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Wir überfallen die Polizei
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eBook195 Seiten2 Stunden

Wir überfallen die Polizei

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Über dieses E-Book

Anton, sein Sohn Ralf-Daniel, Chris und die spanische Barkeeperin Maria lernen sich frühmorgens, am heißesten Tag des Jahres in einer leeren Kneipe in Köln kennen.
Im Fernsehen beginnt die Live-Übertragung vom Ende des größten deutschen Bankraubes aller Zeiten. Anton meint, wenn größere Geldsummen sicherer in Polizeiwachen aufgehoben wären, gäbe es doch keine Banken.
Als ein Motorradpolizist hereingestürmt kommt und durch zur Toilette rennt, haben sie eine Idee: Als trojanische Motorradpolizisten verkleidet wollen sie sich in die Polizeiwache schmuggeln...

Das Drehbuch zu "Wir überfallen die Polizei" gibt es als Pdf als kostenlosen Download auf der Homepage des Autors.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum6. Jan. 2014
ISBN9783847651055
Wir überfallen die Polizei

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    Buchvorschau

    Wir überfallen die Polizei - Thorsten Nesch

    Eine Polizeiwache zu überfallen ist abwegig?

    Stimmt.

    Die Lage ist anders, wenn dort große Werte lagern.

    Es gibt zwei verbriefte Fälle:

    2006 in Guatemala und 2008 in Brasilien.

    Quelle: dpa

    »Geld ist nicht so wichtig...

    Darum ist es mir völlig egal,

    ob ich 70 oder 50 Millionen Dollar besitze.«

    - Arnold Schwarzenegger

    Die Knockout Situation

    Wenn jeder Mensch nur eine gewisse Menge an Adrenalin im Leben produziert, dann habe ich meinen gesamten Vorrat alleine heute verschossen. Dann schlurfe ich für den Rest meines Lebens als Zombie durch die Gegend, getrocknete Spucke an den Lippen, blöder Blick.

    Wir stehen schon eine ganze Weile hier an der Theke dieser schäbigen Kneipe und haben uns gegenseitig unsere Versionen des Tages erzählt; trotzdem fehlt nicht viel, und ich würde meinen Whisky mit zwei Händen trinken, so sehr klappert das Glas zwischen meinen Zähnen.

    Ob es den anderen genauso geht?

    Über den zitternden Glasboden schaue ich in die Runde. Diesem Anton scheint der ganze Tag am Arsch vorbeizugehen. Der steht da, als würde er sich sein Feierabendbier gönnen.

    Und der soll mein leiblicher Vater sein!

    Das verschwitzte Polizeihemd hat er sich aus der Hose gerupft und bis zum Bauchnabel aufgeknöpft, so dass uns der verwitterte Totenkopf von seiner tätowierten Brust angrinst wie Keith Richard einen Zöllner. Die Polizeilederjacke liegt zusammengeknüllt auf dem Tresen.

    Chris trinkt seinen Cutty Sark, dabei zwinkert er zu oft mit den Augen. So zeigt sich bei ihm die Nervosität. Seine Polizeilederjacke trägt er noch. Verstehe ich nicht. Auch wenn sie vorne offen ist, muss es da superheiß drin sein. Es sind ganz sicher über 40 Grad in diesem Bierloch, genau wie draußen, kein Unterschied. Eine Bullenhitze.

    Der knarrende Deckenventilator quirlt die heiße Luft nur, Wind erzeugt er keinen. Schlaff hängen die Staubfäden von dem Fischernetz, das jemand vor vielen Jahren unter die Holzimitatdecke des fensterlosen Ladens getackert hatte. Seitdem hält es seinen Fang: Plastikfische, Plastikseesterne, eine Gummiente, leere Bierdosen, Bierdeckel, Zigarettenschachteln, einzelne Handschuhe und BHs.

    Maria lehnt hinter ihrer Theke auf der Bar und raucht hektisch eine Zigarette nach der anderen. Sie zieht immer nur kurz, wartet, ohne die Hand mit der Zigarette weiter als nötig vom Mund zu entfernen, atmet aus und nimmt gleich den nächsten Zug. Jedes Mal, wenn sie an dem Filter zieht, entstehen Linienfältchen um ihre Lippen, die sternförmig auf den Mund zeigen. Ihre Augen starren zwischen uns hindurch.

