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Cemetery Car®: Band 3 – Der Tarot
Cemetery Car®: Band 3 – Der Tarot
Cemetery Car®: Band 3 – Der Tarot
eBook444 Seiten5 Stunden

Cemetery Car®: Band 3 – Der Tarot

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Über dieses E-Book

In Frankreich wird Kim in den Bann eines Tarots gezogen, bis hin zu deren Erschaffer. Parallel wird sie von einem kleinen Jungen verfolgt, der im Dunkeln gefangen, und dessen einziger Wunsch es ist, endlich gefunden zu werden und wieder nach Hause zurückkehren zu dürfen.
Gräulich und Zink hingegen liegen mit einer unbekannten Krankheit danieder, so dass neuerliche Hilfe vonnöten ist. Diese wird ihnen zuteil inform des Paters der Kathedrale St. Claire, als auch von einem lang verschollenen Familienmitglied von einem der Dämonenjäger-Crew.
Auch der rachsüchtige Geist der einstigen Besitzerin des Le Petite gönnt ihnen keine Ruhe, sondern setzt alles daran, ins Leben zurückzukehren. Dafür schreckt sie auch nicht davor zurück, die körperliche Hülle eines Mitglieds der Crew zu übernehmen. Sie hat auch bereits schon jemanden Bestimmtes im Auge.
Salvatore hingegen nutzt die Gunst der Stunde, die Schwäche Zinks, um mit ihr endlich einmal ein Augen öffnendes Gespräch zu führen.
Zudem kreuzt ihr Weg auch den Jürgen Novembers, der auf der Jagd nach dem Lilienmörder, in die Vergangenheit verschlagen worden ist. Ohne es zu ahnen, wird Kommissar Jürgen November in Band 5 ihr Schicksal werden.
Zinks Cocker Nickel ist der Einige, der sich dem Land der Liebe hingeben kann: Er verbindet sich mit der Dalmatiner-Hündin Sorbonne, mit ungeahnten Folgen.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum5. Juli 2014
ISBN9783847696667
Cemetery Car®: Band 3 – Der Tarot

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    Buchvorschau

    Cemetery Car® - Angelika Nickel

    Cemetery Car® Logo

    Bild 139173 - Dieses Bild ist aus diesem Werk.

    Vorwort

    Auch wenn es ihnen schwerfällt, haben Quentin und Kim sich dennoch unterdessen daran gewöhnt, mit dem Geist von Quentins verstorbener Großtante, Evelyn li Nola, gemeinsam unter einem Dach, in der Villa Punto leben zu müssen.

    Dass ihr Alltag den Kampf gegen die Schwarzen Mächte und gegen das Böse ausmacht, ist etwas, was ihnen schwer zu schaffen macht, sie aber nicht ändern können.

    Nachdem sie unterdessen gegen Valenco da Riga und auch gegen den wahnsinnigen Polo Plogida haben ankämpfen müssen, dabei von Zink und Gräulich, als auch von der zum Leben erwachten Romanfigur Zinks, Salvatore Amore, Unterstützung fanden, wissen sie zumindest, dass sie in ihrem Kampf nicht auf sich alleine gestellt sind.

    Hilfreich sind ihnen dabei auch Gräulichs Visionen, und auch ihr Leichenwagen, Cemetery Car, der ihnen eine Weiche zum Jenseits ist, als auch die Wandlungsfähigkeiten der verstorbenen Evelyn.

    Dennoch schützt sie dies nicht, auch Verluste betrauern zu müssen; dazu zählt auch Quentins langjähriger Freund Booker, der im Kampf gegen das Böse, den Tod gefunden hatte.

    Doch trotz allem gibt Quentins Dämonenjäger-Team nicht auf, sondern ist bestrebt, dem Bösen die Stirn zu bieten. Um ihren Kampf zu gewinnen, hält sie auch nichts davor ab, stetig ins Grauen der Vergangenheit zu reisen und der Wahrheit auf den Grund zu gehen.

    1 –Le Petite

    Das Le Petite war eine kleine Pension, die hinter einem mittelalterlichen Torbogen in der Altstadt Paris’ lag.

    Vor dem Zweiten Weltkrieg war die Pension ein monumentales Bauwerk, ein Hotel, welches Mitte/Ende des 19. Jahrhunderts von der Familie Du Noir erbaut worden war.

    Nachdem es im Zweiten Weltkrieg teilweise zerbombt wurde, so dass es nur noch bis zur dritten Etage erhalten geblieben war, wurde es nach Kriegsende wiederaufgebaut, wenn auch nicht mehr ganz so hochstöckig, so dass die Stockwerke über unterschiedliche Höhen verfügten.

    Im 20. Jahrhundert, Ende der 60er Jahre, verkaufte der letzte Erbe der Du Noirs, Alain du Noir, das Hotel an die Le Blancs, in deren Besitz es auch heute noch ist.

    Durchschritt der Besucher den Torbogen zum Le Petite, drängte sich ihm der Eindruck auf, die Gegenwart zu verlassen, zurückgeführt zu werden in Raum und Zeit, und bereits mit dem nächsten Schritt die Vergangenheit zu beschreiten.

