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Xavers Rache: Psychothriller
Xavers Rache: Psychothriller
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eBook447 Seiten5 Stunden

Xavers Rache: Psychothriller

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Über dieses E-Book

Am Wiedersberger Horn im schönen Österreich spielt sich folgende Geschichte ab: Xaver Grimm, ein junger Juwelierladenbesitzer, befindet sich in der Gesellschaft seiner guten Freunde, die Berufe wie z. B. Bürgermeister, Arzt, Apotheker, Dorflehrer oder auch Makler bekleiden. Es handelt sich hierbei um die äußerst gut angesehene HERRENRUNDE des Städtchens Himmelstein.

Eines Tages erscheint in dem Lokal, in dem sich die Männer immer abends treffen, eine blutjunge, reinrassige Spanierin, und es ist vorbei mit der Ruhe. Sie gefällt natürlich allen, obwohl die Herren - außer Xaver - verheiratet sind. Er verliebt sich in sie und eines Tages, bei einer Geburtstagsfeier, artet dieses Besäufnis aus. Xaver dreht vor Eifersucht fast durch. Seine Freunde betäuben den Betrunkenen vollends und töten Sylvia in seinem Juwelierladen. Xaver kann sich am nächsten Tag an nichts mehr erinnern und befürchtet, dass er der Mörder ist. Den Mord schieben ihm seine Busenfreunde, die nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht sind, in die Schuhe.

Xaver bekommt lebenslänglich, das heißt fünfzehn Jahre, die er im Wiener Staatsgefängnis absitzt. Seine Tante Trude, die immer noch an ihn bzw. seine Unschuld glaubt, findet nach vierzehn Jahren zufällig ein Tagebüchlein von Sylvia, der Getöteten, aus dem zu ersehen ist, dass sie mit allen Männern der HERRENRUNDE gegen Entgelt geschlafen hatte. Xaver wird in diesem Moment klar, dass er unschuldig ist, da in dem Büchlein noch weitere Hinweise, die seine Unschuld betreffen, stehen. Xaver, mittlerweile über vierzig Jahre alt, behält sein Wissen für sich und schwört sich, furchtbare Rache zu nehmen. Er beginnt schon im Knast, eine andere Person zu mimen, nämlich einen alten Mann. Er lässt sich nach seiner offiziellen Entlassung von einem ehemaligen Mithäftling, einem Schönheitschirurgen, dreimal operieren: Im Gesicht, am Hals und an den Händen.

Ein neuer, (alter) Mensch ist geboren.

Seinem ausgereiften Rachefeldzug steht nichts mehr im Wege…
SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum14. Dez. 2016
ISBN9783730982419
Xavers Rache: Psychothriller

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    Buchvorschau

    Xavers Rache - Alfred J. Schindler

    Xavers Rache

    Xavers Rache

    Psychothriller

    von

    Alfred J. Schindler

    INHALTSVERZEICHNIS

    01 Rückblick

    02 im Knast

    03 zurück in Himmelstein

    04 das „Kennen lernen"

    05 neue Bekanntschaften

    06 großer Besuch

    07 die kleine Vernissage

    08 Helmut kommt...

    09 tiefgreifende Differenzen

    10 der PLAN nimmt seinen Verlauf

    11 das kleine Gerücht

    12 das absolute Chaos

    13 das Ablenkungsmanöver

    14 Maria

    15 Katz und Maus

    16 es wird eng

    17 der Rückschlag

    18 die Vorführung

    19 das Ende der Geschichte...

    Die wichtigsten Personen, die in diesem Roman mitspielen:

    Xaver Grimm - alias Andreas Bauer

    Sylvia Belona, das Mordopfer

    Xavers Tante Trude (Gertrud Vogl)

    Xavers Blutsbruder Dr. Helmut Schnitt

    Wirt 1: Markus Huber

    Wirt 2: Fred Kranz

    Hamburger Familie Müller (imaginär)

    Möbelhändler: Horst Holz aus Rattenberg

    Kriminalkommissar Wucht

    Rechtsanwalt Dr. Erich Kern

    Bürgermeister Dr. Johann Klein und...

    dessen Ehefrau Maria und...

    dessen Freundin Gunda

    Dorfarzt Dr. Michael Stock und...

    dessen Ehefrau Luise

    Dorflehrer Martin Stumpf und...

    dessen Ehefrau Sybille

    Feinkosthändler Richard Lang und

    dessen Ehefrau Annemarie und...

    deren Freund

    Makler Franz Götz und...

    dessen Ehefrau Marianne und...

    dessen Freundin

    Apotheker Dr. Erich Kropf und...

    dessen Ehefrau Bettina

    Juwelier Georg Faust und...

    dessen Ehefrau Liselotte und...

    dessen Freundin Barbara

    VORWORT

    Gegenwart:

    Ruhig, besonnen und leicht amüsiert wandert mein Blick über das geliebte Städtchen, in das ich nach einer (für mich) wahnsinnig langen Zeit zurückgefunden habe. Inzwischen sind schon wieder drei Monate vergangen, dass ich hier, in diesem kleinen, gemütlichen Paradies lebe, und in dem auch meine Wiege stand. Von hier oben, etwa sechzig, siebzig Meter über unserem verträumten Nest, direkt an meinem Häuschen, habe ich einen wunderbaren Überblick über unser Himmelstein, das von viel sattem Grün umrahmt ist. Wie hat es sich doch in all den Jahren meiner Abwesenheit vergrößert!

