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Die besten 3 Thriller im Dezember 2023
Die besten 3 Thriller im Dezember 2023
Die besten 3 Thriller im Dezember 2023
eBook536 Seiten6 Stunden

Die besten 3 Thriller im Dezember 2023

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Über dieses E-Book

Dieses Buch enthält folgende Thriller:

(399XE)



Alfred Bekker: Kubinke im Fadenkreuz



Alfred Bekker: Der Sniper von Berlin

Alfred Bekker: In der Tiefe verborgen





„Hey, sollen wir noch in die Geisterbahn gehen - oder ist das für den großen Big Jimmy Talabani unter seiner Würde?“


Talabani - ein kleiner, drahtiger Mann um die vierzig mit schwarzem, nach hinten gekämmtem Haar und hervorspringendem Kinn grinste schief. „Willst du mich auf den Arm nehmen oder was soll das jetzt?“


Die großbusige Blondine an Talabanis Seite überragte „Big Jimmy“ um einen halben Kopf.


„Jim“ oder wahlweise auch „Big Jim“ oder „Big Jimmy“ - so ließ sich Talabani gerne nennen.


„Jimmy“ lautete sein bürgerlicher Name. Sein Vater war Deutsch-Libanese, seine Mutter eine Deutsche. Und obwohl sie sich sich früh vom Acker gemacht hatte, um mit einem russischen Zuhälter nach Marbella durchzubrennen und Jimmy sie nie wiedersah, hatte sie ihm doch etwas Wichtiges hinterlassen: Seinen Vornamen. Einen Kleinkindervornamen, wie Jimmy Talabani immer fand. Ein Name, der zu lustigen Quietschenten oder sehr kleinen Jungs passte. Aber nicht zu einem Kerl, vor dem man Angst haben sollte. Also bevorzugte er es, wenn man ihn Jim nannte und nicht Jimmy. Oder Big Jim. Notfalls auch Big Jimmy. Nur nicht Jimmy – allein und ohne klarstellenden Zusatz. Er hatte immer das Gefühl, dass Jimmy – so wie er nunmal war – einfach etwas zu harmlos wirkte.
SpracheDeutsch
HerausgeberCassiopeiaPress
Erscheinungsdatum15. Dez. 2023
ISBN9783753212203
Die besten 3 Thriller im Dezember 2023
Autor

Alfred Bekker

Alfred Bekker wurde am 27.9.1964 in Borghorst (heute Steinfurt) geboren und wuchs in den münsterländischen Gemeinden Ladbergen und Lengerich auf. 1984 machte er Abitur, leistete danach Zivildienst auf der Pflegestation eines Altenheims und studierte an der Universität Osnabrück für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen. Insgesamt 13 Jahre war er danach im Schuldienst tätig, bevor er sich ausschließlich der Schriftstellerei widmete. Schon als Student veröffentlichte Bekker zahlreiche Romane und Kurzgeschichten. Er war Mitautor zugkräftiger Romanserien wie Kommissar X, Jerry Cotton, Rhen Dhark, Bad Earth und Sternenfaust und schrieb eine Reihe von Kriminalromanen. Angeregt durch seine Tätigkeit als Lehrer wandte er sich schließlich auch dem Kinder- und Jugendbuch zu, wo er Buchserien wie 'Tatort Mittelalter', 'Da Vincis Fälle', 'Elbenkinder' und 'Die wilden Orks' entwickelte. Seine Fantasy-Romane um 'Das Reich der Elben', die 'DrachenErde-Saga' und die 'Gorian'-Trilogie machten ihn einem großen Publikum bekannt. Darüber hinaus schreibt er weiterhin Krimis und gemeinsam mit seiner Frau unter dem Pseudonym Conny Walden historische Romane. Einige Gruselromane für Teenager verfasste er unter dem Namen John Devlin. Für Krimis verwendete er auch das Pseudonym Neal Chadwick. Seine Romane erschienen u.a. bei Blanvalet, BVK, Goldmann, Lyx, Schneiderbuch, Arena, dtv, Ueberreuter und Bastei Lübbe und wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt.

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    Buchvorschau

    Die besten 3 Thriller im Dezember 2023 - Alfred Bekker

    Copyright

    Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

    Alfred Bekker

    © Roman by Author

    © dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

    Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

    Alle Rechte vorbehalten.

    www.AlfredBekker.de

    postmaster@alfredbekker.de

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    Alles rund um Belletristik!

    Kubinke im Fadenkreuz

    von Alfred Bekker

    Ein Harry Kubinke Krimi

    Der Berliner Kommissar Harry Kubinke gerät ins Visier eines kriminellen Clans aus dem Wedding. Gleichzeitig erschüttert eine Reihe von Morden die Bundeshauptstadt, bei denen ein Spezialgewehr für Scharfschützen eine Rolle spielt. Kubinke und sein Team müssen alles daransetzen, die Hintermänner zu finden. Für den Kommissar selbst wird dieser Fall eine Frage von Leben und Tod.

    Alfred Bekker ist ein bekannter Autor von Fantasy-Romanen, Krimis und Jugendbüchern. Neben seinen großen Bucherfolgen schrieb er zahlreiche Romane für Spannungsserien wie Ren Dhark, Jerry Cotton, Cotton reloaded, Kommissar X, John Sinclair und Jessica Bannister. Er veröffentlichte auch unter den Namen Neal Chadwick, Henry Rohmer, Conny Walden und Janet Farell.

    Copyright

    Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

    © by Author

    © dieser Ausgabe 2018 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

    Alle Rechte vorbehalten.

    www.AlfredBekker.de

    postmaster@alfredbekker.de

    Alfred Bekker: Kubinke im Fadenkreuz

    Kommissar HARRY KUBINKE ermittelt in Berlin.

    Kommissar RUDI MEIER ist sein Kollege.

