Liebesleid und Liebesfreud: Der Bergpfarrer 452 – Heimatroman
Von Toni Waidacher
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Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert.
Die siebenundzwanzigjährige Miriam Dippold ließ ihren prüfenden Blick über die Sonnenterrasse des kleinen Lokals, das sie am Achsteinsee zusammen mit ihrer Schwester Sandra betrieb, schweifen. Es war Anfang Mai und die Badesaison hatte noch nicht begonnen, dennoch hatten sich schon die ersten Urlauber in St. Johann eingefunden. Zumeist handelte es sich um Paare, die keine schulpflichtigen Kinder hatten und Leute, die außerhalb der Hauptsaison Ruhe und Beschaulichkeit suchten. Miriam war zufrieden. Die Tische und Stühle standen in Reih und Glied, und jeder Tisch war mit einem bunten Sonnenschirm bestückt. Die Siebenundzwanzigjährige hob den Blick ein wenig und ließ ihn über den See schweifen. Die Badeinsel war schon verankert worden, die kleinen Geschäfte, Cafés, Wirtshäuser und Eisdielen entlang der Uferpromenade hatten geöffnet und warteten auf Gäste. Der Campingplatz, den ein Zaun von der Liegewiese abgrenzte, war – abgesehen von einigen Wohnwagen, die einen Dauerstandplatz innehatten –, noch verwaist. An den Bootsanlegestellen, die ein ganzes Stück vom Badestand entfernt waren, dümpelten einige mit Planen abgedeckte Motor- und Segelboote. Es war offensichtlich, dass die Hauptsaison noch nicht begonnen hatte. Auf der anderen Seite des Sees und auch an seinem nördlichen Ende erhoben sich bewaldete Berge. Dahinter reckten sich die kahlen Felsen des Hochgebirges zum ungetrübt blauen Himmel, der sich von einem Horizont zum anderen über dem Wachnertal spannte. Die Sonne hatte ihren höchsten Stand erreicht und die Schatten waren kurz. In dem kleinen Lokal hörte Miriam ihre Schwester Sandra hantieren. Sie riss ihren Blick von der Idylle, die der See und die Berge vermittelten, los und ging in den Gastraum, der lediglich dem Tresen, zwei Tischen und insgesamt acht Stühlen Platz bot. Hinter der Theke war eine Tür, die in eine Küche führte, die so klein war, dass man sich in ihr kaum umdrehen konnte. Aber da die Schwestern in ihrem Lokal nur kalte und warme Getränke anboten, war der vorhandene Platz ausreichend. Sandra stellte gespülte Gläser in das Regal hinter dem Tresen, dessen Rückwand aus einem Spiegel bestand, der den gesamten Raum optisch vergrößerte. Sie und Miriam glichen sich fast wie Zwillinge.
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Liebesleid und Liebesfreud - Toni Waidacher
Der Bergpfarrer
– 452 –
Liebesleid und Liebesfreud
Toni Waidacher
Die siebenundzwanzigjährige Miriam Dippold ließ ihren prüfenden Blick über die Sonnenterrasse des kleinen Lokals, das sie am Achsteinsee zusammen mit ihrer Schwester Sandra betrieb, schweifen.
Es war Anfang Mai und die Badesaison hatte noch nicht begonnen, dennoch hatten sich schon die ersten Urlauber in St. Johann eingefunden. Zumeist handelte es sich um Paare, die keine schulpflichtigen Kinder hatten und Leute, die außerhalb der Hauptsaison Ruhe und Beschaulichkeit suchten.
Miriam war zufrieden. Die Tische und Stühle standen in Reih und Glied, und jeder Tisch war mit einem bunten Sonnenschirm bestückt.
Die Siebenundzwanzigjährige hob den Blick ein wenig und ließ ihn über den See schweifen. Die Badeinsel war schon verankert worden, die kleinen Geschäfte, Cafés, Wirtshäuser und Eisdielen entlang der Uferpromenade hatten geöffnet und warteten auf Gäste. Der Campingplatz, den ein Zaun von der Liegewiese abgrenzte, war – abgesehen von einigen Wohnwagen, die einen Dauerstandplatz innehatten –, noch verwaist. An den Bootsanlegestellen, die ein ganzes Stück vom Badestand entfernt waren, dümpelten einige mit Planen abgedeckte Motor- und Segelboote.
