Ich warte auf Dich, Mami: Sophienlust 223 – Familienroman
Von Anne Alexander
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Über dieses E-Book
Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren.
Es hatte in diesem Jahr ungewöhnlich früh zu schneien begonnen. Der weite Park von Sophienlust war mit einer dicken Schneeschicht bedeckt. Bäume und Sträucher sahen aus, als wären sie mit feinem weißem Puder überstäubt worden, und selbst die Dächer des Kinderheims und der Nebengebäude lagen unter einer Schneeschicht verborgen. Überall im Park standen die von den Kindern gebauten Schneemänner. Es waren die ersten Versuche für den Ende November angesetzten Schneemann-Wettbewerb.
Bewundernd stand die zehnjährige Viktoria Langenbach vor ihrem großen Schneemann. Er war ihr wirklich gelungen, und nicht ohne Stolz sagte sie zu ihrer um zwei Jahre älteren Schwester Angelika: »Wetten, dass ich dieses Jahr den Wettbewerb gewinne? Mein Schneemann ist schon jetzt der schönste! Sieh nur, wie er schaut!«
»Bis jetzt wusste ich nicht, dass Kohleaugen richtig sehen können, Vicky«, meinte Angelika. »Aber auf jeden Fall würde ich ihm die Nase zurechtrücken, sonst liegt sie bald am Boden.«
Vicky begutachtete noch einmal kritisch ihren Schneemann. Es stimmte, die Nase saß nicht richtig. Schnell steckte sie die große Mohrrübe fester in das Schneegesicht. Dann hauchte sie sich in die fast blau gefrorenen Hände. Wie die anderen Kinder hatte auch sie ihre dicken Handschuhe beim Spielen ausgezogen.
Ein etwa dreizehn Jahre altes Mädchen namens Angelina Dommin trat zu den beiden Schwestern. »Ich gehe jetzt in die Halle. Kommt ihr mit? Die Huber-Mutter wird bereits warten.«
»O fein!«, rief Vicky und hauchte noch einmal kräftig in ihre Hände. »Ob sie uns heute wieder eine Geschichte erzählt?«
»Sicher«, meinte Angelina, die wegen ihrer Sommersprossen von allen Pünktchen genannt wurde,
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Buchvorschau
Ich warte auf Dich, Mami - Anne Alexander
Sophienlust –223–
Ich warte auf Dich, Mami
Sagte die kleine Janet mit Sehnsucht in der Stimme
Roman von Anne Alexander
Es hatte in diesem Jahr ungewöhnlich früh zu schneien begonnen. Der weite Park von Sophienlust war mit einer dicken Schneeschicht bedeckt. Bäume und Sträucher sahen aus, als wären sie mit feinem weißem Puder überstäubt worden, und selbst die Dächer des Kinderheims und der Nebengebäude lagen unter einer Schneeschicht verborgen. Überall im Park standen die von den Kindern gebauten Schneemänner. Es waren die ersten Versuche für den Ende November angesetzten Schneemann-Wettbewerb.
Bewundernd stand die zehnjährige Viktoria Langenbach vor ihrem großen Schneemann. Er war ihr wirklich gelungen, und nicht ohne Stolz sagte sie zu ihrer um zwei Jahre älteren Schwester Angelika: »Wetten, dass ich dieses Jahr den Wettbewerb gewinne? Mein Schneemann ist schon jetzt der schönste! Sieh nur, wie er schaut!«
»Bis jetzt wusste ich nicht, dass Kohleaugen richtig sehen können, Vicky«, meinte Angelika. »Aber auf jeden Fall würde ich ihm die Nase zurechtrücken, sonst liegt sie bald am Boden.«
Vicky begutachtete noch einmal kritisch ihren Schneemann. Es stimmte, die Nase saß nicht richtig. Schnell steckte sie die große Mohrrübe fester in das Schneegesicht. Dann hauchte sie sich in die fast blau gefrorenen Hände. Wie die anderen Kinder hatte auch sie ihre dicken Handschuhe beim Spielen ausgezogen.
Ein etwa dreizehn Jahre altes Mädchen namens Angelina Dommin trat zu den beiden Schwestern. »Ich gehe jetzt in die Halle. Kommt ihr mit? Die Huber-Mutter wird bereits warten.«
»O fein!«, rief Vicky und hauchte noch einmal kräftig in ihre Hände. »Ob sie uns heute wieder eine Geschichte erzählt?«
»Sicher«, meinte Angelina, die wegen ihrer Sommersprossen von allen Pünktchen genannt wurde, »sonst hätte sie es uns nicht versprochen. Sie will uns heute von ihrer Kinderzeit erzählen.«
Die drei Mädchen liefen zur Freitreppe. Die anderen Sophienluster Kinder folgten ihnen. Die größeren hielten die kleineren an den Händen. Hintereinander drängten sich alle in die warme Halle.