    *

    Ein dummes Gefühl, wenn man weiß, dass man sich im Fadenkreuz eines Killers befindet…

    Das war in Kreuzberg vor einer urigen Kneipe, an deren Außenwand noch ein großer roter Stern und ein Anarchisten-Zeichen aufgemalt war. Man fühlte sich irgendwie in die Achtziger zurückversetzt, als die die Stadt voller Punks und Hausbesetzer gewesen war und alle möglichen Politsekten des linken Spektrums hier das Straßenbild geprägt hatten. Alternative, Anarchisten, Autonome…

    Damals alles junge Leute, inzwischen aber in Jahre gekommen.

    So wie der Inhaber der Kneipe. Sein Outfit war originalgetreu. Wer seine Figur über die Jahre behält, kann seine Sachen ewig tragen.

    Seine Klamotten waren dieselben geblieben. Etwas ausgebleicht von unzähligen Wäschen, aber dieselben, so als wollte er ein einsames Fanal gegen den Konsumterror setzen. Nur er selbst hatte sich verändert. Er trug immer noch die Haare zu einem Zopf zusammengefasst, nur waren es inzwischen sehr viel weniger Haare. Und sie waren grau. Die kahle Stelle am Hinterkopf wirkte wie eine Mönchstonsur.

    „Willste ‘nen Kaffee?", fragte er.

    „Ja, sagte ich. „Immer noch der Magenunfreundliche aus Nicaragua?

    „Ist für die Solidarität."

    „Schon klar."

    „Sind gute Projekte."

    „Hoffe ich."

    „Ey, echt!"

    „Echt."

    Der Sowjet-Stern und das Anarcho-Zeichen waren von dem Kneipier in all den Jahren immer wieder sorgfältig nachgemalt worden. Die einzigen Stellen an dieser Fassade, die einen gepflegten Eindruck machten.

    Für mich waren der Sowjet-Stern und das Anarcho-Zeichen eigentlich Gegensätze. Aber den Kneipier schien das nicht weiter zu jucken. Das war eben Hausbesetzer-Nostalgie. Inzwischen hatte der Typ wahrscheinlich seit Jahrzehnten einen ganz spießigen Mietvertrag.

    Man schrieb 2018, aber ein Besuch hier war immer wie eine Reise mit der Zeitmaschine in die 80er, die Zeit des Kalten Krieges, der Mauer und die Zeit von Präsident Reagan, der von Gorbatschow forderte, die Mauer niederzureißen.

    Ich traf mich in diesem Lokal normalerweise mit einem Informanten. Mein Kollege Kommissar Rudi Meier war auch dabei.

    Diesmal trafen wir uns genauer gesagt eigentlich nicht in dem Lokal, sondern davor, denn der autonom-alternative Kneipier hatte ein paar Stühle auf den Bürgersteig gestellt. Eine Genehmigung hatte er dazu mit Sicherheit nicht. Aber ein bisschen Revoluzzertum musste ja sein.

    Wir saßen mit dem Informanten zusammen und der sagte mir: „Ich wills heute kurz machen, Harry."

    „Wieso nicht?"

    „Jemand mag dich nicht."

    „Das wäre nicht das erste Mal."

    „Tu nicht so, als würdest du nicht wissen, was ich meine, Harry. Jemand sehr Mächtiges mag dich nicht und nach allem, was ich gehört habe, hat er auch Grund dazu, dich zu hassen."

    „Es wird viel geredet."

    „Er will dich umlegen, Kriminalhauptkommissar Harry Kubinke. Du sollst ausradiert werden. Es ist eine Frage der Ehre. Die Sache mit seiner Schwester lässt ihm keine andere Wahl."

    Kopfgeld auf mich, Harry Kubinke. Das war im Prinzip nichts Neues.

    „Sag mal, wieso beschäftigen wir dich eigentlich als Informanten, wenn du uns nur Dinge erzählst, die wir sowieso schon wissen?", fragte ich.

    Wie ich schon erwähnte, ich hatte schon die ganze Zeit über ein mulmiges Gefühl gehabt. Man entwickelt im Laufe der Zeit in diesem Job einen sechsten Sinn für sowas.

    Und ich war nun wirklich lange genug dabei, um diesen besonderen Sinn für die Gefahr entwickelt zu haben. Ein Sinn, der einem mitunter das Leben retten konnte.

    Ich habe wirklich nicht die leiseste Ahnung, warum ich gerade in diesem Augenblick auf auf das dritte Obergeschoss im Haus schräg gegenüber blickte. Tatsache ist, dass es geschah. Ich sah einen Mann ein Gewehr in meine Richtung halten. Ein Scharfschützengewehr.

    Ich war im Fadenkreuz.

    Der Informant hatte ganz Recht.

    Der Typ, den ich geärgert hatte, würde die Sache mit seiner Schwester nicht auf sich beruhen lassen.

    Er sagte einfach einem seiner Leute bescheid und schickte einen Typ, wie den dort oben im dritten Obergeschoss, um mich zu erledigen.

    „Runter, Rudi!", rief ich.

    Ich warf mich zu Boden und riss den Informanten mit mir.

    Der Schuss ging dicht an mir vorbei und blieb in der Wand stecken.

    Genau im roten Sowjet-Stern.

    Ich rappelte mich auf, rettete mich ein geparktes Fahrzeug. Inzwischen hatte ich meine Dienstpistole in der Faust. Aber ernsthaft daran denken, sie zu benutzen, konnte ich in dieser Situation natürlich nicht; die Gefahr, Unbeteiligte zu treffen, war viel zu groß.

    Ein paar weitere Schüsse ließen die Scheiben des Fahrzeugs zersplittern, hinter dem ich mich verschanzt hatte.

    Spätestens jetzt war klar, dass ich gemeint war.

    Rudi hatte unterdessen den Informanten gesichert und war mit ihm in das Lokal geflohen.

    Die ersten Passanten bemerkten jetzt, was geschehen war und gerieten in Unruhe.

    Panik war jetzt nur eine Frage der Zeit.

    Ich sah, dass die Gestalt, die auf mich geschossen hatte, jetzt nicht mehr am Fenster zu sehen war.

    Also tauchte ich aus meiner Deckung hervor. Ich lief über die Straße. Ein Lieferwagen musste bremsen. Dann erreichte ich das Gebäude, aus dem geschossen worden war.

    Einen kurzen Moment hielt ich inne.