    Weder die Zerstörungswucht der Bomben im Zweiten Weltkrieg, noch der Wiederaufbau des Hotels nach Kriegsende, konnten dem Le Petite seinen Charme nehmen.

    Auch, wenn es heute nicht mehr als pompöses Hotel hervorragte, so hatte die kleine Pension, zu der es geworden war, nichts von seiner einstigen Ausstrahlungskraft eingebüßt. Bunt bepflanzte Blumenkübel, die verteilt in einem breitflächigen, kopfsteinbepflasterten Vorhof dekorativ angeordnet waren, verliehen dem Ganzen noch zusätzlichen Charme.

    Doch die Pension war nicht nur in seinem Äußeren in der Zeit stehengeblieben. Auch innerhalb des Le Petites hatte die Familie Le Blanc, mit geringfügigen Veränderungen der Neuzeit, alles daran gesetzt, weitläufig das meiste so zu belassen, wie es einst erbaut worden war.

    So war es nicht weiter verwunderlich, dass der technische Komfort sehr zu wünschen übrig ließ. Denn auch in diesem Bereich war sehr darauf geachtet worden, das Hotel im Ursprünglichen zu belassen. Daran hatte auch der Verkauf an die Le Blancs, noch der Umbau in eine Pension, etwas geändert.

    Doch wer einmal im Le Petite zu Gast war, wusste, dass es mit ein Teil dessen war, was der Pension seine Ausstrahlungskraft und seinen ganz besonderen Charme verlieh.

    Zwei schwarze schmiedeeiserne, an Gaslichtlaternen erinnernde Straßenleuchten säumten den Eingang des Le Petite.

    An warmen Tagen hatten die Pensionsgäste die Möglichkeit, auf einer efeuumrankten Terrasse, umgeben von hohen alten Birken, zu frühstücken.

    Je nachdem aus welcher Richtung der Wind kam, konnten die Gäste den leicht herben Geruch riechen, der von der Seine herüberzog.

    Nicht weit vom Le Petite ließen die Bronzeglocken der Cathédrale de St. Claire, im stündlichen Rhythmus, ihren dumpfen Klang über Paris ertönen.

    2 – Urlaubsziele

    Vor weniger als zwei Stunden hatte Quentin Cemetery Car auf dem Pensionsparkplatz, unter weißen Birken geparkt.

    Bepackt mit Reisegepäck für zwei Wochen, betraten Quentin, Kim, Madame Zink, Professor Gräulich und Nickel die Pension. Ihnen folgten Salvatore Amore, der, aus Tarnungsgründen, ebenfalls eine Reisetasche bei sich trug.

    Auch Evelyn hatte ihre Phantasie ausgelebt. Um nicht als Geist aufzufallen, hatte sie sich in eine Frau, Anfang sechzig, mit leicht blondiertem Haar und salopper Kleidung verwandelt. Auch sie trug einen Koffer bei sich.

    Nachdem sie von Madame Le Blanc begrüßt worden waren, sich im Gästebuch eingetragen hatten, führte sie Madame auf ihre Zimmer.

    Quentin umarmte Kim. Er bedeckte ihr Gesicht mit leidenschaftlichen Küssen.

    »Quentin, doch nicht jetzt!«, versuchte sich Kim, von ihm freizumachen.

    »Aber warum denn nicht jetzt? Hast du vergessen, dass wir in der Stadt der Liebe sind?«

    »Nein, Liebling, das habe ich nicht vergessen. Dennoch heißt das doch nicht, dass wir uns gleich nach Ankunft ins Bett werfen und über uns herfallen müssen.« Um ihren Worten noch einen zusätzlichen Touch des Verstehens zu verleihen, sagte sie, mit gespieltem Akzent: »Nicht wahr, mon Cher?«

    »Dem kann ich nur zustimmen«, vernahmen sie eine allzu bekannte Stimme hinter sich.

    Entrüstet wirbelte Quentin herum. »Tante, ich darf doch sehr bitten! Schon einmal etwas von Privatsphäre gehört? Oder gar von der altmodischen Erfindung des Anklopfens?« Gereizt blickte er zu ihr hin. »Glaubst du, nur weil du ein Geist bist, dass du zu jeder Tages- und Nachtzeit ungefragt bei uns auftauchen kannst?«

    »Pst! Du weißt doch, dass niemand wissen darf, dass ich ein Geist bin. Wozu würde meine Verkleidung von Nutzen sein, wenn du mein tatsächliches Sein über Paris hinausschreist?«

    »Über Paris hinausschreien? Nun übertreib aber mal nicht, Tante Evelyn. Und außerdem, du brauchst gar nicht versuchen, vom eigentlichen Thema abzulenken. Wenn ich also bitten darf.« Er machte ihr mit der Hand Zeichen, endlich wieder zu gehen. »Es reicht, wenn wir später alle beim Abendbrot wieder zusammen sein werden.«

    »Liebling, sei doch nicht dermaßen ungehalten«, versuchte Kim, ihren Verlobten zu beruhigen. Zu Tante Evelyn gewandt, sagte sie: »Sei nicht böse, Tantchen, aber geben wir doch einfach Quentins Wunsch nach und treffen uns später unten zum Abendessen.« Sie zwinkerte Evelyn verschwörerisch zu.

