Mutti, komm doch wieder!: Fürstenkinder 74 – Adelsroman
Von Renate Jäger
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Über dieses E-Book
Ihre Lebensschicksale gehen zu Herzen, ihre erstaunliche Jugend, ihre erste Liebe – ein Leben in Reichtum, in Saus und Braus, aber oft auch in großer, verletzender Einsamkeit.
Große Gefühle, zauberhafte Prinzessinnen, edle Prinzen begeistern die Leserinnen dieser einzigartigen Romane und ziehen sie in ihren Bann.
Als es zu schneien aufgehört hatte, verließ Johanna von Rotenhoff, ohne ein rechtes Ziel zu haben, das Gutshaus. Mechanisch einen Fuß vor den anderen setzend, schlug sie den Weg zum verschneiten Park ein. Johanna von Rotenhoff schritt wie eine Marionette, die keinen eigenen Willen hat. Ihr Gesicht war ungewöhnlich bleich, und ihre Augen waren vom Weinen gerötet. So war es in letzter Zeit öfter. Ihre bisher glückliche Ehe war ins Wanken geraten. Niemals hätte Johanna an der Treue Viktors zu zweifeln gewagt. Und jetzt? Seitdem die Schauspielerin Melanie Nowara in der nahe gelegenen Kreisstadt am Stadttheater verpflichtet war, gab es kaum einen Abend, an dem Viktor zu Hause war. Johanna saß dann am Fenster und blickte hinaus in die dunkle Nacht. Erst wenn die Lichter von Viktors Wagen in der Birkenallee aufblitzten, ging sie zu Bett. Aber auch dann konnte sie nicht einschlafen. Die blutjunge Johanna von Römer hatte Viktor von Rotenhoff geheiratet, als sie durch einen tragischen Unfall die Eltern verloren hatte. Sie war eine entfernte Verwandte der Rotenhoffs und kam nach dem Tod der Eltern in deren Haus. Es war den Rotenhoffs gar nicht so besonders recht gewesen, daß Viktor die nicht gerade vermögende Johanna heiratete. Doch das störte den jungen Baron wenig. Er setzte seinen Willen den Eltern gegenüber durch, und man fand sich schließlich damit ab, daß die sanfte goldblonde Johanna Römer Viktors Frau wurde. Johannas Mutter entstammte einer Seitenlinie des Geschlechtes Rotenhoff. Sie hatte ihre Hand einem begabten Dirigenten gereicht und aus diesem Grund als schwarzes Schaf der Familie gegolten. Nachdem Johanna und Viktor ein Jahr verheiratet waren, schenkte sie Viktor einen Erben.
Ähnlich wie Mutti, komm doch wieder!
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Buchvorschau
Mutti, komm doch wieder! - Renate Jäger
Fürstenkinder
– 74 –
Mutti, komm doch wieder!
Vati wartet auch auf dich …
Renate Jäger
Als es zu schneien aufgehört hatte, verließ Johanna von Rotenhoff, ohne ein rechtes Ziel zu haben, das Gutshaus.
Mechanisch einen Fuß vor den anderen setzend, schlug sie den Weg zum verschneiten Park ein. Johanna von Rotenhoff schritt wie eine Marionette, die keinen eigenen Willen hat. Ihr Gesicht war ungewöhnlich bleich, und ihre Augen waren vom Weinen gerötet.
So war es in letzter Zeit öfter. Ihre bisher glückliche Ehe war ins Wanken geraten. Niemals hätte Johanna an der Treue Viktors zu zweifeln gewagt. Und jetzt?
Seitdem die Schauspielerin Melanie Nowara in der nahe gelegenen Kreisstadt am Stadttheater verpflichtet war, gab es kaum einen Abend, an dem Viktor zu Hause war.
Johanna saß dann am Fenster und blickte hinaus in die dunkle Nacht. Erst wenn die Lichter von Viktors Wagen in der Birkenallee aufblitzten, ging sie zu Bett. Aber auch dann konnte sie nicht einschlafen. Manchmal kam es sogar vor, daß Viktor die ganze Nacht über nicht nach Hause kam…
Die blutjunge Johanna von Römer hatte Viktor von Rotenhoff geheiratet, als sie durch einen tragischen Unfall die Eltern verloren hatte. Sie war eine entfernte Verwandte der Rotenhoffs und kam nach dem Tod der Eltern in deren Haus.
Es war den Rotenhoffs gar nicht so besonders recht gewesen, daß Viktor die nicht gerade vermögende Johanna heiratete.
Doch das störte den jungen Baron wenig. Er setzte seinen Willen den Eltern gegenüber durch, und man fand sich schließlich damit ab, daß die sanfte goldblonde Johanna Römer Viktors Frau wurde.
Johannas Mutter entstammte einer Seitenlinie des Geschlechtes Rotenhoff. Sie hatte ihre Hand einem begabten Dirigenten gereicht und aus diesem Grund als schwarzes Schaf der Familie gegolten.