    Dort, etwa in der Mitte des Städtchens, das an einem sehr steil abfallenden Bergmassiv klebt, steht unsere Kirche, die vor einigen Jahrhunderten im gotischen Stil erbaut wurde. Ringsherum sieht man gepflegte, zum Großteil schmucke Häuser, wie zum Beispiel unser Gasthaus „Zur Kutsche", oder das wunderschöne, mit allerlei Blumen geschmückte Rathaus, in dem unser geschätzter Bürgermeister Dr. Johann Klein normalerweise seinen überaus wichtigen, amtlichen Tätigkeiten nachkommt. Jedoch heute tut er das nicht, wie ich hörte. Ob er wohl momentan verhindert ist?

    Ja, und dort kann ich genau in das bunt ausstaffierte Schaufenster des Feinkosthändlers Richard Lang sehen! Die Auslage ist zurzeit etwas leer, wie es scheint! Was macht er denn, der Gute? Hat er etwa Urlaub?

    Ich stelle mein altes Fernglas in seiner Schärfe noch etwas nach und kann nun sehr deutlich erkennen, dass sich um diese Uhrzeit (es ist gerade zehn Uhr vormittags und wir haben einen prächtigen Augusttag) einige Schulkinder am Marktplatz tummeln. Wie fröhlich und ausgelassen sie dort unten herumspringen! Wie kleine, muntere Rehlein! Wieso sind sie denn um diese Zeit nicht in der Schule? Ja, wieso nur? Wo ist er denn, der liebenswerte und grundehrliche Schullehrer Martin Stumpf, den die Kinder und deren Eltern so überaus mögen? Er wird doch nicht etwa krank sein?

    Ich überlege, ob vielleicht auch noch unser allseits äußerst beliebter Dorfarzt Dr. med. Michael Stock gerade verhindert ist. Es könnte ja sein! Ob er wohl momentan, bei diesem herrlichen Wetter, in seiner blitzsauberen Praxis ein paar Leute behandelt? Oder ist seine Praxis leer, weil er gerade nicht da ist?

    Georg Faust, unser jetziger, hochgeschätzter Juwelier, hat offensichtlich auch ein Schildchen an seiner Türe hängen! Was lese ich da? Heißt das etwa: Vorübergehend geschlossen? Na, so was! Was wird er wohl gerade tun, der sympathische Mann? Etwa faulenzen? Aber, aber, Herr Juwelierladenbesitzer! Sicherlich braucht auch er etwas Ruhe! Das ist doch selbstverständlich!

    Halt! Ob wohl wenigstens unser Makler Franz Götz in seinem meist belebten Büro arbeitet? Ich bezweifle es nun doch etwas! Wie ich ihn kenne, wird auch er im Augenblick seine Angebote und Anfragen etwas zur Seite gelegt haben, um sich ein wenig zu entspannen! Ja, ich nehme es an...

    Dr. Erich Kropf, unser freundlicher und zuvorkommender Apotheker ist momentan sicherlich auch nicht in seinem Laden anwesend, wie ich durch mein Fernglas sehen kann, denn auch hier hängt ein kleines Schild mit der Aufschrift: Momentan geschlossen!

    Ja, was ist denn nur los, dort unten in dem netten Städtchen, frage ich mich und lächle süffisant vor mich hin. Warum sind sie wohl im Augenblick verhindert? Was machen sie denn?

    Sei es, wie es wolle: Es wird schon seinen Grund haben. Sie, die fleißigen, ehrlichen, völlig unbeschol-tenen und überaus geschäftstüchtigen Männer haben es sich sicherlich verdient...

    Oder etwa nicht?

    01 Rückblick

    Wie gesagt: Seit einiger Zeit befinde ich mich nun schon wieder hier in meinem Heimatort Himmelstein, den ich so sehr vermisst hatte. Man hatte mich im Mai dieses Jahres in der Dorfgemeinschaft gut aufgenommen. Ja, ich kann mich wirklich nicht beschweren! Ich könnte mir, wenn ich es mir so recht überlege, gar nicht vorstellen, irgendwo anders zu leben!

    Denn ich gehöre hierher.

    Hier ist mein Platz.

    Leider gab es jedoch in meinem Leben Zeiten, in denen ich mich nicht hier befand. Dort, wo ich die letzten Jahre war, dachte ich nur immerzu an dieses kleine, abseits gelegene Nest und seine lieben und überaus freundlichen Einwohner. Insbesondere dachte ich natürlich an meine guten Freunde - sieben an der Zahl! Sie gingen mir sehr ab, in all den vielen, langen Jahren!

    Als man mich damals (mittlerweile sind fast sechzehn Jahre vergangen) mit Handschellen und blutig geschlagenen Augen von hier wegzerrte, war mir noch gar nicht bewusst, welch grausame Jahre vor mir liegen würden. Wenn ich damals geahnt hätte, was auf mich zukommen würde, hätte ich mich sicherlich umgebracht. Rechtskräftig verurteilt als Mörder in einem total überfüllten Schwurgerichtssaal! Genau dies war mein Schicksal.

    Auch war mir damals in keiner Weise bewusst, wie sehr mich dieses harte Wiener Staatsgefängnis verändern würde:

    Meine Psyche,

    meine Persönlichkeit,

    mein gesamtes Ego.

