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Der Einbrecher, der gerne Kipling zitierte: Bernie Rhodenbarr, #3
Der Einbrecher, der gerne Kipling zitierte: Bernie Rhodenbarr, #3
Der Einbrecher, der gerne Kipling zitierte: Bernie Rhodenbarr, #3
eBook312 Seiten6 Stunden

Der Einbrecher, der gerne Kipling zitierte: Bernie Rhodenbarr, #3

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Über dieses E-Book

Kirkus Reviews meint: »Ist Bernie Rhodenbarr – der coolste, ruhigste und am wenigsten gewalttätige professionelle Einbrecher Manhattans – anständig geworden? Es scheint so, denn er ist nun Besitzer eines Antiquariats in der 11th Street. Aber keine Angst, das ist nur eine Nebenbeschäftigung und Bernie ist umtriebig wie eh und je. Jetzt wurde er angeheuert, um eine einzigartige Kipling-Rarität aus einem luxuriösen Anwesen zu stehlen. Das gelingt ihm natürlich problemlos, doch als er die Ware abliefern will, wird er unter Drogen gesetzt und nach dem Aufwachen – wie üblich – eines Mordes verdächtigt. Also ist Bernie wieder einmal auf der Flucht, versteckt sich bei seiner lesbischen Freundin Carolyn und spürt verschiedenen Verdächtigen nach ... Ein weiteres raffiniertes Rhodenbarr-Abenteuer, voll von gestohlenen Autos, schwindelerregenden Intrigen und der Atmosphäre der Straßen von Manhattan.«

 

Publishers Weekly meint: »Bernie hat gerade die Buchhandlung Barnegat Books übernommen, seine zutiefst liebenswerte Freundin, die lesbische Hundefriseuse Carolyn, kennengelernt und wird nun engagiert, um ein seltenes Buch zu stehlen. Wie immer bekommt er es mit einer Leiche und einem Labyrinth voller seltsamer Motive zu tun. Und wie immer machen Blocks stilvoller Erzählfluss, sein Humor und sein perfektes Gespür für das New Yorker Leben den Weg zum Ende viel lustiger als die Auflösung des Rätsels. Bis es so weit ist, ist es ein ungetrübtes Vergnügen – und, ja, wir sind bereit für ein weiteres Abenteuer.«

Und Lawrence Block meint: »Ich wusste seit dem ersten Kapitel seines ersten Auftritts in Ein Einbrecher zum Verlieben, wer Bernie Rhodenbarr war. Die Persönlichkeit stand schon fest. Aber erst im dritten Band, Der Einbrecher, der gerne Kipling zitierte, fand er sich in dem Leben wieder, das er eigentlich heute noch führt. In diesem Buch treffen wir ihn als Inhaber von Barnegat Books, einem Antiquariat in Greenwich Village, in dem er auf niveauvolle Gespräche mit sympathischen jungen Damen hofft – und das gleichzeitig als Fassade für seine diebischen Aktivitäten nach Ladenschluss dient. Und hier lernen wir auch Carolyn kennen, die zwei Häuser weiter in der Poodle Factory Hunde wäscht und sich zu Bernies lesbischer bester Freundin entwickelt.«

SpracheDeutsch
HerausgeberLawrence Block
Erscheinungsdatum23. Nov. 2022
ISBN9798215109007
Der Einbrecher, der gerne Kipling zitierte: Bernie Rhodenbarr, #3
Autor

Lawrence Block

Lawrence Block is one of the most widely recognized names in the mystery genre. He has been named a Grand Master of the Mystery Writers of America and is a four-time winner of the prestigious Edgar and Shamus Awards, as well as a recipient of prizes in France, Germany, and Japan. He received the Diamond Dagger from the British Crime Writers' Association—only the third American to be given this award. He is a prolific author, having written more than fifty books and numerous short stories, and is a devoted New Yorker and an enthusiastic global traveler.

