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Sammelband 8 Krimis: 1100 Seiten Strand Lesefutter Juni 2019
Sammelband 8 Krimis: 1100 Seiten Strand Lesefutter Juni 2019
Sammelband 8 Krimis: 1100 Seiten Strand Lesefutter Juni 2019
eBook1.337 Seiten15 Stunden

Sammelband 8 Krimis: 1100 Seiten Strand Lesefutter Juni 2019

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Über dieses E-Book

Sammelband 8 Krimis: 1100 Seiten Strand Lesefutter Juni 2019

Von Alfred Bekker

Dieses Buch enthält folgende Krimis:

Alfred Bekker: Kubinke und der kommende Tod

Alfred Bekker: Tuch und Tod

Alfred Bekker: Der Armbrustmörder

Alfred Bekker: Undercover Mission

Alfred Bekker: Verschwörung der Killer

Alfred Bekker: Die Angst verfolgt dich bis ans Ende

Alfred Bekker: Der finale Absturz

Alfred Bekker: Bilder eines Mordes

Er schied aus dem Polizeidienst, weil ein Trauma ihn verfolgt. Jetzt wohnt Berringer auf einem Hausboot im Düsseldorfer Hafen und ermittelt privat. Der Textilbaron Peter Gerath aus Krefeld ruft den Ermittler zu Hilfe, nachdem bereits zwei Anschläge auf ihn verübt worden sind. Erst vergeht sich jemand an Geraths Pferden, dann soll es dem Produzenten von High-Tech-Fasern selbst an den Kragen gehen. Berringer taucht in einen Sumpf des Verbrechens - immer verfolgt von den Dämonen in seinem eigenen Kopf. Die Textil-Mafia der Seidenstadt zieht die Samthandschuhe aus und Tote pflastern das Krefelder Parkett. Doch auch die schrägen Charaktere aus der Familie des Textilbarons haben gute Gründe, sich des Patriarchen zu entledigen..

Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden und Janet Farell.

SpracheDeutsch
HerausgeberAlfred Bekker
Erscheinungsdatum4. Feb. 2020
ISBN9781393829065
Sammelband 8 Krimis: 1100 Seiten Strand Lesefutter Juni 2019
Autor

Alfred Bekker

Alfred Bekker wurde am 27.9.1964 in Borghorst (heute Steinfurt) geboren und wuchs in den münsterländischen Gemeinden Ladbergen und Lengerich auf. 1984 machte er Abitur, leistete danach Zivildienst auf der Pflegestation eines Altenheims und studierte an der Universität Osnabrück für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen. Insgesamt 13 Jahre war er danach im Schuldienst tätig, bevor er sich ausschließlich der Schriftstellerei widmete. Schon als Student veröffentlichte Bekker zahlreiche Romane und Kurzgeschichten. Er war Mitautor zugkräftiger Romanserien wie Kommissar X, Jerry Cotton, Rhen Dhark, Bad Earth und Sternenfaust und schrieb eine Reihe von Kriminalromanen. Angeregt durch seine Tätigkeit als Lehrer wandte er sich schließlich auch dem Kinder- und Jugendbuch zu, wo er Buchserien wie 'Tatort Mittelalter', 'Da Vincis Fälle', 'Elbenkinder' und 'Die wilden Orks' entwickelte. Seine Fantasy-Romane um 'Das Reich der Elben', die 'DrachenErde-Saga' und die 'Gorian'-Trilogie machten ihn einem großen Publikum bekannt. Darüber hinaus schreibt er weiterhin Krimis und gemeinsam mit seiner Frau unter dem Pseudonym Conny Walden historische Romane. Einige Gruselromane für Teenager verfasste er unter dem Namen John Devlin. Für Krimis verwendete er auch das Pseudonym Neal Chadwick. Seine Romane erschienen u.a. bei Blanvalet, BVK, Goldmann, Lyx, Schneiderbuch, Arena, dtv, Ueberreuter und Bastei Lübbe und wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt.

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    Buchvorschau

    Sammelband 8 Krimis - Alfred Bekker

    Sammelband 8 Krimis: 1100 Seiten Strand Lesefutter Juni 2019

    Von Alfred Bekker

    Dieses Buch enthält folgende Krimis:

    ––––––––

    Alfred Bekker: Kubinke und der kommende Tod

    Alfred Bekker: Tuch und Tod

    Alfred Bekker: Der Armbrustmörder

    Alfred Bekker: Undercover Mission

    Alfred Bekker: Verschwörung der Killer

    Alfred Bekker: Die Angst verfolgt dich bis ans Ende

    Alfred Bekker: Der finale Absturz

    Alfred Bekker: Bilder eines Mordes

    ––––––––

    Er schied aus dem Polizeidienst, weil ein Trauma ihn verfolgt. Jetzt wohnt Berringer auf einem Hausboot im Düsseldorfer Hafen und ermittelt privat. Der Textilbaron Peter Gerath aus Krefeld ruft den Ermittler zu Hilfe, nachdem bereits zwei Anschläge auf ihn verübt worden sind. Erst vergeht sich jemand an Geraths Pferden, dann soll es dem Produzenten von High-Tech-Fasern selbst an den Kragen gehen. Berringer taucht in einen Sumpf des Verbrechens - immer verfolgt von den Dämonen in seinem eigenen Kopf. Die Textil-Mafia der Seidenstadt zieht die Samthandschuhe aus und Tote pflastern das Krefelder Parkett. Doch auch die schrägen Charaktere aus der Familie des Textilbarons haben gute Gründe, sich des Patriarchen zu entledigen..

    ––––––––

    Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden und Janet Farell.

    Copyright

    Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

    © by Author

    © dieser Ausgabe 2018 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen.

    Alle Rechte vorbehalten.

    www.AlfredBekker.de

    postmaster@alfredbekker.de

    Kubinke und der kommende Tod

    von Alfred Bekker

    Ein Harry Kubinke Krimi

    Terroristen haben einen Bio-Waffen-Angriff auf Berlin in Planung. Zunächst gibt es nur diffuse Gerüchte, die das BKA über Informanten erreichen. Aber als eine Gruppe scheinbar zu allem entschlossenen Täter dann zuschlägt, bricht Panik aus. Kommissar Harry Kubinke und sein Team ermitteln - und finden heraus, dass alles ganz anders ist, als es zunächst den Anschein hat!

    ––––––––

    Alfred Bekker schreibt Krimis der Sonderklasse - hart, actionreich und überraschend in der Auflösung. Ermittler auf den Spuren skrupelloser Verbrecher. Spannende Romane in einem Buch: Ideal als Urlaubslektüre.

    Mal provinziell, mal urban. Und immer anders, als man zuerst denkt.

    Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden und Janet Farell.

    Copyright

    Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker.

    © by Author /COVER STEVE MAYER

    © dieser Ausgabe 2019 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen.

    Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

    Alle Rechte vorbehalten.

    www.AlfredBekker.de

    postmaster@alfredbekker.de

    1

    Ich traf mich mit einer Informantin irgendwo im alten Westen Berlins, und zwar in einem Restaurant, dass den Namen Indianerküche trug.

    Ich kannte das Lokal noch nicht.

    Auch wenn man viel in der Stadt herumkommt, wie das bei mir zwangsläufig der Fall ist, kann man nicht alles kennen, oder?

    Bei dem Namen Indianerküche dachte ich eher an so einen übriggebliebenen Sponti-Schuppen aus den Siebzigern oder Achtzigern. Ein Ort, wo sich die Geister von Punks, Hausbesetzern und David Bowie gute Nacht sagten.

    Aber die Indianerküche war ein Haute Cuisine Tempel, spezialisiert auf indianische Küche. Was immer man darunter auch verstehen mochte.

    Und die Preise waren jenseits aller Pommes- und Currywurstbuden in Regionen, die das Spesenkonto unserer Abteilung  eigentlich nur zuließ, wenn man sich mit einem Top-Drogenhändler traf, um ihn umzudrehen oder irgendetwas in der Art.

    Die Informantin schien austesten zu wollen, wie wichtig sie war.

    Okay, geschenkt, dachte ich.

    „Gefällt es dir hier, Harry?", fragte sie lachend.

    „Ich habe dir nicht erlaubt, mich Harry zu nennen."

    „Dann soll ich Kubinke sagen?"

    „Also..."

    „Oder stehst du drauf, wenn ich Kommissar sage?"

    „Am besten, du sagst mir einfach, was du für mich an Neuigkeiten hast und dann entscheide ich, ob ich dir hier ein Essen bezahle, das unsere Abteilung normalerweise nicht übernehmen würde."

    „Das Bundeskriminalamt ist knauserig geworden? Das ich nicht lache..."

    „Ist es nunmal."

    Sie lachte.

    „Ach, Kubinke, wer so einen Arbeitgeber hat wie du, der braucht keine Feinde mehr, oder?"

    „Also sag schon, was liegt an?"

    „Nicht so ungeduldig, Kubinke."

    „Gut, dann geduldig."

    „Also erstmal brauchst du dir keine Sorgen zu machen."

    „In wie fern?"

    „Dass du hier was bezahlen musst."

    „Ach, nee?"

    „Du bist heute ausnahmsweise mal eingeladen. Ich weiß, dass wir das normalerweise anders herum handhaben, und zwar nicht, weil du der Mann bist und ich die Frau, sondern weil wir uns darüber immer einig waren, dass der Staat die Leute gut bezahlen sollte, die etwas für ihn tun. Und wenn es nur darum geht, ein paar Kriminelle zu verpetzen. Das ist ja auch ein Beitrag zum allgemeinen großen Ganzen, oder?"

    Ich seufzte.

    Manchmal hat sie so Anfälle.

    Dann redet sie in einem fort. Meistens nur Stuss. Aber wenn man da versucht einzugreifen, dann wird es nur schlimmer. Und dauert länger.

    Ich setzte darauf, dass es am schnellsten vorbei ging, wenn ich so wenig wie möglich auf diesen Unsinn einging. Eine Taktik, die oft klappt. Und bei ihr klappte das besonders gut. Meistens jedenfalls. Aber man kann ja nicht immer gewinnen, oder?

    Ich wollte auch gar nicht im Einzelnen wissen, was sie geraucht oder eingeworfen hatte, bevor Sie sich mit mir verabredet hatte.

    „Ich lad dich ein, Kubinke. Dann bekommst du keinen Ärger mit deiner Spesenstelle."

    „Okay. Was ist passiert? Selbst unter die Drogendealer gegangen?"

    „Ich habe ein paar sehr gut zahlende Stammfreier."

    „Ah, verstehe."

    „Es läuft sehr gut für mich zurzeit und ich lasse gerne andere an meinem Erfolg teilhaben."

    „Okay."

