El Hierro: Urlaubsziel & Zuhause
Von Emil Francke
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Über dieses E-Book
Zwei ältere Freunde treffen sich im Spätherbst auf El Hierro und erzählen wechselseitig, aus der Sicht des Residenten und des Urlaubers, von ihren Erlebnissen, Erfahrungen und Eindrücken auf dieser bezaubernden Insel abseits der Touristenströme. Dabei werden viele Plätze der abgelegenen Insel erwähnt. Die Erzähler genießen die wechselnden An- und Aussichten, indem sie sich u.a. lustvoll auf das Phänomen der Passatwolken einlassen. - Zwischen Fiktion, Erlebtem und darauf gründenden Einsichten entsteht das Mosaik einer besonderen Insel, die Reisende auch mit ihren ökologischen Projekten und Visionen anzieht. Die rund fünfzig Kurzkapitel spiegeln eigene Reiseeindrücke. Sie können und wollen kein Reiseführer sein.
Emil Francke
Emil Francke hat sich nach einem erfolgreichen Berufsleben im In- und Ausland mit dem Studium der Neueren Geschichte einen Jugendwunsch erfüllt. Neben genealogischen Themen, zu denen er mehrere Zeitschriftenaufsätze veröffentlicht hat, gilt seine besondere Liebe der Kanareninsel El Hierro. Mit diesem Reisebüchlein teilt er seine Begeisterung mit Freunden und anderen Lesern.
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Buchvorschau
El Hierro - Emil Francke
Abbildungen
1 ERWARTUNGEN
Erwarten Sie keinen Reiseführer. Sie blättern in einem kleinen Reisebuch mit Impressionen und Reflektionen zu ausgewählten Plätzen auf der Insel. Die Erfahrungen gründen auf fünf El Hierro-Reisen zwischen 2012 und 2015. Es ist nicht zu übersehen, dass für den Autor eine Stelle auf der Insel zentral ist. Cuesta Verde ist auf keiner Landkarte zu finden.
Von den rund 50 Kleinkapiteln sprengen drei die Themen eines Reisebuches. Sie sind mit einem Stern gekennzeichnet. Der daran nicht interessierte Leser kann sie mühelos überspringen.
1 Palmenraster
2 DIE ANKUNFT
Als die beiden massigen Turbotriebwerke die Boeing 757 vom Münchener Flugfeld gen Westen nach oben zogen, hatte meine Reise nach El Hierro unwiderruflich begonnen. Ich würde Karl Malinow treffen, der sich auf der Insel Carlos Malino nannte. Von Herkunft Hamburger, hütete er Finca & Haus seiner Tochter Rieke und seines Schwiegersohns Dirk ein, während diese vor ihrem nächsten Inseltrip zum Geldverdienen in Deutschland waren. Ich hatte Carlos im Umfeld meines schrägen Hobbys kennengelernt. Er hatte mich auf die abgelegene Insel aufmerksam gemacht.
2 Das Valle del Golfo aus der Höhe bei Jínama
Abgelegen, weil es nicht immer glückt, sie an einem Tag zu erreichen. Der übersichtliche Inselflughafen mit einer Start- und Landebahn kann nur von den kleinen Maschinen der innerkanarischen Fluggesellschaft Binter angeflogen werden. Sie verbindet Teneriffa Nord mit El Hierro. Die großen internationalen Maschinen, wie meine heutige Boeing, landen aber in Teneriffa Süd. Dazwischen liegt eine Stunde Busfahrt. Vorsorglich hatte ich mich darauf eingestellt, die Insel nicht an einem Tag zu erreichen. Das war gut so. Denn mit der Verspätung meines Fluges hätte ich weder die Fähre in Los Christianos noch den Binter-Flug im Norden der Insel erreicht. Aber jetzt passte alles: die einfache Pension in Flughafennähe, die freundlichen Mädels in der Tapas-Bar Café al Mar, die Auswahl von Pulpo, Atun y Tinto und zehn Stunden später das Aufwachen im milden Inselklima des neuen Tages sowie der anschließende Weiterflug. Nichts mehr von den Platzregen und Stürmen der letzten Tage.
Gestern waren wir in unserer Reiseflughöhe stundenlang ohne Sicht durch dichte Wolken geflogen. Erst in der letzten Stunde vor der Landung war der Blick auf Wolkengebirge unter uns frei geworden. Wie Eisbergformationen schienen sie aus dem Meer tief unter uns aufzutauchen. Der Himmel über dem reinen Wolkenweiß in griechischem Blau.
Heute fast wolkenloser Himmel. Erst kurz vor El Hierro verdichteten sich dann Schönwetterwolken. Aber der Blick auf die Nordostseite der Insel war von Süden bis Norden frei. Sehr schnell dann der Inselhafen La Estaca, das Ortsbild von La Caleta, ganz nah die Häuser des kleinen Ortes und unmittelbar danach die Landung auf der kurzen Flughafenpiste. Carlos wartete mit seinem Nissan-Patrol, und schon ging es auf Serpentinen Richtung der Inselhauptstadt Valverde in die Höhe.
