Adda Fried: Band 1 - Nie wieder Pommes -
Von Angelika Nickel
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Über dieses E-Book
Hat sich Adda Fried erst einmal in etwas verbissen, lässt sie es auch nicht mehr aus. Mit dem Kopf durch die Wand, war ihre Devise. Wenn es sein musste, auch mithilfe ihrer Tochter; ob diese wollte oder auch nicht.
Womit das Trio Adda Fried, ihre Tochter Elfriede und ein genervter Kommissar Braun mit der Jagd nach dem Mörder, loslegen kann.
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Buchvorschau
Adda Fried - Angelika Nickel
Anmerkung
Adda Fried – Band 1 – Nie wieder Pommes –
2. neu überarbeitete ebook-Auflage
ebook-Auflage
Erstveröffentlichung 25. November 2013
1. Print-Auflage - 22 Exemplare – Dezember 2013
Print solange Vorrat reicht
(Verkaufspreis an Druckkosten gebunden)
2. ebook-Auflage, neu überarbeitet, 7. Januar 2014
Vorwort
Kurz vor siebzig war sie, und beileibe noch nicht gewillt, zum alten Eisen zu zählen noch, dass sie sich dazu machen lassen wollte.
Im Gegenteil.
Irgendetwas musste sie sich einfallen lassen, um genau das, zu verhindern.
Nur was?
Was konnte sie tun, um der Monotonie ihres bisherigen Alltags zu entfliehen?
Der Imbiss jeden Tag, der füllte sie auch nicht aus.
Sicher, es war ein weiter Weg, jeden Tag aufs Neue mit der Bimmel nach Käfertal zu fahren, und auch noch den weiten Weg, bis zu ihrem Imbissstand, laufen zu müssen.
Und dennoch: Adda Fried fühlte sich nicht ausgelastet.
Ihre Kinder waren alle schon erwachsen, so dass sie die meisten Abende, mit sich alleine verbrachte, und vor der Glotze sich langweilte.
Das musste anders werden!
Die letzten Jahre ihres Leben … Nein, nicht auf diese Art und Weise wollte sie die verbringen.
Nein, so richtig noch einmal auf den Putz hauen, das wollte sie.
Es kribbelte in ihren Fingern.
Wenn sie doch nur wüsste, was sie anstellen könnte, um auch tatsächlich auf ihre alten Tage, noch einmal etwas Neues auf die Beine zu stellen.
Sie überlegte, dachte angestrengt nach. Eigentlich schaute sie sich gerne Krimis an.
Bei Gott, das war’s!
Genau das wünschte sie sich, dass es ihre Zukunft sein sollte:
Sie wollte zu einer Mannheimer Miss Marple werden. Einer schrulligen Alten, die auf ihre speziell eigene Art, Mordfälle aufklären und die Mörder zur Strecke bringen würde.
… und Schrullen hatte Adda, mehr als genug …
Adda Fried – ein Krimi, gepaart aus Spannung und Charme, gewürzt, mit einer ordentlichen Prise Humor.
1 - Adda Fried
Adda Fried, aus ihrer Sicht eine ganz normale deutsche Hausfrau, Ende sechzig; und extrem unternehmungslustig.
Sie verbrachte ihre Tage nicht damit, vor Langeweile zu vergehen, sondern verwöhnte tagsüber ihre Kunden mit den Produkten ihres Imbisswagens, anstelle sich daheim auf der Couch vor der Glotze zu räkeln.
Adda war, wie jeden Morgen, mit Lebensmitteln bepackt, auf dem Weg zu ihrem Imbisswagen.
Die Straßenbahn war wieder einmal gerammelt voll. Es fehlten auch nicht die, bei denen ein jedem die Lust auf Pommes oder Steak absolut verging, bekam man auch nur eine Nase voll von deren Duftwolken ab.
Nichtsdestotrotz setzte die ältere Dame zielstrebig ihren Weg fort und suchte sich einen Sitzplatz neben einem alten Mann. Dass er nach Fusel und Urin stank, musste sie wohl oder übel in Kauf nehmen.
Der Tag brach an, als das Fett in der Friteuse blubberte, die Frikadellen ihren Duft verströmten, und bereits die ersten hungrigen Mägen auf dem Weg zu Addas Imbissstand waren.