    Mein Erzeuger hebt sein Glas auf Stirnhöhe, räuspert sich spektakulär laut und spricht einen Toast aus, —Den hier For the Road! Danach sollten wir uns verpissen.

    Ich weiß noch nicht einmal, ob Anton sich mit mir verpissen will oder wieder alleine wie nach meiner Geburt.

    Persönlich kennengelernt haben wir uns erst heute Vormittag. Nach meiner Entlassung aus der Jugendhaftanstalt.

    +

    —So, Ralf Dreher ...

    An dieser Stelle unterbrach ich Ömmes, den fülligen Vollzugsbeamten, der heute an der Ausgabestelle saß und innerlich nur noch auf seine baldige Pensionierung wartete, —Daniel, Daniel Dreher!

    Ich stand in einer Art Schleuse zur Freiheit, eine Tür links, eine Türe rechts von mir: hinter einer der Knast, hinter der anderen die Freiheit. Alles war weiß gestrichen mit der billigsten Farbe, die im Baumarkt zu kriegen war, und gestrichen wurde dauernd. Meistens, nachdem jemand ausrastete. Gründe gab es genug. Unter der frischen Farbschicht konnte ich einige Dellen und Kerben erkennen.

    —Hier steht Ralf, meinte Ömmes so emotionslos wie die dicke Plexiglasscheibe zwischen uns.

    —Ralf Daniel heiße ich eigentlich, Ralf Daniel Dreher.

    Er nagelte mit einem grünen Kugelschreiber auf das Papier, —In den Unterlagen steht nur ...

    —Ja, Ralf, ich weiß, ich habe meinen Mittelnamen nie angegeben, aber heute beginnt mein neues Leben. Neues Leben, neuer Name.

    Jetzt schaute er mir zum ersten Mal in die Augen, seine Routine hatte einen Knacks bekommen. Es kam wohl nicht häufig vor, dass jemand bei seiner Entlassung anders genannt werden wollte als beim Einchecken in den Club Mett.

    Ömmes räusperte sich, —Daniel Dreher. Ein neuer Vorname alleine macht noch kein neues Leben.

    —Mein neues Leben heißt Clarissa.

    Er überlegte mit dem Kugelschreiber an seinen Lippen und zeigte dann auf mich, als hätte Sherlock Holmes seinen schwierigsten Fall gelöst, —Das Mädchen, das dich am Anfang mal besucht hat?

    —Ja.

    —Ich habe sie danach nicht mehr gesehen.

    —Der Knast hat sie deprimiert, sagte ich.

    —Der deprimiert mich auch, trotzdem komme ich jeden Tag.

    —Sie werden dafür bezahlt. Clarissa nicht.

    Ömmes kreuzte Kästchen in dem Formular an, er kannte die ganzen drei Seiten auswendig, auch die Abstände zwischen den Kästchen. Seine Hand mit dem Stift schob sich über das Papier, als würde sie von einem Magneten unter dem Tisch gelenkt.

    —Schon komisch, wenn die Besuche aufhören, sagte er, als würde er laut denken.

    —Sie wartet auf mich.

    —Sicher?

    Auch wenn er mich gerade nicht ansah, erkannte ich seine hochgezogenen grauen Augenbrauen.

    —Sie hat mir geschrieben. Wir lieben uns! Das müssten Sie doch wissen, sie lesen doch jeden Brief.

    —Na, na, na, Vorsicht!, warnte er mich mit dem Zeigefinger, —Und dann? Wie geht’s dann weiter? Hast du einen Job in Aussicht?

    Er legte den Kugelschreiber weg und stempelte die Papiere.

    —Ich mache meinen Realschulabschluss nach und werde Automechatroniker.

    —War es vor einem Jahr nicht noch Boxtrainer?

    —Boxmanager! Aber mein Schützling hat es sich anders überlegt. Nun will ich was Solides.

    —Du?

    —Ich bin gut mit Autos, deswegen war ich hier auch in der Schlosserei.

