Zwei Minuten vor der Zeit: Geschichten, die das Leben schrieb
Von Margret Datz
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Buchvorschau
Zwei Minuten vor der Zeit - Margret Datz
Die Prinzessin
Steffen, der Pfleger, führte sie zum Chefarztzimmer und setzte sie neben mich auf die Bank. Sie trug, wie fast täglich, das schwarze Kleid mit den goldenen Pailletten, das am weiten Halsausschnitt ihr knochiges Schlüsselbein freigab. Aus dem bronzefarbenen, faltigen Gesicht leuchtete ein grell geschminkter Mund, das lackschwarze, künstlich gewellte Haar war nur von einzelnen Silberfäden durchzogen. Klein, schmal, in sich zusammengesunken saß sie da. Schwieg. Schaute auf ihren Rock, durch den sich ihre mageren Beine abzeichneten, die knochigen, braunen Hände im Schoß gefaltet. Dann straffte sich ihr Oberkörper, dünne, klauenartige Finger mit langen, tiefrot lackierten Nägeln bohrten sich in meinen Arm. Ich dachte an meine Großmutter, die sich auf die gleiche Art Gehör verschafft hatte. Breite Armreifen von zweifelhaftem Gold, zu leicht und zu glänzend, um echt zu sein, klirrten bei der Bewegung gegeneinander. Sie beugte sich verschwörerisch zu mir hin und flüsterte:
Die denken hier alle,ich sei eine Zigeunerin. Aber das stimmt nicht. Ich bin eine richtige Deutsche, genau wie du!
Sie duzte mich, als seien wir seit Jahren bekannt,dabei hatte ich seit meinem Eintreffen in der Klinik noch keine drei Worte mit ihr gesprochen. Jetzt begann sie, hektisch in ihrer Handtasche zu kramen, zerrte ihre Habseligkeiten hervor und warf sie achtlos in den Schoß: eine abgeschabte Geldbörse, ein zerknülltes Taschentuch, Kamm, Lippenstift, Puderdose und Papiere, jede Menge Papiere, zerknittert und mit Eselsohren versehen, versanken in der Grube ihres Rockes.
Ich hab' einen Ausweis, er muss hier drin sein!
Während sie weiterwühlte, erschienen an ihrem Halsausschnitt kleine, rote Flecken, breiteten sich aus bis hinauf ins Gesicht und vermischten sich mit dem Rouge auf den Wangen. Die rasierten und mit schwarzem Stift nachgemalten Brauen über den tiefdunklen Augen zogen sich angestrengt zusammen, in der Puderschicht hatten sich feine Risse gebildet: ein Altfrauengesicht, das einmal schön gewesen sein muss, jetzt aber lächerlich wirkte und wie eine erstarrte Clownmaske. ,,Prinzessin", so wurde sie hier höhnisch genannt, und schon kurz nach meiner Ankunft im Kurheim hatte man mir von ihr erzählt, so dass ich sie, als sie mir zum erstenmal begegnet war, sofort erkannt hatte: ein verrückter, kleiner, ein wenig zerrupfter Paradiesvogel, auffällig gekleidet, weder dem Alter noch dem Anlass gemäß (als Alternative zum Paillettenkleid trug sie eine durchsichtige weiße Bluse zum schwarzen, langen Rock, der um ihre mageren Beine flatterte, damit war ihr Vorrat an Garderobe offensichtlich erschöpft), auffällig geschminkt und mit ebenso auffälligem Benehmen. Sie mischte sich in jedes Gespräch, schloss sich unaufgefordert Spaziergängern an und redete auf sie ein, ging zu jedem Tanzabend und warf sich den anwesenden Herren an den Hals, die sie lachend über die Tanzfläche zerrten und sich über sie lustig machten. Und sie glaubte sich umschwärmt!
Auch die Damen amüsierten sich gerne auf ihre Kosten, schnitten sie aber und tuschelten hinter vorgehaltener Hand. Mal schien sie lebenslustig und überaktiv, mal irrte sie verwirrt durch die langen Flure und suchte ihr Zimmer, oder sie beschuldigte ihre Nachbarin des Diebstahls. Sie war lästig und anstrengend, und ihr Verhalten oft sehr peinlich. Sie tat mir leid, aber auch ich hatte bisher ihre Gegenwart nicht gerade gesucht.
Während sie an den Papieren riss, redete sie ununterbrochen: Ich bin keine Zigeunerin, das kannst du mir glauben, mein Ausweis muss doch hier drin sein! Siehst du, mein Sparbuch ist auch weg! Das hat meine Nichte geklaut. Ich hab das Konto gleich sperren lassen, aber das Geld war natürlich schon weg. Und jetzt krieg' ich nichts mehr! Muss nach Eisenach, haben sie gesagt. Wie komm' ich bloß nach Eisenach? Meine Haushälterin hat mich ja hergefahren und das Auto mit zurückgenommen.