    Dann nahm ich einen schmalen Durchgang, der zu einem Hinterhof führte.

    Manchmal muss man sich einfach in sein Gegenüber hineinversetzen.

    Ich hätte jedenfalls anstelle des Killers versucht, hinten aus dem Haus zu kommen - und nicht vorne.

    Und genau da fand ich ihn dann auch.

    Er hatte das Gewehr, mit dem er auf mich geschossen hatte, noch in der Hand und rannte auf einen Wagen zu.

    „Stehen bleiben, Kriminalpolizei!", rief ich und hob die Waffe.

    Er drehte sich um und feuerte sofort.

    Ich schoss ebenfalls.

    Seine Kugel pfiff dicht an meinem Kopf vorbei.

    Mein Schuss traf besser. Getroffen wankte er zurück. Er ließ mir keine andere Wahl, als nochmal zu feuern, denn der Kerl legte erneut auf mich an.

    Wie ein gefällter Baum fiel der Killer zu Boden.

    Ich senkte die Waffe.

    Dass der Kerl tot war, daran konnte kein Zweifel bestehen.

    *

    Es dauerte nicht lange, bis die Identität des Killers festgestellt worden war. Es handelte sich um einen vorbestraften alten Bekannten. Einen, der bekanntermaßen für Farid Abu-Jamal arbeitete, den Anführer des Abu-Jamal-Clans aus dem Wedding.

    Und Farid Abu-Jamal war der Mann, mit dem ich mich angelegt hatte. Oder besser gesagt: Der sich mit mir angelegt hatte.

    Es ging um seine Schwester.

    Und so, wie die Sachlage sich nunmal darstellte, konnte ich nicht damit rechnen, aus dieser fiesen Nummer so schnell herauszukommen.

    *

    Vielleicht sollte ich jetzt mal erzählen, wie der ganze Ärger anfing. Das war zwei Wochen vor diesem Schusswechsel, der mich um ein Haar das Leben gekostet hätte und am Ende mit dem Tod des Killers endete.

    Ich war zusammen mit Rudi auf einer Polizeidienstelle, irgendwo im Wedding. Wir mussten mit einem Kollegen sprechen, um bestimmte Sachverhalte zu ermitteln. Worum es da gig, tut hier nichts zur Sache.

    Jedenfalls ging es auf diesem Polizeirevier ziemlich hoch her.

    Das ist manchmal so. Randalierende Betrunkene oder Drogensüchtige - das kann schonmal eine explosive Mischung ergeben. Festgenommene, die logischerweise nicht damit einverstanden sind, das sie festgenommen wurden und so weiter.

    In diesem Fall war es eine junge Frau, die randalierte.

    Sie schrie, schlug um sich und hatte eine Spritze in der Hand. Die Augen waren auf unnatürliche Weise geweitet. Sie stand ganz sicher unter dem Einfluss irgendwelcher Drogen. Mochte der Teufel wissen, was sie geschluckt hatte. Es machte sie jedenfalls zu einer unberechenbaren Furie. „Ey, isch mach euch AIDS!, schrie sie. „Ich stech euch und mach euch alle AIDS! Ihr verdammten Wichser und Nazis!

    Sie machte ausholene Handbewegungungen und ließ die Nadel durch die Luft schnellen wie einen Dolch.

    Dann stürmte sie auf einen Kollegen zu, der wie gelähmt am Schreibtisch saß.

    Ein Schrei kam aus ihrer Kehle.

    Die Nadel war in ihrer Faust.

    Ich schnellte vor und versetzte der Irren einen kräftigen Tritt zwischen die Beine, um sie zu stoppen.

    Ich gebe zu, der Tritt war sehr kräftig. Ich habe schließlich mal Fußball gespielt, auch wenn ich es nie nicht gerade zu Real Madrid geschafft habe.

    Aber mit dem, was dann geschah, hatte wirklich niemand rechnen können. Und ich werde es auch ganz bestimmt nie vergessen.

    Die Frau explodierte nämlich.

    Und zwar im wortwörtlichen Sinn.

    Es gab einen dumpfen Knall und und im nächsten Moment gab es in dem ganzen Großraumbüro der Dienststelle wirklich niemanden mehr, dessen Kleidung nicht blutbesudelt gewesen wäre.

    *

    Am übernächsten Tag, als ich Kriminaldirektor Hoch gegenübersaß, hatte ich den Schock noch nicht wirklich überwunden.

    „Was hätte ich tun sollen?, fragte ich. „Zulassen, dass diese Frau mit ihrer Spritze auf den Kollegen einsticht?

    „Natürlich nicht, Harry, sagte Kriminaldirektor Hoch. „Sie haben völlig richtig gehandelt. Und trotzdem…

    „Trotzdem was?"

    „Trotzdem haben wir jetzt ein Problem."

    „Sie meinen: Ich habe jetzt ein Problem."

    „Sie können es drehen und wenden, wie Sie wollen, Harry."

    „Umreißen Sie mir mal das Problem."

    „Zunächst einmal darf ich mich wiederholen: Man kann Ihnen keinen Vorwurf machen. Sie haben völlig richtig gehandelt. Ich hätte an Ihrer Stelle hoffentlich dasselbe getan."

    „Das klingt, als käme das dicke Ende noch!"

    „Es gibt einen entscheidenden Umstand, den Sie nicht wissen konnten."

    „Und der wäre?"

    „Ich habe den gerichtsmedizinischen Bericht und diverse Zeugenaussagen von dem betreffenden Revier. Und ein ballistisches Gutachten. Die Frau hatte in ihrer Vagina eine Pistole."

    „Die sollte da nicht sein."

    „Nein, sollte sie nicht."

    „Und wie kam die Waffe dort hin?"

    „Die spannendere Frage ist: Wieso war sie immer noch dort? Die Frau ist offenbar sehr schlampig durchsucht worden. Jedenfalls nicht so, wie das den Regeln entspricht."

    „Sieht so aus."

    „Als Sie zugetreten haben, ist die Waffe losgegangen. Den Rest brauche Ihnen ja nicht zu schildern."

    „Von dem, was Sie den Rest nennen habe ich wahrscheinlich noch Albträume, wenn ich schon pensioniert bin", meinte ich.