    „Abgesehen davon habe ich ein paar glückliche Investitionenen getätigt, wenn ich das mal so sagen darf."

    „Was denn für Investitionen?, fragte ich. „Vielleicht kannst du einen armen Kriminalkommissar mal darüber aufklären, wie man mit Geld umgehen sollte.

    „Besser nicht."

    „Wieso?"

    „Was ich dir sagen könnte, enthält vielleicht Informationen, die einen Polizisten beunruhigen könnten... Wenn du verstehst, was ich meine."

    Ich musste grinsen. „Ja, ich denke schon."

    „Na, siehst du."

    „Tja..."

    „Nimm’s nicht krumm."

    „Auf die Idee käme ich nie."

    „Echt nicht?"

    „Echt nicht."

    „Na, dann ist es ja gut. Und vor allem: Du hast ja deine Pension. Die kann dir keiner nehmen. Ich hingegen, als freie Unternehmerin, muss vorsorgen."

    „Ja, dafür habe ich Verständnis."

    „Siehst du!"

    „Kannst du mir irgendwas besonderes aus der indianischen Küche empfehlen?"

    „Kann ich. Wird dir schmecken."

    „Hauptsache, man muss hinterher nicht so furzen."

    „Keine Sorge. Ist aber alles scharf!"

    „Damit habe ich keine Probleme."

    „Die haben sogar was Vegetarisches."

    „Wie alle heute."

    „Genau."

    „Ich bin kein Vegetarier."

    „Ich auch nicht."

    „Schon klar."

    „Schließlich lebe ich ja von der Fleischeslust."

    „So kann man es auch sehen."

    „Genau so sehe ich es."

    „Fressen und fressen lassen."

    „So viel Toleranz ist leider selten geworden, Kubinke!"

    Ich seufzte. „Ja, in diesem Punkt haben wir alle schon bessere Zeiten erlebt."

    2

    Das Essen war scharf. So scharf, dass einem zwischendurch die Luft wegbleiben konnte. Und natürlich musste man davon furzen. Ich versuchte, es so gut es im ging zu vermeiden.

    Der Gentleman pupst und schweigt.

    Meine Gesprächspartnerin war da etwas hemmungsloser.

    „Hör zu, da wird irgendeine große Sache geplant, sagte sie. Ein Terror-Anschlag, der ganz Berlin treffen wird. Vielleicht halb Europa.

    „Und damit kommst du erst nach dem Essen, um mir die Laune nicht zu verderben, oder wie soll ich das verstehen?"

    „Kubinke, versteh’s, wie du es willst. Es geht um einen Angriff mit Bio-Waffen."

    „Wer hat dir das erzählt?"

    „Jemand, der für gewöhnlich gut unterrichtet ist."

    „Und der hat es von jemand anderem gehört und so weiter. Wohl sinnlos nach der eigentlichen Quelle zu fragen."

    „Kubinke, ich würde das ernstnehmen. Wenn ihr irgendetwas über eine Attacke mit Krankheitserregern oder dergleichen hört, dann nehmt das um Gottes Willen ernst. Da laufen offenbar konkrete Pläne. Es sollen in einem Labor Proben mit hochinfektiösem Material verschwunden sein."

    „Hast du gehört!"

    „Ja."

    „Sowas hätte uns gemeldet werden müssen!"

    „Willkommen in der Realität, Kubinke! Es halten sich leider nicht alle an die Gesetze. In meinem Gewerbe müsste man eigentlich Steuern und Sozialversicherung zahlen und sich beim Ordnungsamt registrieren lassen. Tun aber auch nur die wenigsten."

    „Tja. Weißt du noch mehr über das verschwundene infektiöse Material?"

    Sie schüttelte den Kopf und kaute dabei.

    „Den Rest müsst ihr schon rausfinden."

    „Wie üblich..."

    „Ich werde mich aber umhören."

    „Okay.."

    „Tust du mir auch einen Gefallen?"

    „Kommt drauf an."

    Sie sah mich einige Augenblicke prüfend an, dann sprach sie mit gedämpfter Stimme weiter. „Es geht um dieses Lokal. Der Betreiber hat ein Problem."

    „So?"

    „Es gibt da so eine linke Antifa-Gruppe, die ihn terrorisiert."

    „Wieso das denn?"

    „Wegen der Ausrichtung seines Restaurants."

    „Ein Bonzenschuppen mit Haute Cuisine im Kiez. Das wollen die nicht. Haben wir leider öfter mal. Die nennen das Kampf gegen Gentrifizierung."

    „Nein, darum geht es nicht."

    Ich hob die Augenbrauen. „Worum dann?"

    „Es geht um den Namen und die Ausrichtung."

    „Indianerküche?"

    „Das sei kolonialistisch-rassistische Aneignung des Kulturgutes indigener Völker. Außerdem sei der Begriff Indianer mit reaktionärer Wildwestromantik konnotiert und Ausdruck von strukturellem Rassismus. So ähnlich stand es in einem Bekennerschreiben, das mit ein paar Steinen durch die Scheibe geflogen ist."

    „Da wird aber viel >konnotiert<", meinte ich.

    „Das ist systematischer Terror. Ein Kellner hat schon gekündigt, weil er verprügelt wurde."

    „Und wie wär’s mit einer Anzeige beim zuständige Revier?"

    „Eure Kollegen trauen sich doch in die anti-imperialistisch befreite Altbau-Zone gar nicht rein. Anzeigen verlaufen im Sand. Die Indianerküche steht kurz vor dem Aus, wenn sich das nicht ändert."

    „Und du willst hier weiter gerne essen."

    „Ja", nickte sie.

    „Obwohl das scharfe Essen hier so fies >konnotiert< wird?"

    „Damit kann ich leben."

    „Mit dem Gefurze wohl auch."

    Sie lächelte kurz. „In meinem Gewerbe werde ich von allen möglichen Leuten sowieso >fies konnotiert<. Früher eher von konservativen Politikern oder christlichen Moralpredigern, heute vor allem von feministischen Tugendwächterinnen, die mir  mit ihren Kampagnen zu meinem eigenen Besten den gut bezahlten Job verbieten wollen. Sie zuckte die Achseln. „Ich bin es also gewohnt, fies konnotiert zu werden.

    „Ich schätze, wer so gewissenlos ist, trägt vermutlich auch hin und wieder Pelz!", meinte ich sarkastisch.

    Sie nickte. „Und ich esse mein Kotelett auch dann noch mit Genuss, wenn mich eine strenge Veganerin dabei ansieht, als würde ich Babyfleisch essen."

    „Glaube ich dir sofort."

    „Und ich finde es verdammt nochmal nicht richtig, dass ein Restaurantbetreiber vertrieben wird, nur weil jemand glaubt, bestimmen zu können, wer ins Viertel passt und wer nicht."

    „Das nenne ich eine Haltung! Respekt!"

    „Hilfst du mir nun, Kubinke?"

    Ich seufzte. „Ja, ich kümmere mich drum. Aber ich möchte vorher mit dem Geschädigten selbst sprechen."

    „Der wird nichts sagen. Weil er bedroht wird und schulpflichtige Kinder hat."

    „Schulkinder?"

    „Genau. Die wurden auch schon maltraitiert und bedroht."

    „Okay, sagte ich. „Da hört für mich der antimperialistische Spaß auf.

    3

    Ich betrat den Altbau, der zur anti-imperialistisch, anti-rassistisch, anti-faschistisch befreiten Zone erklärt worden war. An den Wänden standen noch diverse andere Wörter mit der Silbe  >anti-< drin.

    Ein paar Gestalten sahen mich an.

    „Ey, was willst du hier?", fragte mich eine Frauenstimme.

    „Kubinke, Kripo", sagte ich. Ich holte auch meinen Ausweis hervor.

    „Ey, ihr Scheißbullen habt hier nichts zu suchen!"

    Die Frau kam auf mich zu. Sie blieb dicht vor mir stehen. „Hau ab oder ich tret dir so in die Eier... Ich hab einen schwarzen Gürtel, weißte?"

    Mein Schlag kam so schnell, gezielt und hart, dass sie keine Chance hatte ihm auszuweichen. Wie ein gefällter Baum knallte sie auf den Boden. Sie rührte sich nicht mehr. Ausgeknockt. Bewusstlos.

    Die anderen standen um mich herum und starrten mich an.

    „Ey, das geht doch nicht", sagte ein Mann.

    „Mit solchen Menschen wird man spielend fertig, wenn man zuerst zuschlägt", sagte ich.

    „Aber.. das geht doch nicht."

    „So etwas nennt man Notwehr", sagte ich.

    „Aber du hast zuerst zugeschlagen!"

    „Sie hat gesagt, dass sie den schwarzen Gürtel hat und damit Kampfsportlerin ist. Das ist vergleichbar mit der Bedrohung durch eine Waffe. Da würde ich auch nicht erst abwarten, bis der Betreffende abdrückt."

    „Ey, Scheiße Mann..."

    „Find ich auch Scheiße - bedroht zu werden, meine ich!"

    „Ey Mann, die hatte gar keinen Schwarzen Gürtel!"

    „Dann hätte sie das nicht sagen sollen."

    „Ich kenn sie von der Schule! Die war total unsportlich und wurde immer als letzte in die Mannschaft gewählt!"

    „Angeberei hat manchmal schmerzhafte Nebenwirkungen. Ich hoffe, sie merkt sich das."

    „Ey, wir zeigen dich an!"

    Manchmal muss man sich wirklich darüber wundern, wie spießig Leute sind, die sich selbst als Revolutionäre betrachten. Die eigene Gewalt ist okay, aber wenn man selbst mal eins auf die Nase kriegt, wird angezeigt.

    „Könnt ihr machen. Dann landet die Kampfsportlerin hier, - ich deutete auf die Frau, die ich niedergeschlagen hatte - „erstmal im Bau. Bedrohung eines Polizisten, als Wohnsitz ein besetztes Haus... Also Verdunklungsgefahr.

    „Ey, du bist doch ein Schweinebulle!"

    „Vom Schweinesystem. Ich weiß."

    „Was willst du hier?"

    „Es gibt da ein Restaurant, das heißt Indianerküche."

    „Komm uns nicht mit dieser kolonialistischen Kackscheiße!"

    „Die Sache ist ganz einfach: Wenn ihr da nochmal Ärger macht und ich irgendwas hören sollte, mache ich euch Ärger. Wenn dort nochmal das Glas zu Bruch geht, dann sorg ich dafür, dass hier auch einiges zu Bruch geht. Wenn dort nochmal ein Kellner verprügelt wird, dann sorge ich dafür, dass ihr verprügelt werdet."

    „Das machst du nicht!"

