Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Laternen, die sich spiegeln
Laternen, die sich spiegeln
Laternen, die sich spiegeln
eBook60 Seiten45 Minuten

Laternen, die sich spiegeln

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Das Büchlein versammelt zwölf Kurzerzählungen und Miniaturen, in denen sich Hans Leip als Meister der kleinen Form erweist. Nicht die große Welt der Schiffe und Meere steht hier im Vordergrund, sondern die "kleine", aber nicht minder geheimnisvolle der Boote und Uferränder. Da ist Wulewumm, das mystische Riesengeschöpf, "der Heidekerl, der als kleiner Junge auf den Gletscherschimmeln vom Nordpol hergeritten ist, der anno dazumal den Mammuten und Nashörnern die Zähne ausgezogen hat, wie heutzutage andere Jungen den Fliegen die Beine", dem es aber nun unter dem Menschengewimmel der Alster zu laut geworden ist; da ist Maras Fetisch, die hässliche Gallionsfigur ihres Bootes, die eine rätselhafte symbolische Macht zu entwickeln scheint; und da ist Ilsebill, die, wie könnte es auch anders sein, nach ihrem "Buttje!" ruft, aber was dann kommt, ist so ganz anderes als bei den Gebrüdern Grimm … Der Band wurde vom Autor selbst kongenial illustriert. In jeder Beziehung ein Kleinod!
SpracheDeutsch
HerausgeberSAGA Egmont
Erscheinungsdatum23. Okt. 2015
ISBN9788711467480
Laternen, die sich spiegeln

Mehr von Hans Leip lesen

Ähnliche Autoren

Ähnlich wie Laternen, die sich spiegeln

Ähnliche E-Books

Allgemeine Belletristik für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Laternen, die sich spiegeln

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Laternen, die sich spiegeln - Hans Leip

    gleichen.

    Der blanke Schrank

    Als ich heimkam, ging ich zu Tante Gesehen, Sie wohnte in dem schönen roten Stift, dessen mächtiger Backsteingiebel weit über die Außenalster blickt. Die schmiedeeiserne Tür klappte zu, mein Stiefel hallte im Torweg und kluckerte und knirschte auf dem Kiesgange, welcher den Garten mit streng rechtwinkligen Abzweigungen durchschneidet. Rechts und links warteten flache Rabatten, von Tannenzweigen zugedeckt, auf Schneeglöckchen und Krokus, und aus dem Ziegelviereck der Stiftsgebäude leuchteten die weißen Reihen der Fensterrahmen, Blumenstöcke hockten hinter den blanken Scheiben und zwischen den Gardinen rührten sich weiße und graue Köpfe, die mit Brillen und Augen meinen griesen Mantel betrachteten, der schlecht in den sauberen Stiftsfrieden paßte. Und auch Tante Geschen war erschrocken, als ich gardelang und mit preußisch gestraffter Wirbelsäule in ihre Jungfrauenkammer trat Es war südlich warm in ihrer Stube und roch nach Lavendel und nach dem zierlichen Kraut, das die Bauern wie in verschollener Romantik „Marieken Bettstroh" nennen.

    Tante Geschen saß wie immer in ihrem verschossenen Armsessel vor den grünen Kurven der Mullgardinen, mit der schwarzen Fleckhaube auf den fahlen Haaren, die sich kaum von der Wangenfarbe abhoben. Ihr Gesicht war voller Furchen, wie ein Acker, über den der Säemann schreiten will. Ihre Gemütsbewegungen waren nur an dem mehr oder minder offenen und zitternden Munde abzulesen. Am verwunderlichsten kamen mir ihre Hände vor, die im Schoße auf der schwarzseidenen Schürze lagen. Wie abgeschlagen lagen sie da, denn die langen, engen schwarzen Ärmel waren kaum vor dem schwarzen Kleide zu erkennen. Sie waren voller Knoten und Einschnürungen, als hätten sie ihr Leben lang Fesseln und Banden getragen. Oder sie sahen aus wie knorrige Wurzeln, die sich nach der Erde sehnen. Am unheimlichsten waren sie, wenn ein mattes Flackern sie bis in die Fingerspitzen durchkroch, und die gelben großen Hakennägel leise auf dem glatten Stoff scharrten. Die jungen, drallen Mädchen, die den alten Damen Kaffee und Zeitung brachten und die Stuben heizten und feulten, hatten alle ein Gruseln vor diesen Händen. Und die Brotfrau — Tante Geschen verwaltete mißtrauisch ihr Brot selber — fühlte einst die kalte Angst in ihre Beine jagen, als sie einen Pfundklöben, welcher der Alten nicht gewichtig genug erschien, aus den zitternden Runzelhänden zurücknehmen sollte. Das halbe Stift hatte aufgelauscht, als die Händlerin Himmel und Hölle anschwor zu Zeugen für ihre reelle Ware, wie sie beredt wurde, gleich einem Kriegsversorgungsamt, und zuletzt das Brot verschenkte. Die Treppen und Hallen des Stiftes waren alle hell und neu und rochen fast noch nach dem Schweiß der Maurer, und doch graulten sich die Mädchen im Dunkeln vor Tante Geschens Tür.

    Mir war vor ihren Händen nicht bange, waren ja alte, müde Hände, die ihr Werk getan. Und die vielen Hände da draußen, erstarrt und verkrallt, waren weit eher geeignet zu dumpfen Betrachtungen. Ich liebte die verfangene altmodische Luft ihres Zimmers, ihre grünen Gardinen, ihren runden Tisch mit den Klauenfüßen, ihr Biedermeiersofa, das bei ihr nicht als Theaterrequisite wirkte, ihre kleinen, vergilbten Stiche an den Wänden und ihren blanken Schrank. Dieser Schrank hatte es mir besonders angetan. Er stand in einem Winkel, in den sich sein dreieckiger Grundriß glatt hineinschmiegte, war nicht sehr hoch und hatte ganz gerade Umrißlinien, aber in wundervoll ruhigen und ausgewogenen Verhältnissen. Diese setzten sich fort in der leicht vorgewölbten Tür, in der breit kannelierten Schublade darüber, in der schmalen Aufsatzplatte und dem schweren Unterbau. Die Anordnung der beiden Schlüssellöcher, die sparsamen, einfachen Schmuckriefen, alles mußte so sein und nicht anders. Am schönsten aber war der tiefe braunrote Glanz seines alten Mahagonis. Geheimnisvolle Lichter spiegelten auf der breiten Türfläche und auf den Leistenbuckeln, schmale und runde, spitze und weiche, Flecken, Streifen, Wirbel und Schlangen, aber alle gedämpft von dem tiefdunklen Altbraun und voll verhaltener Flammen von der Maserung unterspielt. Alle Töne des Zimmers waren tief in den roten Grund getrunken und leuchteten seltsam daraus hervor, als

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1