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Miß Lind und der Matrose
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eBook105 Seiten1 Stunde

Miß Lind und der Matrose

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Über dieses E-Book

Der Hamburger Matrose Schareko lässt sich nach einer tiefen menschlichen Enttäuschung von einem Heuerbüro anmustern. Auf dem Schiff nach Amerika lernt er die geheimnisvolle Miss Lind kennen und verfällt ihrem Reiz. Aber wer ist diese rätselhafte Frau, die alle Männer in Atem hält? In New York angekommen scheinen die Verstrickungen des Schicksals ihre Schlingen auch um Miss Lind und ihren Matrosen zu legen … Eine großartige Erzählung, die unter anderem auch das Gefallen Thomas Manns fand und viele Auflagen erlebte. AUTORENPORTRÄT Hans Leip (1893–1983) war der Sohn eines ehemaligen Seemanns und Hafenarbeiters im Hamburger Hafen. Leip wuchs in Hamburg auf. Ab Ostern 1914 war er Lehrer in Hamburg-Rothenburgsort. Im Jahre 1915 wurde er zum Militär einberufen; nach einer Verwundung im Jahre 1917 wurde er für dienstuntauglich erklärt. Leip kehrte in seinen Lehrerberuf zurück, gleichzeitig begann er, in Hamburger Zeitungen Kurzgeschichten zu veröffentlichen. 1919 fand die erste Ausstellung von Leips grafischen Arbeiten statt, der zu dieser Zeit das Leben eines Bohemiens führte. In den zwanziger Jahren unternahm Leip ausgedehnte Reisen, die ihn u. a. nach Paris, London, Algier und New York führten. Seinen literarischen Durchbruch erzielte er 1925 mit dem Seeräuberroman "Godekes Knecht". Während des Zweiten Weltkriegs lebte er ab 1940 dann vorwiegend am Bodensee und in Tirol. 1945 kehrte er für kurze Zeit nach Hamburg zurück, ließ sich jedoch dann im Schweizer Thurgau nieder. Hans Leips literarisches Werk besteht aus Romanen, Erzählungen, Gedichten, Theaterstücken, Hörspielen und Filmdrehbüchern; vorherrschende Themen sind das Meer und die Seefahrt. Sein Nachruhm beruht allerdings hauptsächlich auf dem Gedicht "Lili Marleen", das Leip 1915 verfasst und 1937 in den Gedichtband "Die kleine Hafenorgel" aufgenommen hatte; in der Vertonung von Norbert Schultze, interpretiert von der Sängerin Lale Andersen und verbreitet durch den Soldatensender Belgrad erlangte das Lied während des Zweiten Weltkriegs eine ungemeine Popularität nicht nur bei den Angehörigen der deutschen Wehrmacht.
SpracheDeutsch
HerausgeberSAGA Egmont
Erscheinungsdatum13. Okt. 2015
ISBN9788711467510
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    Buchvorschau

    Miß Lind und der Matrose - Hans Leip

    lebt.

    So will ich dies beginnen, ich, der Matrose Schareko, wie sich mich nannten, und sie nannten mich so, weil einer den Film gesehen hat zu Antwerpen, worin ein Mörder so hieß und mir ähnlich sah. Ich fluche dem Schicksal nicht, das mich krank gemacht hat in der fremden Welt, hier zu Rabaul auf Neupommern bei Australien, wo ich sitze in einem reinlichen Bett wie ein Kajütspassagier.

    Zwei Wochen sind es schon.

    Geduld ist eine elende Sache. Ich will meinen Kopf nicht hinlegen; ich habe gelernt, die Feder zu führen; es war in Hamburg, wo ich aufwuchs. Doch daran zu denken ist verlorene Mühe; gibt es doch manche genug, die wimmern zu ihrer Zeit, daß sie ein Kind sein möchten wie einst, um es neu anzufangen, dies verfluchte Leben.

    Dies verfluchte Leben! Keiner ist unter uns, der es nicht liebt.

    Im offenen Fenster seh ich das Gebirge. Dahinter liegt das Gold an den Bulolobächen. Ich höre die Schritte derer, die sich aufgemacht haben. Bald wandere ich zwischen ihnen über die Pässe. Der Württemberger ist schon vorweg. Ich rieche den Staub. Die Wege sind schlecht. Es ist Sommer ringsum. Wer Geld hat, nimmt ein Flugzeug.