Im Kamin brannte ein lustiges Feuer. Die Huber-Mutter saß in einem gewaltigen Lehnstuhl und starrte in die flackernden Flammen, die an diesem Nachmittag die einzige Beleuchtung der Halle waren. Die Kinder liebten es, im Zwielicht um den Kamin zu sitzen, ihre Hände am Feuer zu wärmen und der Huber-Mutter zuzuhören, wenn diese von alten Zeiten berichtete.
»Huber-Mutter, wie war das nun, als du noch ein kleines Mädchen warst?«, fragte der elfjährige Fabian Schöller und hockte sich zu Füßen der Greisin auf das Bärenfell.
»Das war vor langer, langer Zeit«, begann die Huber-Mutter. Sie blickte in die Flammen und wanderte in Gedanken Jahrzehnte zurück. »Wisst ihr, wir kannten damals kein elektrisches Licht und keine Autos. Flugzeuge gab es auch noch nicht. Im Winter fuhr man mit dem Pferdeschlitten, im Sommer mit der Kutsche. Mein Vater ließ mich oft auf dem Kutschbock sitzen. Oh, das war eine herrliche Zeit!«
Die Kinder lauschten atemlos vor Spannung. Außer der Stimme der Huber-Mutter war nur noch das Knistern der Flammen zu hören. Ab und zu stand Fabian Schöller auf und legte im Kamin Holz nach.
»So, das war die Geschichte meiner Kindheit«, schloss die Huber-Mutter.
»Erzählst du uns morgen wieder eine Geschichte?«, erkundigte sich die kleine Heidi Holsten.
»Aber gern«, sagte die Huber-Mutter.
»Am schönsten ist es in Sophienlust«, meinte Vicky und lehnte ihren mit dichtem braunem Haar bedeckten Schopf an die Knie der Greisin.
»Ja, da hast du recht, Vicky«, kam es von der Huber-Mutter. Sie verbrachte ihren Lebensabend auf Sophienlust und konnte sich ebenfalls kein schöneres Heim vorstellen. Sie war dankbar, dass sie sich manchmal für die Fürsorge, mit der sie hier von allen bedacht wurde, durch ihre Kräutertränklein nützlich machen konnte. Die Kinder glaubten zudem fest daran, dass die Huber-Mutter die Zukunft voraussagen könne.
»Huber-Mutter«, sagte Heidi und krabbelte auf den Schoß der alten Frau, »morgen gehen wir mit dem Onkel Förster und Justus in den Wald, um die hungrigen Tiere zu füttern. Ob ich wohl ein Rehlein sehen werde?«
»Sicher wirst du eines sehen, kleine Heidi.«
Die Fünfjährige vertraute der Greisin restlos. Wenn die Huber-Mutter sagte, sie würde ein Rehlein sehen, dann würde es auch so sein.
Schwester Regine kam in die Halle und schaltete das elektrische Licht ein. Bedauernd sah Pünktchen zur Decke empor. Eigentlich musste es doch eine herrliche Zeit gewesen sein, als es noch kein elektrisches Licht gab und die Wohnungen nur vom warmen Schein der Petroleumlampen erhellt waren.
»So, ihr habt die Huber-Mutter jetzt lange genug gequält«, meinte Schwester Regine. »In zwanzig Minuten gibt es Abendbrot. Vergesst nicht, euch vorher die Hände zu waschen!«
Die Kinder standen auf. Eines nach dem anderen bedankte sich bei der Huber-Mutter und lief in die Waschräume. Auch Heidi rutschte vom Schoß der Greisin, jedoch nicht, ohne ihr zuvor einen Kuss auf die welken Wangen gedrückt zu haben. »Ich habe dich ganz toll lieb!«, versicherte sie und rannte dann davon.
Heidi war stolz darauf, dass sie sich schon ganz allein waschen konnte. Sie schrubbte ihre kleinen Hände, bis sie ganz rot wurden.
»Jetzt reicht es aber, Heidi«, meinte Pünktchen. »Du willst dir doch sicher nicht die Haut von den Händen bürsten?«
Heidi blickte auf ihre Händchen und nickte. Sie griff zum Handtuch. »Ob die Tiere großen Hunger haben, Pünktchen?«, fragte sie.
