Backschisch: Die erste deutsche Kreuzfahrt in das Mittelmeer
Von C. W. Allers
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Buchvorschau
Backschisch - C. W. Allers
Augusta Victoria, aus „Album von Hamburg" ca.1890, unbek. Künstler
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Die erste deutsche Kreuzfahrt
Mitreisende
Erläuterung einiger Begriffe
C.W.Allers: Backschisch
Cuxhaven
Southampton, London
Gibraltar
Genua
Alexandria, Kairo, Pyramiden
Jaffa, Jerusalem, Bethlehem
Beirut, Damaskus
Constantinopel (Istanbul)
Piräus, Athen
Malta, Palermo
Neapel, Capri
Lissabon
Southampton, London, Hamburg
Am Stammtisch (Nachwort)
Nachwort des Herausgebers
Zu einzelnen Personen
Literatur
Weblinks
Personenverzeichnis
Vorwort
Das Buch Backschisch
war noch im Jahr der Reise 1891 in einer Auflage von nur 200 Stück erschienen, gelangte aber nicht in den regulären Buchhandel. Aus dem Jahre 1973 gibt es einen limitierten Nachdruck von 100 Stück (ISBN 3-7702-2700-X). Beide Ausgaben leiden unter der schwer lesbaren Handschrift.
In dieser Ausgabe, jetzt mit gedruckter Schrift, werden nicht entzifferte Worte als [...] dargestellt. Dieser Nachdruck enthält mit wenigen Ausnahmen (unleserlicher Text, Mini-Skizzen) den vollständigen Text und die Zeichnungen der Originalausgabe, die Zeichnungen sind aber gegenüber dem Originalformat (ca. DIN A3 quer) verkleinert.
Es wird mit wenigen Ausnahmen die heutige Rechtschreibung ('Kairo' statt 'Cairo', 'dass' statt 'dasz', etc) benutzt. Bei Ortsnamen, die heute anders lauten (Constantinopel -> Istanbul, Smyrna -> Izmir, usw.) wird im Text ein Hinweis gegeben. Erläuternde Anmerkungen des Herausgebers sind in Klammern und kursiv angegeben, z.B. (heute: Izmir).
Die erste deutsche Kreuzfahrt
Der HAPAG Direktor Albert Ballin kam auf die Idee, die im Winter nicht ausgelasteten Schiffe teilweise für Vergnügungsfahrten einzusetzen. Im Jahre 1891 wurde dies erstmals realisiert mit der Fahrt der Augusta Victoria ins Mittelmeer. Dieser erst 1889 in Stettin gebaute Schnelldampfer (nicht zu verwechseln mit der 1906 in Dienst gestellten Kaiserin Auguste Victoria
) war mit 7.250 BRT bemessen, hatte eine Länge von 145m und eine Breite von 17m. Er gehörte der Hamburg-Amerikanischen Packetfahrt-Actien-Gesellschaft (HAPAG) und befuhr in den Sommermonaten die Amerika-Linie. Der HAPAG-Direktor Albert Ballin war an Bord auf dieser Fahrt.
Mitreisende
Unter den etwa 200 Passagieren werden im Text u.a. erwähnt:
Allers (der Autor): Christian Wilhelm Allers, 33 Jahre, Zeichner, war erst wenige Jahre zuvor in Deutschland bekannt geworden durch seine Werke „Club Eintracht, „Spreeathener
und „Die silberne Hochzeit".
Ballin: Albert Ballin, 33 Jahre, war bereits mit 18 Jahren Prokurist einer von seinen Eltern gegründeten Auswandereragentur geworden. Später leitete er die Passagierabteilung der Carr Reederei, und seit 1888 war er einer der Direktoren der HAPAG.
Benrath: Reporter des Hamburger Correspondent
Strumper: J.H. Strumper, professioneller Fotograf aus Hamburg
Erläuterung einiger Begriffe
Bumboot : schmales langes Boot (der Name kommt vom Einbaum)
Dragoman : Dolmetscher und Reiseführer
Fra Diavolo : italienischer Räuber, bekannt aus gleichnamiger Oper
Havelock : Mantel mit Armlöchern, aber ohne Ärmel
Heiliger Gallier: Gallus war ein Heiliger, zu dem etliche Bauernregeln existieren in der Art „Viel Regen zu Gallus - Regen bis Weihnachten."
Kawass : Wächter
Khedive : osmanischer Vizekönig von Ägypten
Paragraph 11 : aus Bier-Comments, etwa „Es wird weitergesoffen!"
S.M. : Seine Majestät
Theater Morieux : Schaustellerbetrieb mit Nebelbildern, Stereoskopen, Cycloramen u.a.
Torfewer : kleines Segelschiff zum Transport von Torf
C.W. Allers: Backschisch
Cuxhaven
Donnerstag, den 22. Januar 1891 : Abfahrt aus Cuxhaven
Endlich ging's los. Die Augusta Victoria
hatte mehrere Tage im Eise festgelegen. Heute ist Prachtwetter. Dicker Schnee und Sonnenschein. Der Kaiser (Wilhelm II.) hatte morgens noch unser Schiff besichtigt. Wir trafen ihn auf der Fahrt nach Cuxhaven in Himmelpforten.
In Cuxhaven höllisches Leben, blauer Himmel. Das ganze Nest und Umgebung auf den Beinen, um S.M. den Kaiser und unsere Abfahrt zu besichtigen. In langer Reihe stapften wir mit unserem Handgepäck durch den Schnee zur behaglich dampfenden Augusta Victoria.