    Die wiederum nickte, leicht schmollend. Danach verließ sie das Zimmer auf dem gleichen Weg, wie sie es auch betreten hatte. Sie entmaterialisierte sich und ging, wie es für einen Geist üblich war, durch die Wände. Zurück blieb der intensive Geruch nach Lavendel.

    »Ob sie sich jemals daran gewöhnen wird, dass es einfach zum guten Ton gehört, anzuklopfen, statt einfach unaufgefordert, mitten im Zimmer zu stehen?«

    »Quentin, du weißt doch, wie deine Tante ist. Glaubst du tatsächlich, dass sie das noch lernen wird?«, schmunzelte Kim.

    Mit gespielter Zerknirschung antwortete Quentin: »Eben nicht! Das ist ja das Schlimme daran. Nie bin ich mir sicher, ob sie nicht plötzlich einfach hinter mir steht. Schatz, ich möchte aber auch Zeiten haben, die nur wir beide miteinander verbringen. Dinge tun, bei denen wir keinen Zuschauer gebrauchen können. Intimleben, Kim, nenne ich so etwas, Intimleben.«

    »Dabei wird sie uns auch ganz bestimmt nicht stören. Immerhin, sie war auch einmal jung. Sie weiß, wie das ist, wenn man alleine sein will, um …, na ja, um Amour zu machen.«

    »Hoffentlich hast du Recht, meine Süße. Immerhin ist es mit ein Ziel unseres Urlaubs, auch zu entspannen, und dazu gehört auch unsere intime Zweisamkeit.« Er zog sie erneut in seine Arme, und machte da weiter, wobei sie durch Evelyns Erscheinen unterbrochen worden waren.

    Dieses Mal wehrte sich Kim nicht dagegen.

    In einem anderen Zimmer hatte sich Madame Zink ihren Laptop aufgestellt und wollte gerade mit dem Schreiben beginnen, als auch hier Evelyn unangekündigt, und ohne zu klopfen, das Zimmer betrat.

    Ein Lächeln auf den Lippen, warf sie einen Blick über Zinks Schulter.

    »Zink, glaubst du allen Ernstes, dass du in Paris, Zeit zum Schreiben finden wirst?«

    Madame Zink drehte sich erschrocken um. »Evelyn, wie oft, muss ich dir noch sagen, dass du mich nicht immer so erschrecken sollst!« Mit der Hand streifte sie ihre Brust. »Eines Tages bekomme ich wegen dir noch einen Herzschlag. Und dann war es das mit mir!«, entrüstete sie sich.

    Die Geisterlady grinste breit. »Dann, meine Beste, wärst du bei mir. Und wir beide könnten gemeinsam durch die Gegend geistern. Auch ein verlockender Gedanke, wenn du mich fragst«, lachte sie. »Doch, wirklich, das hat was für sich«, hörte sie nicht auf, zu lachen.

    »Nein danke. Nur weil ich fünfzig bin, heißt das nicht, dass ich von der Bühne des Lebens schon abzutreten habe. Und erst recht nicht, mithilfe meiner Geisterfreundin.« Ihr Herzrasen hatte nachgelassen, und wandte sich wieder ihrem Toshiba zu, um endlich mit dem Schreiben zu beginnen.

    »Also gut, dann will ich dich in deinem Tatendrang nicht weiterhin stören. Auch wenn ich nicht glaube, dass du auf dieser Reise viel zum Schreiben kommen wirst. Immerhin hatte der Professor eine Vision, damals, nachdem wir von Shadowisland entkommen waren. Nur so nebenbei, im Falle du es vergessen haben solltest.« Sie wandte sich an Nickel, den braunfelligen Cockerspaniel Madames und streichelte den treuen Hund, der zusammengerollt neben Madame Zinks Stuhl lag.

    »Wie könnte ich das vergessen haben, Evelyn? Nur, bis es wieder soweit sein wird, dass die beiden uns brauchen, so lange kann ich doch schreiben. Was soll dem im Wege stehen?«

    »Nichts, Zink, nichts. Aber ich möchte auch von Paris etwas sehen und nicht nur auf dem Zimmer herumsitzen und warten, bis wir gebraucht werden«, entgegnete Evelyn.

    »Ich auch nicht, sei versichert, beste Freundin. Und nun sei so gut und lass mich noch ein klein wenig schreiben, solange meine Gedanken noch fließen.«

    Evelyn li Nola lächelte warmherzig und verständnisvoll. »Dann will ich deinen Gedankenfluss nicht weiter unterbrechen. Ich gehe jetzt einmal den Professor interviewen, wer weiß, vielleicht hatte er unterdessen ja wieder eine Vision.« Mit Verklingen ihres letzten Wortes, verschwand sie aus Madames Zimmer.

    Auch hier hinterließ sie den intensiven Duft von Lavendel.

    »Nun, Professor, nun sagen Sie schon: Was wissen Sie? Was wird auf dieser Reise passieren?« Salvatore Amore hatte sich in den Sessel am Fenster fallen lassen.