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    Buchvorschau

    Der Einbrecher, der gerne Kipling zitierte - Lawrence Block

    Kapitel 1


    Ich schätze, er dürfte Anfang zwanzig gewesen sein. Es war schwer, sein Alter genau zu bestimmen, weil so wenig von seinem Gesicht zu sehen war. Sein rotbrauner Bart begann direkt unter den Augen, die wiederum hinter den dicken Gläsern einer Hornbrille lauerten. Er trug ein aufgeknöpftes khakifarbenes Armeehemd, darunter warb sein T-Shirt für das angesagteste Bier des Jahres, eine Marke aus South Dakota, die sich rühmte, mit Bio-Wasser gebraut zu werden. Seine Hose war aus braunem Kord, seine Laufschuhe blau mit einem goldenen Streifen. In der einen ungepflegten Hand hielt er eine Umhängetasche von Braniff Airlines, in der anderen die Everyman’s-Library-Ausgabe der Gedichte von William Cowper.

    Er legte das Buch neben der Kasse ab, griff in eine Tasche, fand zwei Vierteldollar-Münzen und legte sie neben das Buch auf den Ladentisch.

    »Ah, der arme Cowper«, sagte ich und nahm das Buch in die Hand. Der Einband war instabil, deshalb hatte es seinen Weg auf meinen Schnäppchentisch gefunden. »Mein Lieblingsgedicht ist ›Die philosophische Katze‹. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es in dieser Ausgabe enthalten ist.« Er verlagerte sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen, während ich das Inhaltsverzeichnis überflog. »Hier ist es. Seite einhundertfünfzig. Kennen Sie das Gedicht?«

    »Ich glaube nicht.«

    »Es wird Ihnen gefallen. Die Bücher vom Schnäppchentisch kosten vierzig Cent, oder drei für einen Dollar, was noch billiger ist. Sie wollen nur das eine?«

    »Ja, genau.« Er schob die beiden Vierteldollar-Münzen einen Zentimeter näher an mich heran. »Nur das eine.«

    »Gut«, sagte ich. Ich blickte ihm ins Gesicht. Das Einzige, was ich wirklich sehen konnte, war seine Stirn, und die sah ungetrübt aus. Dagegen würde ich etwas unternehmen müssen. »Vierzig Cent für den Cowper und drei Cents für den Gouverneur in Albany, den darf ich nicht vergessen. Was macht das dann?« Ich beugte mich über den Ladentisch und blendete ihn mit meinen perlweißen Zähnen. »Ich komme auf zweiunddreißig Dollar und siebzig Cent«, sagte ich.

    »Was?«

    »Die Byron-Ausgabe. Echtes Marokkoleder, marmorierte Vorsatzblätter. Ich glaube, sie ist mit fünfzehn Dollar ausgezeichnet. Der Wallace Stevens ist eine Erstausgabe und mit zwölf Dollar ein Schnäppchen. Der Roman, den Sie eingesteckt haben, kostet nur drei Dollar. Ich nehme an, Sie wollen ihn nur lesen, denn beim Weiterverkauf werden Sie nicht viel dafür bekommen.«

    »Ich weiß nicht, wovon Sie reden.«

    Ich trat hinter dem Ladentisch hervor und stellte mich zwischen ihn und die Tür. Er sah nicht so aus, als wollte er davonsprinten, aber er trug Laufschuhe, und man kann ja nie wissen. Diebe sind ein unberechenbarer Haufen.

    »In der Tasche«, sagte ich. »Ich gehe davon aus, dass Sie das, was Sie eingesteckt haben, auch bezahlen wollen.«

    »Die?« Er blickte auf die Umhängetasche hinunter, als wäre er erstaunt, dass sie an seinen Fingern baumelte. »Da sind nur meine Sportsachen drin. Sie wissen schon – Socken, ein Handtuch und so weiter.«

    »Dann machen Sie mal auf.«

    Mittlerweile standen ihm Schweißperlen auf der Stirn, aber er versuchte, den harten Kerl zu spielen. »Sie können mich nicht zwingen«, sagte er. »Sie haben keine Befugnis.«