    Bald wird mein Bein aus der Gipsschiene genommen. Die Schwester lächelte, als sie hinter dem Arzt hinausging. Denn das Bein war es nicht, das schwarze Fieber war es, das in mich fuhr mit dem ablandigen Wind die Nacht, als wir die Küste erreichten. Da sah ich ein Gespenst — die Toten leben nicht — aber sie stand gleichsam im Vorschiff wie damals, Cläre, das »suchende Fräulein«, und ich ging auf sie zu voll Erstaunen, jedoch wo sie stand war die offene Luke; es war alles bereit zur Landung, aber ich war blind vor Fieber und Gram; ihr süßes Gesicht schwebte über mir, und so fiel ich herab in den Laderaum auf die Kisten. Und hätte ich mir das Genick gebrochen, es wäre aus gewesen und gut.

    Aber ich soll leben.

    Ich schreibe dies, meine Finger sind ungelenk; wer soll es lesen? Ich weiß nicht, warum ich es schreibe: gut, es vertreibt die Zeit, sage ich mir, die elenden Tage. Ich könnte auch wohl auf dem Rücken liegen, die Mücken zählen überm Netz, bequem hingelegt wie ein Dollarfürst und mit den andern reden in diesem traurigen Saal. Doch das, was nachts ist, genügt mir davon. Zum Satan!

    Das ist kein Fluch, und wenn schon, es steht niemand hinter mir, um mich anzusehen deswegen. Ich will es schreiben, wie alles war; es liegt wie in Klotz auf meiner Luft. Ich will es aufschreiben, es wird mir leichter.

    Damals kam ich notgedrungen wieder nach Hamburg, weil der Dampfer Oranta den Kurs hatte und nicht unsertwegen nach Kapstadt gehen konnte, wie unser armer Kasten wollte mit Stückgut von Halifax, wobei er leck sprang nach drei Tagen schon. Und das wegen der Versicherungssumme, sagten alle. Es war ein Glück, daß es in der Nähe des großen Weges von New York nach Europa war, wo Schiffe genug liefen, uns aus der elenden See zu fischen. Einige holten sie auf die »Bengaria«, mit der die Millionäre fahren, die an der Reling standen und wetteten, ob es gelinge mit uns, und somit kamen einige zurück nach USA. Aber ich mußte mit nach Hamburg, wo es keine Dollars und nur Erinnerungen für mich gab.

    Unsre Retter waren Helden; selbst ein Steward war mit im Boot gewesen, aber auch uns gab man zehn Mark durch einen Senator, sowie fünf durch die Seemannskommission und zwei Flanellhemden. Doch als es sich herausstellte, daß ich kein Amerikaner war, hörte ich nichts mehr von Ersatz für meine Sachen, die alle im Seesack geblieben waren und auf dem Meeresgrunde ruhen. Aber der Württemberger, der drüben Bäcker gewesen war und das Bürgerrecht hatte, war besser daran, wie auch sonst oft. Er hielt sich gerne zu mir, war auch mit demselben Boot gerettet worden. Sein Name war Fisher, und er schrieb es so, um als Yankee zu gelten, was ihm seines käsigen Gesichts wegen jedoch nicht gelang. Auch konnte er sich von einem kleinen Schnurrbart nicht trennen, so strohig er war.

    Das Heuerbüro ließ uns erstaunlicherweise den Vortritt, anzumustern, wann wir wollten, und ich tat es bald, war mir doch alles fremd geworden in den Straßen, und zu Hause erst recht. Meine Fahrzeit reichte längst; der Baas rechnete es in meinem Buch zusammen, und ich heuerte voll als Matrose an, mit einem gehörigen Vorschuß wegen der Ausrüstung, und ich kam auf die »Radiance«, wo zwei Leute durch eine Keilerei auf St. Pauli ausfielen. Die Kompagnie war gut, das Schiff war gut, fast wie die »Bengaria«, und war für zweitausend Passagiere nach New York, wenngleich bezüglich der Getränke damals trocken, da es unter den Sternen und Streifen fuhr, wo es eine Weile nichts Berauschendes gab. Das Berauschende, o meine Seele, fing mich dort anderweitig ein.