    Professor Gräulich nahm seine Pfeife aus dem Aschenbecher auf dem Tisch. Langsam und bedacht entzündete er sie. Er blies Rauchkringel in die Luft und schaute ihnen gedankenverloren nach. »Was sich auf dieser Reise ereignen wird? Wer dieses Mal hinter Quentin und Kim her sein wird? Wenn ich ehrlich sein soll: Ich weiß es nicht. Nach Shadowisland hatte ich keine weitere Vision diesen Urlaub, Frankreich, betreffend. Wir müssen einfach abwarten.«

    »Abwarten, Professor? Ist das nicht ein bisschen wenig?«, hörte er auf einmal die Geisterlady hinter sich, fragen.

    »O lá lá, Evelyn li Nola, Sie hier? Ich hab Ihr Klopfen gar nicht gehört.« Gräulich grinste amüsiert, wusste er doch, dass der Geist Evelyn li Nolas immer über die Unart verfügte, einfach ungefragt vor einem aufzutauchen.

    »Wie auch wenn ich gar nicht angeklopft habe. Ich habe die Stimme Amores gehört, und da war ich mir sicher, dass ich Sie bei nichts Wichtigem stören würd‘«, tat sie, als wollte sie sich entschuldigen.

    »Na, ich darf doch sehr bitten! Als wenn Gespräche mit mir als unwichtig zu bezeichnen wären«, entrüstete sich auch prompt Salvatore. »Ich mag eine erfundene Figur aus Zinks unfertigem Roman sein; auch ein Astralwesen, wenn man’s richtig betrachtet. Dennoch heißt das noch lange nicht, dass Gespräche mit mir unbedeutend wären oder man sie so einfach unterbrechen und sich in sie hineinzwängen kann. Auch Sie nicht, Evelyn li Nola!« Die ausgeblichene Fliege an seinem Hals wippte auf und ab, dermaßen verärgert war er.

    »Das habe ich damit keineswegs sagen wollen.« Evelyn ließ sich auf das Bett des Professors fallen. »Jetzt mal Butter bei de‘ Fische, Professor«, wandte sie sich an Gräulich und hakte damit das unangenehme Gespräch mit Salvatore für sich ab. »Was steht uns dieses Mal bevor? Nur so eine etwaige Richtung, hm, wie wär’s damit? Werden wir es wieder mit wahnsinnigen Machtbesessenen zu tun haben? Oder müssen wir erneut gegen die Diener der Finsternis antreten? Jetzt aber raus mit der Sprache. Was wird es dieses Mal sein?«

    »Ich weiß es nicht, Lady li Nola. Ich weiß nur, dass auch hier Quentin und Kim Gefahr drohen wird. Deshalb sind wir ja auch alle gemeinsam in den Urlaub gefahren, um bei ihnen zu sein, wenn sie unserer Hilfe bedürfen.«

    »Damit erzählen Sie mir nichts Neues, Professor.« Evelyns Stimme klang enttäuscht.

    »Bedauere, dass ich Ihnen beiden nicht mehr sagen kann. Aber, wie Sie beide wissen, Evelyn«, er schenkte ihr ein Kopfnicken, um anschließend den Blick in Salvatores Richtung schweifen zu lassen, »Salvatore, ich habe keinen Einfluss auf meine Visionen.«

    Da sie nichts weiter von dem Professor erfahren konnten, verließen Salvatore und die Geisterlady Gräulich und gingen zurück auf ihre eigenen Zimmer.

    3 – Die Glocken Saint Claires

    Kim drehte sich unruhig im Schlaf. Immer wieder träumte sie, dass Hände nach ihr griffen. Gesichtslose Hände. Körperlose Hände.

    Mitten in der Nacht erwachte sie schweißgebadet. Mit einem raschen Blick auf den schlafenden Quentin, verließ sie das Bett, sehr darauf bedacht, ihren Verlobten nicht zu wecken.

    Sie nahm ihre Zigaretten und ging barfüßig auf den einladenden Balkon, der an ihrem Zimmer angrenzte.

    Nachdem sie sich eine Zigarette angezündet hatte, blies sie den Rauch von sich.

    Sie beugte sich übers Geländer, dabei wanderte ihr Blick zur Gartenterrasse des Le Petites, und auf all die Blütenpracht, die sich unter ihr auftat, die sie im Dunkel der Nacht jedoch nur erahnte.

    Von fern hörte sie einen Kater maunzen. Dem folgte das aufgebrachte Gebell eines Hundes. Wahrscheinlich jagt er die Katze. Zornig hörte der Hund sich an.

    Kim ließ sich in den breiten Terrassensessel fallen und lehnte sich an. Sie schloss die Augen und dachte über ihren Traum nach.

    Wie hieß es im Volksmund? Dass wahr werden würde, was man in der ersten Nacht in einem fremden Bett träumte.

    »Na danke, dann steht mir in diesem Urlaub nichts Gutes bevor«, formten sie die Worte über ihre Lippen, von einem Frösteln begleitet.

    Wofür konnten sie nur stehen, diese Hände, die sie in ihrem Traum verfolgt, und nach ihr gegriffen hatten? Die versucht hatten, sie zu sich hin zu zerren.