    „Sie können von Glück sagen, dass der Schuss nicht noch jemanden verletzt hat, sagte Kriminaldirektor Hoch. „Dem Bericht der KTU nach ist er in die Decke gegangen.

    „Tja…"

    „Ihr Problem ist jetzt ein anderes, Harry."

    „Wer war denn die Frau?"

    „Genau damit hängt es zusammen. Die Frau war Yasemin Abu-Jamal. Die kleine Schwester von Farid Abu-Jamal…"

    „...dem Clan-Chef aus dem Wedding!"

    „Genau."

    „Der muss jetzt seine Ehre wiederherstellen. Und das kann er nur, indem er mich tötet."

    „Ja, aber das ist nur ein Teil der Wahrheit."

    „So?"

    „Es ist noch schlimmer, Harry."

    „Was kann man Schlimmeres tun, als die Lieblingsschwester des Abu-Jamal-Chefs explodieren zu lassen? Ich nehme an, alle Argumente, die in Richtung Notwehr oder Nothilfe gehen, zählen da nicht viel."

    „Wie ich schon sagte: Es ist noch schlimmer, Harry. Sie haben nämlich durch Ihren beherzten Tritt Farid Abu-Jamal ein Riesenproblem abgenommen."

    Ich runzelte die Stirn.

    „Wie denn das?"

    „Er braucht jetzt nur Sie zu töten, Harry - und nicht mehr seine Schwester, was ihn in Gegnerschaft zu seinem Geschäftspartner Victor Brilanow von der Russen-Mafia brächte, von dem er eigentlich lieber gerne Drogen aus Usbekistan beziehen würde…"

    „Das verstehe ich jetzt nicht, gestand ich.

    Kriminaldirektor Hoch lächelte nachsichtig. „Yasemin war keineswegs Farids Lieblingsschwester, sondern eher das Gegenteil. Sie war das schwarze Schaf der Familie."

    „Ich nehme an, sie wollte sich nicht bevormunden lassen."

    „Mit Drogen handeln ist in der Familie in Ordnung, Drogen nehmen nicht. Und davon abgesehen hat sie ihrem Bruder das Schlimmste angetan, was man man ihm nur antun konnte."

    „Ist sie mit einem Deutschen durchgebrannt?"

    „Schlimmer."

    „Ist auf den Strich gegangen?"

    „Schlimmer."

    „Ich glaube nicht, dass es was mit Religion zu tun hatte."

    „Hatte es auch nicht. Sie ist auf den Strich gegangen, aber nicht für irgendwen, sondern in einem Bordell, dass unter der Kontrolle von Victor Brilanow steht. Und der hat das natürlich überall verbreitet. Das war die maximale Demütigung. Farid hätte seine Schwester und am besten auch Victor Brilanow töten müssen, damit man ihn überhaupt noch Ernst nimmt. Aber das konnte er nicht, weil er von dessen Stoff aus Usbekistan abhängig ist."

    „Sowas nennt man eine Zwickmühle."

    „Das ist noch nicht alles! Farid konnte bis jetzt auch nicht seine Schwester umbringen, was seine Pflicht gewesen wäre! Denn dann hätte er Victor Brilanow herausgefordert und der wäre wiederum gezwungen gewesen, etwas gegen Farid zu unternehmen!"

    „Schließlich kann der nicht einfach ein Mädchen aus seinem Bordell umbringen lassen!"

    „Genau! Aber jetzt haben Sie ihm seinen Job abgenommen und er kann mit Victor Brilanow Frieden halten. Außerdem wird er sich darauf konzentrieren, Sie zu töten, Harry. Und dabei wird sein ganzer Clan hinter ihm stehen."

    Ich atmete tief durch.

    „Wirklich schöne Aussichten", sagte ich.

    Zwei Wochen geschah nichts.

    Ich dachte schon, die Sache würde sich vielleicht doch von allein regeln.

    Tat sie aber nicht.

    Ich hatte es geahnt.

    Zwei Wochen geschah nichts, dann geschah das Attentat vor dem Anarcho-Lokal in Kreuzberg.

    Der Killer war tot.

    Aber der war ohnehin nur ein Werkzeug gewesen.

    Ein Werkzeug für Farid Abu-Jamal.

    *

    Ein paar Tage später informierte mich mein Chef darüber, dass der ballistische Bericht zu der Waffe vorlag, mit der auf mich vor dem Anarcho-Lokal geschossen worden war.

    „Das ist ein Scharfschützengewehr, wie es normalerweise nur von SEK-Kommandos oder bei der Bundeswehr benutzt wird, sagte Kriminaldirektor Hoch. „Eine sehr gute Waffe. Heißt nach ihrem Konstrukteur: Weitz.

    „Nie gehört."

    „Ist sehr selten. Und die Waffe, die wir sichergestellt haben, ist so gut wie neu gewesen. Die wurde vorher wahrscheinlich noch nie benutzt."

    Ich zuckte mit den Schultern.

    „Der Killer ist tot", gab ich zu bedenken.

    „Und Tote können nicht mehr aussagen."

    „So ist es. Und einen Hinweis darauf, wen Farid Abu-Jamal als nächstes anheuert, können wir uns durch dieses Gewehr auch nicht erhoffen."

    Hoch sah mich an. „Ich frage mich nur, wer zurzeit so etwas hier in Berlin verkauft…"

    „Nun…"

    „Es gibt da ein paar Gerüchte, Harry."

    „Dann vermute ich mal, dass wir sehr bald wieder auf eine solche Waffe stoßen werden."

    „Ja, das ist zu befürchten, war auch Kriminaldirektor Hoch überzeugt. „Ach übrigens, wenn Sie angesichts der jüngsten Ereignisse etwas Urlaub machen wollen…

    „Nein", sagte ich.

    „Wirklich nicht?"

    „Wirklich nicht."

    Mein Chef hob die Augenbrauen.

    Seine Hände steckten in den tiefen Taschen seiner Flanellhose.

    Die Hemdsärmel waren aufgekrempelt.

    „Ich habe es Ihnen angeboten", sagte er dann.