„Was hat es mit diesen vier Windrädern auf sich, Carlos? Jetzt sind sie schon wieder verdeckt. Es sind doch vier. Oder?"
„Nein, es sind insgesamt fünf. Und sie sind erst kürzlich in Betrieb gegangen. Eigentlich wenige für ein international einmaliges Ökostromkonzept, das El Hierro Besucherdelegationen aus vielen Ländern beschert. Zuletzt waren die Chinesen hier. Rieke hat bereits vor zwei Jahren in einem TV-Spot darüber berichtet. Dann schien es nicht mehr voranzugehen. Aber jetzt ist das Ganze gut angelaufen. Wir werden noch genug Zeit haben, es uns aus der Nähe anzusehen. Aber jetzt musst du erst einmal ankommen. Nach der nächsten Kurve siehst du schon die Inselhauptstadt Valverde."
3 Blick auf Valverde von Osten
„Fast wie auf einem Bild von August Macke, diese kubischen Häuser. Aber woran sind wir denn gerade vorbeigefahren? Sah wie zwei futuristische Gipskolosse aus."
„Das war ein Recycling-Kunstwerk des kanarischen Künstlers Rubén Armiche. Ausgediente Elektrogeräte und anderen Zivilisationsschrott hat er zu einem mythischen Fantasiegebilde geformt und mit Gips ummantelt. Das hast du richtig gesehen. Es geht um die Bajada, das alle vier Jahre stattfindende Inselfest. Seine eigentliche Botschaft aber ist, unseren Müll nicht herumliegen zu lassen, sondern einzusammeln und wieder zu verwerten. Leider ist das Material sehr hinfällig, so dass die Skulptur nach wenigen Jahren bereits im letzten Jahr aufwendig ausgebessert werden musste. Der Appell Armiches wird aber umgesetzt. Sichtbar an den öffentlichen Müllsammelstellen mit getrennten Tonnen für Plastik, Glas, Papier und Restmüll. Sie werden dir mit ihren Farben gelb, grün, blau und grau noch häufig begegnen."
Da unser Ziel aber heute nicht Valverde war, bogen wir vor der Stadt zunächst Richtung El Golfo-Tal rechts ab, dann ein weiteres Mal, um der Straße nach Echedo zu folgen.
Die Finca befindet sich weit nördlich unterhalb Echedos im Ortsteil Gualisancho. Auf den letzten 1000 Metern, einer Sandpiste, machte der 4Wheel-Drive des Patrol praktischen Sinn. Wow, welch eine Aussicht. Unter uns Blickrichtung Norden das Meer. Am Hang vor uns ein kultiviertes Stück Land, auf dem mir zuallererst traditionelle Steinkreise und über das Gelände verteilt kräftige Bananenstauden, junge Dragos, mittlere Palmen, aber vor allem offensichtlich frisch gesetzte größere Kanarenpalmen auffielen. Das war das Reich, das Carlos derzeit hütete. Ich war versucht, gleich das Gelände zu erkunden.
4 Rubén Armiches Kunstwerk aus Zivilisationsmüll
„Lass es langsam angehen, mein Freund. Wir werden noch viel Zeit für die Schönheiten der Insel haben. Und auf diesem Hang kannst du in den nächsten Tagen so oft du möchtest herumstreifen."
3 DER BEGINN EINER INSELFREUNDSCHAFT
Als Carlos um die Jahreswende 2012/2013 zum ersten Mal auf die Insel kam, war er der Einladung seiner inselbegeisterten Tochter nur zögernd gefolgt, und als sie ihn nach drei Tagen fragte, wie es ihm denn auf El Hierro gefalle, hatte ihn diese Frage so unerwartet früh überfallen, dass er die in ihm bereits keimende Zuneigung nur vorsichtig verhalten äußern konnte, und als die erzwungenen unbeholfenen Worte heraus waren, merkte er sofort, dass sie noch unfertig waren und die ihm nahe Fragestellerin enttäuschen mussten. Beinahe war es über seine neutralen Äußerungen zum Streit gekommen.
Natürlich war das einerseits eine Sache des Temperaments, andererseits musste man zur richtigen Einschätzung seiner abgewogenen Worte auch seine eigene Lebensgeschichte kennen. Jahre, ja Jahrzehnte lang, hatte er einen ähnlichen Plan wie ihn seine Tochter jetzt umgesetzt hatte, mit sich herumgetragen, aber nicht zu realisieren vermocht. Seit seinem ersten Berufsjahr, das er in Athen verbracht hatte, war der Gedanke, sich in Griechenland anzusiedeln stetig gewachsen. Jahrelang hatte er sich mit dem Neugriechischen abgemüht. Dann hatte ihn der Beruf in das Spanisch sprechende Ausland geführt. Die frühen Ideen blieben Pläne.
Dass mit El Hierro eine Liebe entstanden war, bezeugte sein zweiter Aufenthalt auf der Insel bereits im September 2013. Und nun war er nach Besuchen