnchens eine Zigarette gönnen, um meine Eingeweide zu beruhigen – und dazu einen schönen Kaffee. Ich setzte Wasser auf und begab mich zum Schreibtisch, wo ich aber nur ein leeres Päckchen Tabak vorfand. Mist, dachte ich. Aber gleichzeitig musste ich mir eingestehen, dass ich mir weder einen Zacken aus der Krone brechen noch meine körperlichen Kräfte überbeanspruchen würde, wenn ich den Weg in den Asiashop anträte, der sich eine Etage unter mir im Haus befindet. (Gesagt, getan.)

    »Ich nehme ein Päckchen American Spirit, den schwarzen, und einmal OCB blau, bitte.«

    Die Verkäuferin griff die Ware aus dem Regal und sagte: »Da bekommen Sie von mir 6,30 Euro. Können Sie 3,70 rausgeben? Ich habe nur einen Zehner.«

    Ich kramte in meiner Hosentasche.

    »Nee, tut mir leid, ich habe nur zwei Euro einzeln.«

    »Na gut, dann bekommen Sie eben acht Euro von mir, der Rest ist Trinkgeld.«

    Ich dankte mit einem Seufzer und ging wieder nach oben.

    Mensch, das Bündel in meiner Hosentasche wird immer größer und das Kleingeld wiegt fast schon ein Pfund, ich muss mal aussortieren, dachte ich mir, als ich in meine Hosentasche fasste. Dann brühte ich einen Kaffee auf und rollte mir eine Zigarette. Ich setzte mich an meinen Rechner und loggte mich zum Online-Banking ein. Erleichtert stellte ich fest, dass mir mein Vermieter die Miete für diesen Monat noch nicht überwiesen hatte. Mein Kontostand war bereits wieder so dermaßen hoch, dass ich merkte, wie dringend ich mal wieder etwas abheben musste. Immer hat man nur Sorgen mit dem elenden Geld, dachte ich, man weiß einfach nicht, wohin damit. Ich seufzte und saugte einmal kräftig an meiner Zigarette. »Wie macht das Sven nur?«, fragte ich mich. »Der hat ja nie Kohle. Na ja, der hat halt einen ziemlich guten Job. Der zahlt im Monat gut und gerne 3.000 Euro Lohn. Und Miete kriegt der auch nicht so viel. Da geht das. Ich dagegen mach ja nichts, kein Wunder, dass ich im Geld schwimme!«

    Mir wurde klar, dass ich mir dringend mal wieder einen Job suchen musste, bei dem man pro Stunde wenigstens einen Zehner bezahlt. Sonst würde das nie was. Sonst wäre ich ja niemals pleite. Ich dachte an meinen Freund Malte, der auf diesem Wege Millionär geworden war. Er hatte einfach alles schleifen lassen. Keinen Job, trotzdem eine Wohnung angemietet, für die es im Monat 1.000 Euro gab. Ging ständig in Restaurants, in denen ihm schon die Vorspeise einen zweistelligen Betrag einhandelte. Oh mein Gott, so wollte ich nicht enden.

    Am selben Abend schwärmte ich durch die Straßen der Stadt, nur eines im Kopf: meine Geldsorgen! Wie sollte ich diese scheiß Kohle nur loswerden? Und schon beging ich den nächsten Fehler und holte mir in einem der Spätshops ein Bier, das mir wieder 1,20 Euro einbrachte. Das Klimpern der Münzen in meiner Hosentasche ließ mich erschauern. Aber ich weigerte mich trotzdem, mein Geld einfach wegzuwerfen, wie es so viele immer wieder tun. Mein Blick wanderte über den Bordstein. Und tatsächlich: Hier lag ein zerknüllter Zwanziger, da ein paar Münzen. Ein Trauerspiel!

    Ich bog in eine kleine, dunkle Nebenstraße ein. Aus einem Hauseingang sprang ein Typ und baute sich vor mir auf. Ich zuckte zusammen.

    »Nimm Handy! Los, nimm Handy und alles, was du in Portemonnaie findest! Nimm es!«

    Ja, dies war auch eine Art, sein Geld loszuwerden. Man wurde kriminell.

    Ich erkannte das Messer in seiner rechten Hand, in der anderen den Krempel, den er mir aufzwingen wollte. Zögernd griff ich zu. Im gleichen Moment blitzte es vor meinen Augen auf.

    »Blöde Arschloch!«, hörte ich es zischen, dann schnelle Schritte, die sich von mir entfernten. Ich wischte Blut von meiner Nase und erkannte, dass diese Mistratte mir glatte 200 Euro angedreht hatte, plus dieses elende Telefon. Es war wie ein Fluch. Nein, dachte ich, diesmal nicht und so gleich gar nicht. Vorsichtig schaute ich mich um. Das würde ich nicht behalten, bei der nächsten Gelegenheit wollte ich es in einem Mülleimer verschwinden lassen. Alles! Das Geld und das Telefon. Als ich mich unbeobachtet fühlte, warf ich die 200 Euro samt des Telefons in einen Papierkorb und eilte schnell weiter. Ich fühlte mich schäbig. Beinahe wie ein Dieb, der bei anderen Leuten ins Haus einsteigt und Geld auf den Nachttisch legt.

    Ziellos trugen mich meine Beine durch die Straßen.

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