Niemand soll uns trennen: Sophienlust Extra 125 – Familienroman
Von Gert Rothberg
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In der Reihe Sophienlust Extra werden die schönsten Romane dieser wundervollen Erfolgsserie veröffentlicht. Warmherzig, zu Tränen rührend erzählt von der großen Schriftstellerin Patricia Vandenberg.
»Nicht wahr, Mutti, du sagst es den Kindern so schonend wie möglich?«, bat Andrea noch einmal eindringlich und tupfte sich mit dem Taschentuch die Tränen ab. »Selbstverständlich, Andrea.« Denise von Schoenecker kämpfte ebenfalls mit den Tränen. »Es wird für sie ein schrecklicher Schock sein. War es denn notwendig?« »Es gab keinen anderen Weg. Du kennst doch Hans-Joachim und weißt deshalb auch, dass er niemals voreilig handelt.« Andrea gab ihrer Stiefmutter einen Kuss und lief dann die letzten Stufen der Freitreppe hinab. Vom Auto aus winkte sie ihr noch zu und fuhr dann los. Denise wartete, bis der Wagen fort war, dann stieg sie die Stufen langsam hinauf. Es ist doch immer dasselbe, dachte sie niedergeschlagen. Geht es darum, den Kindern etwas Trauriges mitteilen zu müssen, bittet man mich darum. Alle glauben, ich könnte das besonders gut. Vor dem Portal des Herrenhauses von Sophienlust blieb Denise zögernd stehen. Was für ein wundervoller Tag, ging es ihr durch den Kopf, als sie zu dem tiefblauen Himmel emporblickte. Kein einziges Wölkchen zeigt sich. Und in drei Tagen ist Ostersonntag. Vielleicht sollte ich mit der traurigen Mitteilung bis nach Ostern warten? Nein, damit wäre nichts gewonnen.
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Niemand soll uns trennen - Gert Rothberg
Sophienlust Extra
– 125 –
Niemand soll uns trennen
Unveröffentlichter Roman
Gert Rothberg
»Nicht wahr, Mutti, du sagst es den Kindern so schonend wie möglich?«, bat Andrea noch einmal eindringlich und tupfte sich mit dem Taschentuch die Tränen ab.
»Selbstverständlich, Andrea.« Denise von Schoenecker kämpfte ebenfalls mit den Tränen. »Es wird für sie ein schrecklicher Schock sein. War es denn notwendig?«
»Es gab keinen anderen Weg. Du kennst doch Hans-Joachim und weißt deshalb auch, dass er niemals voreilig handelt.« Andrea gab ihrer Stiefmutter einen Kuss und lief dann die letzten Stufen der Freitreppe hinab. Vom Auto aus winkte sie ihr noch zu und fuhr dann los.
Denise wartete, bis der Wagen fort war, dann stieg sie die Stufen langsam hinauf. Es ist doch immer dasselbe, dachte sie niedergeschlagen. Geht es darum, den Kindern etwas Trauriges mitteilen zu müssen, bittet man mich darum. Alle glauben, ich könnte das besonders gut.
Vor dem Portal des Herrenhauses von Sophienlust blieb Denise zögernd stehen. Was für ein wundervoller Tag, ging es ihr durch den Kopf, als sie zu dem tiefblauen Himmel emporblickte. Kein einziges Wölkchen zeigt sich. Und in drei Tagen ist Ostersonntag. Vielleicht sollte ich mit der traurigen Mitteilung bis nach Ostern warten? Nein, damit wäre nichts gewonnen. Es liegt doch nahe, dass die Kinder es dann von einer außenstehenden Person erfahren würden. So etwas spricht sich in dieser Gegend, in der jeder jeden kennt, schnell herum.
Dass Andrea sich geweigert hatte, den Kindern diese Nachricht von Batus Tod zu übermitteln, verstand Denise nur zu gut. Andrea hatte ein weiches Herz und litt sehr unter dem Tod des Schimpansen. Es musste schlimm für sie gewesen sein, dass sie Batu, als er von Hans-Joachim die erlösende Spritze bekommen hatte, in den Armen gehalten hatte.
»Mutti, was ist denn geschehen?«, fragte Nick plötzlich hinter Denise. Gespannt richtete er seine dunklen Augen auf sie.
»Gut, dass ich erst mit dir allein sprechen kann, Nick«, erwiderte Denise und fuhr ihrem nun schon sechzehnjährigen Sohn, der sie fast um einen halben Kopf überragte, übers dunkle Haar.
»Deine Stimme klingt so seltsam. Ist es etwas Schlimmes, Mutti?« Er sah sie besorgt an.