    „Nein, ich nicht. Aber der Libanese, der mir noch einen Gefallen schuldet und der ein paar Schläger kennt, die das gerne erledigen. Sind ein paar ehemalige Fremdenlegionäre aus Osteuropa dabei. Die hauen alles so kurz und klein, sodass ihr es hinterher nicht wiedererkennt."

    „Das ist ungesetzlich!"

    „Ja, ist es, sagte ich. „Aber es wirkt.

    „Ey, wer sagt dir überhaupt, dass wir das alles waren mit der Scheiß-Indianerküche!"

    „Es ist mir egal, ob ihr das wart. Ihr sorgt einfach dafür, dass es nicht mehr passiert. Sonst passiert das, was ich euch angekündigt habe. So einfach ist das."

    „Das ist ein Irrer", sagte jemand.

    „Ein echter Irrer", bekräftigte jemand anderes.

    Und dann fiel mir der Typ auf, der auf der Treppe herumlungerte und mich schon die ganze Zeit so seltsam ansah. Jetzt riss er seine Jacke auf.

    „Allah-uh-akbar!", rief er, als er seine Waffe heraus riss.

    Ich riss meine auch heraus.

    Wir schossen etwa gleichzeitig. Ich traf ihn. Er feuerte ebenfalls, verfehlte mich aber. Noch zwei Schüsse lösten sich. Jemand schrie und war wohl von einer der ungezielten Kugeln des Mannes auf der Treppe getroffen worden.

    Ich hasse es, zu schießen.

    Ich hasse es vor allem, in geschlossenen Räumen zu schießen, denn die Gefahr von Querschlägern ist nicht zu unterschätzen.

    Am Ende trifft es dann den Falschen. Oder einen selbst.

    Aber in dieser Situation hatte ich schlicht keine andere Wahl, als drauflos zu ballern, denn mein Gegenüber feuerte immer wieder.

    Eine einzelne Kugel muss nicht unbedingt eine mannstoppende Wirkung haben. Selbst bei einem letztendlich tödlichen Treffer hat derjenige oft noch Gelegenheit zurückzuschießen. Auch mehrfach.

    Genau das geschah im Moment.

    Ich feuerte also immer wieder, bis mein Kontrahent zusammenbrach und sich nicht mehr rührte.

    Der Notarzt würde wohl in jedem Fall zu spät kommen.

    Ich rief ihn trotzdem.

    Und natürlich rief ich auch Verstärkung.

    So viel Polizei auf einmal, wie dann wenig später auftauchte, hatte dieses Haus wohl schon lange nicht mehr gesehen.

    4

    Der Mann, der auf mich geschossen hatte, hieß eigentlich Dirk Schuster. Seit seiner Bekehrung zum Islam nannte er sich Ibrahim Dirk Schuster. Er gehörte zum näheren Umkreis von Omar Yussuf Drösel - ebenfalls ein Konvertit, der als Hassprediger aus dem Wedding bekannt war.

    >Ibrahim< Dirk Schuster war zum Djihad in den Nahen Osten aufgebrochen und hatte sich dem Islamischen Staat angeschlossen.

    Wie er nach Deutschland zurückgekehrt war, blieb ein Rätsel.

    Ihm drohte eine Verhaftung, weil er sich einer Terror-Organisation angeschlossen hatte und darum war er untergetaucht. Den Antifa-Leuten gegenüber hatte er behauptet, ein syrischer Flüchtling zu sein, dem die Abschiebung drohte. Und die hatten ihm das geglaubt.

    „Und was ist mit dem Tipp, den dir deine Informantin gegeben hat?", fragte mein Kollege Rudi Meier mich irgendwann.

    „Du meinst, das mit der Biowaffe!"

    „Natürlich."

    Ich zuckte mit den Schultern.

    „Keine Ahnung."

    „Was heißt hier keine Ahnung? Wenn da auch nur ein bisschen dran ist, müssen wir tätig werden."

    „Die Kollegen klappern alle in Frage kommenden Labore und Forschungseinrichtungen ab und fragen, ob da vielleicht irgendwie ein paar Reagenzgläser abhanden gekommen sind", sagte ich.

    „Und das reicht?"

    „Nein, aber mehr geht im Moment nicht, Rudi."

    „Ja, ich weiß."

    „Na, siehst du."

    Unser Chef - Kriminaldirektor Hoch -  meinte, man müsste die Ruhe bewahren. Im Prinzip hatte er da wohl auch Recht.

    Ruhe bewahren ist nie verkehrt, denke ich. Egal, wie verfahren die Situation auch sein mag. Ruhe bewahren geht immer. Vielleicht hilft es nicht unbedingt. Aber es macht die Situation zumindest auch nicht schlimmer, wie es bei fast allem anderen der Fall ist, was Menschen in stressigen Situationen so zu tun pflegen.

    Man könnte auch sagen: Ruhe bewahren ist in gewisser Weise alternativlos.

    5

    Ein paar Tage später. Mein Kollege Rudi Meier und ich saßen im Besprechungszimmer von Kriminaldirektor Hoch.

    Was da passiert war, hatte sich keiner von uns in seinen schlimmsten Albträumen vorstellen können.

    Das menschliche Vorstellungsvermögen ist eben begrenzt.

    Zum Glück, kann man manchmal nur sagen.

    Und als Kriminaldirektor Hoch sagte: „Es geht um eine ernste Sache", da wusste ich dass wirklich ernst war.

    Ich hatte unseren Chef zuvor noch nie mit so wenig Farbe im Gesicht gesehen.

    *

    Rush Hour in Berlin.

    Es herrschte Hochbetrieb in der U-Bahn. Abertausende drängten nach Büroschluss in die Züge.

    Ein halbes Dutzend maskierter Gestalten drängte sich brutal durch die Menge.

    Sie nahmen keinerlei Rücksicht.

    „Allah straft die Ungläubigen!", rief einer der maskierten Männer. Nur die Augen ließ der Schlitz der schwarzen Sturmhaube frei. Und dass es sich um Männer handelte, konnte man eigentlich auch nur anhand von Stimme und Körperbau mutmaßen.

    Die behandschuhte Rechte griff in einen Plastikbeutel.

    Er zog den blutigen Kadaver einer Ratte hervor und schleuderte ihn von sich.

    Schreie gellten. Menschen stoben auseinander. Weitere Rattenkadaver flogen durch die Luft. „Die Pest wird die Gottlosen ausrotten!, rief die heisere Männerstimme des Maskierten, der eine weitere Ratte in die Menge schleuderte. Rattenblut spritzte durch die Gegend. „Die Ungläubigen sollen verrecken!

    Die Leute stoben auseinander.

    Wieder flog ein Rattenkadaver durch die Luft.

    Noch blutiger als der Erste.

    5

    Kriminaldirektor Hoch deutete auf den großen Flachbildschirm in seinem Büro. Er hatte soeben die Aufzeichnung einer Überwachungskamera angehalten. Und für einen Moment sogar seinen Atem. Ein Standbild zeigte jetzt einen maskierten Mann der tote Ratten auf völlig verschreckte Passanten warf und dabei wirre, pseudoreligiöse Parolen rief.

    „Sie haben vielleicht ähnliche Bilder bereits in den Medien gesehen, sagte unser Vorgesetzter. „Diese hier stammt hier aus Berlin-Mitte, aber Derartiges hat sich gestern, am späten Nachmittag kurz nach Büroschluss in einem halben Dutzend U-Bahn-Stationen abgespielt.

    „Ich habe davon gehört", sagte mein Kollege Rudi Meier.

    „Die Nachrichten waren voll davon", ergänzte ich.

    Kriminaldirektor Hoch nickte. „Immer das Gleiche! Maskierte werfen tote Ratten in die Menge der Passanten und behaupten, dass sie mit Pest-Bakterien verseucht seien. Nur Stunden später tauchten Propaganda Videos im Internet auf, die diese Szenen verwendeten, um islamistische Drohungen g zu illustrieren."

    „Hatten die Täter Zugang zu dem Videomaterial der Überwachungskameras?, fragte Rudi. „Oder haben sie sich später aus den Medien bedient?

    „Nein, letzteres wäre zu spät gewesen. Die Internet-Videos sind sorgfältig produziert. Unsere Spezialisten waren bereits an der Sache dran und haben festgestellt, dass zum Beispiel, peinlich genau darauf geachtet wurde, dass alles, was die Identifikation der Täter erleichtern könnte, herausgeschnitten wurde."

    „Woher stammt das Material dann?", fragte Rudi.

    Das war vermutlich die Frage aller Fragen.

    Ich musste an die Informantin denken, mit der ich mich in der >Indianerküche< getroffen hatte. Vielleicht war dies jetzt das große Ding, über dass es schon seit Längerem Gerüchte gab.

    Ein Angriff mit pest-verseuchten Rattenkadavern in einer Großstadt.

    Was konnte man sich Schlimmeres vorstellen?

    Kriminaldirektor Hoch betätigte die Fernbedienung und zeigte uns einen dieser Clips. Wieder waren Maskierte zu sehen, die Ratten in die Menge der Pendler und Fahrgäste warfen. Aber diesmal waren nicht die Stimmen der Täter selbst zu hören. Stattdessen wurde der Clip mit Musik unterlegt und ein Sprecher aus dem Off kündigte den nahen Untergang der Ungläubigen an. „Die Länder der Gottlosen werden entvölkert werden! So will es Allah! Die Pest kehrt zurück. Sie war die Geißel Allahs und jetzt schlägt der damit die Ungläubigen!", sagte der Sprecher.

    „Ist das mit Absicht so wackelig?", fragte ich.

    Kriminaldirektor Hoch drehte sich kurz zu mir um. „Sie sprechen einen wichtigen Punkt an, Harry."

    „Sie meinen, dass die Täter eigene Kameraleute hatten?", vermutete ich. „Die Bilder aus den Überwachungskameras waren nicht so wackelig.

    „Genau das vermuten unsere Experten auch, bestätigte Kriminaldirektor Hoch. „Es wird sich noch herausstellen, ob das zutrifft.

    „Kameras sind inzwischen so klein, dass sie kaum noch bemerkt werden können", warf Rudi ein.

    „Trotzdem werden die Aufnahmen der Überwachungskameras jetzt dahingehend untersucht, ob irgendwo verdächtige Personen zu erkennen sind, die die Szene filmen, erläuterte Kriminaldirektor Hoch. „Ich weiß, dass das eine schwierige Suche ist, aber vielleicht ein Ansatzpunkt, um die Identität dieser Leute herauszufinden.

    Dass dies ein Fall für unsere Abteilung war, daran bestand überhaupt kein Zweifel. Unsere Zuständigkeit war schon deswegen gegeben, weil sich diese Vorfälle in mehreren Bundesländern abgespielt hatten. Andererseits hatte ich allerdings das unbestimmte Gefühl, dass hinter der Sache noch etwas mehr stecken musste. Etwas, womit Kriminaldirektor Hoch bis jetzt noch nicht herausgerückt war.