    Warum waren sie überhaupt nach Frankreich gefahren, obwohl sie doch durch Gräulichs Vision bereits im Vorfeld gewusst hatten, dass Frankreich nichts Gutes für sie bereit halten sollte. Zumindest, dass sie auch hier wieder in Gefahr sein würden.

    Statt den Urlaub in ein anderes Land zu verlegen, waren sie übereingekommen, dass sie dieses Mal die Erholungstage gemeinsam antreten würden. Sie allesamt. Doch konnte das die Lösung sein?

    Kim drückte ihre Zigarette aus. Nervös zog sie bereits die nächste Zigarette aus der Packung und steckte sie an.

    Ein warmer Luftzug umspielte ihre roten Locken. Von fern zog der Geruch der Seine zu ihr herüber.

    Kim lehnte sich erneut zurück. Wieder schloss sie ihre Augen. Nochmals überkam sie die Erinnerung an ihren Traum.

    Von Weitem hörte sie die Glocken St. Claires schlagen. Lauter und lauter wurden die Glockenschläge.

    Sie bohrten sich in Kims Ohren, hoch zu ihrem Gehirn. Was wollten sie ihr sagen? Wollten sie sie warnen? Oder drohten sie ihr womöglich?

    Kim durchwühlte mit ihren Händen ihre schweißnassen Haare. Kopfschüttelnd stand sie auf.

    Wie konnte sie sich nur von einem Traum dermaßen aufwühlen lassen?

    Mit einem Seufzer auf den Lippen, entschied sie sich, zurück ins Bett zu gehen.

    Vorsichtig kuschelte sie sich neben Quentin. Suchte seine Nähe, fühlte seinen regelmäßigen Atem an ihrem Gesicht. Und plötzlich überkam sie das Gefühl, dass, gleich, was auch auf sie zukommen, was immer auch geschehen sollte, alles gut werden würde.

    Der Gedanke beruhigte sie und sie fiel in einen traumlosen Schlaf.

    Der vorherige Alptraum kehrte wieder.

    Kim schlief bis zum Morgen durch, als sie erneut den Klang der Glocken St. Claires hörte. Von deren Läuten sie geweckt wurde.

    Doch dieses Mal hatte ihr Klang weder etwas Bedrohendes noch etwas Warnendes an sich.

    Die Glocken St. Claires waren an diesem Morgen einfach nur läutende Kirchenglocken, die zur vollen Stunde schlugen.

    Die Glocken der Kathedrale St. Claire.

    4 – Das Portrait

    Nach dem Frühstück machten sie sich gemeinsam auf den Weg, die Altstadt Paris’ zu erkunden.

    Zink war angetan von den vielen Geschäften, die es in diesem Teil der Stadt gab. Auch faszinierte sie das Altaussehende der Geschäfte. Doch nicht nur Geschäfte erregten ihre Aufmerksamkeit. Auch die Straßenmaler, die mit bunter Kreide farbenfrohe Bilder auf die Pflastersteine der Trottoirs malten, oder Portraits von Passanten zeichneten.

    »Madame! Bleiben Sie stehen! Bitte. Erlauben Sie mir, Ihr natürliches Naturell in einem Bild festzuhalten. Ihre Schönheit mit meinen Augen aufzufangen und auf Papier zu bringen. Madame, ich möchte Sie malen. Ich muss Sie einfach malen.« Sein Charme traf sie. Er setzte alles daran, sie zu betören. »Meine Finger gieren danach, Ihren Liebreiz für immer auf dem Papier festzuhalten.« Sein Blick war beinahe flehend, als er ihn auf Zink richtete. »Ich muss Sie zeichnen. Unbedingt!«, rief ihr ein junger, gut aussehender Franzose zu. »Er schleuderte ihr in einer hilflosen Geste, die Hände entgegen und zeigte auf seine kribbelnden Finger. »Es ist schon beinahe, wie ein Zwang«, setzte er dazu an, sie zu überreden, nachdem er ihr Zögern bemerkte.

    »Na los, Zink, nur keine Hemmungen! Geh hin und tu dem Jungen den Gefallen. Lass dich portraitieren, dann wirst du immer eine Erinnerung an deinen Urlaub in Paris haben«, forderte Evelyn sie auf.

    Auch die anderen hielten es für einen guten Einfall, dass Madame Zink sich malen lassen sollte, zumal sie in ihrem Zuhause eine Vielzahl an Bildern hängen hatte, da würde ein Portrait von ihr persönlich, ihrer Sammlung noch ein Zusätzliches, eine persönlichere Note verleihen.

    Von den anderen überredet, saß sie dem Straßenmaler Modell. Der junge Mann begann voller Begeisterung mit dem Zeichnen, wofür er einen Skizzierstift verwendete. Seine schwarzen Haare fielen ihm in die Stirn. Immer wieder radierten seine Finger Zeichenstriche aus. Als er mit dem Portrait zu Ende war, reichte er es mit strahlendem Lachen, Madame.

    Doch als sie die Zeichnung sah, hatte sie Mühe, an sich zu halten. Ihr Gesicht verzog sich, als hätte sie in eine Zitrone gebissen.