    „Schon klar."

    „Und ich habe Sie auch auf die Möglichkeit hingewiesen, psychologische Betreuung zu bekommen."

    „Ich bin schon eine Weile im Dienst und weiß, wie die Dinge laufen", sagte ich.

    Kriminaldirektor Hoch nickte. „Gut, ich wollte nur sichergehen.

    „Was passiert jetzt mit Farid Abu-Jamal?"

    „Nichts. Wir können ihm nichts nachweisen."

    Ich atmete tief durch. „Hatte ich mir fast gedacht. Das heißt dann wohl, ich muss auf mich selbst aufpassen."

    Ich hatte für mich entschieden, einfach das zu tun, was ich am besten konnte. Meinen Job. Am besten, man ließ sich nicht beirren oder einschüchtern. Wenn man das nämlich erstmal zulässt, dann kann man alles vergessen.

    Hört sich alles allerdings leichter an, als es in Wahrheit ist.

    Tage vergingen.

    Sammelten sich zu Wochen.

    Aber mir war klar, dass es nicht vorbei war.

    Ganz bestimmt nicht.

    *

    Der Mann mit dem dunklen Haarkranz und der Narbe am Kinn hatte ein verkniffenes Gesicht. Entschlossenheit blitzte in seinen Augen. Er sah durch das Zielfernrohr des Spezialgewehrs. Im Fadenkreuz sah er das Gesicht der Bundeskanzlerin. Der Schütze hielt die Waffe so, dass das Fadenkreuz genau über der Stirn war. Gut so, dachte er. Da gehört es hin, dieses Kreuz.

    Er drückte ab.

    Die Kugel traf genau zwischen die Augen. Der Kopf zerplatzte. Blutrot troff es herab.

    Zufrieden senkte der Schütze die Waffe und juckte sich dann auf eine recht auffällige Weise an der Narbe an seinem Kinn.

    „Sie hat es nicht anders verdient", murmelte er.

    *

    „Ein guter Schuss", sagte der andere Mann – hochgewachsen, dunkelhaarig und gut trainiert. Unter dem linken Auge war ein dunkler Punkt, den man auf den ersten Blick für ein Muttermal halten konnte. Wenn man genauer hinsah, erkannte man, dass es eine Tätowierung war. Eine Träne.

    Der Kahlköpfige grinste. „Gute Waffe, meinte er. „Und darauf kommt es, sage ich Ihnen. Auf die Waffe. Und es gibt keine zweite wie diese hier. Das können Sie mir glauben.

    „Wenn Sie das sagen, Herr Weitz."

    Der Kahlköpfige grinste breit. „Ich habe sie konstruiert. Ich kenne jede Schraube an dem Ding und ich sage Ihnen, es ist nie wieder eine Handfeuerwaffe mit einer vergleichbaren Zuverlässigkeit hergestellt worden. Er hob die Augenbrauen. „Sie können damit jemandem auf anderthalb Kilometer das Auge ausschießen, wenn Ihre Hand ruhig genug ist.

    „So anspruchsvoll bin ich gar nicht."

    „Das sollten Sie aber sein, Herr. Wer weiß, gegen wen man sich noch alles verteidigen muss! Die Regierung ist wie eine Krake. Eines Tages kriegt die jeden. Sie werden es auch noch sehen. Und am Ende sind Sie auf sich allein gestellt, wenn diese Arschlöcher Sie mit allen Tricks fertig zu machen versuchen."

    Zusammen gingen sie die fast fünfhundert Schritte, die zwischen ihrem Standort und dem Ziel lagen.

    Sie erreichten einen Baum mit stark überhängenden Ästen.

    Ein Seilstück hing von einem dieser Äste herab.

    Es baumelte.

    Die Melone, die Weitz damit befestigt hatte, war durch den Schuss auseinandergeplatzt. Irgendwo lag ein Computerausdruck, der ein Foto vom Gesicht des Bundespräsidenten zeigte.

    „Sie haben einen eigenartigen Humor, Herr Weitz."

    „Wie?"

    „Ich meine es ernst!"

    „Wieso Humor?"

    „Naja, ich meine, dass Sie die Melonen, auf die Sie schießen, mit Fotos bekannter Leute bekleben."

    „Ja, und?"

    „Mit Politikern und so – Sie wissen schon, was ich meine. Tut mir leid, das finde ich schräg."

    „Ich finde es schräg, wie diese Bande von Parasiten unser Land ausbeutet und sich von all denen einlullen lässt, die das Recht auf Waffenbesitz zurückzudrängen versuchen! Aber ich sage immer, wenn ich meine Waffe nicht mehr in der Öffentlichkeit tragen darf, wie in Berlin, dann ist das der erste Schritt in die Diktatur."

    Weitz bückte sich, hob den Fetzen auf, der von dem Foto der Kanzlerin übrig geblieben war. Sein Gesicht bekam für einen kurzen Moment einen zufriedenen Ausdruck, als er sah, dass der Schuss mit dem Spezialgewehr genau zwischen die Augen gegangen war.

    So, wie es sein sollte, ging es Weitz durch den Kopf.

    „Ich nehme die Waffe, sagte der andere Mann. „Haben Sie auch Munition dafür?

    „Ja, habe ich. Die Waffe ist übrigens so konstruiert, dass Sie auch problemlos Standardmunition verwenden können. Und so, wie es aussieht, werden Sie das auch bald müssen, denn ich kann Ihnen bei den Spezialprojektilen nicht garantieren, dass Sie die noch lange nachbestellen können. Mein Vorrat geht nämlich zur Neige – und ein paar bewahre ich für meine eigenen Zwecke auf. Ich will schließlich vorbereitet sein, wenn es soweit ist und alles zusammenbricht."

    Der Mann mit der Träne unter dem Auge runzelte die Stirn. „Die kleinen Modifikationen, die wir besprochen haben – bis wann können Sie die durchführen?"

    „Ist alles in ein paar Tagen fertig."

    „Dann komme ich am Dienstag zu Ihnen raus."