Es war offensichtlich, dass die Hauptsaison noch nicht begonnen hatte.
Auf der anderen Seite des Sees und auch an seinem nördlichen Ende erhoben sich bewaldete Berge. Dahinter reckten sich die kahlen Felsen des Hochgebirges zum ungetrübt blauen Himmel, der sich von einem Horizont zum anderen über dem Wachnertal spannte.
Die Sonne hatte ihren höchsten Stand erreicht und die Schatten waren kurz. In dem kleinen Lokal hörte Miriam ihre Schwester Sandra hantieren. Sie riss ihren Blick von der Idylle, die der See und die Berge vermittelten, los und ging in den Gastraum, der lediglich dem Tresen, zwei Tischen und insgesamt acht Stühlen Platz bot. Hinter der Theke war eine Tür, die in eine Küche führte, die so klein war, dass man sich in ihr kaum umdrehen konnte. Aber da die Schwestern in ihrem Lokal nur kalte und warme Getränke anboten, war der vorhandene Platz ausreichend.
Sandra stellte gespülte Gläser in das Regal hinter dem Tresen, dessen Rückwand aus einem Spiegel bestand, der den gesamten Raum optisch vergrößerte. Sie und Miriam glichen sich fast wie Zwillinge. Beide waren mittelgroß, schlank, blondhaarig und blauäugig.
Sandra war allerdings ein Jahr jünger als Miriam. »Jetzt können die ersten Gäste kommen«, empfing sie ihre Schwester und musterte sie eindringlich. Ihr entgingen nicht der schwermütige Ausdruck in Miriams Augen und der herbe Zug um ihren Mund. »Dennis hat immer noch nicht angerufen, wie?«, fragte sie.
Miriam ließ sich an einem der Tische nieder und schüttelte den Kopf. »Nein. Er hat mir auch nicht verraten, aus welchem Grund er nach München gefahren ist.« Sie seufzte. »Er ist in den vergangenen vier Wochen immer zurückhaltender geworden. Ich kann mich des Eindrucks net erwehren, dass er sich mehr und mehr von mir zurückzieht, und ich hab’ mich schon gefragt, ob’s vielleicht jemand gibt, der ihm mehr bedeutet als ich.«
»Du sprichst von einer anderen Frau?«
»Irgendetwas muss es ja schließlich sein. Seine Gefühle mir gegenüber sind längst nimmer die, die sie einmal waren.«
»Das glaub’ ich net«, murmelte Sandra. »Ich denk’, dass du das alles ein bissel überbewertest. Man ist halt net jeden Tag gleich. Vielleicht gibt’s bei ihm daheim Probleme, oder an seinem Arbeitsplatz. Hast du net versucht, dahinterzukommen, was ihn verändert haben könnt’?«
»Ich hab’ ihn drauf angesprochen.« Miriam lachte bitter auf. »Und das net nur einmal. Er weicht mir aus, oder behauptet einfach, dass nix wär’. Aber ich kenn’ ihn. Da ist sehr wohl was, das ihn belastet. Er scheut sich nur, es mir zu sagen. Mich aber macht das nervlich fertig.«
»Dann können wir uns ja die Hand geben«, erklärte Sandra und setzte sich zu ihrer Schwester an den Tisch. Ein Lächeln umspielte für einen Moment ihren Mund. »Ich wüsst’ eine Bezeichnung für uns zwei: Die unglücklichen Schwestern.«
Das Lächeln war wieder erloschen und Sandra legte ihre Hand auf die Miriams. »Der Dennis wird wieder, Schwester. Der liebt dich wirklich. Und wenn er sich grad in einem Stimmungstief befindet, dann solltest du das net unbedingt auf dich beziehen. Es gibt Dinge im Leben, mit denen man allein fertig werden muss. Vielleicht befindet sich Dennis momentan in einer solchen Situation. Irgendwann spricht er wahrscheinlich von sich aus drüber.« Sie ließ diesen Worten eine kurze Pause folgen, atmete schließlich tief durch und fuhr fort: »Bei mir schaut das schon anders aus. Ich bin in einen Kerl verliebt, der nix von mir wissen will, weil er die Donhauser-Katharina liebt. Glaub’s mir, Miriam, nix ist schlimmer als eine unerfüllte Liebe. Das nagt und frisst in dir, geht mit dir am Abend schlafen und steht mit dir am Morgen wieder auf.«
