Ein Jahr in Island: Auswandern auf Zeit
Von Tina Bauer
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Über dieses E-Book
Hinreißend erzählt Tina Bauer von einem Jahr zwischen Hotpots, Elfen und Vulkanen.
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Buchvorschau
Ein Jahr in Island - Tina Bauer
Tina Bauer
Ein Jahr in Island
Auswandern auf Zeit
Impressum
Titel der Originalausgabe: Ein Jahr in Island
Auswandern auf Zeit
© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2016
Alle Rechte vorbehalten
www.herder.de
Umschlaggestaltung: Designbüro Gestaltungssaal
Umschlagmotiv: © Schroptschop – iStock
E-Book-Konvertierung: Konvertierungsdienstleister
ISBN (E-Book): 978-3-451-81150-0
ISBN (Buch): 978-3-451-06927-7
Inhalt
Prolog
maí
júní
júlí
ágúst
september
október
nóvember
desember
janúar
febrúar
mars
apríl
Anmerkungen
Für meine Eltern
Prolog
NICHT REDEN, SONDERN MACHEN! Wenn ich eines in Island gelernt habe, dann ist es, die Dinge zu nehmen, wie sie sind, sich von neuen Ideen überraschen und mitreißen zu lassen und diese in die Tat umzusetzen. Geht nicht gibt es nicht bei den Isländern! Optimismus bestimmt den Charakter dieses Inselvolkes.
Mit ihrem sympathischen Nationalstolz und dem familiären Zusammenhalt ihrer Mini-Gesellschaft von gerade einmal rund 330000 Einwohnern haben die Isländerinnen und Isländer jüngst bei der Fußball-Europameisterschaft in Frankreich auf dem Platz und in den Fanblöcken für weltweite Aufmerksamkeit und Begeisterung gesorgt. Eine kleine Insel ganz groß! Der mitreißende Hú-Schlachtruf verbreitete sich rasend schnell über Medien und soziale Netzwerke – und man wird davon schlicht mitgerissen!
Diese fröhliche Stimmung, dieses Gefühl, auch als kleine Nation etwas Großes erreichen zu können, sich nicht abbringen zu lassen von seinem Traum – das begeistert auch mich, seitdem ich das erste Mal in Island war. Vermutlich fasziniert mich vor allem das vollkommen andere Lebensgefühl, das ich – aufgewachsen unter achtzig Millionen in Deutschland – nur schwer nachempfinden kann. Meine Komfortzone verlassen zu haben und mich auf das Leben auf der Nordmeerinsel, die hellen Sommernächte und dunklen Wintertage, die manchmal schrullige, meist liebenswerte Art der Isländerinnen und Isländer einzulassen, ihre Mentalität und Gewohnheiten ein Stück näher kennenzulernen, war die beste Entscheidung bisher in meinem Leben. Immerhin ein kleiner Funke der isländischen Gelassenheit und des optimistischen Lebensmottos „þetta reddast!" – das wird schon klappen! – ist auf mich übergesprungen.
Seit meiner Auswanderung auf Zeit in Island ist viel passiert. Ich bereise das Land jedes Jahr für mehrere Wochen. Intensiv unterhalte ich mich mit meinen isländischen Freunden über die Veränderungen im Land, schaue isländische Nachrichten und lese Meinungen auf Facebook. Der Tourismus boomt – das kurbelt die Wirtschaft und Kreativität der Isländer an, von denen so viele nach der Finanzkrise vor dem Nichts standen. Jedem sei der Erfolg gegönnt. Doch die Gier der Menschen kann auch vieles kaputt machen, wie die Isländer selbst nach dem Platzen der ersten Finanzblase erlebt haben. So suchen sie jetzt den Grad zwischen dem Fortschrift im Hotelbau und -gewerbe und dem Erhalt vor allem der Reykjavíker Altstadt und der grandiosen Natur. Eine Herausforderung, die es weiterhin spannend für mich macht, immer wieder Island zu besuchen und die Entwicklung zu beobachten.