    »Ich kann einen Polizisten rufen. Der kann Sie zwar auch nicht zwingen, die Tasche zu öffnen, aber er kann mit Ihnen aufs Revier gehen und Sie offiziell festnehmen, und dann kann er die Tasche öffnen. Wollen Sie das wirklich? Öffnen Sie sie.«

    Er öffnete die Tasche. Sie enthielt Sportsocken, ein Handtuch, eine zitronengelbe Sporthose, die drei Bücher, die ich erwähnt hatte, sowie eine schöne, saubere Erstausgabe von Steinbecks Autobus auf Seitenwegen, komplett mit Schutzumschlag. Sie war mit siebzehn Dollar fünfzig ausgezeichnet, was mir ein bisschen zu hoch erschien.

    »Das hab ich nicht von hier«, sagte er.

    »Haben Sie einen Kaufbeleg?«

    »Nein, aber–«

    Ich kritzelte kurz, dann lächelte ich ihn wieder an. »Sagen wir runde fünfzig Dollar«, sagte ich. »Her damit.«

    »Sie berechnen mir den Steinbeck?«

    »Mhm.«

    »Aber den hatte ich bei mir, als ich reinkam.«

    »Fünfzig Dollar«, sagte ich.

    »Hören Sie, ich will diese Bücher nicht kaufen.« Er verdrehte die Augen Richtung Decke. »Oh Gott, warum musste ich überhaupt hierherkommen? Hören Sie, ich will keinen Ärger.«

    »Ich auch nicht.«

    »Und das Letzte, was ich will, ist, etwas zu kaufen. Hören Sie, behalten Sie die Bücher, auch den Steinbeck, zum Teufel damit. Lassen Sie mich einfach verschwinden, ja?«

    »Ich denke, Sie sollten die Bücher kaufen.«

    »Ich hab nicht genug Geld. Ich hab fünfzig Cent. Hören Sie, behalten Sie auch die fünfzig Cent, okay? Behalten Sie die Shorts und das Handtuch, behalten Sie die Socken, ja? Lassen Sie mich einfach nur verschwinden, okay?«

    »Sie haben kein Geld?«

    »Nein, nichts. Nur die fünfzig Cent. Hören Sie–«

    »Zeigen Sie mir Ihre Brieftasche.«

    »Was soll – ich hab keine Brieftasche.«

    »Rechte Gesäßtasche. Nehmen Sie sie heraus und geben Sie sie mir.«

    »Das ist einfach unglaublich.«

    Ich schnippte mit den Fingern. »Los, die Brieftasche.«

    Es war ein schönes schwarzes Portemonnaie mit dem verräterischen Umriss eines aufgerollten Kondoms, was mich an meine eigene verlorene Jugendzeit erinnerte. Im Geldfach befanden sich fast einhundert Dollar. Ich zählte fünfzig Dollar in Fünfern und Zehnern ab, steckte den Rest wieder hinein und gab die Brieftasche ihrem Besitzer zurück.

    »Das ist mein Geld«, sagte er.

    »Sie haben damit gerade Bücher gekauft«, sagte ich ihm. »Wollen Sie eine Quittung?«

    »Ich will nicht mal die Bücher, verdammt.« Seine Augen hinter den dicken Brillengläsern waren glasig geworden. »Was soll ich mit denen anfangen?«

    »Sie zu lesen, scheidet wohl aus. Was wollten Sie ursprünglich damit machen?«

    Er starrte auf seine Laufschuhe. »Ich hatte vor, sie zu verkaufen.«

    »An wen?«

    »Ich weiß es nicht. An irgendeinen Laden.«

    »Wie viel wollten Sie dafür bekommen?«

    »Ich weiß es nicht. Fünfzehn, zwanzig Dollar.«

    »Am Ende würden Sie zehn nehmen.«

    »Vermutlich.«

    »Gut«, sagte ich. Ich zog einen seiner Zehner ab und drückte ihn ihm in die Hand. »Verkaufen Sie sie mir.«

    »Hä?«

    »Erspart Ihnen den Gang von Laden zu Laden. Ich kann gute Bücher immer brauchen, sie sind das, was ich im Bestand habe, also warum nicht die zehn Dollar von mir nehmen?«

    »Das ist verrückt«, sagte er.