Nachdem Johanna und Viktor ein Jahr verheiratet waren, schenkte sie Viktor einen Erben. Der kleine Wolfgang hatte die Großeltern versöhnt. Wolfgang war ein Rotenhoff, und die Familie war ungeheuer stolz auf ihn.
Später hatte Johanna noch ein kleines Töchterchen geboren. Von da an hatte nichts mehr das Glück auf Rotenhoff stören können.
Wolfgang und Nanni, das war der Name des kleinen Baroneßchens, wurden nach allen Regeln der Kunst verwöhnt. Es gab kaum einen Wunsch, der den Kindern nicht erfüllt wurde.
Trotzdem waren sie bescheiden und brav. Dafür sorgte schon Johanna, die von ihren Kindern abgöttisch geliebt wurde.
So waren die Rotenhoffs eine sehr glückliche Familie gewesen. Seitdem die Schauspielerin Melanie Nowara in Viktors Leben getreten war, hatte es den Anschein, als wäre das Familienglück der Rotenhoffs zerstört.
Während Johanna auf den verschneiten Wegen dahinging, erschien vor ihrem geistigen Auge das Bild der Schauspielerin. Sie war zweifellos eine sehr schöne Frau. Ihre Haut war zart und weiß, und das glänzende rote Haar umgab das schmale Gesicht in weichen Wellen.
Viktor sieht nur die Schönheit der Schauspielerin, dachte Johanna bitter. Daß ihr Gesicht kalt und seelenlos ist, bemerkt er in seiner Verliebtheit nicht.
Johanna hatte an jenem Abend, als sie mit Viktor das Theater besuchte, gemerkt, daß sein Herz für Melanie Nowara entflammt war. Mit leuchtenden Augen hatte er sie betrachtet.
»Eine tolle Frau, diese Nowara«, hatte er geäußert.
Seit diesem Tag war mit Viktor eine Veränderung vor sich gegangen. Er war merklich kühler geworden. Seine Umarmungen waren flüchtig, seine Küsse ohne Wärme und Leidenschaft.
Drei Monate dauerte das Verhältnis, das Viktor zu der Schauspielerin unterhielt. Er machte nicht einmal ein Hehl daraus. Die Nowara schien ihn vollkommen verhext zu haben. Es war schon in die Öffentlichkeit gedrungen, daß der junge Baron Rotenhoff eine Geliebte hatte und daß diese Geliebte Melanie Nowara hieß.
Wo Johanna ging und stand, glaubte sie die Blicke der Menschen auf sich gerichtet zu sehen. Sie fühlte, daß man hinter ihrem Rücken tuschelte.
Johanna ging gedankenverloren über Felder und Wiesen. Sie hatte den Mantelkragen hochgeschlagen und die Hände tief in den Taschen vergraben.
Wenn ich doch nur einen Ausweg wüßte, dachte sie verzweifelt. So ging es auf keinen Fall weiter. Sie war nicht stark genug, um diesen Zustand länger ertragen zu können.
Mittlerweile hatte es wieder zu schneien begonnen. Johannas Gang war schleppend, ihre Schultern waren nach vorn gebeugt, als hätte sie eine schwere Last zu tragen. Nachdem sie ein paar Minuten durch den fußhohen Schnee gestapft war, lag vor ihr das verschneite Dörfchen.
Ihr Blick weilte einen Augenblick auf einer Reihe stattlicher Giebel, die sich auf einer Anhöhe erhoben. Dann schritt sie ziellos über die Dorfstraße.
Ich fühle mich zum Sterben elend, dachte sie und blickte verloren in die Winterlandschaft. Zu ihrer Rechten lag das schmucke Dorfkirchlein.
Johanna warf einen Blick auf die große Turmuhr. Gleich vier, dachte sie. In einer Stunde würde man sich auf Rotenhoff zum Tee versammeln. Man würde sich wundern, daß sie nicht zu Hause war. Johanna hatte keine Nachricht hinterlassen. Kopflos war sie aus dem stillen Haus gestürmt, nachdem Viktor bereits am frühen Nachmittag in einem dunklen Gesellschaftsanzug das Haus verlassen hatte.
Johanna hatte gewußt, wohin er nun fuhr. Neuerdings genügte es ihm nicht mehr, daß er der Nowara die Abende und die halben Nächte widmete. Nein, auch am Tag zog es ihn in die Nähe der schönen Frau.
Johannas Augen brannten von ungeweinten Tränen. Was sollte werden, wenn Viktor nicht bald zur Vernunft kam? Schließlich mußte er doch an die Kinder denken. Was sollte werden, wenn ihre Ehe zerbrach?
Sie war so in ihre Gedanken vertieft, daß sie erschrocken aufblickte, als ein entgegenkommender Wagen dicht neben ihr stoppte und jemand ihren Namen rief. Gleich darauf öffnete sich der Schlag, und ein älterer Herr verließ das Auto.