    „Nein, nicht Dienstag. Dienstag bin ich in Berlin. Kommen Sie Sonntag Abend oder erst Donnerstag. Und bringen Sie den Betrag in bar mit. Ich misstraue der Regierung und dem Bankensystem. Die überwachen doch, wo jeder Cent bleibt und am Ende drehen sie einem einen juristischen Strick daraus, wenn sie es brauchen und einen aus dem Weg räumen wollen. Da kann ich Ihnen Stories erzählen... Da fallen Sie vom Glauben ab, sag ich Ihnen."

    *

    Ich traf mich mich mit einem Informanten aus dem Wedding. Aber diesmal nicht auf der Straße.

    Wir gingen in einen Schwulen-Club.

    Eigentlich war ich mir ziemlich sicher, dort nicht jemanden anzutreffen, der dem Abu-Jamal-Clan angehörte.

    Selbst wenn diese Typen mir auf Schritt und tritt gefolgt wären - dorthin wäre mir keiner von ihnen gefolgt. Schon, damit sie dort nicht gesehen wurden und jemand das weiter erzählte.

    „Du kannst Farid eine Botschaft ausrichten?", fragte ich.

    „Wie stellst du dir das vor?", fragte der Informant.

    „Ja, was ist? Kannst du oder kannst du nicht? Sonst hast du doch immer so groß herumgetönt, dass du das könntest. Und jetzt, wo ich diesen Kanal mal brauche ist bei dir Sendepause?"

    „Das habe ich nicht gesagt."

    „Also, was ist nun?"

    „Okay, was soll das für eine Botschaft an Farid sein?"

    „Sag ihm, dass ich die Sache gerne aus der Welt schaffen würde. Wir können uns treffen. Nur er und ich."

    „Keine Mikros und so?"

    „Nein."

    „Keine Kameras und ein SEK-Kommando im Hintergrund?"

    „Nur er und ich, wiederholte ich. „Ich sage ihm Ort und Zeit.

    „Hm…"

    „Wenn er will. Und wenn er den Mut dazu hab."

    „Ich weiß nicht, wie er darauf reagiert."

    „Ich auch nicht."

    Der Informant lachte. „Das stimmt natürlich…"

    „Ich höre von dir, okay?"

    „Du hörst von mir."

    *

    „Keine Ahnung, ob das wirklich eine gute Idee war", meinte mein Kollege Rudi Meier, als wir später in unserem Dienstwagen saßen.

    „Das weiß ich auch nicht. Aber irgendetwas muss ich tun."

    „Kann ich nachvollziehen."

    „Mal sehen, was aus der Sache wird."

    Erstmal schien es so, als würde nichts daraus.

    Ich hörte jedenfalls in der Sache nichts mehr.

    Naja, ich hatte eigentlich auch nicht wirklich viel erwartet.

    Erstmal…

    *

    Es war ein Dienstag.

    Ein Dienstag, der schon schlecht begann, denn als ich meinen Kollegen Rudi Meier morgens an der bekannten Ecke abholte, um mit ihm zum Präsidium zu fahren, fuhr uns der unvorsichtige Fahrer eines alten Ford hinten drauf. Der Schaden an meinem Dienstporsche hielt sich zum Glück in Grenzen. Etwas eingedrücktes Blech, das war alles. Es hätte schlimmer kommen können.

    Da der Unfall erst abgewickelt werden musste und wir anschließend in der Fahrbereitschaft sicherstellen mussten, dass die Reparatur durchgeführt wurde, erreichten wir das Büro unseres Chefs mit leichter Verspätung.

    Kriminaldirektor Jonathan D. Hoch stand am Fenster und hatte dabei die Hände in den tiefen Taschen einer Flanellhose vergraben. Die Hemdsärmel waren hochgekrempelt, die Krawatte gelockert.

    „Ich weiß, dass wir etwas spät dran sind", begann ich.

    Aber Kriminaldirektor Hoch ging darauf gar nicht weiter ein. „Es hat eine Leiche im Park gegeben, eröffnete er. „Maik Ozanali, 52 Jahre alt, Anwalt. Ozanali hat bis vor kurzem bei der Staatsanwaltschaft gearbeitet und war dort Spezialist für Fälle, die mit Geldwäsche und organisiertem Verbrechen zu tun hatten. Es wäre also nicht unwahrscheinlich, wenn es da einen Zusammenhang gibt. Kriminaldirektor Hoch sah auf die Uhr an seinem Handgelenk. „Der Anruf von der Kollegen kam vor zehn Minuten. Die Untersuchung am Tatort dürfte gerade angelaufen sein."

    „Dann werden wir uns am besten sofort auf den Weg machen", sagte ich.

    „Lassen Sie keine Zweifel daran, dass wir vom BKA die Ermittlungen übernehmen, Harry, ermahnte mich Kriminaldirektor Hoch. „Die Informationen sind zwar noch recht spärlich, aber eigentlich besteht für mich kein Zweifel, dass die Sache in unseren Zuständigkeitsbereich fällt.

    „In Ordnung."

    Es klopfte. Mandy, die Sekretärin unseres Chefs brachte ein Tablett mit dampfenden Kaffeebechern herein.

    „Sie gehen schon wieder?", fragte sie, als Rudi und ich uns in Richtung Tür bewegten.

    Kriminaldirektor Hoch deutete auf die drei dampfenden Becher, die Mandy inzwischen auf den Tisch des Besprechungszimmers gestellt hatte. „Harry und Rudi haben dafür leider keine Zeit mehr, aber lassen Sie sie ruhig hier. Ich trinke alle drei."

    „Wie Sie meinen, Herr Hoch", sagte Mandy.

    *

    Da der Dienstporsche repariert werden musste, nahmen Rudi und ich uns ein Fahrzeug aus den Beständen unserer Fahrbereitschaft. Es handelte sich um einen unauffälligen Ford.

    Leider verfügte der nicht über einen Bordrechner mit TFT-Bildschirm, wie er in den Dienstporsche eingebaut war.

    „Der Name Ozanali kommt mir bekannt vor", sagte Rudi und ging dabei mit seinem Smartphone ins Netz, um zumindest die wichtigsten, öffentlich zugänglichen Informationen suchen zu können.