    „Entscheidend ist diese Stelle", sagte Kriminaldirektor Hoch und spulte das Propaganda-Video etwas weiter vor. An dieser Stelle schwoll die Hintergrundmusik etwas an. Man sah, wie die Passanten in heller Panik auseinanderstoben, während weitere Kadaver durch die Luft flogen und auf dem Bahnsteig landeten. Ein Mann in einem hellen Regenmantel hatte einen der blutigen Kadaver abbekommen. Danach waren blutrote Schmierflecken an seinem hellen Mantel. Vor allem am Ärmel, denn er hatte den Rattenkadaver mit dem Arm abzuwehren versucht.

    „Auch eure Medizin wird euch nicht helfen! Kein Antibiotikum schützt euch vor dieser Pest, denn Allah will, dass ihr alle untergeht", sagte der Sprecher aus dem Off. Der Akzent erinnerte mich unwillkürlich an jemanden. Bayern, dachte ich. Der Sprecher stammt aus Bayern oder er versuchte gezielt den Eindruck zu erwecken. Auch das hielt ich für möglich.

    „Sie werden den Akzent des Sprechers bemerkt haben", sagte Kriminaldirektor Hoch.

    „Erinnerte mich an unseren Gerichtsmediziner aus Bayern", gab ich zurück.

    Kriminaldirektor Hoch lockerte etwas den Sitz seiner Krawatte und nickte dann. „Unsere Experten sind sich noch nicht sicher, ob dieser Akzent wirklich echt ist. Er scheint etwas übertrieben und dient vielleicht nur dazu, die wahre sprachliche Färbung des Sprechers zu verschleiern."

    „Beten wir dafür, dass das nur irgendwelche Wichtigtuer sind, denen es nur darum geht, in die Medien zu kommen, meinte Rudi. „Aber spätestens nach den Ergebnissen der Tests an den Ratten wird man ja wissen, ob das der Fall ist.

    Ein Telefon auf Kriminaldirektor Hochs Schreibtisch klingelte.

    Unser Chef nahm ab. Nachdem er einige Augenblicke zugehört hatte, fragte er: „Und Sie sind ganz sicher? Eine weitere Pause folgte. „Gut, ich danke Ihnen, fuhr unser Chef anschließend fort und legte auf. Dann wandte er sich wieder Rudi und mir zu. „Die ersten Testergebnisse aus anderen Städten liegen vor. Dort zumindest mit negativem Ergebnis."

    „Immerhin!", meinte ich.

    „Es wurden an den Rattenkadavern keine Yersinia Pestis Bakterien gefunden und nach Ansicht der dortigen Mediziner hatten die Tiere auch keinerlei Symptome einer Pest-Infektion."

    „Woran starben sie dann?", fragte ich.

    „Rattengift. Da sind sich die Kollegen ziemlich sicher."

    „Wahrscheinlich haben die Täter sie vergiftet, um sie für ihre Show einsetzen zu können", glaubte Rudi.

    „Der entscheidende Punkt ist folgender, erklärte Kriminaldirektor Hoch und verschränkte dabei die Arme. „Wir wissen, dass es sich nicht nur um eine leere Drohung handelt.

    „Wie soll ich das verstehen?", fragte ich.

    Kriminaldirektor Hoch hob die Augenbrauen. „Was ich Ihnen jetzt sage, ist noch top secret und der eigentliche Grund, dass wir in diesem Fall eingesetzt werden. Die Sache ist so brisant, dass die vorerst nicht einmal eingeweiht sind."

    „Worum geht es?"

    „Vor wenigen Tagen ist aus einem gentechnischen Labor ein Präparat entwendet worden, das Pestbakterien enthält. Das wäre an sich nicht so schlimm. Die Pest ist heute mit Hilfe von Antibiotika in den meisten Fällen heilbar und bei einem einigermaßen gut ausgebildeten Gesundheitssystem ist der Ausbruch einer Epidemie nahezu ausgeschlossen. Bei diesem Erreger-Typ verhält sich das allerdings anders. Sie wurden gentechnisch verändert und sind angeblich resistent gegenüber allen bekannten Antibiotika."

    „Was ist das für ein Gen-Labor", fragte ich.

    „Es nennt sich Mohndorf-Drehser Institute of Genetic Research..."

    „...alles Englisch."

    „So ist das heute. Klingt International und die Hälfte der Forscher kommt wahrscheinlich ohnehin aus dem Ausland."

    „Hm."

    „Das Institut gehört der Firma Mohndorf-Drehser GmbH, die eine ganze Reihe von Bio-Technologie-Firmen, Labordienstleister und Forschungsinstitute betreibt. Teilweise in Kooperation mit Universitäten, Kliniken, dem Militär oder interessierten Privatfirmen. Der Diebstahl des Erregers soll so lange wie möglich geheim gehalten werden, um Panikreaktionen zu vermeiden und dem oder den Tätern nicht unnötig  Fahndungswissen zukommen zulassen."

    „Wenn diese maskierten Rattenwerfer dahinterstecken, wird sich bald jemand melden, der auch den Diebstahl bekannt gibt", stellte ich fest.

    Kriminaldirektor Hoch nickte. „Auch deswegen bleibt uns nicht viel Zeit."

    „Wieso ist das bisher noch nicht geschehen?, fragte Rudi und sprach damit eine Frage aus, die auch mir auf der Zunge gelegen hatte. „Ich meine, wenn es diesen Wahnsinnigen darum geht, möglichst viel Schrecken zu verbreiten, dann wäre das doch die ideale Gelegenheit!

    „Ja, darüber habe ich mit einem Terrorismusexperten gesprochen. Es könnte sein, dass man hier bewusst eine andere Strategie verfolgt."

    „Und welche?", hakte ich nach.

    „Stufe eins: Man sorgt mit Aktionen, wie sie jetzt stattgefunden haben, für Verunsicherung und Medienaufmerksamkeit. Sowohl die Täter selbst, als auch die Verbreiter der Propaganda-Videos lassen keinen Zweifel daran, dass sie das Ziel hatten, resistente Pest-Bakterien zu verbreiten. Aber noch glaubt das niemand. Erste Testergebnisse sind negativ. Es scheint sich um leere Drohungen zu handeln. Danach lässt man die Bombe platzen und verbreitet die Nachricht von dem Verschwinden des resistenten Erregers. Die Behörden werden erst dementieren, aber mit jeden Tag unglaubwürdiger werden. Die Terroristen haben ihr Ziel erreicht: Maximale Verunsicherung. Landesweit wird dann eine starke mediale Aufmerksamkeit für dieses Thema da sein und selbst wenn alle Testergebnisse negativ sein sollten, wird man von nun an wissen, dass sich so etwas jederzeit wiederholen kann. Und dann unter Einsatz des gestohlenen Erregers."

    „Kompliziert aber perfide", meinte ich.

    „Wie gesagt, es ist eine Theorie. Allerdings die Theorie eines erfahrenen Experten. Dr. Rainer Geyer. Sie werden sicher noch Gelegenheit bekommen, mit ihm zu sprechen."

    Abermals klingelte eines der Telefone auf Kriminaldirektor Hochs Schreibtisch. „Sie entschuldigen mich einen Moment, sagte unser Chef und nahm das Gespräch entgegen. Einige Augenblicke hörte Kriminaldirektor Hoch einfach nur schweigend und mit dem Hörer am Ohr zu, ehe er schließlich erklärte: „Die Kommissaren werden gleich bei Ihnen sein. Nein, warten Sie mit allem, was Sie tun, bis Harry und Rudi bei Ihnen sind, Dr. Wiedelsbacher. Kriminaldirektor Hoch legte auf und wandte sich wieder uns zu. „Das war Dr. Wiedelsbacher. Er wartet bei dem Labor auf Sie, dass ich Ihnen gerade genannt habe. Wiedelsbacher scheint etwas überpünktlich zu sein. Aber um so besser."

    Ich sah Rudi kurz an.

    Das, so wussten wir, war das Signal zum Aufbruch.

    *

    Man musste an den Rand von Berlin fahren, um zu dem Gelände zu gelangen, auf dem das gentechnische Labor zu finden war.

    Kein Hinweisschild deutete darauf hin, was in dem aus mehreren kastenförmigen Gebäudekomplexen bestehenden Gelände eigentlich genau betrieben wurde. An der Einfahrt zum Gelände stand ein schlichtes Firmenschild und der Hinweis, dass man Mitglied in einem Interessenverband der chemischen Industrie war.

    Dass es hier offenbar um eine sehr sensible Einrichtung ging, bekamen wir schon an der Einfahrt mit. Unser Wagen wurde kontrolliert und Rudi und ich mussten aussteigen, um ebenfalls durchsucht zu werden. So kontrolliert gelangten wir immerhin schon einmal zum Parkplatz. Dort stellte ich meinen Wagen ab. Wir stiegen aus und gelangten dann über eine weitere Sicherheitsschleuse auf das eigentliche Firmengelände.

    Eine blonde Frau mit grünen Augen und einer strengen Knotenfrisur nahm uns in Empfang. Ihr schneeweißer Kittel passte zu ihrer adretten Erscheinung und der klinisch reinen Umgebung. „Ich bin Dr. Franziska Breloer."

    „Angenehm. Kubinke mein Name. Und dies ist mein Kollege, der Herr Meier."

    „Sie sind die BKA-Kommissare, die uns angekündigt worden sind?"

    „So ist es", sagte ich und hielt ihr meinen Ausweis entgegen. Rudi ebenfalls.

    „Man wird hier ja gründlicher durchsucht, als an jedem Flughafen oder irgendeiner Landesgrenze", meinte Rudi.

    „Wir beschäftigen uns hier mit hochsensiblen Themen, Herr Meier, sagte Dr. Breloer, wobei ihr Kopf etwas in den Nacken ging, was ihr einen etwas überheblichen Gesichtsausdruck gab. „Ich bringe Sie jetzt zu unserem Leiter der Abteilung Forschung und Entwicklung.

    „Gut", sagte ich.

    „Ihr Kollege Dr. Wiedelsbacher wartet dort schon sehnsüchtig auf Ihre Ankunft."

    „Ah, ja", sagte Rudi.

    „Ich weiß nicht, wie Dr. Wiedelsbacher das geschafft hat, aber uns war es leider angesichts der Verkehrsverhältnisse  nicht möglich, früher zu kommen", sagte ich.