Erstaunt blickte er auf die völlig aufgelöste Frau, deren Augen ihn leidvoll anblickten.
»Onkel Martin!« Johannas Mund umspielte ein schwaches Lächeln.
Professor Martin Oberländer war ein Freund ihres verstorbenen Vaters gewesen.
Er kannte Johanna schon, seit sie das Licht der Welt erblickt hatte. Er liebte sie, da er selbst keine Kinder besaß, wie eine Tochter, und wenn es seine Zeit erlaubte, besuchte er sie auf Rotenhoff. Auch die Kinder, Wolfgang und Nanni, waren ihm ans Herz gewachsen, und da er keine Angehörigen hatte, würde Johanna einmal sein großes Vermögen erben.
Professor Oberländer sah auf den ersten Blick, daß etwas geschehen war, was Johanna aus der Fassung gebracht hatte.
»Mein Gott, Kindchen, steig ein! Bei einem solchen Wetter jagt man ja keinen Hund vor die Tür.«
Johanna ließ sich willenlos in den Wagen verfrachten.
»Bitte, Onkel Martin, fahr mich, wohin du willst, nur nicht nach Rotenhoff«, flehte sie.
Oberländer warf einen kurzen Blick zur Seite, dann wendete er kurz und lenkte seinen Wagen der nahen Kreisstadt zu.
»Ich weiß zwar nicht, weshalb du nun nicht nach Rotenhoff willst, doch ich bin überzeugt, daß du deine Gründe haben wirst.«
»Frag mich jetzt nicht, später werde ich dir alles erzählen.« Über die Wangen der jungen Frau flossen Tränen. »Wenn du eine Zigarette für mich hättest, wäre ich dir sehr dankbar«, bat sie mit leiser Stimme.
Martin Oberländer reichte Johanna sein Zigarettenetui. Heimlich machte er sich Gedanken, was wohl geschehen sein könnte.
Professor Oberländer bewohnte im Atlantic-Hotel ein Appartement. Wenn er Johanna besuchte, stieg er dort immer ab. Aber diesmal galt sein Kommen nicht Johanna allein, er hatte in der Stadt ein Konzert zu geben. Es sollte das letzte sein.
Nach diesem Konzert wollte der Zweiundsechzigjährige sich ins Privatleben zurückziehen. Er war des Herumreisens müde. Er hatte der Welt mit seiner Kunst viel gegeben.
In der Nähe von Rotenhoff wollte er sich niederlassen, damit er, wenn er Lust verspürte, Johanna und die Kinder sehen konnte.
Professor Oberländer parkte seinen Wagen vor dem Hotel und war Johanna beim Aussteigen behilflich. Niemand hätte dem stattlichen Mann seine zweiundsechzig Jahre angesehen. Im Gegenteil, als er jetzt an Johannas Seite die mit dicken, schrittdämpfenden Läufern belegte Treppe hinaufstieg, hätte man sie für ein Ehepaar halten können.
Martin Oberländer nahm Johanna den Mantel ab und drückte sie in einen bequemen Sessel.
»Sag jetzt gar nichts, Johanna. Erst wenn du dich ein wenig gestärkt und aufgewärmt hast, kannst du mir erzählen, weshalb du wie ein herrenloses Hündchen durch die Winterlandschaft geirrt bist.« Mit sanftem Druck umschloß er ihre eiskalten Hände.
Kurz darauf brachte der Ober Tee und kleine Kuchen.
Johanna umklammerte mit beiden Händen die Tasse mit dem dampfenden Getränk. Langsam trank sie Schluck um Schluck. Ihr Blick war ins Wesenlose gerichtet.
Professor Oberländer brach das lange Schweigen mit keinem Wort. Er konnte warten, warten, bis Johanna den Mut fand, sich alles vom Herzen zu reden.
Nach einer Weile stellte Johanna die Teetasse auf den Tisch. Sie sah den Professor an.
Mein Gott, dachte Oberländer, wie vergrämt sie aussieht. Es muß etwas Entsetzliches geschehen sein.
»Wie gut, daß ich dir begegnet bin, Onkel Martin«, kam es leise von ihren Lippen. »Ich weiß, du brennst darauf, zu erfahren, was geschehen ist.«
»Nun, ich kann es nicht leugnen«, gestand der Mann offen. »Schließlich kenne ich dich als glückliche junge Frau und bin erstaunt, dich so verändert vorzufinden.«
»Eine glückliche junge Frau, wie nett das klingt.« Johanna hielt einen Augenblick inne, dann lächelte sie bitter. »Das ist vorbei, Onkel Martin. Ich bin sehr unglücklich. Ja, ich weiß nicht einmal, wie es weitergehen soll«, seufzte sie.
»Aber was ist denn nur geschehen, Kindchen?«
»Viktor liebt eine andere Frau«, kam es stockend von Johannas Lippen.
»Viktor? Unmöglich, Johanna, dazu liebt er dich viel zu sehr. Er würde dich niemals betrügen. Gewiß bildest du dir da etwas