Trotz dieser Veränderungen bleibe ich fasziniert – und meine in Island entstandenen Freundschaften sind längst ein Stück Heimat für mich.
maí
„WAS WAR DAS? WAR DAS EIN WAL? Bitte sagen Sie meinem Mann, dass das ein Wal war, er glaubt mir sonst nicht." Ganz aufgeregt ist die Frau, nimmt ihre Mütze ab, nestelt am Reißverschluss ihres roten Anoraks. Ja, das war ein Wal, tatsächlich! Als wir mit der Fähre Norröna morgens um acht Uhr in den Fjord von Seyðisfjörður einlaufen, streckt der Buckelwal direkt vor dem riesigen Koloss einer achtstöckigen Autofähre den Kopf aus dem Wasser. Als habe er nur darauf gewartet, die Neuankömmlinge auf der Insel zu begrüßen. Jetzt spüre ich: Ich bin wieder da – ich bin wieder in Island. Ich fühle mich willkommen und sofort wieder heimisch.
Vier Wochen ist es her, dass wir in Stuttgart gestartet sind: mein blauer Opel Corsa, bepackt mit Ela, einer islandbegeisterten Freundin, mir und einem kompletten Camping-Wander-und-ein-paar-persönliche-Dinge-Überlebenspaket für die Insel. Wir hatten Station in Hamburg, Kopenhagen und auf den Färöer Inseln gemacht. Denn anstatt mich in dreieinhalb Stunden mit dem Flugzeug nach Island beamen zu lassen, wollte ich schon lange den Weg auf die Insel im Nordmeer auskosten. Und jetzt haben wir unser Ziel erreicht. Ich habe mein Ziel erreicht: Island. Und diesmal sollen es nicht nur ein paar Wochen Urlaub auf der Insel sein.
Das erste Wochenende auf isländischem Boden ist einfach perfekt. Seyðisfjörður ist die östlichste Stadt Islands. Aber was heißt hier schon „Stadt! Wie ein kleines Kind an seine Mutter schmiegt sich das Dorf im engen Fjord an die steilen Berge. Und wie ein überdimensionierter Fremdkörper in einer Spielzeugeisenbahn-Landschaft legt die riesige Fähre an. Vom Deck aus erinnern die Arbeiter am Kai an Miniaturfiguren – lediglich, dass sich die Männchen in ihren gelben Leuchtwesten und weißen Bauarbeiterhelmen bewegen. Hoch über den Köpfen und den roten, blauen, gelben, grünen Holzhäusern ragt die Gangway gleich einem weißen Riesenfinger über den Anleger. Wir begeben uns unter Deck, um wie alle anderen zu den Autos zu drängeln. Aber es dauert noch mindestens eine Stunde. Erst rollen Reisebusse und Wohnmobile von der Fähre, dann endlich dürfen wir von Bord. An Land beginnt das Spiel von vorne. Wieder reihen sich alle in eine Schlange, und ein Zollbeamter schickt seinen schwarzen Labrador den Autokorso entlang. Aufgeregt wedelt dieser mit dem Schwanz, dreht sich mehrmals um sich selbst – aber schlägt nicht an. Einige Wohnmobile werden dennoch in eine Garage gelotst. „Meinst du, die filzen uns auch?
– „Quatsch, wo sollen wir denn in deinem Hausfrauen-Auto Drogen oder Essensrationen im Übermaß verstaut haben?! Ela bleibt gelassen, während meine Handinnenflächen etwas feucht sind. Eine Isländerin mit gelber Warnweste steht plötzlich neben mir. Ich kurble das Fenster herunter. „Góðan daginn, guten Tag. Haben Sie etwas zu verzollen? Wie lange bleiben Sie in Island?
Zwei Fragen auf einmal. Erstere verneine ich. Um auf die zweite zu antworten, stammle ich etwas von einem Jahr. Die Frau knipst ein Loch in einen grünen Aufkleber und drückt ihn von innen an die Windschutzscheibe. „Velkomin til Íslands!"
Die meisten der Touristen, die mit der Fähre im Sommer zweimal in der Woche hier ankommen, nehmen den direkten Weg in Richtung Egilsstaðir und Ringstraße. „Diese führt einspurig in jede Richtung einmal um die Insel – 1336 Kilometer lang. Was aussieht wie eine deutsche Landstraße, ist die längste Straße Islands, klärt uns Nick auf, den wir beim Einchecken in der Jugendherberge kennenlernen. „Schön, dass ihr zumindest eine Nacht hier bleibt.