    „Die Frage, wieso Dr. Wiedelsbacher bereits eingetroffen ist, während wir unglücklicherweise auf Sie noch warten mussten, dürfte leicht zu beantworten sein, erwiderte Dr. Breloer kühl. Das Kinn schien sie dabei noch eine Nuance höher zu tragen als dies ohnehin schon der Fall war. „Dr. Wiedelsbacher ist schlicht und ergreifend rechtzeitig losgefahren, während Sie es bis hier her eben nicht rechtzeitig schaffen konnten, weil Sie offenbar noch Wichtiges zu tun hatten.

    Ihre Missbilligung war nicht zu überhören.

    Dr. Breloer ging vor uns her und führte uns durch blitzblanke, steril wirkende Flure. Männer und Frauen in weißen Kitteln kamen uns entgegen. Ihre Gespräche verstummten, sobald sie auf uns aufmerksam wurden.

    Anscheinend wirkten Rudi und ich in diesem abgeschlossenen Reich der Wissenschaft wie ein Fremdkörper.

    Rudi warf mir einen kurzen Blick zu und ich wusste, dass er dasselbe über Dr. Breloer dachte, was auch mir durch den Kopf ging. Mit der war nicht zu spaßen.

    Und genau dies von Anfang an deutlich zu machen, schien ihr ziemlich wichtig gewesen zu sein.

    „Ich hoffe, dass Sie von nun an diesem Fall die nötige Priorität widmen, sagte sie. „Bisher hatte ich diesen Eindruck allerdings noch nicht.

    „Das tut mir leid", sagte ich.

    „Es geht hier um einen der brisantesten Diebstähle aller Zeiten. Jemand ist in den Besitz von unvorstellbar gefährlichem Probenmaterial gekommen und es steht zu befürchten, dass dieses Material in die Hände von Organisationen gelangt ist, die bereit sind, dieses Material vollkommen hemmungslos als Waffe und Erpressungsmittel einzusetzen."

    Wir blieben vor einer Tür stehen.

    „Sie können vollkommen sicher sein, dass auch das BKA diesem Fall die notwendige Priorität gegeben hat, Dr. Breloer, versicherte ich. „Und Sie können weiter sicher sein, dass wir alles tun werden, um jeglichen Schaden abzuwenden, soweit dies in irgendeiner Form in unserer Macht steht.

    Dr. Breloer hob die Augenbrauen. „Große Worte, Herr Kubinke. Sie werden sich daran messen lassen müssen."

    „Wir werden uns Mühe geben."

    „Es ist die Frage, ob das ausreicht."

    „Natürlich."

    „Ich bin schwer zufrieden zu stellen."

    „Das dachte ich mir."

    „Und für die Firmenleitung gilt das noch viel mehr."

    „Das ist mir bewusst", erklärte ich.

    „Und jetzt geben Sie mir bitte Ihre Smartphones", verlangte die Angestellte vom Mohndorf-Drehser Institute.

    „Wir sind im Dienst, sagte ich ernst. „Unsere Handys werden wir keinesfalls aus der Hand geben.

    „Es tut mir Leid, aber das ist hier so Vorschrift. Ihre Waffen können Sie bei sich behalten, aber nicht Ihre Smartphones."

    „Wie gesagt, das mögen Ihre Regeln sein, aber die gelten nicht für uns, erklärte ich mit Nachdruck. „Im Übrigen sind wir hier, um das Verschwinden eines Wissenschaftlers sowie einiger Proben mit höchst infektiösem Material aufzuklären. Diese Kombination bedeutet, dass es sich um einen Fall  handelt, der die nationale Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland betrifft.

    Dr. Breloer machte ein leicht verächtliches Gesicht. „Ich persönlich glaube Ihnen sofort, dass Sie nicht hier sind, um irgendwelche Forschungsergebnisse zu stehlen..."

    „Ihr Vertrauen ehrt uns ja richtig", ließ sich Rudi mit einem etwas galligen Unterton vernehmen.

    „...aber es wäre durchaus möglich, dass jemand Ihre Smartphones gehackt und übernommen hat. Diese Geräte lassen sich dann als Spionageinstrumente erster Güte verwenden. Zum Beispiel, um den Inhalt der Gespräche abzuhören, die gleich mit Ihnen geführt werden."

    „Es bleibt dabei, sagte ich. „Und was den Sicherheitsaspekt angeht, so sollten Sie schon darauf vertrauen, dass Kommissare des BKA nicht ganz so naiv in der Handhabung ihrer elektronischen Kommunikation sind, wie Sie es vielleicht glauben.

    Einige Augenblicke herrschte ein angespanntes Schweigen.

    Man konnte Dr. Breloer ansehen, dass ihr jetzt die Situation zu entgleiten drohte. Anscheinend schien sie mit der Möglichkeit, dass sich jemand irgendeiner Anordnung, die von ihr ausgesprochen wurde, widersetzen könnte, gar nicht in Betracht gezogen hatte. Das schien so weit außerhalb ihres Vorstellungsvermögens zu sein, dass sie sich auf eine derartige Situation nicht einmal gedanklich vorbereitet hatte.

    Anscheinend hatten wir es tatsächlich geschafft, sie zu überraschen.

    „Also...", sagte sie und dann kam aber erstmal nichts.

    „Gut, dass wir das klären konnten", sagte ich, ohne darauf zu warten, dass ihren roten Faden wiederfand.

    „Es wäre schön, wenn Sie uns nun umgehend zu unserem Gesprächspartner bringen würden", hörte ich jetzt Rudi sagen.  Sein Unterton war keineswegs weniger nachdrücklich als es meiner gewesen war.

    „Ich hoffe doch, dass wir nicht erst einen Gerichtsbeschluss erwirken müssen, damit wir mit normaler Dienstausrüstung  Ihren Sicherheitsbereich betreten und Ermittlungen anstellen können", fügte ich noch hinzu.

    „Ich werde Rücksprache halten müssen, ehe ich Ihnen noch etwas dazu sagen kann", erklärte Dr. Breloer, was im Klartext wohl nichts anderes bedeutete, als dass sie sich bereits auf dem Rückzug befand.

    „Tun Sie das", ermunterte ich sie.

    Rudi verdrehte die Augen.

    Gott sei dank machte er das so, dass sie es nicht mitbekam.

    Ich aber schon, was mich wiederum in die heikle Situaton brachte, ein Grinsen unterdrücken zu müssen, was manchmal durchaus anstrengend sein kann.

    6

    Dr. Breloer ging zu einem der zahlreichen hausinternen Sprechgeräte, die hier überall installiert waren. In knappen Worten schilderte sie anschließend einem Vorgesetzten das Problem, das sie mit uns hatte.

    „In Ordnung, sagte sie schließlich, ehe sie das Gespräch beendete und sich erneut uns zuwandte. „Folgen Sie mir jetzt in das Besprechungszimmer und behalten Sie meinetwegen bei sich, worauf Sie nicht verzichten zu können glauben.

    „Danke", gab ich zurück.

    „Danken Sie lieber Dr. Martini, dem Leiter unseres Instituts. Er scheint ein weiches Herz zu haben."

    „Von Ihnen kann man das nicht sagen, oder?"

    „Wollen Sie mich provozieren?"

    „Nur befragen, Dr. Breloer."

    „Ich hoffe, dass Sie den professionellen Anforderungen dieser Ermittlungen gewachsen sind, Herr Kubinke. Ich habe da durchaus meine Zweifel und hoffe, dass ich mich irre. Denn die Gefahr, in der sich womöglich ganz Berlin oder sogar halb Europa befinden, ist unvorstellbar groß."

    „Und ich hoffe auf etwas mehr Kooperationsbereitschaft, Dr. Breloer. Denn alles andere nutzt nur denjenigen, die vielleicht hinter diesem Diebstahl stecken oder daraus Kapital ziehen wollen."

    „Sie machen sich vielleicht nicht wirklich klar, worum es hier eigentlich geht, Kommissar."

    „Dann klären Sie mich auf. Dafür sind wir ja hier!"

    „Abgesehen davon, dass offenbar Terroristen versuchen, Panik in der Bevölkerung zu erzeugen, steht auch das Image unseres Instituts und unserer Firma auf dem Spiel. Wenn erst Schlagzeilen im Umlauf sind, in denen wir als Hersteller von genveränderten Pest-Bakterien erwähnt werden, dann wird es sehr schwer für uns, an diesem Standort noch ruhig arbeiten zu können."

    „Sie haben Angst vor Aktivisten?"

    „Und vor Leuten, die uns verklagen, weil angeblich ihre Nachbargrundstücke weniger wert geworden sind, da sich niemand mehr dort ansiedeln mag."

    „Ich fürchte, es wird sich kaum vermeiden lassen, dass der Name Ihres Instituts an die Öffentlichkeit gelangt", vermutete ich.

    „Soll das eine Drohung sein, Herr Kubinke?"

    „Nein, nur ein Erfahrungswert aus vielen Jahren als BKA-Ermittler."

    „Ihr Chef hat mir Diskretion zugesagt."

    „Die wird er im Rahmen seiner Möglichkeiten auch einhalten. Aber wir alle leben in der Realität und Sie wissen so gut wie ich, dass man manches einfach nicht unter der Decke halten kann. Vor allem dann nicht, wenn die Öffentlichkeit ein verständliches Interesse an der Aufklärung hat. Also sollte sich Ihr Unternehmen darauf einstellen, dass man schon sehr bald vielleicht auch ein paar unangenehme Fragen beantworten muss."

    *

    Wir wurden in ein Besprechungszimmer geführt. Dort trafen wir auch Dr. Wiedelsbacher, den Gerichtsmediziner. Der Bayer war für seine hemdsärmelige Art bekannt. Ich fragte mich insgeheim, ob er sich sein Smartphone für den Aufenthalt in diesem Hochsicherheitstrakt der Gen-Forschung hatte abnehmen lassen.

    Und weil Rudi still vor sich hin grinste, war mir klar, dass auch mein Kollege sich insgeheim einen heftigen Wortwechsel zwischen Wiedelsbacher und Dr. Breloer vorzustellen schien.

    Außer Wiedelsbacher waren noch einige weitere Personen im Raum, die uns von Dr. Breloer vorgestellt wurden. Da war einerseits der bereits von ihr erwähnte Dr. Florian Martini, der Leiter des Instituts. Neben ihm saß ein schmächtiger Mann mit schütterem Haar. Er trug keinen weißen Kittel, sondern einen grauen Dreiteiler und machte schon durch sein äußeres Auftreten klar, dass er nicht zu den hier tätigen Forschern gehörte. Es handelte sich um Kurt J. Gernsheim, ein Vorstandsmitglied der Mohndorf-Drehser Holding, die das Institut betrieb. Und dann war da noch Andrea Raskoviak. Sie trug zwar einen weißen Kittel, aber das Namensschild am Revers wies keinen akademischen Grad aus.