    Ich hatte das, was übrig war von meinem Vorschuß, in der Peterstraße gelassen, es versoffen und versaut; denn meine Mutter war gestorben während der Zeit, als ich weg war. Und von den Mädchen, die ich vordem gekannt hatte, war die eine verheiratet, und es reizte mich nicht; die andere war in der Peterstraße bei einer öffentlichen Wirtin, und obschon ich sie verachtete wegen ihres Gewerbes, winselte sie mir doch das letzte ab wie eine richtige Hure, und da alles, was ich vorgefunden hatte, dazu angetan war, mich weichmütig zu stimmen, versprach ich ihr, sie zu heiraten, wenn ich zurückkäme. Sie versprach auch, einen anderen Lebenswandel zu beginnen. Somit ging ich an Bord und sah mich noch einmal um nach dem Michelturm und einmal nach den Hügeln bei Blankenese, wo es schön gewesen.


    Wir hatten genug zu tun von Anfang an. Es war ein piekfeines Schiff, und wir jagten umher mit dem Seifenlappen und Maleimer, rieben, putzten und pinselten. Nachtsüber wuschen wir die Decks, wo tags die zarten Schuhe der Passagiere promenierten.

    Der Württemberger war gleich mir auf die »Radiance« gegangen, und das für den zweiten Mann, der dem andern das Messer in den Bauch gerannt hatte. Schon den andern Tag suchte der Obersteward jemanden, der bei der Ladung mit Ordnung halten sollte, weil darunter achttausend lebende Kanarienvögel, Affen und Papageien waren. Dazu hätte ich wohl Lust gehabt, denn ich liebe Tiere von Jugend auf. Aber ich bin zögernd im Entschluß, wenigstens in Dingen, die mein Wohlergehen betreffen, somit kam mir der Schwab zuvor und erhielt den Druckposten, hatte aber nachdem mehr Arbeit und Gestank von dem Viehzeug, als ihm recht war, während mein Schicksal dort unten nicht hätte so verlaufen können, wie es verlaufen sollte. Und daß wir getrennt waren voneinander, ich begrüßte es, war gerade er es doch gewesen, der mir den Spottnamen Schareko eingetragen hatte und mich nie anders nannte, so daß auch hier es alle gleich hörten und mich gar nicht anders kennenlernten. Ich unterließ es, sie aufzuklären, sie hätten mich sicher erst recht so genannt und mit ganzer Lust und Freude, wie es die Art einfacher Menschen ist, die ihresgleichen hochnehmen, wo sie können. Womöglich hätten sie auch noch die ganze Geschichte meiner Ähnlichkeit mit diesem albernen Filmtheater von dem Württemberger aufgetischt bekommen; denn er aß natürlich in unsrer Messe, wenn auch in der zweiten Backschaft.


    Der Kanal schäumte wie neues Seifenwasser. Es war mühselig, nach Boulogne hineinzukommen, wo der Anker schlecht faßt auf den Felsen, und es gefährlich ist in dem schmalen Hafen. Die Brandung stieg höher als der Leuchtturm auf der Mole und spritzte bis auf unser Bootsdeck. Der Tender langte an und hüpfte vor unsrer Pforte, so daß die zukommenden Passagiere mit Hängen und Würgen die Außenbordtreppe enterten, und selbst wir schleppten unter Anstrengung das große Gepäck herauf, da die Stewards es schon sauer genug mit den Handtaschen hatten. Eine See kämmte in den Spalt zwischen Schiffswand und Tenderbord; die Smutjes rollten mit ihren halben Ochsen auf der Schulter wie ein Haufen Dreck durcheinander mitsamt den Fischkörben und Gemüsekisten. Ich hielt mich krampfhaft im Lot, biß in den Koffer, der groß war wie ein Sarg, wie es mir vorkam, und ich gurgelte meinen Vordermännern zu, nicht loszulassen. Denn der Koffer war sehr schön aus grauem Wildleder, und es wäre so lachhaft wie schade gewesen, wenn wir damit hinabgekippt wären ins Nasse.

    Als wir oben waren, sprach mich eine Dame an und sagte, es sei brav gewesen, und der Koffer gehöre ihr. Ich wandte mich

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