    Tante Trude, die etwas Mollige mit ihrem gutmütigen Blick, die ich über alles liebte, war die Einzige, die mir damals glaubte. Sie besuchte mich fast fünfzehn Jahre lang im Gefängnis im Abstand von vier Wochen und brachte mir immer feinen Kuchen und Zigaretten mit. Sie hielt zu mir, wie gesagt, und gerade ihre Besuche hielten mich moralisch etwas über Wasser. Denn sonst kam niemand. Nicht einmal meine Eltern. Sie dachten, dass ich es war. Ich - ihr einziger Sohn - ein Frauenmörder. Wie voreingenommen sie doch waren!

    Etwas enttäuscht war ich dann aber schon, als sich meine wirklich guten Freunde, mit denen ich doch solch wunderschöne und lustige Abende verbracht hatte, nicht ein einziges Mal in meinem Gefängnistrakt sehen ließen!

    Hatten sie etwa keine Zeit?

    Oder was war los mit ihnen?

    Wie oft hatte sie, meine herzallerliebste Tante Trude, zu mir gesagt, bevor dieser furchtbare Vorfall passierte und ich noch so jung war:

    „Trink nicht so viel, Junge! Stell dir vor, du fährst mit deinem Auto einen Menschen an, oder gar tot? Oder du gerätst in eine wüste Schlägerei und tötest Jemanden? Und hinterher weißt du von nichts mehr?" - Recht hatte sie, die Gute, aber zum großen Glück verursachte ich mit meinem uralten Opel Kadett, meinem ersten eigenen Auto, keinen einzigen Unfall. Nicht einen. Und in eine Schlägerei geriet ich auch nicht. Aber es sollte etwas ganz anderes passieren, wobei der Alkohol eine große Rolle spielen würde...

    Finanziell ging es mir, trotz meines jugendlichen Alters, ganz hervorragend. Ich war knapp vierundzwanzig Jahre alt und wir schrieben das Jahr 1984. Ich übernahm damals das Juweliergeschäft meines Vaters, das er einige Jahre zuvor hier in Himmelstein eröffnet hatte. Er hatte seinen Reibach gemacht, wie er immer leise zu mir sagte (und er hielt sich dabei die Hand vor den Mund, damit Mutter es nicht hören konnte) Er war damals achtundfünfzig Jahre alt und es leid, mit seiner kaputten Hüfte und seinem damals angehenden Raucherbein Tag für Tag im Geschäft stehen zu müssen und teure Klunker anzubieten. Nun gut, ich setzte mich also ins gemachte Nest.

    Ich hatte in Rattenberg, das in Österreich am Wiedersberger Horn, etwa dreißig Kilometer von Himmelstein entfernt liegt, Goldschmied gelernt, und schon bald fuhr ich einen gebrauchten, aber sehr gepflegten, schwarzen Porsche. Ich übernahm dann auch, als das Geschäft florierte und mir die Arbeit zu viel wurde, den früheren Angestellten meines Vaters. Er arbeitete fortan in unserer kleinen Werkstatt. Georg Faust war sein Name, und genau dieser Herr ist heute der Eigentümer meines ehemaligen Ladens. Wie das kam? - Etwas später.

    Ich hatte beim weiblichen Geschlecht die allerbesten Chancen, denn ich achtete sehr auf mein Äußeres. Fast jeden Abend führte ich ein anderes, junges Mädchen aus und schon bald war ich in unserem Ort bekannt wie ein bunter Hund. Eintausendsieben-hundert Einwohner zählt das Städtchen heute. Damals, im September des Jahres 1987, als ich so unverhofft in den Knast einwanderte, waren es gerade einmal neunhundert Einwohner gewesen. Ja, die Zeiten ändern sich eben...

    Als ich an einem verregneten Tag mit meinem Wagen nach Rattenberg fuhr, um ein wenig einkaufen zu gehen (ich ließ Faust alleine im Geschäft), kam ich an einem Taatoo-Studio vorbei. Ich ging hinein und unterhielt mich mit dem Inhaber des Geschäfts. Dabei blätterte ich neugierig in seinen verschiedenen Katalogen, in denen die unglaublichsten Motive zu bewundern waren. Mein Blick blieb an einem einzigartigen Adler hängen: Die phantastische Abbildung dieses herrlichen Vogels war in blauer Farbe gezeichnet. Ich entschloss mich kurzfristig, mir diese Tätowierung von dem Künstler anfertigen zu lassen. Er platzierte das Taatoo in einer Größe von etwa 10 x 15 Zentimeter auf meine Brust. Jedem, der daran interessiert war, zeigte ich dieses einzigartige Prachtwerk. Natürlich waren es meistens junge Damen, die mit ihren schmalen Händen über meine tätowierte Brust strichen. Aber auch meine Tante Trude war von diesem Kunstwerk freiweg fasziniert.

    „Junge, sagte sie verständnisvoll zu mir, „dieser Adler versinnbildlicht das absolute Gefühl der Freiheit. Behalte sie dir, so lange zu nur kannst!

    Wahrscheinlich spielte sie damit auf die unzähligen jungen Damen an, die versuchten, mich fest an sich zu binden. Jedenfalls fasste ich Tante Trudes Äußerungen damals so auf.