    „Hat sich selbstständig gemacht, als der neue Oberstaatsanwalt ihm erklärt hat, dass seine Karriere nicht weiter nach oben gehen wird."

    „Woher weißt du das denn, Harry?"

    „Habe ich von Manuel Schneyder gehört. Und der hat es von Ozanali selbst."

    Manuel Schneyder war einer unserer Verhörspezialisten im Innendienst. Und die hatten naturgemäß viel mit Anwälten und Staatsanwälten zu tun, denn bei einer großen Zahl von Vernehmungen bestand entweder eine oder beide Seiten auf eine Anwesenheit. Und natürlich fiel da auch schon einmal das eine oder andere private Wort.

    „Ein Anwalt, der die Seiten wechselt, meinte Rudi. „Erst jagt er Geldwäscher und zuletzt verteidigte er wahrscheinlich genau solche Typen, die er zuvor gejagt hat. Muss auch eigenartig sein.

    „Anwalt und Staatsanwalt dienen beide dem Recht", sagte ich.

    „Kann ja sein. Muss aber trotzdem eigenartig sein, plötzlich auf der anderen Seite zu stehen. Wäre interessant zu erfahren, wieso er sich mit seinem beiden Vorgesetzten überworfen hat."

    „Jedenfalls finanziell gesehen dürfte der Ausstieg kein Nachteil für Ozanali gewesen sein, vermutete ich. „Ich nehme an, dass er mit seinem Spezialwissen bei allen Gangstern Berlins, die ein paar schmutzige Koffer mit Euros weiß zu waschen hatten und dabei erwischt wurden, gerne und zu lukrativen Honoraren engagiert wurde.

    „Willst du ihm daraus einen Vorwurf machen?, fragte Rudi. „Das war nunmal sein Spezialgebiet! Als Anwalt konnte er ja wohl schlecht als Verteidiger von Verkehrssündern anfangen!

    Wir erreichten schließlich den Tatort. An diesem Dienstag war es zwar kalt, aber es schien die Sonne. Wir stellten den Ford aus unserer Fahrbereitschaft auf einem der Parkplätze ab und wir stiegen aus.

    Einige Einsatzfahrzeuge der Schutzpolizei waren hier ebenfalls bereits zu finden. Ein Kollege notierte die Nummernschilder der anderen parkenden Fahrzeuge. Eine vorsorgliche Maßnahme. Jeder, der hier seinen Wagen abgestellt hatte, war möglicherweise auch ein wichtiger Zeuge.

    Wir zeigten unsere Dienstausweise.

    Der Polizeimeister sah auf.

    „Icke bin beeindruckt", sagte er ironisch.

    „Na dann", sagte ich.

    „Kommissar Schaluppke erwartet Sie schon", erklärte er.

    „Christian Schaluppke?", fragte ich. Ich kannte Schaluppke nämlich von einem gemeinsamen Sicherheitstraining im Umgang mit Handfeuerwaffen, zu dem nach und nach sämtliche Polizeieinheiten Berlins geschickt worden waren, nachdem ein psychisch kranker Mehrfachmörder auf dem Weg zum Gericht trotz Handschellen und Fußfesseln einem Kollegen die Waffe abgenommen und damit ein Blutbad angerichtet hatte. Christian und ich hatten uns gut verstanden. Ich hatte nichts dagegen, mit ihm zusammenzuarbeiten.

    Der Kollege beschrieb uns knapp den Weg zum Tatort, und wir machten uns auf den Weg. Aber die Beschreibung des Kollegen hätten wir streng genommen gar nicht gebraucht.

    Auch auf den Rasenflächen des angrenzenden Parks standen mehrere Einsatzfahrzeuge – sowohl von der Schutzpolizei, als auch vom Rettungsdienst sowie von der Abteilung Kriminaltechnische Untersuchung, dem zentralen Erkennungsdienst, der von allen Berliner Polizeieinheiten genutzt wird.

    Der Bereich um den Tatort war mit Flatterband abgegrenzt. Schaulustige standen außerhalb davon und sahen zu, wie ein halbes Dutzend Kollegen und Kolleginnen die Grasfläche nach irgend etwas absuchten.

    Der Tote war bereits in einen Zinksarg gelegt worden.

    Ich bemerkte Dr. Bernd Heinz, einen Gerichtsmediziner der Abteilung Kriminaltechnische Untersuchung. Er winkte uns kurz zu. Jetzt bemerkte uns auch Kollege Schaluppke, der uns bis dahin den Rücken zugewandt hatte.

    Wir stiegen über das Flatterband und gingen zu ihnen hin. Unsere Ausweise trugen wir gut sichtbar, damit di Kollegen Bescheid wussten, dass wir dazugehörten.

    „Hallo Harry! Hallo Rudi!, begrüßte uns Dr. Heinz. „Ich habe das Wesentliche gerade schon mit Kollege Schaluppke besprochen. Aber für euch auch nochmal das Wesentliche: Letale Schussverletzung. Die Kugel drang fast genau dort, wo sich die Nasenwurzel befindet, in den Schädel ein. Kaliber kann ich euch erst sagen, wenn ich mit der Obduktion fertig bin.

    „Die Kugel ist nicht ausgetreten?", fragte ich.

    „Nein, sie ist noch im Schädel."

    „Spezialmunition, meldete sich Christian Schaluppke zu Wort. „Muss sowas Ähnliches sein, was wir auch benutzen.

    Ich wusste natürlich, was Christian meinte. Moderne Waffen haben oft eine enorme Durchschlagskraft. Ein einziger Schuss kann unter Umständen nacheinander mehrere Körper durchschlagen. Gerade bei Polizeieinsätzen zur Geiselbefreiung und ähnlichem würde ein Schusswaffeneinsatz zwangsläufig Unbeteiligte in Mitleidenschaft ziehen, wenn man nicht die richtige Munition benutzt.

    „Unser Täter scheint ja richtig rücksichtsvoll zu sein", sagte Rudi stirnrunzelnd.

    Christian deutete in Richtung einer Baumgruppe, die sich ungefähr zweihundert Meter entfernt befand. Links davon waren die Piers und die Anlegestellen der Fähren zur Statue of Liberty zu sehen.