»Davon solltest du dich langsam lösen«, riet Miriam. »Der Alexander hat dir nie irgendwelche Hoffnungen gemacht. Wahrscheinlich weiß er net mal, dass du ihn liebst.«
»Gezeigt hab’ ich’s ihm bei jeder Gelegenheit. Entweder will er’s net merken, oder er ist blind.«
»Blind vor Liebe – für Katharina. Damit wirst du dich abfinden müssen, Schwester.«
»Das ist net so einfach«, sagte Sandra. »Es hat nämlich eine Zeit gegeben, da hat mir der Alex schöne Augen gemacht und ich war voller Hoffnung, dass irgendwann mehr draus wird. Doch dann ist die Katharina gekommen …«
»… und hat dem Alexander das Herz gestohlen. Akzeptier’s, Schwester. Die beiden lieben sich. Du wirst daran nix mehr ändern können. Gönn’ den beiden ihre Liebe und find’ dich einfach damit ab.«
»Mir wird schon gar nix anderes übrig bleiben. Aber es ist schwer – sehr schwer.«
Miriam erhob sich. »Komm’ her, Schwester, und lass dich in die Arme nehmen. Solang wir zwei zusammenhalten, ist alles halb so schwer. Geteiltes Leid ist halbes Leid.«
Sandra erhob sich, und dann lagen sich die Schwestern kurze Zeit in den Armen.
»Das tut gut«, murmelte Sandra mit Tränen der Rührung in den Augen.
*
Pfarrer Trenker hatte die Maiandacht beendet und kehrte ins Pfarrhaus zurück. »Sie werden schon erwartet, Hochwürden«, empfing ihn Sophie Tappert. »Der Herr Deininger und sein Vater sind da. Ich hab’ sie ins Wohnzimmer gebeten.«
»Danke, Frau Tappert. Ich glaub’, ich weiß, was die beiden zu mir führt.« Sebastian lächelte. Es war nicht einfach gewesen, Jürgen Deininger und seinen Vater, den neunundsiebzigjährigen und sehr autoritären Michael P. Deininger, zu versöhnen.
Er betrat das Wohnzimmer. Jürgen und sein Vater erhoben sich und der Bergpfarrer begrüßte sie mit Handschlag. »Bitte, nehmen S’ wieder Platz«, sagte Sebastian dann und schaute Jürgens Vater an. »Ich denk’, Sie kommen, um sich von mir zu verabschieden, Herr Deininger, weil S’ wieder nach Landshut zurückkehren.«
»So ist es, Herr Pfarrer«, antwortete Michael, als sie wieder saßen. »Ich würde zwar gern noch ein paar Tage bleiben, aber es gilt in Landshut einige Dinge zu regeln, die ich nicht auf die lange Bank schieben will.«
Sebastian schoss Jürgen einen fragenden Blick zu und sah diesen vielsagend lächeln. Er wandte sich wieder an Michael. »Sie werden sich doch net etwa entschlossen haben, sich aus der GmbH zurückzuziehen, Herr Deininger?«
Jetzt lächelte der alte Deininger und erwiderte: »Doch, habe ich. Und noch viel mehr, Herr Pfarrer. Ja, ich steige aus der GmbH aus und räume meinen Platz einem jungen, aufstrebenden Mann – namens Philipp. Und dann kehre ich nach St. Johann zurück und verbringe hier meinen Lebensabend.«
Sebastian war verblüfft. »Das wollen Sie wirklich, Herr Deininger?«, entfuhr es ihm.
Michael P. Deininger nickte nachdrücklich.
Jürgen Deininger sagte: »Ja, so hat sich mein Vater entschieden. Wir werden die GmbH neu ordnen. Paul und ich werden als stille Gesellschafter in das Unternehmen einsteigen, Philipp als Gesellschafter und Gesellschafter-Geschäftsführer. Das heißt im Klartext, dass er die Stelle seines Großvaters einnehmen wird.«
»Das