    Evelyn, die über Madames Schulter blickte, begann unweigerlich zu lachen; und Professor Gräulich hüstelte verlegen. Salvatore Amore ließ nur ein vorsichtiges »Oh, oh«, hören, wusste er doch, wie reizbar Zink werden konnte, wenn es um seine Person ging. Und das Bildnis, das der Straßenmaler von Madame gezeichnet hatte, diente mit Sicherheit nicht dazu, sie freundlicher zu stimmen.

    Auch Kim und Quentin sahen sich betreten an. Wie konnte er nur? Was hatte sich der Maler nur dabei gedacht, sie so zu malen? Wo sollte die Ähnlichkeit von Madame Zink zu diesem Portrait sein?

    Sie biss sich auf die Lippen, und quetschte gefährlich leise hervor: »So sehen Sie mich?«

    »Ja, Madame! Es trifft Ihr ganzes Naturell. Ich habe auch nicht versäumt, Ihren persönlichen Charme mit einfließen zu lassen«, freute sich der Maler, dem die Entrüstung Zinks entgangen war.

    »Mein persönlicher Charme? Für wen oder was halten Sie mich? Für siebzig? Für des Teufels Großmutter?« Ihre braunen Augen verdunkelten, dermaßen wütend war sie. Sie zerrte ihren Hund an der Leine zu sich heran. »Nickel, wir gehen!«

    Der Straßenmaler schaute ihr verdutzt nach. Fragend sah er den Professor an. »Warum gefällt es ihr nicht? Ich habe mir doch so viel Mühe gegeben, ihr Wesen, ihren Charme, und ihr natürliches Naturell, in dem Portrait einzufangen.«

    »Wie soll ich sagen«, Professor Gräulich räusperte sich verlegen, während sein Blick nach wie vor auf dem Portrait ruhte. Er hatte keine Ahnung, wie er dem Mann Zinks Reaktion erklären sollte, ohne dessen Gefühle zu verletzen. Und es reichte doch schon, dass Madame eingeschnappt und beleidigt war. Da brauchte es nicht auch noch den jungen Franzosen.

    Salvatore konnte es sich nicht verkneifen, zu grinsen. Belustigt sah er den Straßenmaler an. »Vielleicht zu viel natürliches Naturell? Ein wenig eigentümlicher Charme?«, fragte er den Franzosen, dem wieder die Ironie der Worte entgangen war.

    Gräulich blickte den jungen Mann nachdenklich an. »Ähnlichkeit? Nun ja, die hohen Wangenknochen …, möglicherweise. Doch das Gesicht, es ist viel zu sehr maskulin. Es hat nicht die Weichheit, die das Gesicht einer Frau ausmacht. Die Augenbrauen, die sind Ihnen gelungen. Aber, wenn Sie mich um meine persönliche Meinung fragen, dann ist es auch das Einzige, das an Madame erinnert. Ähnlichkeit mit ihr hat.«

    »Kaufen Sie es, Professor. Zink kann es für ein Cover nehmen. Wer weiß, vielleicht macht sie aus ihrem Portrait ja sogar einmal einen Roman.« Evelyn blickte auf die Zeichnung. »Das Scheusal wäre ein passender Name dafür. Dazu würde sich die Zeichnung hervorragend eignen. Los, Professor, kaufen Sie es schon! Wer weiß, wofür es gut sein wird. Außerdem will ich auch noch mehr von der Altstadt sehen, als nur dies hier.« Sie blickte sich suchend um. »Jetzt sehen Sie nur, wie weit die Zink schon weg ist. Auf jetzt, avanti. Geben Sie dem jungen Mann ein paar Penunzen. Danach nehmen Sie das Bild und lassen uns endlich gehen!«, forderte ihn Evelyn energisch auf. Gleich danach folgte sie in raschem Tempo Madame Zink. Als sie sie eingeholt hatte, sagte sie: »Nimm’s nicht so tragisch, Zink. Nicht jeder kann malen, was er sieht.«

    »Malen? Dieses Bild hat nichts mit mir gemeinsam. Mit etwas Wohlwollen kann ich gerade noch so die Augenbrauen durchgehen lassen. Aber das war’s auch schon! Mein Portrait, wie der Kerl es nennt, ist nichts als eine absolute Frechheit. Eine Beleidigung an meine Person«, schimpfte Zink.

    »Sei friedlich, Zink. Der Professor kauft es für dich. Freu dich wenigstens ein klein wenig.« Sie schmunzelte verschmitzt. »Wenigstens dem Professor zuliebe.«

    »Wie bitte? Er kauft es? Für mich? Ich fass es nicht!«, erzürnte sich Madame. »Will er sich mit mir anlegen?«

    »Nein, er schenkt dir etwas, worüber du irgendwann einmal lachen wirst.«

    »Oh ja, ganz sicher«, antwortete Zink zerknirscht.

    »Am besten hängst du es gleich in den Flur, dass es jeder sehen kann«, schlug Evelyn, sanft lächelnd, vor.

    »Zur Abschreckung, willst du das damit andeuten? Dass jeder gleich die Flucht ergreift, der mich besuchen kommt? Hervorragender Gedanke«, ereiferte Zink sich wutschnaubend.