    „Frau Raskoviak hat bei uns eine Assistenzstelle und arbeitet nebenbei an ihrer Promotion, erklärte Dr. Breloer. „Sie ist hier, weil sie an dem betreffenden Projekt mitgearbeitet hat und sicher zu einigen Einzelheiten Auskunft geben kann.

    Andrea Raskoviak nickte uns kurz zu. Mir fiel gleich auf, dass sie daraufhin fast hilfesuchend zu Dr. Martini blickte. Sie stand unter Druck. Das Gesicht der dunkelhaarigen jungen Frau war leicht gerötet und sie machte auf mich den Eindruck, als hätte Angst davor, irgendetwas Falsches zu sagen.

    „Ich weiß nicht, auf welchem Stand Sie sind, sagte Dr. Florian Martini. „Wir haben uns bislang ja schon notgedrungen etwas mit Ihrem Mediziner vor allem über die potentielle Gefahrenlage für die Bevölkerung unterhalten und dabei immerhin festgestellt, dass er nicht ganz ohne Sachkenntnis ist.

    Ich hoffte in diesem Augenblick nur, dass Wiedelsbacher klug genug war, auf diese Provokation nicht einzugehen. Bei Wiedelsbacher konnte man in dieser Hinsicht für nichts garantieren. In seiner hemdsärmeligen,  Art bevorzugte er eigentlich den rustikal-offenen verbalen Schlagabtausch. Aber diesmal hielt er sich mit einer Bemerkung zurück. Und das war sicherlich ganz im Sinne unserer Ermittlungen.

    Florian Martini beugte sich etwas vor. Seine Hände waren auf dem Tisch gefaltet. „Trotz all unserer Sicherheitsmaßnahmen ist hochinfektiöses Material entwendet worden. Und da gleichzeitig der Wissenschaftler verschwunden ist, der daran gearbeitet hat, gehen wir davon aus, dass er etwas damit zu tun hat."

    „Dazu muss man sagen, dass Dr. Arnold Braunfeld bisher einer unserer fähigsten und erfolgreichsten Mitarbeiter war", erklärte Dr. Breloer.

    „Jetzt mal ganz langsam, sagte ich. „Ein Wissenschaftler ist verschwunden? Schon bei der Vorstellung von Andrea Raskoviak hatte es mich gewundert, dass man eine Assistentin eingeladen hatte, um über Einzelheiten des Projekts Auskunft zu geben - und nicht dessen Leiter.

    „Vielleicht ist das eine übertriebene Darstellung, sagte Dr. Breloer. „Es ist lediglich so, dass wir keinen Kontakt zu Dr. Braunfeld haben.

    „Er ist nicht zur Arbeit erschienen und reagiert nicht auf Anrufe", ergänzte Florian Martini.

    „Und das sagen Sie uns erst jetzt?", platzte es aus Rudi heraus. Er hatte bereits sein Smartphone in der Hand.

    „Nicht hier!, sagte Dr. Breloer. „Unsere Sicherheitsvor...

    „Wenn jetzt irgendjemand mein Smartphone gehackt hat, ein schönes Bild von Ihnen schießt, es mit dem Originalton meines Wutausbruchs unterlegt und dann ins Internet stellt, werden Sie damit leben müssen, Frau Dr. Breloer", erwiderte Rudi scharf, der im nächsten Moment schon mit Kriminaldirektor Hoch verbunden war.

    „Mein Kollege ist sonst sehr viel diplomatischer", sagte Dr. Wiedelsbacher in ungewohnt gelassener Art und Weise.

    „Dieser Dr. Arnold Braunfeld kommt in die Fahndung, erklärte ich dann, noch während Rudi telefonierte. „Wir brauchen seine Personaldaten. Alles, was Sie über ihn wissen, was über ihn an Unterlagen vorliegt, von der Smartphone-Nummer bis zur Kontoverbindung...

    „Es macht keinen Sinn, Dr. Braunfeld mit diesem Diebstahl in Verbindung zu bringen", meldete sich nun Andrea Raskoviak zu Wort.

    „Sie haben mit ihm eng zusammengearbeitet?", fragte ich.

    „So, wie auch Dr. Breloer", sagte Andrea Raskoviak.

    „Nur sporadisch und auf der Planungsebene, wehrte diese ab.  „Aber Frau Raskoviak hat ihm assistiert und dürfte Ihre Fragen soweit beantworten können.

    „Ich werde Ihnen einen Datensatz zu Dr. Braunfeld zusammenstellen lassen", versprach Florian Martini.

    Ich wandte mich an Andrea Raskoviak. „Wann war Dr. Braunfeld zuletzt hier im Institut?"

    „Vorgestern Nacht, sagte sie. „Wir haben noch zusammen an der Dokumentation der Analyse-Ergebnisse gearbeitet. Es gab da noch ein kleines EDV-Problem. Ich bin dann irgendwann gegangen.

    „Und Dr. Braunfeld?"

    „Hat gegen vier Uhr morgens das Gelände des Instituts verlassen, mischte sich Dr. Franziska Breloer ein. „Das lässt sich durch unsere Sicherheitskontrollen eindeutig belegen.

    „Und wann wurde der Diebstahl der Proben festgestellt?", fragte ich.

    „Am Morgen wurde das Fehlen einiger Proben festgestellt."

    „Von wem?"

    „Von mir."

    „Wie groß darf ich mir das physisch vorstellen?"

    „Es handelt sich um drei reagenzglasgroße Spezialbehälter."

    „Wurde Dr. Braunfeld beim Verlassen des Geländes nicht durchsucht?, hakte ich nach. „Ich meine, mein Kollege und ich sind beim Passieren Ihrer Sicherheitsschleusen so gründlich gefilzt worden, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass so ein Behälter unbemerkt das Institut verlassen könnte.

    „Dr. Braunfeld besitzt bei uns die Sicherheitskategorie A", sagte Franziska Breloer mit ungerührtem Gesicht.

    „Heißt das, dass er nicht kontrolliert wurde?"

    Sie wirkte zunehmend gereizt.

    Und das wohl nicht ohne Grund.

    Denn hier stimmte ganz offensichtlich einiges nicht!

    „Nein, das heißt es nicht. Ich will Ihnen nur verdeutlichen, dass wir keinen Anlass dazu gesehen haben, Dr. Braunfeld mit dem Verschwinden der Proben in Verbindung zu bringen. Schon deswegen nicht, weil er am besten weiß, dass das außerordentlich gefährlich wäre und die Risiken kaum abzuschätzen sind."

    „Vor ein paar Jahren wurde ein tiefgefrorener ebola-infizierter Affe in einer Plastiktüte quer durch Berlin transportiert, um von einem Seuchen-Institut zum anderen gebracht zu werden, mischte sich jetzt der bis dahin auffallend schweigsame Dr. Wiedelsbacher in das Gespräch ein. „Der Affe befand sich auch nicht in einem Spezialbehälter, sondern in einer Plastiktüte. Der Wagen geriet in einen Unfall - nur deswegen ist das damals herausgekommen, wie lax man offenbar mitunter mit gefährlichen Krankheitserregern umgeht!

    „Uns ist dieser Fall wohl bekannt, sagte jetzt Kurt J. Gernsheim. „Allerdings möchte ich betonen, dass keine Forschungseinrichtung der Mohndorf-Drehser GmbH etwas damit zu tun hatte und bei uns so etwas auch nicht vorkommen könnte.

    Wiedelsbacher runzelte die Stirn. „Berlin hat damals großes Glück gehabt. Ich hoffe, dass wir das wiederholen können, Herr Gernsheim."

    „Was wollen Sie damit andeuten, Dr. Wiedelsbacher?"

    „Ich weise nur auf die Gefahrenlage hin."

    „Das führt zu nichts", stellte ich fest. Im Allgemeinen geht es Leuten wie Gernsheim immer in erster Linie darum, eventuelle Ansprüche von dritter Seite abzuwehren und nicht für die Folgen irgendeines Unglücks verantwortlich gemacht zu werden. Aber die vorsichtige, juristisch sicher einwandfreie Selbstverteidigungsstrategie der Mohndorf-Drehser GmbH hatte sich bereits als ein gravierendes Hindernis bei den Ermittlungen herausgestellt. Schon allein die Tatsache, dass wir mit Verspätung über das Verschwinden von Dr. Arnold Braunfeld unterrichtet worden waren, konnte sich noch fatal auswirken.

    Rudi hatte unterdessen sein Gespräch mit Kriminaldirektor Hoch beendet.

    „Braunfeld ist in der Fahndung, und es wird mit Hochdruck nach ihm gesucht", sagte er in meine Richtung.

    „Es könnte sein, dass Dr. Braunfeld für den Diebstahl der Proben verantwortlich ist und dies trotz der hier üblichen Sicherheitsmaßnahmen geschafft hat."

    „Und auf welche Weise?", fragte Dr. Breloer.

    „Das wird herauszufinden sein. Wir möchten deshalb mit den Personen sprechen, die zu der Zeit Wachdienst hatten, als Braunfeld zuletzt das Gelände verließ. Wir müssen außerdem in Betracht ziehen, dass Dr. Braunfeld möglicherweise unter Druck gesetzt oder entführt wurde. Ich wandte mich an Andrea Raskoviak. „Wie gut kennen Sie ihn?

    „Wir sind... gute Kollegen", sagte sie etwas gepresst.

    „Hat er Angehörige? Verwandte?"

    „Seine Eltern leben in Süddeutschland. Hier lebt noch seine Schwester. Er erzählt manchmal von ihr."

    „Erinnern Sie sich an einen Namen?"

    „Sie heißt Nour."

    „Klingt ungewöhnlich."

    „Das ist Arabisch und heißt ‘Licht’, sagte sie. „Sie hat sich einen neuen Namen gegeben, nachdem sie zum Islam konvertiert ist.

    Ich wechselte mit Rudi einen vielsagenden Blick. Islamistische Terroristen drohten damit, einen resistenten Pest-Erreger zu verbreiten und ein Genetiker verschwand spurlos, dessen Schwester zum Islam konvertiert war. Langsam ergab sich ein immer beunruhigenderes Bild. „Ich möchte, dass Sie sich zu unserer Verfügung halten, Frau Raskoviak. Wir brauchen sicher noch Ihre Hilfe."

    „Ja, Sir!", sagte sie kleinlaut. Nicht zum  ersten Mal fiel mir auf, dass sie sich in ihrer Haut sichtlich unwohl fühlte und ich hatte langsam das Gefühl, dass es vielleicht besser war, sich mal unter vier Augen mit ihr zu unterhalten. Auf jeden Fall, ohne dass irgendjemand anwesend war, der etwas mit Mohndorf-Drehser zu tun hatte.