Mein Gewissen regte sich: Ich hatte meinen Wagen dabei, und es wäre ein Leichtes gewesen, sie die 40 Kilometer dorthin zu fahren. Sie hatte offensichtlich kein Geld für den Bus, der dreimal am Tag verkehrte. Aber ich war zur Kur hier, war schwer krank gewesen und hatte Erholung dringend nötig. Sollte ich mich freiwillig einen ganzen Nachmittag lang mit diesem anstrengenden Wesen belasten? Außerdem wusste ich von einer Schwester, dass eine Sozialarbeiterin sie hergebracht hatte. Ihre Geschichte stimmte nicht ganz, vielleicht würde sie auch mich anschließend des Diebstahls bezichtigen. Man wusste nie genau, was man ihr glauben konnte, Realität und Phantasie, Klarheit und Verwirrung wechselten sich ab, manchmal lebte sie im Heute, manchmal in der Vergangenheit.
Angst schwang jetzt in ihrer Stimme mit: Man muss ja so aufpassen, dass man nicht bestohlen wird. Du kannst keinem trauen. Wie in Ravensbrück. Dort musstest du deine Sachen auch immer im Auge behalten, sonst kamen sie einfach weg, einfach so!
Sie schnippte verärgert mit den Fingern.
Selbst das Brot haben sie dir dort geklaut. Ich war fünf Jahre in Ravensbrück, bis 45, aber ich bin keine Zigeunerin, das kannst du mir glauben. Ich war krank, davon ist meine Haut so dunkel geworden. Früher war ich ganz hell, genau wie du. Ich bin eine richtige Deutsche, ich kann's dir beweisen. Irgendwo muss doch mein Ausweis stecken! Er war ganz bestimmt hier drin.
Sie warf ihre Habseligkeiten zurück in die Tasche und begann erneut mit der Suche, zerrte hektisch Stück für Stück wieder heraus.
Lassen Sie, sagte ich beschwichtigend, das geht schon in Ordnung, ich glaube Ihnen das doch!
Wirklich, ich bin keine Zigeunerin! In Ravensbrück war ich wegen meinem Vater. Der ist von den Nazis umgebracht worden. Mein Bruder auch, auch meine Mutter und meine Schwester. Ich hab' Glück gehabt, weiß nicht warum. Ich hab's überlebt.
Jetzt faltete sie mit zitternden Fingern jedes einzelne Papier auseinander, legte es auf ihren Schoß und strich es mit kurzen, fahrigen Bewegungen glatt. Steffen, der bisher unbeweglich am Fenster gestanden und hinausgeschaut hatte, wandte sich mir zu:
Ich muss wieder nach oben. Könnten Sie darauf achten, dass sie hier bleibt? Sie vergisst nämlich, dass sie einen Termin hat. Gestern ist sie einfach weggerannt, und wir mussten sie überall suchen.
Kommen Sie, sagte ich, nahm ihr die Papiere aus der Hand und steckte sie zurück in die Handtasche. Ich weiß ja, dass Sie keine Zigeunerin sind. Das sieht man doch, Zigeuner haben glattes Haar und Sie haben Locken!
Sie sah mich dankbar lächelnd an, und ihr grell geschminktes, knochiges Gesicht wirkte plötzlich weich und glücklich. Die Tür zum Chefarztzimmer ging auf, und sie wurde hereingerufen. Sie drehte sich noch einmal um und flüsterte verschwörerisch:
Ich bin wirklich keine Zigeunerin, du hast recht!
Ich griff zu meinem Buch, das neben mir auf der Bank lag, und fühlte ein Blatt, das ihr vom Schoß gerutscht sein musste.
Ailina C., geb. 1921 in Belgrad,
z.Zt. wohnhaft in Eisenach
Der von Ihnen beantragte Sanatoriumsaufenthalt wurde bewilligt.
Die Kosten übernimmt der Verein der Opfer des Naziregimes. Die
Einweisung erfolgt durch das für Sie zuständige Sozialamt der
Stadt Eisenach.
ZENTRALRAT DER SINTI UND ROMA, Heidelberg, März 1994
Ich bin keine Zigeunerin. Darauf bestand sie. - Ich hätte weinen mögen!
Bekenntnisse eines Sport-Muffels
spORT war für mich immer ein Ort unaussprechlicher Qualen! Schon als Kleinkind war mir jede Art mutwillig erzeugter Bewegung suspekt, und lange Zeit befürchtete man, irgendeine geheimnisvolle Krankheit hemme meine Muskulatur. Im Winter saß ich mit Wonne stundenlang auf einer Decke in der warmen Stube, spielte mit einer prallgefüllten Knopfkiste, die einen schier unerschöpflichen Vorrat an Knöpfen verschiedener Farben, Formen und Größen barg, legte bunte Gärten, Häuser und Städte, erträumte mir Freundinnen und Geschichten, die ich mit ihnen erlebte, und legte mir eine Welt zurecht, in der ich die tolldreistesten Abenteuer sitzend bestehen konnte. Im Sommer genügte mir für diese Aktivität ein schattiges Plätzchen im Hof, von dem aus ich meine imaginären Scharen dirigierte. Ich redete dabei mit verschiedenen Stimmen, und wer mich nicht sah, musste den Eindruck gewinnen, ich sei von Menschenmassen umgeben. Zwar hatte ich schon mit neun Monaten laufen gelernt,