    »Nein, um zu zeigen, dass du über den Dingen stehst. Um zu zeigen, dass du sehr wohl weißt, wer du bist, und, wie du aussiehst. Und, dass du genau aus diesem Grund, über die Größe verfügst, dieses schrecklich-hässliche Bild sogar in deinem Eingangsbereich aufzuhängen.« Sie lachte amüsiert. »Genau dort, wo es auch jeder sehen kann.«

    »Wie du meinst, Evelyn. Wenn ich schlechte Laune brauche, gehe ich am besten zu dem Portrait«, bei dem Wort Portrait würgte sie, »und so wie ich es mir ansehe, steigt mir die Galle von ganz alleine. Aber bitte, da ich weiß, wie ich aussehe, auch zu meinen Alterdilemmas stehe, werde ich dir den Gefallen tun und das hässliche Teil aufhängen. Aber hier, hier in Frankreich, will ich dieses potthässliche Ding nicht mehr zu Gesicht bekommen müssen, merk dir das, Evelyn! Und jetzt will ich kein Wort mehr darüber hören. Ich will jetzt die Stadt, Paris, genießen. Zudem möchte ich durch die Läden streifen, wer weiß, worauf wir dabei stoßen.« Sie zog Evelyn mit sich fort. Bei dem Gedanken an schöne alte Dinge, diese zu finden und womöglich käuflich zu erwerben, war sie bereits wieder versöhnlicher gestimmt.

    Die anderen waren unterdessen nachgekommen. Professor Gräulich trug den Stein des Anstoßes, zu einer Rolle aufgerollt, unter seinem Arm. Auch er war der Meinung, dass das Portrait eine einzige Beleidigung, Zink gegenüber war, auch wenn der Maler es noch so gut gemeint haben mochte. Ähnlichkeit mit Madame wies es nur sehr bedingt auf. Und das Wenige, das auf Ähnlichkeit schließen ließ, konnte nicht gutmachen, was der Rest ihr antat.

    Und auch, wenn Madame wusste, wie es war, wenn ein Bild einmal nicht so wurde, wie zuvor erhofft, da auch sie malte, ärgerte, entrüstete sie sich dennoch über dieses Portrait.

    5 – Der Tarot

    »Seht mal, dort hinten. Da scheint ein Trödelladen zu sein. Lasst uns hingehen und sehen, was es dort Schönes gibt«, rief Kim und eilte bereits auf den Laden zu, der versteckt am Ende der engen Gasse lag.

    »Folgen wir ihr. Ich bin sicher, dass Kim etwas finden wird, das es dort zu kaufen lohnt«, lachte Quentin, der Kims Vorliebe für alte Sachen kannte.

    »Oh ja, lasst uns in einem französischen Trödelladen stöbern! Lasst uns eins werden mit den Dingen der Vergangenheit. Lasst sie uns riechen und längst vergangene Zeiten in unsere Gegenwart fließen«, hielt Madame mit ihrer Begeisterung nicht hinterm Berg, sondern folgte Kim eilig. Allerdings nicht, ohne zuvor Nickels Leine dem Professor in die Hand gedrückt zu haben.

    Wie nahe sie dabei der Wahrheit kam, das konnte Madame nicht wissen. Auch nicht, dass in wenigen Minuten die Vergangenheit in ihre Gegenwart fließen würde. Sie in wenigen Minuten auf ihrem Weg begleiten, regelrecht verfolgen würde.

    Gräulichs Vision den Anfang ihrer Wahrheit finden sollte …

    »Ich bin mir ganz sicher, dass auch Madame in dem Laden fündig werden wird«, lächelte Professor Gräulich, während er sich mühte, die Hundeleine Nickels und die Portraitrolle so zu halten, dass ihm nichts von beidem verloren ging.

    Quentin, dem die Hilflosigkeit des Professors nicht entgangen war, nahm, ihm zu Gefallen, die Portraitrolle Madames an sich.

    Kim öffnete, ohne lange zu zögern, die Eingangstür des antiken Lädchens.

    Eine abgeschabte Glockenkette über der Tür machte auf die Ankömmlinge aufmerksam.

    Der Geruch von Räucherstäbchen, orientalischen Düften, und dem Mobiliar vergangener Tage, drang ihnen entgegen. Es war kein unangenehmer Geruch. Im Gegenteil. Bereits der Duft, der durch den Laden zog, vermittelte das Gefühl eine andere Zeitsphäre zu betreten.

    Ein kleiner alter Mann kam aus einem der hinteren Zimmer. Mit einem freundlichen Lächeln, und listigen Augen, die hinter seiner Brille hervorschauten, sah er sie an. »Mademoiselle, wie kann ich Ihnen helfen«, fragte er mit gebrochenem Akzent, während er sich Kim zuwandte.

    »Vielen Dank. Wir möchten uns eigentlich nur umsehen, wenn Sie nichts dagegen haben«, antwortete Kim.

    »Nur zu. Das Umschauen ist mein Geschäft. Wo käme ich hin, würde ich die Kunden sich nicht umschauen lassen?« Mit flinken Augen beobachtete er Kim.

    Danach wandte er sich den anderen zu. »Madames, Monsieurs, kann ich Ihnen helfen? Ihnen etwas zeigen? Wofür interessieren Sie sich besonders?«

    »Nein danke. Wir würden uns ebenfalls sehr gerne erst einmal etwas umsehen, wenn Sie erlauben«, sagte der Professor, der Nickel, an einer Laterne vor der Tür, angebunden hatte.