    „Mal was ganz Grundsätzliches, mischte sich Dr. Wiedelsbacher ein. „Die entwendeten Präparate mit Pest-Bakterien sollen gegen alle bekannten Antibiotika resistent gewesen sein.

    „Das ist richtig", sagte Dr. Martini.

    „Was ist der Sinn hinter einem Forschungsprojekt, das eine ohnehin schon ziemlich gefährliche Krankheit noch gefährlicher macht?"

    Ein dünnes Lächeln erschien auf dem Gesicht von Dr. Martini. Ein Lächeln, das seine Unsicherheit ausdrückte. Er sah kurz zu dem Mann neben ihm. Erst als Kurt J. Gernsheim kurz nickte, äußerte sich Martini zu diesem Thema.

    „Sie denken wahrscheinlich an Bio-Waffen oder dergleichen."

    „Der Gedanke kommt einem schon, gab Wiedelsbacher zu. „Und was diese Terroristen angeht, die scheinen Ihre Präparate ja auch genau dafür einsetzen zu wollen.

    „Vorausgesetzt, sie sind tatsächlich bereits in ihrem Besitz, was noch nicht erwiesen ist!", gab Martini zurück.

    Eins zu Null für den Institutsleiter, dachte ich. Denn damit hatte er natürlich recht. Es war noch nicht erwiesen, nur sehr wahrscheinlich. Und vielleicht hatten wir noch die Möglichkeit, das Schlimmste zu verhindern.

    „Meine Frage ist noch nicht beantwortet", erinnerte Wiedelsbacher unser Gegenüber.

    Aber anstelle des Institutsleiters antwortete jetzt überraschenderweise Andrea Raskoviak. „Die Antibiotika-Resistenz ist eine Art unerwünschtes Nebenprodukt von Dr. Braunfelds Projekt", sagte sie.

    „Woran hat er genau gearbeitet?", fragte Wiedelsbacher.

    „Bisher dachte man, dass der Erreger Yersinia pestis zum ersten Mal während der sogenannten justinianischen Pest im sechsten Jahrhundert aufgetreten ist. Aber neuere genetische Untersuchungen zeigen, dass es die Pest möglicherweise schon seit der Jungsteinzeit gibt. Allerdings in einer offenbar weniger aggressiven Form, die nicht durch Flöhe übertragen wurde, sondern nur von Säugetier zu Säugetier, beziehungsweise Mensch zu Mensch. Dr. Braunfeld hat daran gearbeitet, diese ältere Version des Pest-Erregers zu rekonstruieren."

    „Eine anspruchsvolle Aufgabe, sagte Dr. Wiedelsbacher. „Ich habe mit Kollegen oft über die Problematik gesprochen, die durch biochemische Prozesse bei der Zersetzung von Zellen entstehen. Wir haben ja bei der Sicherung oder der biochemischen Rekonstruktion von DNA-Test-fähigem Beweismaterial durchaus vermutlich ähnliche Schwierigkeiten, wie Sie bei Ihrer Aufgabenstellung.

    „Es ist so...", antwortete Andrea Raskoviak gedehnt, aber sie stockte und Dr. Breloer unterbrach sie grob.

    „Einzelheiten unserer Methodik sind nicht Thema dieser Unterredung, Frau Raskoviak", stellte sie in aller Schärfe klar.

    „Denken Sie, dass ich etwa gleich nach dieser Zusammenkunft zu Ihrer Konkurrenz gehe, um das, was ich hier möglicherweise erfahren habe, weiterzugeben?, fragte Wiedelsbacher kopfschüttelnd. „Mei, das ist ja net zu glauben!

    „Sie sollten langsam begreifen, dass wir auf Ihrer Seite stehen, und Ihnen nicht Schaden wollen", sagte ich.

    „Wer hat diese genetische Rekonstruktion eines quasi historischen Virus denn in Auftrag gegeben?", fragte Dr. Wiedelsbacher.

    „Eine Stiftung in Zusammenarbeit mit einer Universität", antwortete Dr. Breloer.

    „Auch darüber sollten wir alles wissen, Dr. Breloer", stellte ich klar, denn ich hatte erneut das Gefühl, dass man uns nur gerade so viel Informationen zur Verfügung stellte, wie unbedingt notwendig.

    7

    Andrea Raskoviak wurde damit beauftragt, Wiedelsbacher zu Braunfelds Labor zu begleiten. Der Bayer bat darum, sein Smartphone aus dem Wagen holen zu dürfen, um damit Fotos zu machen.

    So war Wiedelsbacher also der Forderung ausgewichen, sein Handy abgeben zu müssen. Vermutlich hatte er gewusst, dass so etwas auf ihn zukommen könnte.

    Schließlich war das ganz sicher nicht das erste gentechnische Labor, dass er betrat.

    Rudi und ich sprachen in der Zwischenzeit mit Bruno Slotkowski, einem der Wachmänner, der Dienst gehabt hatte, als Braunfeld zum letzten Mal das Gelände des Instituts verlassen hatte.

    Man hatte uns inzwischen die Aufzeichnung einer Überwachungskamera zur Verfügung gestellt. Die Video-Sequenz hätte eigentlich zeigen müssen, wie Slotkowski Braunfeld gründlich durchsuchte.

    Stattdessen wurde der junge Wissenschaftler einfach nur mehr oder weniger durchgewunken.

    „Herr Slotkowski, kann es sein, dass Sie die bei Mohndorf-Drehser geltenden Sicherheitsvorschriften nicht so ganz eingehalten haben?", fragte ich ihn.

    „Hören Sie, ich verstehe, dass man hier sehr pingelig ist, aber ich kenne Dr. Braunfeld nun wirklich gut. Und da dachte ich..."

    „Wir werden auch noch mit dem Kollegen sprechen, der dabei war, sagte ich. „Und mit den Kollegen, die an der zweiten Sicherheitsschleuse postiert waren.

    „Sie wussten doch, dass es eine Videoaufzeichnung gibt."

    „Ja, aber wer hätte ahnen können, dass sich die nochmal jemand ansieht. Ich meine, das wird 48 Stunden danach gelöscht. Zumindest, wenn nichts vorgefallen ist, was irgendwie verdächtig war. Und Dr. Braunfeld war nun wirklich über jeden Zweifel erhaben. Ich meine, er war doch der Stolz der ganzen Firma und speziell dieses Instituts."

    „Wie soll ich das verstehen?"

    Bruno Slotkowski zuckte mit den Schultern. Er schwitzte etwas und wirkte nervös. „Er war doch so eine Art Star unter den ganzen Eierköpfen hier. Wenn er nicht dabei war, haben einige von ihm als ‘unser Einstein’ gesprochen. Naja, er war ein Star, hat ein paar Preise gewonnen und irgendwelche Erfindungen gemacht, von denen ich nicht mal die Namen aussprechen könnte, geschweige denn, dass ich behaupten würde, zu wissen, worum es dabei überhaupt geht. Aber es muss wichtig gewesen sein, und bei den Kollegen mächtig Eindruck gemacht haben."

    „Verstehe", sagte ich, obwohl das gelogen war. Ich verstand immer weniger. Aber vielleicht bekam ich ja ein aussagekräftigeres Bild, wenn ich noch ein paar mehr Puzzleteile zusammenbekam.

    „Also mal ehrlich, wieso sollte ich annehmen, dass der junge Star-Wissenschaftler von Mohndorf-Drehser sein eigenes Institut beklauen sollte?"

    „So wie Sie das sagen, klingt das durchaus plausibel."

    „Na sehen Sie!"

    „Hätte denn irgendeiner der Sicherheitskräfte Zugang zu dem Bereich gehabt, aus dem die Proben verschwunden sind?"

    „Ausgeschlossen."

    „Wieso?", hakte ich nach.

    „Weil wir dort gar keinen Zugang haben. Das ist alles elektronisch gesichert und nur Personen mit der Sicherheitskategorie A kommen in diesen Bereich überhaupt hinein. Und ehrlich gesagt, zieht mich dort auch nichts hin."

    „Wie meinen Sie das?"

    „Na, denken Sie, ich will mich mit irgendetwas anstecken?

    „Glauben Sie denn, dass dazu die Gefahr besteht?"

    „Na, ausschließen kann man das doch wohl nie, oder? Wenn man so am Rande mal mitbekommt, mit was für fiesen Sachen die Forscher hier herumexperimentieren, da schüttelt’s einen. Besser man denkt gar nicht darüber nach."

    „So kann man das natürlich auch sehen", meinte Rudi.

    Er beugte etwas über den Tisch des kahlen, spartanisch eingerichteten Besprechungszimmers.

    Er schluckte.

    „Ich schätze, ich bekomme jetzt wahrscheinlich ein paar Schwierigkeiten. Aber Braunfeld hatte es sehr eilig an dem Abend - oder besser gesagt ‘Morgen’, wenn man die Zeit bedenkt."

    „Was hat er zu Ihnen gesagt?"

    „Nichts. Genau das war es ja, was mich so gewundert hat. Wissen Sie, Dr. Braunfeld mag ja so ein richtiges Superhirn sein, aber lässt das nie heraushängen. Der Mann ist überhaupt nicht arrogant oder so, sondern man kann sich ganz normal mit ihm unterhalten. Und wenn er er sonst den Kontrollbereich passierte, haben wir immer ein bisschen miteinander geredet."

    „Worüber?"

    „Zum Beispiel, dass seine Eltern erzkonservative sogenannte wiedergeborene Christen in einer Freikirche sind, die alles, was er macht, diese ganzen Sachen mit Genetik und so, total ablehnen. Das sei Teufelszeug für sie. Aber die hätten es ja auch wirklich nicht leicht mit ihren Kindern. Schließlich sei seine Schwester auch noch zum Islam konvertiert."

    „Klingt nicht gerade nach großer Harmonie in der Familie!"

    „Arnold meinte..."

    „Sie haben ihn Arnold genannt?"

    „Ja. Er hat auch Bruno zu mir gesagt. Wir sind übrigens auch mal ein Bier zusammen trinken gegangen."

    „Sie waren dabei, zu erzählen, was er über seine Schwester gesagt hat."

    „Er hatte die Dinge immer recht locker und entspannt gesehen. Auch wenn sie manchmal kompliziert für ihn waren."

    „Wie meinen Sie das jetzt?"

    „Na, zum Beispiel das mit seinen Eltern und seiner Schwester. Er meinte, es hätte gar nichts Besseres passieren können, als das seine Schwester Muslimin wird, denn dass sei  für seine Eltern noch viel schlimmer als das was er getan habe und so hätte sich sein Kontakt zu seinen Eltern seitdem spürbar verbessert."

    „Alles ist eben relativ..."

    „Sie sagen es. Naja, und Arnold hatte auch wirklich gute Witze drauf."