Nick kommt auch aus Deutschland und jobbt den Sommer über als Mädchen für alles in der hiesigen Jugendherberge. „Das machen viele hier so. Das isländische Jahr ist zweigeteilt: drei Monate Sommer und dann eben der Rest des Jahres. Den arbeite ich als Webdesigner in Reykjavík und Berlin, ein bisschen Musik mache ich auch noch nebenbei. Die Sommermonate aber werden ausgekostet. Hier in den einsamen Ostfjorden der Insel kriege ich den Kopf frei vom Rummel in den Städten. Ich muss an Claus denken, der in Reykjavík schon wartet. Vor einem Jahr hatte ich ihn während eines Urlaubs hier kennengelernt. Solange er den Sommer über in einem kleinen Familienhotel in den Westfjorden arbeitet, kann ich in seine Wohnung ziehen. Auch Claus, der sich sein Geld als Postbote in Reykjavík verdient, stammt aus Deutschland, und seit Jahren besucht er während der drei Sommermonate die Westfjorde. „Es leben viele Deutsche in Island
, sagt Nick. Kann er Gedanken lesen? „Auch wenn du Island entdecken und die Isländer kennenlernen willst: Es hilft, wenn man sich gelegentlich mit Landsleuten austauschen und so quatschen kann, wie einem der Schnabel gewachsen ist." Gut möglich. Bevor ich aber jetzt weiter über Wohnen und Arbeiten in Reykjavík nachdenke, möchte ich doch lieber die letzten Tage unserer vierwöchigen Reise genießen.
Nachdem Ela und ich die Schlafsäcke entrollt, eine Runde geduscht und ein Nickerchen nach einer unruhigen Nacht auf See gehalten haben, geht’s raus. Blau ist der Himmel, und für isländische Verhältnisse verbreitet die Sonne halbwegs angenehme Wärme. Was unsere Zimmergenossin gar nicht so empfindet: Dick eingepackt in Wollsocken, Fleecejacke, Mütze und Schal sitzt sie vor der Jugendherberge und sucht verzweifelt nach wärmenden Sonnenstrahlen. „Ist es im Mai hier eigentlich immer so kalt? – „Kalt? Heute ist es doch ziemlich warm.
In T-Shirt, Jeans und Flip-Flops springt Nick im Garten herum und hängt Wäsche auf. Ela und ich finden das Mittelmaß an Klamottenschichten und ziehen los: einmal um die hellblaue Kirche herum, zwischen den bunten, mit Wellblech verkleideten Holzhäusern durch und zum Hafen. Dort türmen sich Berge schwarzer Fischernetze mit gelben Styropor-Bojen. Daneben stehen rostige Fässer mit giftig roter Flüssigkeit. Meterlange Röhren warten darauf, unter der Straße verlegt zu werden, damit das Schmelzwasser nicht den Straßenuntergrund wegspült. „Ordentlich sind die Isländer ja nicht gerade. – „Dafür gibt’s für uns genug zu fotografieren.
Und damit unsere Digitalkamera-Chips mal wieder gesprengt werden, fahren wir noch ein Stück am Südufer den Fjord entlang.
Bald parken wir das Auto und gehen zu Fuß weiter. „Das ist aber auch ein Graus mit uns! Ela sieht mich schelmisch an und macht ein Foto von mir. „Da kommt man ja gar nicht gescheit vorwärts, ständig das Auto stoppen, raus, rein, zwei Meter fahren, nächster Fotostopp.
Graue Häuserruinen, rostige Bagger, ein gusseiserener Ofen im Nichts vor blauem Himmel und Bergpanorama: Wir vergessen die Zeit. Aber unser Ziel ist klar: Skálanes, eine Unterkunft mit Café am Ende oder Anfang des Fjords – je nachdem, von wo man kommt. Stunden später sind wir da. Ein Golden Retriever begrüßt uns wie alte Bekannte. Sonst ist niemand zu sehen. Vorsichtig betreten wir das Café. Überall liegt Werkzeug und Baumaterial herum. Nebenan hören wir einen Mann telefonieren. „Hallo?! – „Ich habe schon auf euch gewartet. Ég er Óskar, ich bin Óskar. Vorhin bin ich an euch vorbeigefahren mit der neuen Saunatür auf meinem Pick-up.