    »Ist das reizend!«, rief Madame Zink erfreut aus. »Ein Chinesischer Gong! Ist er sehr teuer, Monsieur?« Madame wusste nicht mehr, wie lange es schon her war, seit sie sich das erste Mal mit dem Gedanken getragen hatte, sich einen Chinesischen Gong zuzulegen. Dummerweise hatte sie bisher nur nirgendwo einen finden können. Dass sie hier, in der Altstadt Paris’ auf einen solchen stieß, das konnte nur ein Fingerzeig des Schicksals sein. Ein Fingerzeig, sich endlich einen Chinesischen Gong zu kaufen. Und wäre er nur einigermaßen erschwinglich, würde sie ihn auf der Stelle kaufen. Schon alleine des wunderbaren, dumpf monotonen Klanges wegen. Doch auch das polierte Mahagoniholz, an dem der Gong aufgehängt war, war eine Wohltat fürs Auge. »Was ist das hier eigentlich für ein Laden? Für einen Trödelladen haben Sie viel zu viele erlesene, außergewöhnliche Dinge. Für einen Antiquitätenladen jedoch haben Sie, aus meiner Sicht, zuviel von allem. Zu viele Kleinigkeiten, zuviel Krimskrams, wenn ich das so sagen darf.«

    »Mein Lädchen, Madame, es ist von allem etwas. Es gibt hier sehr viele Dinge, zu denen ich durch Zeitungsannoncen gekommen bin, oder aber bei Haushaltsauflösungen ergattert habe. Wieder andere hat mich der Zufall finden lassen.« Er betrachtete sie interessiert, während etwas Geheimnisvolles in seinem Blick lag. »Ich führe auch Einzelexemplare. Dinge, die es nur ein einziges Mal auf der Welt gibt«, strahlte er. »Nun, Madame, wie ist es? Darf ich Ihnen den Chinesischen Gong einpacken? Wenn Sie mich fragen, hat er nur auf Sie gewartet.« Und in seinen Worten lag der Hauch von Vorhersehung. Vorhersehung, Madame und den Chinesischen Gong betreffend.

    Madame Zink jedoch war so sehr von dem Gong angetan, dass ihr dies entging. Stattdessen antwortete sie: »Das sagen Sie doch bestimmt allen Ihren Kunden, nicht wahr, Monsieur … Zu dumm, ich habe Ihren Namen gar nicht verstanden.« Madame Zink sah ihn schelmisch an, wusste sie doch, dass er sich ihnen noch gar nicht vorgestellt hatte.

    Der alte Mann lachte. Hinter seinen Brillengläsern wanderten seine Augen wieselflink, zwischen den Leuten hin und her. »Pardon, Madame?«

    »Ihren Namen, Monsieur, ich habe ihn nicht verstanden«, wiederholte Madame Zink.

    »Das wird wohl daran liegen, dass ich ihn noch gar nicht erwähnt habe. Das war wohl sehr unhöflich von mir, so schöne Damen in meinem Laden begrüßen zu dürfen, und dabei ganz zu vergessen, mich ihnen vorzustellen. Hätte ich einen Hut, ich würde ihn jetzt vor Ihnen ziehen«, entgegnete er mit einem verschmitzten Lächeln.

    »Der Kerl schmeckt mir nicht, Professor. Der schleimt dermaßen, dass sogar ich aufpassen muss, nicht auf dem seiner Schleimspur auszurutschen«, flüsterte Salvatore Amore dem Professor zu.

    »Da müssen Sie sich nichts dabei denken, Salvatore. Das tut er nur, um so viel als nur möglich zu verkaufen«, antwortete der Professor ebenso leise. »Alles nur gespielt. Theater, so eine Art Marketingstrategie.«

    Der Ladenbesitzer fuhr sich mit der Hand durch sein kurzes weißes Haar. Für einen winzigen Moment sah er nachdenklich aus. Geradeso, als müsste er überlegen, ob er sich seinen Kunden vorstellen durfte. »André Destin«, stellte er sich letztendlich doch noch vor. Woraufhin sich auch Madame Zink und die anderen namentlich vorstellten.

    Professor Gräulich sah Monsieur Destin prüfend an. Übersetzte er dessen Namen, Destin, dann kam er unweigerlich auf Schicksal. Denn nichts anderes hieß Destin übersetzt.

    Zufall? Oder steckte mehr dahinter? Gräulich strich mit den Fingern über die Oberlippe.

    Konnte es sein, dass hier alles beginnen sollte? Das, weshalb er eine Vision hatte, damals, kurz nach Verlassen von Shadowisland. Da er die anderen nicht beunruhigen wollte, behielt er seine Gedanken für sich. Es konnte immerhin auch sein, dass dies alles nichts weiter als nur ein bloßer Zufall war.

    Während Madame sich noch weiter in dem überfüllten Laden umsah, beobachtete Monsieur André Destin Kim. Er ließ sie nicht aus den Augen. Seine wieselflinken Augen folgten jeder ihrer Bewegungen. Wieder und wieder besah er sie. Und je länger

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