    Ans Heiraten dachte ich nicht. Ich wollte meinen Spaß haben, und nichts Anderes. Mein Ruf in der Damenwelt wurde von Mal zu Mal miserabler. Ja, und wie gesagt, trank ich des Öfteren auch gerne einen über den Durst. Tante Trude, die mich zusammen mit ihren fünf Katzen in ihrem kleinen, aber bildhübschen Häuschen am Hang aufgezogen hatte, (meine Eltern waren von meinem zweiten bis hin zum achtzehnten Lebensjahr im Ausland beruflich fest etabliert) machte sich immer wieder berechtigte Sorgen, wenn ich nachts mit meinem Sportwagen betrunken den schmalen und ungeteerten Weg nach oben schoss. Aber: Wenn man jung ist und genügend Kleingeld in der Tasche hat, lässt man die Puppen eben gerne tanzen. Jedenfalls erging es mir so!

    Mir war schon vor längerer Zeit zu Ohren gekommen, dass sich gewisse Herren unseres Städtchens fast täglich in unserem Vorzeigelokal „Zur Kutsche trafen, um sich dort bei einem Glas sündteuren Weines über Geschäfte und sonstige Schweinereien zu unterhalten. Diese „Herrenrunde bestand aus folgenden Personen:

    Bürgermeister Dr. Johann Klein,

    Dorfarzt Dr. Michael Stock,

    Dorflehrer Martin Stumpf,

    Feinkosthändler Richard Lang,

    Makler Franz Götz und

    Apotheker Dr. Erich Kropf.

    Sechs Männer, die die Fäden in Himmelstein zogen.

    Nach etlichen Besuchen und Dutzenden von Freirunden nahmen sie mich dann doch tatsächlich mit in ihre erlesene Runde auf. Unser Reigen bestand nun aus sieben Männern, die alle etwas zu sagen hatten. Mir kam zugute, dass sich mein Vater einige Jahre zuvor, als er noch nicht im Rollstuhl saß, in diesem einflussreichen Kreis gelegentlich bewegt hatte.

    Ja, und mein geschätzter Mitarbeiter Georg Faust wurde langsam, aber konstant, auch immer mehr in diesen kleinen Kreis mit integriert. Zwar nicht vollständig (er kam ja auch nur gelegentlich mit!), aber trotzdem. Er konnte also im Laufe der Zeit von sich behaupten, in diesem verhältnismäßig hochrangigen Kreis mit dabei zu sein.

    Man akzeptierte mich als geschäftstüchtigen Juwelier, und es war mir eine große Freude, mit einem Bürgermeister, mit Doktoren und weiteren hoch angesehenen Männern verkehren zu dürfen. Ob ich damals unter einem Minderwertigkeitskomplex litt? Ich denke schon.

    Wie ich schon sehr schnell feststellen konnte, beneideten sie mich darum, noch nicht verheiratet und somit frei und ungebunden zu sein. Sie Alle waren schon damals gut situiert „unter der Haube" und sie mussten jeweils eines oder sogar mehrere kleine Kinder ernähren. Sich an ihrer Stelle, in diesem kleinen Nest, ein Abenteuer zu leisten, war schier unmöglich, weil es auf dem Land so üblich war, dass man nichts verheimlichen konnte.

    Als ich ihnen eines Abends meine wunderbare Tätowierung zeigte, lachten sie alle hellauf: „ Sie passt haargenau zu dir, Xaver!", alberten sie einstimmig.

    Sicherlich dachten sie dabei genau das, was sie zu mir sagten. Frei wie ein Vogel! Unabhängig und niemandem Rechenschaft schuldig! Damals war mir natürlich noch nicht klar, wie gerne sie mit mir getauscht hätten...

    Ich war also allgemein als ein freundlicher, etwas naiver, gutmütiger, jedoch sehr erfolgreicher, junger Mann bekannt, dem die Welt zu Füßen lag.

    Eines schönen Abends öffnete sich die schwere Gasthaustüre, und ein Mädchen mit einem kleinen, roten Köfferchen trat ein. Nein! Sie trat nicht ein! Sie schwebte herein! Uns blieb allen die Luft weg. Wie die Hummeln umschwärmten wir sie, noch bevor sie sich irgendwo hinsetzen konnte.

    Ihr Name war Sylvia.

    Sylvia Belona.

    Ein Traum von einer jungen Frau.

    Sie kam aus Spanien, sprach hervorragend deutsch und war ein lebenslustiges und aufgeschlossenes Ding von gerade mal zweiundzwanzig Jahren. Keiner von uns wusste, woher sie genau kam, aber jedem von meinen Freunden war klar (außer mir natürlich, denn ich war damals, wie gesagt, noch sehr gutgläubig), dass sie nur darauf aus war, sich einen angesehenen, gut aussehenden Mann zu angeln. Ihre großen, schwarzen Augen blitzten wie kleine Feuerwerke, wenn sie lachte, und ihre gleichmäßigen Zähne waren unbeschreiblich weiß.

    Schon am ersten Abend nahm ich sie mit in Tante Trudis Häuschen. Diese war über meine etwas voreilige und unüberlegte Handlung nicht gerade begeistert. Jedoch sie akzeptierte sie. Sylvia blieb nicht nur diese Nacht bei mir. Wir beide bewohnten das Obergeschoss, und meine neue Freundin half Trude bei den Hausarbeiten, da sie in Himmelstein keine entsprechende Arbeit fand. Ich konnte und wollte Sylvia nicht mit in mein Geschäft nehmen, da mein damaliger Mitarbeiter Georg Faust und ich gerade ausgelastet waren. Es wäre eine reine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme gewesen, und davon hielt ich nicht das Geringste.