Obwohl noch kein offizieller Betrieb herrscht, macht Óskar uns einen Espresso und teilt sein letztes Stück Marzipankuchen mit uns.
Dann zeigt er uns die neue Sauna, den Hotpot, die Zimmer und den Garten, in dem Eiderenten brüten. „Hier habe ich meinen Ort gefunden. Der Glückliche. Mit seinem vierrädrigen Motorrad begleitet er uns auf unserem zehnminütigen Fußmarsch zum Vogelfelsen. Lundar! Wie Pinguine mit zu kurzen Flügeln flattern die Papageientaucher aufgeregt durch die Luft. „Clowns der Lüfte werden sie deshalb auch genannt.
Óskar klettert den Hang ein Stück nach oben, wo es felsiger wird. Will er uns imponieren? Ich kann kaum hinschauen. Die schwarzen Vögel mit den roten Patschfüßchen und gelb-rot-weiß gestreiften Schnäbeln hingegen lassen sich zusammen mit den Möwen ins Meer stürzen, von den Windböen wieder emportragen, um dann elegant auf einem winzigen Felsvorsprung an der Steilwand zu landen.
Weitaus weniger elegant schleppen wir uns dann zurück zum Auto. Nach zwanzig Kilometern Fußmarsch, Millionen Mal auf den Kameraauslöser drücken und der Überdosis frischer isländischer Seeluft fallen wir am Abend in unsere Jugendherbergsbetten. Doch mitten in der Nacht schrecke ich hoch. Ich fasse mir an die Ohren: Alles noch dran. Aber ich höre nichts. Absolute Stille. Als ich mich auf den Flur zum Badezimmer schleiche, knarzen die alten Holzdielen. Erleichtert atme ich auf: Taub bin ich jedenfalls nicht, es ist nur so ungewohnt still. „Kannst du nicht schlafen? Ich fahre herum. „Musst du mich so erschrecken!
Nick steht im Türrahmen zur Küche. „Komm, ich zeig dir was. Ich folge ihm zum Küchenfenster. Draußen dämmert es, obwohl es mitten in der Nacht ist. Am gegenüberliegenden Berghang, über den Häuserdächern leuchtet in mannshohen Lettern „Seyðisfjörður
. Darunter grasen Pferde und Schafe. Sonst ist niemand zu sehen. Friedliche Stille.
Bevor wir uns am nächsten Morgen auf den Weg machen, tauschen Nick und ich noch unsere Telefonnummern aus – falls ich in einigen Wochen mal mit jemandem Deutsch quatschen möchte. Von Seyðisfjörður zuckeln wir die steile Straße auf die Hochebene Fjarðarheiði hinauf. In Egilsstaðir decken wir uns mit Proviant ein: endlich wieder isländisches Fladenbrot, flatkökur, mit gesalzener Butter, den quarkähnlichen skyr mit Blaubeergeschmack und zum Nachtisch Schokoriegel mit Lakritzkern – lecker! „Und das kannst du jetzt jeden Tag haben", meint Ela etwas neidisch.