    „Aus Turguts Richtung wurde geschossen", erklärte Christian Schaluppke.

    „Turgut?", echote ich.

    Tatsächlich entdeckte ich unseren Chefballistiker Turgut Özdiler. Er kauerte in einiger Entfernung am Boden und führte gerade eine Laserpeilung durch, um den Einschusswinkel näher zu bestimmen und hatte uns noch nicht bemerkt. Er stand anschließend auf und ging auf die Baumgruppe zu.

    „Ihr Kollege meint, dass der Schuss ungefähr von der Baumgruppe aus abgegeben worden sein muss", berichtete Christian.

    „Auf zweihundert Meter?", staunte ich.

    „Ein guter Schütze", kommentierte Rudi.

    „Einem Scharfschützen mit einem sehr guten Gewehr und einer hervorragenden Zieloptik, stellte Kommissar Schaluppke klar. „Die Bäume dort sind im übrigen auch die einzige Möglichkeit für den Täter gewesen, Deckung zu finden. Ihr Kollege meinte allerdings, dass er da noch etwas überprüfen will. Sie fragen ihn am Besten gleich selbst danach.

    Das Gebiet um die Baumgruppe war ebenfalls mit Flatterband abgegrenzt worden. Mehrere Kollegen des Erkennungsdienstes stöberten dort herum, das Gesicht dabei stets aufmerksam auf den Boden gerichtet.

    Es war ja schließlich möglich, dass der Täter dort irgend etwas hinterlassen hatte.

    „Ihr braucht mich dann ja hier nicht mehr, meinte Dr. Heinz. Er wandte sich an mich. „Der Tote kommt jetzt zu uns ins Labor. Wenn sich dabei nichts Außergewöhnliches ergibt, dann habt ihr das vorläufige Ergebnis noch heute Mittag. Ich schlage vor, dass das Projektil dann gleich in die KTU-Labors geht, oder besteht ihr darauf, es bei euch zu untersuchen?

    „Nein, nein, wehrte ich ab. „Wir wollen das Ergebnis so schnell wie möglich.

    „Gut, nickte Dr. Bernd Heinz. „Wir hören dann voneinander.

    Bevor der Tote fortgebracht wurde, hatte ich noch kurz Gelegenheit, einen Blick auf ihn zu werfen. Sein Blick war starr. Das Einschussloch war ziemlich klein – aber das erstaunt nur diejenigen, die zu viele Action-Filme gesehen haben. Das Einschussloch ist meistens klein, die großen Wunden entstehen bei Austritt des Projektils. Und das war in diesem Fall im Körper geblieben und steckte jetzt vermutlich in der hinteren Schädelwand oder vielleicht auch in den Halswirbeln. Er trug einen grauen Dreiteiler, darüber einen ebenfalls grauen Mantel. Die Schusswunde hatte offenbar nicht stark geblutet. Das weiße Hemd und die sehr gediegen wirkende Krawatte mit dem Anker darauf, hatten kaum Blut abbekommen. Nur ein paar Spritzer, die so klein waren, dass man genau hinsehen musste.

    Aber es gab einen roten Fleck in Bauchhöhe, der irgendwie gar nicht dazu passte.

    Ich fragte Kollege Schaluppke danach.

    „Herr Ozanali aß ein Sandwich, als er erschossen wurde."

    „Verstehe", murmelte ich.

    „Aber ich verstehe nicht, wieso jemand so früh am Morgen sich in den Park begibt und dort ein Sandwich isst!"

    „Ditte ist nicht so schwer zu verstehen, sagte Schaluppke.

    Ich hob die Augenbrauen.

    „Ach, nee?"

    „Das mit dem Sandwich, meine ich. Oder Stulle, wie das richtig heißt."

    „Aha. Und ich dachte, sowas nennt man Döner."

    „Die gibt es hier in der Nähe, erklärte Schaluppke. „Was soll es dafür eine Erklärung geben? Ich nehme an, Herr Ozanali hatte einfach Hunger und zu Hause nichts gefrühstückt.

    „Trotzdem eigenartig, meinte Rudi. „Zur Tatzeit dürften vor allem Jogger hier im Park gewesen sein. Und Leute, die ihre Hunde ausführen.

    „Vergessen Sie die Angler am See nicht", meinte Schaluppke.

    „Meinetwegen. Und Ozanali kommt hier in Schlips und Anzug hin, um ein Sandwich zu essen?"

    „Die Kollegen haben einige Zeugenaussagen aufgenommen. Vielleicht ist etwas dabei, was man verwerten kann, Harry."

    „Sag mal – noch was anderes, Christian…."

    „Schieß los!"

    „Hatte ich das falsch in Erinnerung oder seit wann bist du bei der Mordkommission? Ich dachte, du wärst auf deiner Dienststelle bei der Einheit, die sich mit organisiertem Verbrechen beschäftigt?"

    „Bin ich auch immer noch, Harry. Wenn jemand einen Mann mit Ozanalis Vergangenheit erschießt, dann riecht das doch nach organisiertem Verbrechen. Und ich denke, deswegen seid ihr auch hier."

    „Stimmt", musste ich zugeben, während der Tote weggetragen wurde.

    „So wie es aussieht, wir ja nun Ihr Team den Fall an sich ziehen, aber wenn das nicht der Fall gewesen wäre, hätten wir das getan. Und ich gehe jede Wette ein, dass das kein gewöhnlicher Mordfall mit persönlichem Hintergrund ist."

    „Ozanali hat sich hier mit jemandem getroffen, vermutete Rudi. „Und zwar unter quasi konspirativen Umständen. Dabei bekommt er eine Kugel in den Kopf.

    „Noch ist das eine Vermutung, gab Schaluppke zu bedenken. „Aber genau so könnte es gewesen sein.

    Etwas später wurden wir zu der Baumgruppe gerufen, von der aus offenbar geschossen worden war.

    „Wir haben die exakte Position, von der aus geschossen wurde", erklärte Turgut Özdiler. „Um eine Patronenhülse zu hinterlassen war der Täter

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