    Sylvia verfügte seltsamerweise immer über genügend Bargeld. Natürlich fragte ich sie nicht, woher sie diese Geldbündel hatte, denn ich nahm an, dass es ihr Erspartes war.

    Im Laufe der nächsten Wochen ging ich viel mit Sylvia aus. Abends fuhren wir in meinem Schlitten durch die Gebirgsgegend, und ich zeigte ihr meine Heimat. Auch Sylvia trank gerne ein Gläschen über den Durst. Wenn ich ihr erklärte, dass ich mich heute mit meinen Freunden, den Geschäftsleuten von Himmelstein im Gasthaus „Zur Kutsche" treffen würde, wollte sie natürlich unbedingt mit. Ich tat ihr den Gefallen, und so war ich schließlich der Einzige, der in weiblicher Begleitung kam. Meine Freunde hielten sich ihr gegenüber etwas zurück, wie es mir schien, um mich nicht zu verärgern, aber es entging mir nicht, dass sie allesamt von ihrer natürlichen Schönheit fasziniert waren. Wieso auch nicht, fragte ich mich ohne irgendwelchen Argwohn. Ich fasste es als Kompliment auf und nahm sie immer wieder mit zu meinen gepflegten Herrenabenden.

    Die Zeit verging und sie lebte nun schon ein knappes halbes Jahr bei mir und Tante Trude. Dann, an einem Dienstag im September, geschah folgendes: Sylvia und ich fuhren hinunter ins Dörfchen, um in der Kutsche wie üblich ein Gläschen zu trinken. Unser Makler, Franz Götz, feierte an diesem Tag seinen dreiunddreißigsten Geburtstag und es hagelte Bier, Wein und Schnäpse. Aus der anfangs harmlosen und lustigen Feier wurde schon sehr bald ein wahres Besäufnis. Irgendwann verlor ich den Faden und sah, dass sich Sylvia, ebenfalls schwer angetrunken, den Herren deutlich anbiederte. Jedenfalls kam es mir so vor. Ihre offene, weiße Bluse, unter der sich ein schwarzer Rüschenbüstenhalter nach außen drängte, war sehr tief nach unten gerutscht und ich bekam mit, dass sich meine Freunde mit ihr intensiver beschäftigten, als dies sonst der Fall war. Der Wirt hatte schon Stunden zuvor vorausschauend ein Schild an die Türe gehängt, auf dem mit großen Lettern „Private Gesellschaft!" stand.

    Im Laufe des Abends wurde ich, bedingt durch den starken Alkoholgenuss, immer eifersüchtiger und unbeherrschter, und schließlich packte ich Sylvia etwas grob am Arm. Fester, als ich es eigentlich wollte. Sie schrie auf. Ich gab ihr eine saftige Ohrfeige. Zugleich erwischte ich links und rechts einige Schläge, die aus dem Nichts kamen. Meine Freunde spielten die Helden. Und dann...

    ... kam der Filmriss.

    Als ich morgens um fünf Uhr in meinem Wagen erwachte, war Sylvia verschwunden und ich musste mich zuerst einmal fürchterlich übergeben. Ich warf einen Blick in den kleinen Innenspiegel und sah, dass zwei dicke Veilchen meine geschwollenen Augen schmückten. Die Haare standen mir zu Berge und ich fühlte mich wie ausgekotzt. Ich wusste beim besten Willen nicht mehr, was am Abend zuvor passiert war.

    Wo ist Sylvia, hä, fuhr es mir durch den Kopf. Liegt sie etwa in ihrem Bett, oben in unserem Häuschen, hä? (Ich hatte mir dieses idiotische „hä" irgendwann angewöhnt und konnte es beim besten Willen nicht mehr ablegen) Habe ich sie letzte Nacht vielleicht doch nach Hause gefahren? Irgendwie konnte ich mich daran erinnern, dass sie mit den Anderen ein wenig herumgemacht hatte, ich ihr in meiner Wut eine Ohrfeige verpasst hatte, und dann...

    Ende.

    Finito!

    Die totale Finsternis.

    Ich fuhr mit dem Porsche, der erfreulicherweise vollkommen unversehrt war, den kurzen Weg nach Hause und suchte sie im gesamten Haus. Tante Trude schlief noch tief und fest. Von Sylvia keine Spur. Jedoch ihre Kleidung und die persönlichen Sachen waren vollständig vorhanden.

    Ob sie wohl bei einem meiner Freunde übernachtete, überlegte ich. Das kann aber normalerweise nicht der Fall sein, hä, sagte ich mir. Die Ehefrau desjenigen hätte sich für dieses kleine Mitbringsel wohl sehr bedankt!

    Ob sie einfach davongelaufen ist? Weg von mir, weil sie die Ohrfeige, die aber in meinen Augen angebracht war, nicht hinnehmen wollte? Eventuell. Aber ohne ihre persönlichen Sachen? Einfach so abhauen? Daran konnte ich mit Bestimmtheit nicht glauben.

    Als ich Tante Trude beim Frühstück fragte, ob sie zufällig wüsste, wo sich Sylvia befinden könnte, antwortete sie nur:

    „Sei froh, Xaver, wenn sie weg ist!"