    —Unsere Schlosserei stammt aus der Zeit, wo Autos noch das Lenkrad in der Mitte hatten.

    —Man muss alles können. Von der Pike auf.

    —Da hast du viel vor.

    —Den Hauptgewinn.

    Er kratzte sich am speckigen Nacken, —Na dann, viel Glück, das brauchst du, und halt die Ohren steif und die Finger weg von Drogen!

    Eine Anspielung auf den Grund meines Aufenthalts.

    —Das war nur Marihuana, wiegelte ich ab.

    —In der Bundesrepublik Deutschland sind das Drogen. Laut Paragraph ...

    —Ehrlich, ich wusste nichts von den 40 Kilo. Ich war nur in dem Wagen, weil ich per Anhalter mitgefahren bin.

    Ömmes lachte seinen erstickten Zigarillohusten, —Ich wette, wenn es ein Cabrio gewesen wäre, hättest du behauptet, der hätte dich kurz vorher angefahren und du wärst hinten auf seinem Rücksitz gelandet.

    —Glauben Sie mir nicht?

    —Ich glaube dem Richter.

    —Der hatte etwas persönlich gegen mich.

    —Junge. Du hast noch dein ganzes Leben vor dir.

    Den Standardspruch brachte er bestimmt schon seit 20 Jahren.

    —Wenigstens einer von uns, sagte ich.

    Er ignorierte meinen Kommentar, —Wir wollen dich hier nicht wiedersehen.

    —Das beruht ganz auf Gegenseitigkeit.

    —Dann tue auch was dafür.

    —Als Erstes suche ich mir einen Nebenjob, ich muss ja unser Leben irgendwie finanzieren.

    Das schien ihn zu enttäuschen, er fiel zurück in seine alte Tonlosigkeit, garniert mit einem Zucken im schlecht rasierten Mundwinkel, —Das sagt ihr alle.

    —Sie suchen nicht zufällig noch eine Urlaubsvertretung?, fragte ich ihn.

    Wieder stempelte er einen Vordruck, —Hier sind keine Vorbestraften erlaubt.

    —Echt? Wer hätte das gedacht?

    —Nicht frech werden, und er deutete mit dem Stempel in meine Richtung, als wollte er ihn mir durch die Glasscheibe auf die Stirn setzen, —Ich dachte, du wolltest dein Leben umkrempeln? Du klingst noch sehr nach Ralf, Daniel!

    Themawechsel. Ab in die Offensive, —Ich bekomme noch mein Geld.

    Eine Antwort blieb er mir schuldig. Vertieft in seine Routinehandlungen zeitlupte er sich durch den frühen Morgen. Wir schwiegen wie zwei Verwandte, denen bei einer Familienfeier die Gesprächsthemen ausgegangen sind.

    —Hier, dein Geld, sagte er endlich.

    —Ist da ein Scheck drin?

    —Nein, Blattgold.

    —Ein Scheck, ein Scheck, was soll ich mit einem Scheck?

    Für die Auszahlung müsste ich erst einmal ein Konto eröffnen.

    —Das ist bald so viel, wie ich im Monat verdiene, sagte er.

    —Ich brauchte dafür aber ein Jahr.

    —Hattest dafür aber auch Kost und Logis frei.

    Überrascht von seinem eigenen Humor, bebte sein uniformierter Körper, als säße er auf einem Massagestuhl. Dabei drang lediglich ein asthmatisches Fiepsen aus seinem Mund.

    —Dafür kann ich mir nichts kaufen.

    —Gehst doch sowieso hartzen.

    —Hey, nä, sagte ich.

    Aber wir beide wussten es besser. Selbst mit der Beihilfe für entlassene Häftlinge wäre ich bald pleite, und ob ich bis dahin einen Job gefunden hatte, von dem ich und Clarissa halbwegs leben konnten, stand ja noch nicht einhundertprozentig fest. Vorstrafen und Jugendhaft konnte ich in meinen Bewerbungsmappen weglassen und Ausfallzeiten mit Bildungsreisen und Ähnlichem kaschieren. Demnach müsste ich sowas wie ein weitgereister Einstein sein. Sollte mich allerdings jemand zu einem Vorstellungsgespräch einladen, dann wollte der irgendwann sicher ein Führungszeugnis sehen. Da hieß es: Hosen runter.