»Es ist etwas sehr Trauriges, Nick. Batu ist tot.«
»Batu? Aber … Ich verstehe nicht …« Seine Stimme brach.
Rasch wandte er seinen Kopf zur Seite. Zu dumm, dass ihm Tränen in die Augen gestiegen waren. Er schluckte mehrmals. Dann hatte er sich wieder gefasst. »Mutti, Hans-Joachim sagte doch aber noch vorgestern, er würde Batu vermutlich retten können. Der Schimpanse war doch noch jung.«
»Hans-Joachim hat alles getan, um ihn am Leben zu erhalten. Vielleicht hätte Batu auch noch ein oder zwei Tage gelebt, aber es wären qualvolle Tage für ihn gewesen. Glaub mir, Hans-Joachim ist es schwergefallen, ihm eine erlösende Spritze geben zu müssen. Andrea erzählte mir, dass auch ihm die Tränen dabei gekommen sind.«
»Na ja, dann …« Nick räusperte sich. »Soll ich es den Kindern sagen? Pünktchen hat erst vorhin zu mir gesagt, dass sie an Batus Genesung glaube. Für Luja wird es nun schwer sein.«
»Ja, mein Junge. Sie ist von ihrem ersten Lebenstag an mit Batu beisammen gewesen. Herr Koster wird sich jetzt besonders um sie kümmern. Und Andrea will sie öfters zu sich ins Haus nehmen, um sie zu beschäftigen. Schwermut ist eine schlimme Krankheit bei Zootieren. Sie kann tödlich ausgehen.«
»Ich weiß das, Mutti.« Nick fuhr sich mit beiden Händen durch sein gelocktes schwarzes Haar und stieß einen tiefen Seufzer aus. »Die Kinder sind draußen im Park. Ich werde sie suchen.«
»Tu das, Nick. Ich bin wirklich dankbar, dass du mir das abnimmst.« Denise lächelte matt. »Aber ich begleite dich natürlich.«
»Gut, Mutti.« Nick sah seine Mutter stolz an. Wie hübsch sie noch immer war mit ihren glatten schwarzen Haaren und ihren gütigen Augen, die stets liebevoll in die Welt blickten. In seinen Augen war sie die schönste Frau, die er kannte. Dass er ihr auffallend ähnlich sah, wusste er. Natürlich waren seine Züge männlicher und markanter. Trotzdem war er sehr stolz auf diese Ähnlichkeit.
Nick hängte sich bei seiner Mutter ein, als er mit ihr die Freitreppe hinabstieg. Pünktchen kam den beiden entgegen. Ihr hübsches Gesicht mit den großen blauen Augen und der Stupsnase mit den unzähligen Sommersprossen strahlte vor Freude. Bei jedem Schritt wippte ihr rotblonder Pferdeschwanz auf und nieder. Sie trug ihre neuen Jeans und einen kanariengelben langärmligen Rollkragenpulli. Weil die Temperatur im Laufe des Tages stark angestiegen war, hatte sie die Ärmel aufgekrempelt.
»Mutti, Pünktchen musst du es aber sagen«, flüsterte Nick seiner Mutter rasch zu, wobei er sie flehend ansah.
»Ich verstehe dich«, sagte Denise und lächelte ihm gütig zu.
»Hallo, Tante Isi!«, rief Pünktchen jetzt lebhaft und umarmte Denise. »Wie schön, dass du heute früher gekommen bist. Ist das Wetter nicht wundervoll? Der Wetterbericht ist gut. Ostern wird das herrlichste Wetter sein.« Sie gab Denise einen Kuss und sah sie dann forschend an. »Ist was?«, fragte sie leise.
»Ja, Pünktchen, ich muss dir etwas Trauriges sagen und …«
Ein Schatten verdunkelte die reizenden Züge des Mädchens. »Batu? Nicht wahr, es geht um Batu?«, fragte Pünktchen und fing zu weinen an. »Obwohl ich mir eingeredet habe, dass er wieder gesund werden würde, habe ich doch genau gespürt, dass er sterben wird.«
»Er war schwer krank, mein Kleines.« Denise zog das weinende Mädchen an sich und gab Nick einen Wink.
Er nickte und ging davon, um die traurige Nachricht den anderen Kindern so schonend wie möglich beizubringen.
»Hat er sehr leiden müssen, Tante Isi?«, fragte Pünktchen und wischte sich mit dem Handrücken über die Augen.