    Dabei schaute sie mich mütterlich und sehr wissend von der Seite an. Blöde, wie ich war, fragte ich sie nicht, wie sie das denn meine und zog mich um. Ich duschte und rasierte mich und um kurz vor acht Uhr sah ich fast wieder wie ein halbwegs normaler Mensch aus. Also, abgesehen von meinen zugeschwollenen Augen, die mir meine lieben Freunde verpasst hatten.

    „Ich fahre jetzt hinunter ins Geschäft, Tante Trude!"

    „Ja, mach das Mal, Junge."

    „Falls Sylvia kommt, sage ihr bitte, dass es mir wegen gestern Abend leid tut, hä!"

    Tante Trude wusste zwar nicht, was mir so leid tat, aber sie konnte es sich sicherlich denken. Eifersucht, was sonst.

    Ich parkte meinen Wagen wie üblich direkt vor meinem Juwelierladen Ich deaktivierte die Alarmanlage, die nachts mit der Polizei gekoppelt war, und sperrte die Eingangstür auf. Danach sperrte ich alle Vitrinen auf. Georg Faust, mein Goldschmied, kam ja immer erst um acht Uhr fünfzehn.

    Im hinteren Teil meines Ladens befand sich die kleine Goldschmiede und direkt daneben die Toilette. Ich ging langsam in letztere hinein, weil ich mal dringend pinkeln musste, und lief dann wieder zurück in den Verkaufsraum. In die Goldschmiede selbst ging ich nicht. Was sollte ich dort auch?

    Die Eingangstür öffnete sich, und Georg Faust trat ein. Es war exakt acht Uhr fünfzehn. Eben wie immer.

    „Guten Morgen, Xaver!"

    „Guten Morgen, Georg! Wie geht es dir, hä?", fragte ich ihn.

    „Danke, gut."

    Er schaute mich etwas sonderbar an, aber ich reagierte nicht darauf. Ich überlegte, ob er mir letzte Nacht wohl auch eine verpasst hatte, kam aber nicht dahinter. Er zog seine Jacke aus, hängte sie an unsere Garderobe und ging ganz locker Richtung Goldschmiede. Plötzlich hörte ich einen unterdrückten Schrei:

    „Um Gotteswillen, Xaver!"

    Ich rannte zu ihm hin und sah sie, Sylvia, auf dem Boden liegend. Eine riesige Blutlache befand sich rings um ihren Kopf, der etwas grotesk, zur Seite geneigt lag. Man konnte deutlich erkennen, dass ihre Kehle fast von Ohr zu Ohr durchgeschnitten war.

    Ein Geschworenengericht verurteilte mich, wie bereits erwähnt, zu lebenslänglich.

    Meine erlesenen Freunde hatten bei den Zeugenver-nehmungen bestätigt, dass ich gerne trank und chronisch eifersüchtig war. Diese Aussagen stimmten natürlich. Leider. Sie hatten außerdem den Geschworenen einstimmig bestätigt, dass ich Sylvia in der Tatnacht im Gasthaus „Zur Kutsche" vor allen Anwesen-den geschlagen hatte. Etwas später hätten wir, also Sylvia und ich, als wir das Lokal verließen, weiter gestritten, erklärten sie mit ruhigem Tonfall.

    Einstimmig.

    Sicherlich war auch das richtig! Ich konnte natürlich nicht erwarten, dass sie für mich lügen oder mich in Schutz nehmen würden, denn dies hätten der Staatsanwalt und auch der Richter bei der Festlegung der Strafe sowieso nicht berücksichtigt.

    In meiner ersten Vernehmung hatte ich angegeben, dass ich etwas ausgerastet war, als ich gesehen hatte, wie Sylvia sich gegenüber meinen Freunden benommen hatte.

    „Wie eine kleine Hure benahm sie sich!", hatte ich zu den Kriminalbeamten gesagt.

    Auf ihre alles entscheidende Frage, wie der restliche Abend bzw. die Nacht noch mit Sylvia verlaufen war, wusste ich leider keine Antwort. Und irgendeine Geschichte erfinden wollte ich auch nicht. Meine sieben Freunde bestätigten dem Gericht zwar noch, dass ich normalerweise auch im berauschten Zustand nicht brutal oder angriffslustig gewesen wäre, aber dies half mir nun auch nicht mehr weiter.

    Ja, das war es dann auch schon! Ich hatte mir mein eigenes Grab geschaufelt! Aber eines wusste ich trotz des alkoholischen Filmrisses, und da war ich mir so ziemlich sicher:

    Es wäre mir niemals in den Sinn gekommen, Sylvia zu töten. Jedoch die Beweise sprachen gegen mich. Und mein Filmriss, den ich in besagter Nacht hatte, sprach ebenfalls gegen mich.

    Das Gerichtsurteil war innerhalb von zwei Minuten gesprochen und mir wurde eines klar: fünfzehn Jahre meines Lebens waren dahin. Einfach so. Was aber das Schlimmste daran war:

    Ich wusste nicht, wie mir geschah.

    „Alkoholische Eifersucht", sagte der Richter.