    »Wollen Sie die Bücher oder das Geld? Es liegt ganz bei Ihnen.«

    »Ich will die Bücher nicht.«

    »Wollen Sie das Geld?«

    »Ich denke ja.«

    Ich nahm ihm die Bücher ab und stapelte sie auf den Ladentisch. »Dann stecken Sie es in Ihre Brieftasche«, sagte ich, »bevor Sie es verlieren.«

    »Das ist ja wohl das Verrückteste überhaupt. Sie haben mir fünfzig Dollar für Bücher abgeknöpft, die ich nicht wollte, und jetzt geben Sie mir zehn zurück. Ich bin vierzig Dollar los, um Himmels willen.«

    »Nun, Sie haben teuer gekauft und billig verkauft. Die meisten Leute versuchen, es umgekehrt zu machen.«

    »Ich sollte die Polizei rufen. Ich bin derjenige, der ausgeraubt wird.«

    Ich packte seine Sportsachen in die Braniff-Tasche, schloss den Reißverschluss und reichte sie ihm. Dann streckte ich einen Zeigefinger aus und stupste ihn unter seinem haarigen Kinn.

    »Ein Tipp«, sagte ich.

    »Hä?«

    »Steigen Sie aus dem Geschäft aus.«

    Er schaute mich an.

    »Suchen Sie sich einen anderen Beruf. Hören Sie auf, Dinge zu stehlen. Sie sind nicht besonders gut darin, und ich fürchte, Sie sind vom Temperament her nicht für das Leben geeignet, das damit verbunden ist. Sind Sie auf der Uni?«

    »Ich hab abgebrochen.«

    »Warum?«

    »Es war nicht relevant.«

    »Wenige Dinge sind es, aber warum versuchen Sie nicht, wieder reinzukommen? Besorgen Sie sich ein Diplom und suchen Sie sich einen Beruf, der zu Ihnen passt. Sie sind nicht dafür gemacht, ein professioneller Dieb zu sein.«

    »Ein professioneller–« Er verdrehte wieder die Augen. »Mein Gott, ich hab ein paar Bücher geklaut. Ich hab nicht vor, das zum Beruf zu machen.«

    »Jeder, der Dinge für den Weiterverkauf stiehlt, ist ein Berufsverbrecher«, sagte ich ihm. »Sie haben es nur nicht sehr professionell gemacht, das ist alles. Aber ich meine es ernst. Steigen Sie aus dem Geschäft aus.« Ich legte sanft eine Hand auf sein Handgelenk. »Verstehen Sie mich nicht falsch«, sagte ich, »aber Sie sind zu dumm zum Stehlen.«

    Kapitel 2


    Nachdem er gegangen war, steckte ich seine vierzig Dollar in meine Brieftasche, wo sie prompt zu meinen vierzig Dollar wurden. Ich reduzierte den Steinbeck auf fünfzehn Dollar, bevor ich ihn und seine Kollegen ins Regal stellte. Dabei entdeckte ich ein paar Bände, die sich verirrt hatten, und stellte die an ihre gewohnten Plätze zurück.

    Die Kunden kamen und gingen. Ich wurde ein paar Bücher vom Schnäppchentisch los und verkaufte dann eine Heritage-Club-Ausgabe von Vergils Eklogen (in einem Schuber, der Wasserschäden aufwies, der Rücken leicht abgerieben, Preis: acht Dollar fünfzig). Die Frau, die den Vergil kaufte, war selbst ein wenig abgenutzt, mit einer klobigen Figur und lockigem orangefarbenem Haar. Ich hatte sie schon bei mir im Laden gesehen, aber das war das erste Mal, dass sie etwas kaufte. Es ging also aufwärts.