Eigentlich bin ich mir sicher gewesen, dass die Begrüßung durch den Wal und die Flugshow der Papageientaucher durch nichts zu toppen sein dürfte. Doch als wir uns dem Hochland nähern, steht auf einmal eine Herde Rentiere am Straßenrand und grast. Einfach so! Wir stoppen den Wagen, pirschen uns leise ran. Neugierig heben die Rentiere ihre Köpfe. Um die dreißig Tiere sind es, beigefarben, mit großartigen braunschwarzen Geweihen. Der Wind pfeift in den Ohren, die Sonne strahlt, ich halte den Atem an. Plötzlich galoppiert ein Tier mit ausladenden Schritten los, die anderen folgen ihm, und schon ist die Herde hinter den Hügeln verschwunden. Ich drehe mich um. Hinter unserem Wagen hat ein Traktor gehalten und ein hageres Männchen springt vom Bock. Das Gesicht vom Wetter gegerbt, die Haut erscheint wie die Rinde eines Baumes. „Góðan daginn. Ich bin Gústi, begrüßt uns der Bauer. „Diese Teufelsbraten! Sie pirschen sich an und fressen unsere saftigen Wiesen ab
, schimpft er und zwinkert mit den Augen. Sóley, eine isländische Freundin in Reykjavík und wandelndes Landeskundelexikon, hatte mir schon einmal davon erzählt: Vor Jahrhunderten haben ihre Vorfahren Rentiere aus Norwegen nach Island gebracht, um von dem Fleisch leben zu können. Doch das Projekt ist gescheitert. „Die Rentiere haben nie die wirtschaftliche Bedeutung erlangt wie unsere Schafe. Jetzt leben noch ein paar Tausend von ihnen hier im östlichen Hochland, erklärt Gústi. Und da um diese Jahreszeit noch wenig Touristen auf der Straße unterwegs sind, wagen sich die Tiere bis auf die bewirtschafteten Weiden vor. „Die sollen das noch genießen, bis wir im Herbst wieder auf Jagd gehen dürfen. Góða ferð – Gute Fahrt.
Gústi schwingt sich auf seinen rostigen Traktor und tuckert davon.
Und auch wir fahren weiter, nehmen den nördlichen Weg auf der Ringstraße gen Westen bis Reykjavík. Endlich Reykjavík! Der Weg ist das Ziel? – Mag schon sein, doch ich will nun vor allem eines: ankommen in meinem neuen Zuhause. Lange genug hatte ich gehadert, ob ich mich wirklich auf ein neues, anderes Leben in Island einlassen kann und soll. Wohnung, Büro, sichere Jobaufträge und ein gewachsenes Netzwerk aufgeben? Freunde und Familie dreitausend Kilometer entfernt wissen? Ja! Schließlich ist Island mit seiner brodelnden, Lava spuckenden Landschaft und der kreativ-pulsierenden Hauptstadt Reykjavík, den verrückten, skurrilen Isländern momentan genau der richtige Ort für neue Herausforderungen.
Und dann erhebt sich wie ein Wachtturm die hellgraue Hallgrímskirche über die Dächer der Stadt, in der die Hälfte aller 330000 Isländer lebt. Reykjavík – nach stundenlanger gemütlicher Fahrt über Land bei maximalen neunzig Stundenkilometern ist die Stadt endlich auf der anderen Seite des Fjords in Sicht. Reykjavík ist Kontrastprogramm zum Rest der Insel. Einige Kilometer pflügt sich ein sechsspuriger Highway quer durch die Hauptstadt. Industriegebiete, Autohäuser, Fastfood-Restaurants und Tankstellen säumen die Piste. Lediglich die Altstadt hat ihren Reiz.
„Velkomin til Íslands! Claus begrüßt uns typisch isländisch: „Bitte die Schuhe ausziehen.
Mit Grausen erinnere ich mich an frühere Erfahrungen mit dieser Sitte. Bei meiner ersten Reise nach Island forderte die Ankunft gleich in der ersten Unterkunft ein Höchstmaß an Selbstbewusstsein – außerdem möglichst geruchsresistente Mitmenschen. Denn um beim aufgegebenen Gepäck Gewicht zu sparen, hatte ich meine Wanderschuhe angezogen. So badeten meine Füße auf dem Weg vom hochsommerlichen, dreißig Grad heißen Deutschland bis nach Island stundenlang in schweißnassen Socken und entsprechenden Schuhen. Erschrocken las ich das Schild am Eingang der Jugendherberge: „Bitte Schuhe ausziehen!" Darunter reihte sich ordentlich ein Paar Schuhe ans nächste. Also gut, dann eben auch meines – was mir ziemlich unangenehm und peinlich war. Damals gewöhnte ich mir an, stets ein zweites Paar Socken griffbereit zu halten.
So auch jetzt: Schnell husche