»Nein, mein Kleines. Hans-Joachim hat ihm eine erlösende Spritze gegeben.«
»Aus diesem Grund möchte ich auch nicht Tierarzt werden«, erklärte Pünktchen. »Ich brächte es nicht fertig, einem hilflosen Tier eine tödliche Spritze zu geben.« Sie schluchzte leise auf.
Denise strich zärtlich über Pünktchens goldblondes Haar. »Du musst nur daran denken, dass Batu jetzt nicht mehr leiden muss.«
»Ja, Tante Isi. Es ist schon vorüber.« Pünktchen lächelte verkrampft. »Komm, wir werden Nick helfen. Ich kenne ihn doch und weiß, wie schwer es ihm fallen wird, den Kindern Batus Tod mitzuteilen.«
Sie fanden Nick und die übrigen Kinder auf der Spielwiese. Der große Junge redete leise auf die Sophienluster Kinder ein.
Das jüngste Dauerkind, die kleine Heidi, fing laut zu weinen an. Denise ging zu ihr hin und tröstete sie.
Auch andere Kinder fingen zu schluchzen an. Allmählich beruhigten sie sich aber wieder, und Fabian meinte: »Tante Isi und Nick haben recht. Jetzt braucht Batu keine Schmerzen mehr auszustehen. Er hätte sich sonst noch tagelang quälen müssen.«
»Aber man hätte ihm doch Morphium geben können«, meinte die altkluge Angelika. »Dann hätte er keine Schmerzen gespürt.«
»Ist das denn ein Leben?«, fragte Nick ernst. »Jeden Tag ein oder zwei Spritzen zu bekommen, um langsam dahinzusiechen? Nein, das ist bestimmt kein Leben. Batu war so fröhlich und …« Er konnte plötzlich nicht weitersprechen.
Sein kleiner Bruder Henrik sah ihn aufmerksam an. Er konnte sich nicht entsinnen, Nick jemals weinen gesehen zu haben. Wenn Nick weint, dann darf ich das auch, überlegte er und gab sich für einige Sekunden seinem Kummer hin.
Pünktchen strich Henrik tröstend über den braunen Haarschopf. »Wir müssen nur daran denken, dass Batu jetzt im Tierhimmel ist.«
Henrik schnüffelte, putzte sich die Nase und sah sie an. »Gibt es denn einen Tierhimmel?«, fragte er interessiert.
»Natürlich gibt es einen«, erwiderte Pünktchen überzeugt von ihrer Behauptung. »Für alle Lebewesen gibt es einen Himmel.«
»Für alle?«, fragte Vicky neugierig. »Glaubst du das wirklich?«
»Für alle«, wiederholte Pünktchen fest.
Eines der Ferienkinder kicherte. Es war ein ungefähr achtjähriger Junge aus München, der jedes Jahr in den Osterferien nach Sophienlust kam, weil seine Eltern um diese Jahreszeit immer zu den Kanarischen Inseln flogen.
»Warum lachst du, Toni?«, fragte Angelika, empört über so viel Pietätlosigkeit. Schließlich war Batu gestorben.
»Weil ich mir nicht gut vorstellen kann, dass ein Regenwurm auch in den Himmel kommt.«
»Und warum nicht?« Fabian blitzte ihn ärgerlich an. »Im Himmel gibt es wunderschöne grüne Wiesen. Und zu einer Wiese gehören auch Regenwürmer, Käfer, Bienen, Schmetterlinge und viele andere Tiere. Nicht wahr, Tante Isi, so ist es doch?«
Denise lächelte ihn an. »Ich hoffe, dass es dort oben so aussieht«, antwortete sie diplomatisch.
»Es hat zum Mittagessen gegongt!«, rief Irmela Groote, ein großes hübsches Mädchen mit langen blonden Haaren und freundlichen blauen Augen. Sie war nach Nick das älteste Kind in Sophienlust.
»Ich habe keinen Hunger«, klagte Heidi.
»Ich auch nicht!«, rief Vicky. »Mein Magen ist wie zugeschnürt.«
»Ich bekomme bestimmt auch keinen Bissen herunter«, sagte Henrik und dachte mit Bedauern an den Spinat, den es heute gab. Auch Spiegeleier aß er für sein Leben gern. Aber wenn die anderen Kinder wegen Batu nichts aßen, durfte er doch auch nicht viel essen.
»Was ist denn mit euch heute los?«, fragte Schwester Regine, als die Kinder mit hängenden Köpfen den Speisesaal betraten:
»Batu ist tot!«, rief Toni.
»Ja, der Schimpanse ist gestorben«, berichtete die braunhaarige Ursel Weber, ein neunjähriges