    Ich sah ihr nach, wie sie den Vergil nach Hause trug, dann setzte ich mich mit einem Grosset & Dunlap-Nachdruck von Drei Soldaten hinter den Ladentisch. Ich hatte mich in letzter Zeit durch meinen begrenzten Bestand an Kipling-Büchern gearbeitet. Einige der Bücher hatte ich schon vor Jahren gelesen, aber Drei Soldaten las ich zum ersten Mal. Ich genoss meine Bekanntschaft mit Ortheris, Learoyd und Mulvaney, als die kleinen Glöckchen über meiner Tür klingelten und einen Besucher ankündigten.

    Ich blickte auf und sah einen Mann in einer blauen Uniform, der auf mich zustapfte. Er hatte ein breites, offenes, ehrliches Gesicht, aber in meinem neuen Beruf lernte man schnell, dass man ein Buch nicht nach seinem Umschlag beurteilen sollte. Mein Besucher war Ray Kirschmann, der beste Polizist, den man für Geld kaufen konnte, und für Geld konnte man ihn sieben Tage die Woche kaufen.

    »Hi, Bern«, sagte er und stützte einen Ellbogen auf den Ladentisch. »Hast du in letzter Zeit irgendwelche guten Bücher gelesen?«

    »Hallo, Ray.«

    »Was liest du da?« Ich zeigte es ihm. »Schund«, sagte er. »Ein ganzer Laden voll mit Büchern, du solltest mal was Anständiges lesen.«

    »Was ist anständig?«

    »Oh, Joseph Wambaugh, Ed McBain. Leute, die die Dinge beim Namen nennen.«

    »Ich werd sie mir merken.«

    »Wie läuft das Geschäft?«

    »Nicht schlecht, Ray.«

    »Du sitzt einfach hier, kaufst Bücher, verkaufst Bücher. Verdienst damit dein Geld. Stimmt’s?«

    »Das ist die amerikanische Art.«

    »Mhm. Eine ziemliche Umstellung für dich, nicht wahr?«

    »Ich mag geregelte Arbeitszeiten, Ray.«

    »Ein kompletter Karrierewechsel, meine ich. Vom Einbrecher zum Buchhändler. Weißt du, wie sich das anhört? Wie ein Titel. Du könntest ein Buch darüber schreiben. Vom Einbrecher zum Buchhändler. Was dagegen, wenn ich dir eine Frage stelle, Bernie?«

    Was wäre, wenn? »Nein«, sagte ich.

    »Was zum Teufel weißt du von Büchern?«

    »Nun, ich war immer ein begeisterter Leser.«

    »Im Knast, meinst du.«

    »Auch draußen, seit meiner Kindheit. Du weißt, was Emily Dickinson gesagt hat. ›Keine Fregatte nimmt uns mit ins Weite wie ein Buch‹.«

    »Mitnehmen ist richtig. Du bist nicht nur rumgelaufen, hast Bücher gekauft und dann einen Laden aufgemacht.«

    »Der Laden war schon da. Ich war jahrelang Kunde, kannte den Besitzer. Er wollte verkaufen und nach Florida ziehen.«

    »Und jetzt genießt er dort den Sonnenschein.«

    »Tatsächlich hab ich gehört, dass er einen Laden in St. Petersburg eröffnet hat. Er konnte die Untätigkeit nicht ertragen.«

    »Gut für ihn. Woher hattest du die Kohle, um den Laden zu kaufen, Bernie?«

    »Ich bin zu ein paar Dollar gekommen.«

    »Mhm. Ein Verwandter ist gestorben, so was in der Art.«

    »So was in der Art.«

    »Genau. Was mir zu denken gibt, ist, dass du im Winter für einen Monat oder so verschwunden warst. Das war im Januar, nicht wahr?«

    »Und für einen Teil des Februars.«

    »Ich vermute, du warst unten in Florida und hast das gemacht, was du am besten kannst. Du warst ziemlich erfolgreich und bist zu fast einer Tonne Schmuck gekommen. Ich vermute, dann hattest du eine Menge Kleingeld und hast beschlossen, dass Mrs. Rhodenbarrs kleiner Bernard sich eine anständige Tarnung zulegen sollte.«

    »Das vermutest du, Ray?«

    »Mhm.«

    Ich dachte einen Moment lang nach. »Ich war nicht in Florida«, sagte ich.