    „Mord im Vollrausch", meinte der Staatsanwalt.

    xxx

    Die erste Zeit im Wiener Staatsgefängnis war fürchterlich. Einfach unbeschreiblich. Ich dachte, ich würde tatsächlich wahnsinnig werden. Tante Trude brachte mir bei ihrem ersten Besuch zwei Schachteln Reval und einen selbst gemachten Kirschkuchen mit. Eine Schachtel klaute mir mein Zellenkollege (er saß wegen vorsätzlichen Mordes) und den Kuchen teilte ich dann auch noch mit ihm, weil er so fürchterlich jammerte. Meine ausgeprägte Gutmütigkeit war noch immer vorhanden. Doch diese Wesensart verlor sich dann natürlich im Laufe der Jahre...

    Immer wieder fragte ich mich, wieso meine besten Freunde, meine Halbbrüder, so einstimmig gegen mich gesprochen hatten. Sie hätten sich doch auch neutral verhalten können! Aber nein: Einstimmig hatten sie der Jury bestätigt, dass ich mich an diesem Abend so fürchterlich benommen hatte. Natürlich hatten sie außerdem erwähnt, dass sich Sylvia leicht anbiedernd dargestellt hatte, aber dies wäre doch wirklich kein Grund gewesen, sie zu ermorden, erklärten sie. Wie hätte ich mich an ihrer Stelle verhalten, überlegte ich tausend Mal. Hätte ich einen meiner Freunde gedeckt, wenn er in eine völlig aussichtslose Lage gekommen wäre? Hätte ich ihm vielleicht sogar ein Alibi verschafft? Je länger ich im Gefängnis saß, umso klarer wurde meine Antwort:

    „Ich hätte mich neutral verhalten."

    Aber andererseits wäre auch ich gezwungen gewesen, die Wahrheit über diesen furchtbaren Abend zu sagen. Dies hatte das Gericht natürlich von ihnen verlangt, und ich hatte einsehen müssen, dass es sich keiner meiner Freunde hätte leisten können, eine Falschaussage zu meinen Gunsten zu machen.

    „Junge, sagte Trude bei ihrem zweiten Besuch mit Tränen in den Augen, „ich weiß, dass du es nicht warst!

    Natürlich hatte man damals schon sehr bald, besser gesagt, gleich einen Tag nach dem Mord, auch die Tatwaffe gefunden. Sie hatte, versteckt hinter Tante Trudis Haus, halb eingegraben in der nassen Wiese gelegen. Selbstverständlich hatte man mir dieses lange, glatte Messer mit seiner ungeheuer scharfen Schneide und dem dunkelroten Griff gezeigt, ...

    ... jedoch: Ich kannte es nicht. Ich hatte es in meinem ganzen Leben noch nie gesehen. Und die Waffe hatte zudem einen kleinen Fehler: Meine Fingerab-drücke waren darauf. Eindeutig und völlig klar.

    „Fragen Sie mich nicht, meine Herren, hatte ich nach dem Fund der Mordwaffe zu den Kripobeamten gesagt, als sie mich darauf angesprochen hatten, „wie meine Fingerabdrücke auf diese Waffe gekommen sind.

    Sie hatten nur milde gelächelt.

    02 im Knast

    Um in meiner Doppelzelle nicht völlig durchzudrehen, (mein damaliger Kollege, der Schwiegermutter-mörder Heinz Haspel wurde nach etwa zwei Jahren trauten Zusammenseins in ein anderes Gefängnis verlegt) bat ich den Gefängnisdirektor, mir doch Pinsel und Farben sowie Leinwand zu genehmigen. Aufgrund meines guten Benehmens gestattete er mir dann endlich, mit dem Malen beginnen zu dürfen. Zuerst erhielt ich nur Papier und einen Bleistift, aber dann, als die Gefängnisleistung sah, wie gut ich zeichnete, bekam ich auch Leinwand und Ölfarben. Tagsüber arbeitete ich in der Wäscherei und wenn es Abend wurde, begann ich, Phantasiezeichnungen zu entwerfen: Gesichter, die ich nicht kannte, Gebäude, die ich nicht kannte, Landschaften, die ich nicht kannte und gelegentlich furchtbare Fratzen, die ich aus meinen Albträumen kannte. Außerdem zeichnete ich Messer verschiedenster Art:

    Kleine,

    große,

    dicke,

    dünne,

    lange,

    kurze,

    saubere,

    dreckige,

    stumpfe,

    scharfe,

    gezackte,

    geriffelte,

    gebogene,

    gerade und natürlich...

    ... blutverschmierte.

    Seit einigen Wochen war ich nun schon seit Haspels Verlegung alleine in diesem engen und etwas feuchten Raum. Dieses Luxuszimmer beinhaltete folgende Gegenstände: Zwei Eisenbetten (übereinander gebaut), ein stumpfes, abgegriffenes Waschbecken, eine dreckige Plumpstoilette, einen kleinen Schwarz-Weiß-Fernseher, der auf einem winzigen Tischchen stand, und natürlich dieses furchtbare, winzige, quadratische, mit dicken Gitterstäben versehene Fensterchen, das sich im Laufe meines weiteren, doch sehr langen Aufenthaltes unauslöschbar in mein Gehirn brannte.

    7 Eisenstäbe!

    Meine Bilder musste ich kniend, auf dem kalten, nackten Steinboden malen, weil auf dem Tischchen kein Platz vorhanden war. Der Fernseher war darauf fixiert. Es war nicht leicht, auf dem tristen Boden zu arbeiten, aber es ging so. Wie gesagt: 7 Gitter besaß dieses Fenster. Jeder einzelne Stab stellte symbolisch einen meiner guten Freunde dar.