    Apropos Hosen runter, das würde es heute Abend auch heißen, ich würde Clarissa sehen, endlich, nach fast einem Jahr. Action!

    Seit eineinhalb Jahren waren wir zusammen. Wir kannten uns aus der Schulzeit in Leverkusen. Damals hatte es aber noch nicht gefunkt. Bei ihr nicht. Bei mir natürlich schon. Ich war verrückt nach ihr. Gut, ich war verrückt nach allen Mädels, deren Fingerknöchel beim Gehen nicht über den Bürgersteig schleiften.

    Das musste sie doch gemerkt haben, gespürt haben. Es heißt doch, die Mädels hätten so einen tollen Sinn für so was!

    Deswegen fragte ich sie relativ bald, nachdem wir uns in einem Club in Köln getroffen hatten und zusammengekommen waren, in ihrer Einzimmerwohnung in Nippes, warum wir damals nicht schon in der Schule ein Paar gewesen waren. Und sie meinte, ihr wäre das zu peinlich gewesen. Angeblich nur wegen meiner Freunde, besonders Frank, dem Spanner, wie sie sagte, sie konnte ihn nicht ab, von dem Freak würde sie Gänsehaut kriegen.

    Natürlich verteidigte ich meinen Kumpel, aber genauso angeblich hatte ich ja gar keine Ahnung, was das für einer sei.

    Ein guter Boxer war er, das stand fest, das hatte ich jede Woche miterleben können, auf dem Schulhof oder nach der Schule. Außerdem war er im Boxverein, und nach dem eigenen K.O. bei seinem ersten Kampf stieg seine Formkurve kontinuierlich an. Wir wären ein gutes Team gewesen, ich als sein Manager, wir standen kurz davor, unser erstes Startgeld einzusacken. Aber dann hatte er sich verknallt. Wie das so ist mit den Mädels: Wenn man mit einem zusammen ist, hat man nur noch das Eine im Kopf.

    Clarissa hatte mich gleich zu Anfang im Club Mett besucht. Und geschrieben hatte sie, jeden Monat, ihr letzter Brief musste leider irgendwie verloren gegangen sein. Kein Wunder, bei dem Personal hier.

    Daher hatte ich ihr vor ein paar Tagen schnell noch eine Postkarte geschickt. Zum Abendessen würde ich bei ihr sein. Vorher würde mich mein unbekannter Vater vom Tor abholen, und wir würden gemeinsam Mittag essen. Er hatte mich hier vor einem halben Jahr das erste Mal angerufen und sich vorgestellt. Drei weitere Telefonate folgten.

    Ich würde mich frisch machen für meinen Abend mit Clarissa, und mit einer Flasche Wein, oder besser zwei oder drei, bei ihr auftauchen, und noch mehr Kondomen.

    —Was grinst du?, riss mich Ömmes aus meinem Tagtraum.

    —Nix.

    —Gefällt es dir hier besser, als du dachtest?

    —Nein.

    —Hier, der Papierkram, Quittungen, unterschreiben, da, da und da. Mach hin, ich hab gleich meine kleine Pause.

    +

    Ich kannte nur Menschen mit großen Pausen. Einer einzigen großen Pause. Meine Mutter, meine Stiefväter, meine Freunde und deren Eltern und Lebensabschnittspartner. Und alles, was ich von diesem gewissen Anton Vielhaber gehört hatte, klang nicht anders.

    In ein paar Minuten würde ich ihn kennenlernen, zum ersten Mal persönlich, nach all den Telefonaten, gleich würde er mich abholen. Ehrensache, hatte er gesagt. Ein großer Moment.

    Ich würde zum ersten Mal in meinem Leben meinem leiblichen Vater gegenüberstehen, gleich, draußen vor dem Gefängnistor. Gut, ein bisschen spät insgesamt gesehen und zugegeben nicht der beste Platz für eine erste Vater-Sohn-Begegnung, aber besser als gar keine.

    Wie

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