    »Dann Nassau. St. Thomas. Wo auch immer.«

    »Tatsächlich war es Kalifornien. Orange County.«

    »Das Gleiche in Grün.«

    »Und es war kein Schmuck. Es war eine Münzsammlung.«

    »Du warst schon immer scharf auf diese Dinger.«

    »Nun, sie sind eine tolle Investition.«

    »Nicht, wenn du frei herumläufst. Du hast mit den Münzen groß abgesahnt, was?«

    »Sagen wir, ich hab nicht draufgezahlt.«

    »Und diesen Laden gekauft.«

    »Stimmt genau. Mr. Litzauer wollte kein Vermögen dafür. Er legte einen fairen Preis für das Inventar fest und gab die Einrichtungsgegenstände und den guten Willen dazu.«

    »Barnegat Books. Woher hast du den Namen?«

    »Ich hab ihn behalten. Ich wollte kein neues Schild anschaffen müssen. Litzauer hatte ein Sommerhaus in Barnegat Light an der Küste von Jersey. Auf dem Schild ist ein Leuchtturm.«

    »Ist mir nicht aufgefallen. Du könntest den Laden Burglar Books nennen. ›Hier brechen nicht nur die Preise ein‹ – schon hast du einen Slogan. Kapierst du?«

    »Ich bin sicher, das werde ich früher oder später.«

    »He, bist du jetzt sauer? Ich hab’s nicht so gemeint. Es ist eine schöne Tarnung, Bern. Wirklich.«

    »Es ist keine Tarnung. Es ist das, was ich tue.«

    »Hä?«

    »Ich verdiene damit meinen Lebensunterhalt, Ray, und es ist alles, womit ich meinen Lebensunterhalt verdiene. Ich bin im Buchgeschäft.«

    »Klar bist du das.«

    »Es ist mir ernst damit.«

    »Ernst. Klar.«

    »Das ist es mir.«

    »Mhm. Hör zu, der Grund, warum ich vorbeigekommen bin, ist, dass ich neulich an dich gedacht hab. Das war, als meine Frau mir auf die Nerven gegangen ist. Warst du jemals verheiratet?«

    »Nein.«

    »Du bist so sehr damit beschäftigt, anständig zu werden, vielleicht ist die Ehe der nächste Schritt. Es gibt nichts Besseres, um einen Mann solide zu machen. Was sie wollte, es ist schon Oktober und sie erwartet einen langen Winter. Du hast meine Frau nie getroffen, oder?«

    »Ich hab einmal mit ihr am Telefon gesprochen.«

    »›Die Blätter fangen früh an, sich zu färben, Ray. Das bedeutet einen kalten Winter.‹ Das hat sie mir gesagt. Wenn die Blätter sich erst spät färben, dann bedeutet das einen kalten Winter.«

    »Sie mag es kalt?«

    »Sie mag es, wenn es kalt ist, aber ihr warm. Worauf sie hinauswill, ist ein Pelzmantel.«

    »Oh.«

    »Sie ist etwa eins achtundsechzig groß und trägt Größe sechsundvierzig. Manchmal geht sie auf zweiundvierzig runter, manchmal stopft sie Nudeln in sich hinein und geht auf achtundvierzig rauf. Pelzmäntel müssen doch sowieso nicht wie Handschuhe passen, oder?«