    Ein Stab für Johann,

    ein Stab für Michael,

    ein Stab für Martin,

    ein Stab für Richard,

    ein Stab für Franz,

    ein Stab für Erich und

    ein Stab für Georg.

    Endlich, nach langem, monatelangem Warten, wurde mir ein neuer Zellenkollege zugeteilt. Sein Name war Dr. Helmut Schnitt. Meine furchtbare Einsamkeit in diesem Loch, mit der ich nur sehr schlecht zurechtgekommen war, war endlich zu Ende. Ich saß inzwischen schon eine recht lange Zeit in diesem düsteren, äußerst ungemütlichen Gefängnistrakt und ich zwang mich, nicht vorwärts zu denken.

    Noch läppische zwölfeinhalb Jährchen...

    Helmut und ich verstanden uns von Anfang an prächtig. Man hatte ihn wegen mehrfacher, fahrlässiger Tötung zu einer Gefängnisstrafe von zwölf Jahren verurteilt. Einige kleinere, unwesentliche Vorstrafen waren vorausgegangen, die dann zu dieser hohen Strafe geführt hatten. Wie er mir schon bald erzählte, war er mit seinem schweren Wagen in volltrunkenem Zustand in eine Fußgängergruppe gerast, hatte dabei fünf Menschenleben ausgelöscht und obendrein Fahrerflucht begangen.

    „Vorsätzlicher Vollrausch!", hatte der Richter gesagt.

    Auch Helmut hatte am Tag nach dem furchtbaren Unfall nicht mehr gewusst, wie ihm geschah...

    Filmriss!

    Scheiß Alkohol!

    Ich schwor mir damals, nie mehr in meinem Leben einen Tropfen Alkohol zu trinken, denn ich hatte immer wieder den grauenhaften Albtraum, nach fünfzehn Jahren entlassen zu werden, vor Freude etwas zu trinken und dann einen Menschen zu töten, um es dann am nächsten Tag nicht mehr zu wissen. Klitschnass wachte ich Hunderte Male nachts auf und war heilfroh, dass es nur ein Traum war. Ein weiterer Albtraum, den ich immer wieder hatte und der mich einfach nicht losließ, beinhaltete meinen eigenen Tod in dieser grausamen Zelle...

    Die Zeit verging.

    Sehr, sehr langsam, aber sie verging.

    Ich fing an, zu boxen. Tom, ein ehemaliger Boxprofi, der im Suff seinen Hausnachbarn mit einem einzigen Aufwärtshaken getötet hatte, lernte mir diese hohe Kunst der Selbstverteidigung. Er trainierte natürlich noch etliche andere Gefängnisinsassen, die ihre bestehenden Aggressionen auf diese Art auslebten.

    Die Tage, die Wochen, die Monate und die Jahre tropften dahin. Manche Tage kamen mir wie Monate vor. Der Aufenthalt in diesem harten Gefängnis wurde zur Ewigkeit...

    Tante Trudi kam, wie gesagt, sehr regelmäßig. Sie liebte mich wie ihren eigenen Sohn und immer wieder erklärte sie mir, dass sie nicht daran glaube, dass ich Sylvia damals ermordet hatte.

    Ich selbst war mir bei meiner Verhaftung absolut sicher gewesen, dass ich es nicht war, der Sylvia getötet hatte, aber im Laufe der Jahre im Knast wurde ich von Mal zu Mal unsicherer. Meine Gedanken und Gefühle veränderten sich. Mein anfänglicher Zorn auf meine Freunde verblasste. Es kam soweit, dass sich dieses letztere Gefühl irgendwann neutralisierte.

    Nun war ich also ein Mörder unter vielen, anderen Mördern. Ich hatte die harte Strafe angenommen, aber akzeptieren konnte ich sie trotzdem nicht.

    Viel später...

    Inzwischen war ich schon über dreizehn Jahre Gast im Wiener Staatsgefängnis und es ging mir seelisch besser, als zehn Jahre zuvor. Wieso? Weil ich diese furchtbare Strafe dann doch akzeptiert hatte. Genau wie den Mord an Sylvia. Diese bittere Schuld. Ich ärgerte mich insgeheim, dass ich sie nicht schon von Anfang an für mich akzeptiert hatte. Aber vorbei ist vorbei, sagte ich mir. Jedoch konnte ich mich zu keiner Zeit dazu überwinden, ein Geständnis abzulegen, weil ich mir eben nicht zu hundert Prozent sicher sein konnte, dass ich Sylvia die Kehle tatsächlich durchgeschnitten hatte.

    Dr. Schnitt, mein langjähriger Zimmergenosse, war inzwischen zu meinem Ersatzbruder geworden. Er hatte mir natürlich sehr viel über sein früheres Leben erzählt und ich muss zugeben, dass er ein hochinteressanter Mann war. Helmut war früher ein angesehener, selbständiger Arzt gewesen, bis ihm irgendwann dieser furchtbare Fehler unterlaufen war. Ein tödlicher Fehler. Er war rechtskräftig verurteilt worden, und er musste seine Strafe absitzen. Genau wie ich. Helmut war als Schönheitschirurg tätig gewesen, und er hatte hauptsächlich in Unterweltkreisen operiert. Einmal fragte ich ihn, was er

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