Der Hafen und die Schiffe, gewaltig aufgetürmte Eisschollen und der Schnee wirkten im Sonnenschein sehr malerisch. Die guten Cuxhavener besichtigten unsere Truppe sehr genau, und an Bord wurden wir mit Musik empfangen. Stewards sind anscheinend reichlich vorhanden und diese gefälligen Herren hatten uns bald alle Mann samt Gepäck weggestaut.
Mein Schlafkollege, die Norddeutsche Allgemeine Zeitung in Gestalt des Herrn Jahnel, war schon beim Auspacken, und wir verständigten uns bald über die Raumaufteilung. Ich musste fix sein, um meine Requisiten behaglich und häuslich zu ordnen. Das elektrische Licht wird probiert, das Bett befühlt und beklopft, und dann zufrieden der Ausgang gesucht. Nach einiger Zeit fand ich auch den Weg an Deck und konnte gerade noch mein Taschentuch verwerten, um den Tausenden draußen Lebwohl zuzuwinken. Wir hatten uns unmerklich auf den Weg gemacht.
Gewaltige Hurra's! Die Musikkapelle mit Meister Ascher als Anführer bläst fix drauf los, alle Hüte und Taschentücher hier und drüben werden geschwenkt und bald entschwindet die Alte Liebe
. 1½ Stunden fuhren wir durch Eis und Schnee, das wie dicker Rahm aussieht, ehe wir die eisfreie See erreichen. Sie war vorläufig noch recht anständig, und alle Passagiere konnten sich vertrauensvoll im eleganten Speisesalon zusammenfinden.
Was für ein Gewühl zuerst an Bord eines solchen Schiffes, aber bald geht alles seinen ruhigen Gang. Jeder hat seinen Futterplatz, kennt seine Stewards und die Wege in seine Kojenheimat. Es dauert aber doch viele Tage, ehe man alle Kniffe und Richtwege im Schiff rausgefunden hat und das Vorder- vom Hinterteil unterscheiden kann, ohne erst die See und Wellen um Rat zu fragen.
Natürlich fand ich viel mehr alte Bekannte und gute Freunde unter den Passagieren zusammen als ich erwartet hatte. Jeder fast schleppte mich in seine Koje, um die Sache mit Cognac anzufeuchten, denn jeder hatte im Geheimen trotz Verbot der Gesellschaft eine kleine Ladung eingeschmuggelt. Bei Cognac traut kein Mensch dem Anderen, nicht mal der Paquetfahrt (HAPAG), und wie angenehm täuschten wir uns, da eine Unmasse von der besten Sorte an Bord war.
Freitag, der 23. Januar 1891 : Fahrt nach Southampton
Musik in Hülle und Fülle an Bord. Morgens früh Flaggenparade und einige Geister stürzten zum Fenster. Vormittags Promenadenkonzert und belegte Butterbrötchen, als Vorbereitung zum Lunchen. Außer der Musik bei den Mahlzeiten noch abends Bierkonvent mit Seideldeckelklappbegleitung bei passenden Stücken. Kapellmeister Ascher ist mit zahllosen Musikideen und Döntjes versehen und hat alle Nationalhymnen an Bord, um das Wohlwollen der Völker, die wir entdecken werden, zu erwerben. Er hat so viele Orden, dass es ordentlich klappert, wenn er geht.
Im Rauchsalon haben sich schon eine gehörige Portion Skatecken zusammengefunden bei Cocktail, Sherry-Cobler, Grog und Bier. Amüsante Gesellschaft. Ich nutze schon meinen Bleistift. Vier Kollegen von der Tinte sind vertreten. Hamburger Correspondent (Benrath), Hamburger Nachrichten (Wallsee), Hamburger Fremdenblatt und Berliner Börsen Courier (Weth) und Norddeutsche Allgemeine Zeitung (Jahnel, mein Schlafkumpan). Außerdem sind diverse Setzer und Drucker und eine Schnellpresse an Bord. Meister Benrath hat neben seiner Berichterstatter Beschäftigung auch die anstrengende Aufgabe der Leitung und Herausgabe einer alle 2 bis 3 Tage erscheinenden Reisezeitung, der Augusta Victoria Zeitung
, übernommen.
Gestern nach Tisch wurde die See etwas bewegter. Viele fehlten an der Tafel. Seekrankheit mit Musik. In den sauberen Betten mit den zweiten Wollsocken liegt man sehr behaglich und die vorbei rauschende See lullt mollig ein. Während wir Passagiere uns faul und behaglich ausstrecken, arbeitet eine gewaltige Menschenmasse Tag und Nacht für unsere Behaglichkeit und Sicherheit. Die Bäckerei, Konditorei, Küche, Maschinenräume, Barbier und Badestuben, Druckerei etc etc. Vom Schiffsjungen bis zum Kapitän, alles geht wie geschmiert und läuft unhörbar und tadellos seine Wege. Aber Faulenzen auf See ist doch riesig angenehm, nur wird man dabei leichter seekrank. Als alter Matrose von der Kaiserlichen Marine sollte ich eigentlich seefest sein, da man als Kuli gar keine Zeit zu solchem Unsinn hat. Aber das Herumlungern an Bord ohne Herumgeschubse, Fluchen, Deckscheuern, Segelmanöver, Backgeschirr reinigen, Musterungen, Zeugflicken, Geschützexerzieren etc etc bringt die alte Seeplage wieder hoch.