    »Damit kenne ich mich nicht so gut aus.«

    »Was sie will, ist Nerz. Keine Wildtiere oder gefährdete Arten, sie ist in dieser Hinsicht fanatisch. Die Nerze werden auf Farmen gezüchtet, sodass sie nicht in Fallen leiden müssen, und die Tiere sind nicht gefährdet. Alles, was sie mit ihnen tun, ist, sie zu vergasen und sie zu häuten.«

    »Wie schön für die Nerze. Das muss wie ein Besuch beim Zahnarzt sein.«

    »Was die Farbe angeht, würde ich sagen, dass sie nicht allzu wählerisch ist. Hauptsache, es ist eine der aktuellen Farben. Platin, Champagner. Nicht die alten Dunkelbraun-Töne.«

    Ich nickte und beschwor ein Bild von Mrs. Kirschmann in Pelz gehüllt herauf. Ich wusste nicht, wie sie aussah, also erlaubte ich mir, mir eine Art stämmige Edith Bunker vorzustellen.

    »Oh«, sagte ich plötzlich. »Es gibt einen Grund dafür, warum du mir das alles erzählst.«

    »Nun, ich hab nachgedacht, Bern.«

    »Ich bin raus aus dem Geschäft, Ray.«

    »Ich dachte, du könntest im Laufe der Zeit auf einen Mantel stoßen. Verstehst du, was ich meine? Ich dachte, du und ich, wir kennen uns schon lange, wir haben viel miteinander durchgemacht, wir beide, und–«

    »Ich bin kein Einbrecher mehr, Ray.«

    »Ich hab nicht mit einem Gratisgeschenk gerechnet, Bernie. Nur ein Schnäppchen.«

    »Ich stehle nicht mehr, Ray.«

    »Ich höre dich, Bern.«

    »Ich bin nicht mehr so jung, wie ich mal war. Das ist man nie, aber ich fange an, es zu spüren. Wenn man jung ist, hat man vor nichts Angst. Wenn man älter wird, macht einem alles Angst. Ich will nie wieder ins Gefängnis, Ray. Ich mag keine Gefängnisse.«

    »Heutzutage sind sie wie Country Clubs.«

    »Dann haben sie sich in den letzten Jahren aber ziemlich verändert, denn ich schwöre, ich war nie von ihnen begeistert. Man trifft bessere Leute in der Linie D.«

    »Ein Typ wie du könnte einen guten Job in der Gefängnisbibliothek bekommen.«

    »Sie schließen einen trotzdem nachts ein.«

    »Du bist also ehrlich geworden, ja?«

    »Ja, das ist richtig.«

    »Wie lange bin ich schon hier? In der ganzen Zeit ist kein einziger Mensch in den Laden gekommen.«

    »Vielleicht hält deine Uniform sie fern, Ray.«

    »Vielleicht läuft der Laden nicht so gut, wie er könnte. Wie lange bist du schon im Geschäft, Bern? Sechs Monate?«

    »Eher sieben.«

    »Ich wette, du kannst nicht mal die Miete zahlen.«

    »Ich komme ganz gut zurecht.« Ich markierte meine Seite in Drei Soldaten, klappte das Buch zu und stellte es in das Regal hinter dem Ladentisch. »Heute Nachmittag hab ich an einem Kunden vierzig Dollar Profit gemacht, und ich schwöre, das war leichter als Stehlen.«

    »Ist das wahr? Du bist ein Typ, der in eineinhalb Stunden zwanzig Riesen gemacht hat, wenn es gut lief.«

    »Und der im Knast gelandet ist, wenn es weniger gut lief.«

    »Vierzig Mäuse. Ich kann verstehen, dass du da einen Luftsprung machst.«

    »Es gibt einen Unterschied zwischen ehrlichem Geld und der anderen Art.«

    »Ja, und der Unterschied beläuft sich auf etwa neunzehntausend neunhundertsechzig Dollar. Das hier, Bern, das ist Kleingeld. Seien wir ehrlich. Davon kannst du nicht leben.«