    „Auch morgens um vier?"

    „Dem hat man nicht angemerkt, dass er die Nacht quasi durchgearbeitet hatte. Ich meine, ich mache meine Schicht und mehr nicht. Wenn ich um vier an meinem Kontrollposten bin, dann bin ich ausgeschlafen. Aber bei Arnold war das natürlich ganz anders. Aber an dem Morgen, als ich ihn zum letzten Mal gesehen habe, da war er anders. Ich kann das auch schwer beschreiben. Er hat mich kaum angesehen, wirkte irgendwie... verbissen. Ja, das ist das richtige Wort. Er sah aus wie jemand, der durch irgendetwas sehr angestrengt wird. Und er hat nicht ein einziges Wort gesagt. Ich meine, Sie haben die Videoaufzeichnung und können ja mal nachsehen, ob sich seine Lippen irgendwann bewegt haben. Eine Audio-Spur wird ja nicht aufgezeichnet."

    „Gibt es irgendeinen Grund, den Sie vielleicht vermuten, fragte ich. „Ich meine für dieses veränderte Verhalten?

    Er schüttelte den Kopf. „Ich habe es darauf geschoben, dass er vielleicht überarbeitet war. Ich meine, es hat ja schließlich jeder mal einen schlechten Tag."

    „Natürlich."

    Rudis Handy klingelte. Er nahm das Gespräch entgegen. „Wir haben die Adresse von Braunfelds Schwester. Sie ist momentan nicht erreichbar. Kriminaldirektor Hoch hat sich mit der Polizei vor Ort in Verbindung gesetzt. Die suchen sie jetzt."

    „Gut", sagte ich.

    „Wenn Sie wirklich noch mehr über Dr. Braunfeld wissen wollen, dann sollten Sie sich vielleicht noch mit jemand anderem hier aus der Firma unterhalten", sagte Bruno Slotkowski.

    „Mit wem?", fragte Rudi.

    Bruno Slotkowski hob die Augenbrauen und beugte sich etwas vor. „Naja, ich will ja nichts gesagt haben, aber... mir ist da was aufgefallen."

    *

    Der Mann im schneeweißen dreitausend Dollar-Maßanzug war groß und kräftig. Der Kopf war kahlrasiert. Das Licht der Neonröhren in dem fensterlosen Keller spiegelte sich darin. Seine kräftigen Augenbrauen und der dunkle, exakt ausrasierte Knebelbart hingegen waren so schwarz, dass beides nur gefärbt sein konnte.

    Vor ihm, auf dem Boden, lag ein zusammengekrümmter Körper. Es roch nach Schweiß und Blut. Der Kerl am Boden war übel zugerichtet. Von seinem Gesicht war kaum noch etwas zu erkennen. Mit voller Kraft trat der Mann im weißen Anzug zu.

    Der Kerl am Boden stöhnte schwach auf.

    Der Bärtige ging daraufhin in die Hocke.

    Er sah in das aufgequollene Gesicht seines Gegenübers.

    „Du weißt doch, wie man mich nennt, oder?"

    Ein stöhnender Laut kam von dem am Boden liegenden Mann. Sein Mund war eine einzige blutige Höhle. Zähne lagen auf dem Boden. Er war vermutlich im Moment gar nicht in der Lage, irgendein verständliches Wort herauszubringen.

    „Man nennt mich nicht umsonst ‘Prophet’, mein Lieber. Ein Prophet sieht alles und weiß alles, denn er hat einen direkten Draht nach ganz oben, verstehst du?"

    „Ja..."

    „Und das meiste weiß er sogar schon im Voraus. Zum Beispiel, wenn er es mit jemandem zu tun hat, der ihn bescheißt. Ich habe gleich gewusst, dass ich bei so einer Ratte wie dir aufpassen muss."

    „Schei...!"

    „Und du kannst nicht sagen, dass ich dich nicht gewarnt hätte."

    „Ah..."

    „Du Dummkopf hast wohl geglaubt, du könntest deine linke Nummer trotzdem durchziehen. Heute hast du die Quittung gekriegt."

    Der Kerl am Boden versuchte zu reden. Es waren ein paar unverständliche Silben, die ihm über die blutigen Lippen kamen.

    „...hör...mich.."

    „Scheiß drauf, was du sagst. Ich hör diesen Mist nicht mehr an."

    „Aber..."

    „Und ich will es auch nicht mehr hören, was du mir zu erzählen hast."

    „Ich..."

    „Das Kapitel, das deinen Namen trägt, ist für mich beendet. Der ‘Prophet’ grinste schief. „Und für dich auch, Walther, fügte er noch hinzu.

    Die Augen des am Boden liegenden Mannes weiteten sich vor Angst.

    Der ‘Prophet’ erhob sich. Er griff unter seinen weißen Anzug und zog eine Automatik hervor und drückte ab. Dreimal kurz hintereinander. Walthers Körper zuckte noch einmal und blieb dann reglos und in eigenartig verrenkter Haltung liegen.

    „Sie hätten das nicht zu tun brauchen, Boss", sagte eine Stimme, die wie ein Reibeisen klang. Ein Mann in dunklem Anzug und Rollkragenpullover trat auf den Toten zu und drehte ihn mit dem Fuß herum.

    „Manche Dinge mache ich gerne selbst, sagte der ‘Prophet’. „Du kannst es ruhig herumerzählen, Jerome. Das sorgt für ein solides Image.

    „Ich verstehe. Jerome deutete auf die Leiche. „Soll ich dieses Stück Dreck hier entsorgen?

    „Hat Zeit, Jerome, sagte der ‘Prophet’. Er grinste. „Der Kerl läuft uns ja nicht weg. Hier liegt der erstmal gut und sicher. Du kannst später mit ein paar von den Jungs vorbeikommen und dafür sorgen, dass hier sauber gemacht wird.

    „Alles klar."

    „Vorher will ich, dass noch ein anderes Problem gelöst wird, das mir ziemlich unter den Nägeln brennt."

    „Welches?"

    „Dieser Gen-Wissenschaftler. Ich bin heute von einem unserer Leute angerufen worden. Da gibt es ein paar Probleme, die gelöst werden müssen."

    „Betrachten Sie die Dinge als geregelt", sagte Jerome.

    *

    Rudi und ich fuhren zur Wohnadresse von Dr. Arnold Braunfeld. Wir hatten Andrea Raskoviak gebeten, uns zu begleiten. Sie war uns mit ihrem Wagen, einem Mitsubishi, gefolgt und jetzt trafen wir uns auf einem Parkplatz wieder.

    Rudi und ich stiegen aus dem Jaguar. Andrea Raskoviak hatte ihren Mitsubishi in der Nähe abgestellt.

    „Frau Raskoviak, über eine Sache wollte ich noch gerne mit Ihnen reden, bevor wir zur Wohnung von Dr. Braunfeld gehen", sagte ich, als wir uns mit ihr trafen. Braunfeld wohnte in einem achtstöckigen Sandsteinhaus in unmittelbarer Nähe.

    „Ich habe Ihnen gesagt, dass ich in jeder Hinsicht kooperiere, sagte Andrea Raskoviak. „Und ich versichere Ihnen, dass dasselbe auch für das Mohndorf-Drehser Institute gilt.

    „Ich denke, hier können wir anders reden, sagte ich. „Ohne die Floskeln der Firmenpolitik von Mohndorf-Drehser.

    „Was meinen Sie damit?"

    „Frau Raskoviak, Sie kennen Dr. Braunfeld sehr viel näher, als Sie uns bisher gesagt haben, nicht wahr?"

    „Was wollen Sie damit andeuten?"

    „Ich will nichts andeuten, ich habe nur die Aussage eines Wachmanns, der Sie beide beobachtet und seine Schlüsse daraus gezogen hat, wie sie miteinander umgegangen sind. Das ging über kollegiale Gemeinsamkeiten hinaus, nicht wahr?"

    „Die Institutsleitung sieht Beziehungen unter den Mitarbeitern nicht gerne", sagte sie.

    „Ich hatte den Eindruck, dass Sie unter großem Druck stehen und uns bisher nicht alles gesagt haben, was Sie möglicherweise wissen."

    „Sehen Sie ich bin sehr froh, dass ich die Stelle im Institut habe und an meiner Promotion arbeiten kann. Es gibt eine sehr restriktive Informationspolitik bei Mohndorf-Drehser. Jedes Wort, das nach außen gelassen wird, durchläuft vorher mehrere Kontrollen."

    „Verstehe."

    „Bevor man mit der Presse spricht, wird man vorher eingehend gebrieft und alles, was wir veröffentlichen, wird gegengelesen."

    „Klingt fast so, als wäre Nordkorea ein freies Land, wenn man es mit dem Reich der Mohndorf-Drehser Holding vergleicht."

    „Das wäre übertrieben."

    „Wirklich?"

    Sie lächelte kurz. „Ich habe schon ein bisschen Verständnis dafür. Schließlich schläft die Konkurrenz nicht und Mohndorf-Drehser will sichergehen, dass keine Informationen nach außen dringen, die entweder das Firmenimage demontieren oder der Konkurrenz wertvolle Hinweise gegeben werden. Schließlich sind die Patente das wertvollste Kapital der Holding, wie ich mir habe sagen lassen."

    „Sie haben auf jeden Fall deren Argumentationsweise schon stark verinnerlicht."

    Sie lächelte erneut.

    Verhalten zwar, aber immerhin.

    Etwas lockerer wirkte sie, außerhalb des Institutsgeländes schon. Aber befreit und offen wirkte sie noch immer nicht. Davon war sie noch weit entfernt. „Hören Sie, ich will keinen Ärger, sagte sie. „Weder mit dem Institut, noch mit der Firma, die das Institut finanziert, noch mit dem BKA.

    „Wie schön, dass Sie auch an uns denken, Frau Raskoviak."

    „Ich helfe Ihnen gerne. Aber alles hat seine Grenzen."

    „Hören Sie, wenn Ihnen irgendetwas... Persönliches... an Dr. Braunfeld liegen sollte, dann sollten Sie uns wirklich vorbehaltlos alles erzählen, was Sie über ihn wissen."

    „Denken Sie, dass er..."

    „...in Gefahr ist?"

    „Sie haben gesagt, er könnte entführt oder unter Druck gesetzt worden sein."

    „Ja. Das ist eine der Möglichkeiten, die wir in Betracht ziehen. Die andere ist, dass er sich auf einen sehr einsamen Irrweg begeben hat. Aber was auch immer in diesem Fall vorliegen mag, es läuft stets auf dasselbe hinaus: Sie müssen uns so viel wie möglich über ihn erzählen."

    Sie verschränkte die Arme vor der Brust. Einen Augenblick lang schien sie mit sich zu ringen. Ich konnte

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