»Ich glaube schon! Jetzt finden sie unter dem Schnee kaum noch Futter. Würde der Förster sie nicht regelmäßig füttern, müssten sie sicher verhungern.«
»Oh, die armen Tiere«, murmelte Heidi mitleidig. »Wir werden ihnen aber morgen ganz viel Futter bringen. Ich freue mich so auf die Rehlein.«
Pünktchen nahm nicht an, dass sich ihnen am nächsten Tag tatsächlich eines dieser scheuen Tiere zeigen würde, aber sie wollte auch Heidis Illusionen nicht zerstören. »Wenn du willst, kannst du doch jeden Tag im Tierheim Waldi & Co. das Reh Bambi sehen«, sagte sie.
»Bambi lässt sogar zu, dass ich es anfasse.« Heidis Gesichtchen strahlte. »Es frisst mir richtig aus der Hand! Aber ich möchte auch andere Rehlein sehen. Wenn wir dann am Nachmittag bei Tante Andrea sind, werde ich Bambi davon erzählen.«
Pünktchen ergriff Heidis Hand. »Es wird Zeit, dass wir zum Essen gehen«, sagte sie zu dem kleinen Mädchen. Dabei dachte sie daran, dass sie am nächsten Tag auch Nick wiedersehen würde, der in letzter Zeit nur selten in Sophienlust gewesen war.
Jeder im Kinderheim kannte Pünktchens Liebe zu Nick, dem sechzehnjährigen Sohn Denise von Schoeneckers. In ihren Träumen sah Pünktchen sich oft als dessen Ehefrau. Niemals würde sie den Tag vergessen, an dem er sie halb verhungert gefunden und ins Kinderheim gebracht hatte. Das war jetzt schon viele Jahre her. Kurz zuvor waren ihre Eltern bei einem Zirkusbrand ums Leben gekommen. Was wäre wohl geschehen, wenn Nick sie damals nicht nach Sophienlust gebracht hätte? Pünktchen lächelte verträumt. Es war schön, einen Freund zu haben, auf den man sich absolut verlassen konnte.
*
Bereits beim Aufwachen dachte Heidi daran, dass sie an diesem Tag mit Schlitten in den Wald fahren würden. Sie sprang aus dem Bett und lief barfuß zum Fenster.
Es hatte in der Nacht erneut geschneit. Alle Fußspuren des vergangenen Tages waren mit Schnee bedeckt worden.
Sandra, mit der Heidi zurzeit das Zimmer teilte, schlief noch. Bis zur Nasenspitze war sie zugedeckt. Übermütig riss Heidi ihrer Zimmerkameradin die Decke weg, sodass Sandra erschrocken auffuhr.
»Es hat schon wieder geschneit!«, verkündete Heidi. »Schau nur einmal aus dem Fenster, wie schön es aussieht. Laufen wir in den Park und machen Fußspuren?«
Sandra war sofort einverstanden. Rasch zogen sich die beiden kleinen Mädchen an. Gegenseitig halfen sie sich dabei, die Reißverschlüsse der Stiefel hochzuziehen. Zehn Minuten später schlichen sie leise über die Treppe in die Halle hinab. Aus dem Büro hörten sie die Stimme der Heimleiterin. Frau Rennert telefonierte mit Andrea von Lehn.
Sandra und Heidi schlüpften durch die Eingangstür, sprangen die Freitreppe hinab und rannten durch den Schnee.
»Nun, sieh einmal einer diese kleinen Racker an«, meinte Frau Rennert, die von den Kindern liebevoll Tante Ma genannt wurde. Sie zeigte aus dem Fenster, wo sich Heidi und Sandra gegenseitig mit Schnee bewarfen.
»Und ich nahm an, alles würde noch schlafen«, sagte Schwester Regine lächelnd. »Es wird Zeit, dass ich einmal oben nach dem Rechten sehe, denn wenn bereits zwei Kinder munter sind, werden auch die anderen nicht mehr lange auf sich warten lassen.«
Der Vormittag zog sich für die Kinder viel zu langsam dahin. Es war ein schulfreier Samstag, und so konnten auch die älteren Kinder in Sophienlust bleiben. Pünktchen, Angelika und Irmela Groote, die mit ihren fünfzehn Jahren das älteste der Sophienluster Kinder war, versuchten die kleineren im Zaum zu halten, aber es war unmöglich. Alle zwanzig Minuten fragte eines von ihnen, ob es denn noch immer nicht an der Zeit sei, mit den Ponyschlitten in den Wald zu fahren.
»Erst müssen wir zu Mittag essen«, sagte Pünktchen.
»Können wir das nicht gleich?« Heidi blickte Pünktchen mit schief