    »Ich hab nie sehr viel gestohlen, Ray. Ich hab nie teuer gelebt. Ich hab eine kleine Wohnung in der Upper West Side, ich halte mich von Nachtclubs fern, ich wasche meine Wäsche selbst in den Maschinen im Keller. Der Laden läuft gut. Kannst du mir mal helfen?«

    Er half mir, den Schnäppchentisch vom Bürgersteig hereinzuschleppen. Er sagte: »Sieh dir das an. Ein Polizist und ein Einbrecher, die beide körperliche Arbeit verrichten. Jemand sollte ein Foto machen. Was verlangst du für die? Vierzig Cent, drei für einen Dollar? Und davon kannst du dir Hemden und Socken leisten?«

    »Ich bin ein vorsichtiger Käufer.«

    »Hör zu, Bern, wenn es einen Grund gibt, warum du mir bei dieser Mantel-Sache nicht helfen willst–«

    »Cops«, sagte ich.

    »Was ist mit Cops?«

    »Ein Typ wird anständig und ihr weigert euch, es zu glauben. Ihr redet euch heiser und sagt mir, ich soll ehrlich werden–«

    »Wann hab ich dir jemals gesagt, dass du ehrlich werden sollst? Du bist ein erstklassiger Einbrecher. Warum sollte ich dir sagen, dass du dich ändern sollst?«

    Er hörte auf, darauf herumzureiten, während ich eine Einkaufstasche mit Hardcover-Krimis füllte und mich daranmachte, den Laden zu schließen. Stattdessen erzählte er mir von seinem Partner, einem adretten und wortkargen jungen Mann mit einer Vorliebe für Pferde und einer kleinen Amphetamin-Sucht.

    »Alles, was er tut, ist verlieren und darüber meckern«, beschwerte sich Ray, »bis er letzte Woche anfing, die Ponys mit einem Röntgenblick auszuwählen. Jetzt gewinnt er nur noch, und ich schwöre, ich mochte ihn lieber, als er noch verloren hat.«

    »Sein Glück kann nicht ewig anhalten, Ray.«

    »Das hab ich mir auch schon gesagt. Was ist das? Stahlgitter vor die Fenster? Du gehst kein Risiko ein, oder?«

    Ich zog die Gitter zu und verriegelte sie. »Nun, sie waren schon hier«, sagte ich steif. »Wäre doch dumm, sie nicht zu benutzen.«

    »Es ergibt keinen Sinn, es einem anderen Einbrecher leicht zu machen, hä? Keine Ehre unter Ganoven, das hört man doch immer, oder? Was passiert, wenn du den Schlüssel vergisst, Bern?«

    Er bekam keine Antwort, und ich nehme an, er erwartete auch keine. Stattdessen gluckste er und legte mir eine schwere Hand auf die Schulter. »Ich schätze, du würdest einfach den Schlüsseldienst anrufen«, sagte er. »Du könntest das Schloss ja nicht knacken, weil du kein Einbrecher mehr bist. Du bist nur ein Typ, der Bücher verkauft.«

    ∗ ∗ ∗

    Barnegat Books befindet sich in der östlichen 11th Street zwischen Broadway und University Place. Als ich mit dem Abschließen fertig war, trug ich meine Einkaufstasche zwei Häuser weiter in Richtung Osten zu einem Hundefriseursalon namens Poodle Factory. Carolyn Kaiser hatte einen unruhigen Yorkie auf dem Frisiertisch und polierte seine kleinen Krallen. Sie sagte: »Hey, ist es schon so weit? Ich muss nur noch mit Prinz Philip fertig werden, dann können wir gehen. Wenn ich nicht bald einen Drink bekomme, fang ich an zu kläffen wie ein Chihuahua.«

    Ich machte es mir auf dem Sofa bequem, während Carolyn dem Terrier den letzten Schliff verpasste und ihn zurück in seinen Käfig steckte. Dabei beklagte sie sich ausgiebig über das Fehlverhalten ihrer Freundin. Randy war am Abend zuvor spät nach Hause gekommen, betrunken, zerzaust und leicht

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