»Hi, Adda, Kaffee fertig?«
»Für dich doch immer, Jungchen«, antwortete sie neckend, während sie dem Fragenden einen frisch gebrühten und kochend heißen Kaffee einschenkte.
»Jungchen …, da weiß ich doch gleich wieder, weshalb ich so gerne zu dir komme«, lachte der Mann, der ganz bestimmt bereits die Fünfzig schon erreicht hatte, während er ihr den Kaffee aus der Hand nahm.
»Und ich dachte immer, du kommst wegen des guten Essens«, ging sie auf sein Geplänkel ein.
»Nicht soviel quatschen, Oma«, rief ein anderer Mann, den Adda zuvor noch nie gesehen hatte. »Bedien' die Kundschaft, aber bissel fixe.«
»Nicht so stürmisch mit den alten Pferden.« Adda sah den Fremden abwartend an. »Was‘n los? Erst hetzen und dann nicht mit der Bestellung rüberkommen. Ihr jungen Leute von heute.«
»Nicht so vorlaut, gell. Für Sie bin ich keine jungen Leute, merken Sie sich das.«
»Von mir aus.« Adda zog gelangweilt die Schultern hoch. Solche Kunden gab es leider auch. Sie schaute immer noch, seine Bestellung abwartend, zu ihm hin. »Ich schließe um sechzehn Uhr, bis dahin sollten Sie sich entschieden haben, was Sie möchten.«
»Pack mir zwei belegte Brötchen mit Schinken ein. Aber kein Ei drauf, dafür mehr Salat. Und ‘nen Kaffee zum Mitnehmen.«
Adda packte alles zusammen, der Mann bezahlte und ging grußlos davon.
»Solche Kunden, und das, schon am frühen Morgen.« Der Anfang Fünfzigjährige schaute dem Mann kopfschüttelnd nach.
»Solche muss es auch geben, sonst würdet ihr Lieben doch gar nicht so auffallen.«
»Du hast immer einen Spruch, den du draufsetzen kannst, wie?« Der Mann zahlte seinen Kaffee, ließ sich noch eine Currywurst zum Mitnehmen einpacken, dann ging auch er wieder zurück an seine Arbeit, während Adda dem aufkommenden Frühstücksansturm nachzukommen versuchte.
Kurz vor Mittag kehrte ein wenig Ruhe ein.
Adda ging vor den Imbisswagen, setzte sich an einen runden Holztisch und trank ihren Kaffee, während sie den Autofahrern zusah, die in die angrenzende Tankstelle einfuhren.
Im Radio wurde Regen angesagt, der auch nicht lange auf sich warten ließ, so dass der Imbiss an diesem Tag ziemlich wenig Umsatz machte. Adda auf Grund dessen, weit früher als normal, Feierabend machte und sich auf den Weg nach Hause begab.
2 - Jagdfieber
Die Titelmusik von 16:50h ab Paddington Station dröhnte durch Addas Wohnzimmer, während an ihrer Hand der Curryketchup wie Blut entlang tropfte. Adda verfolgte mit Spannung das Geschehen des alten Schwarz-Weiß-Klassikers mit Margaret Rutherford in der Hauptrolle. Für Adda ohnehin die Miss Marple Darstellerin schlechthin.
Sie biss in ihre Currywurst. »Das wär’s doch. Ich als Miss Marple! Oder Adda Fried auf Mörderjagd!«, murmelte sie mit vollem Mund vor sich hin. Die Vorstellung, dass sie, ähnlich der alten Miss Marple, auf Verbrecherfang ging, die hatte was für sich. Adda überlegte angestrengt, was sie tun könnte, um sich in diesem Metier engagieren und Fuß fassen zu können. Hastig stand sie auf, holte den Mannheimer Morgen, schlug den regionalen Teil auf; doch sie fand nichts, was auch nur annährend auf ein Verbrechen, wenn nicht sogar Mord, hingewiesen hätte.
»Mist!«, schimpfte sie. Dann kam ihr eine Idee! Wozu kannte sie Polizisten, und half zusätzlich im Polizeihundesportverein aus! Jetzt wusste sie, was zu tun war. Beim nächsten Mal, wenn sie bei den Grünen Jungs sein würde, würde sie diese ins Gebet nehmen und mal so richtig tacheless mit denen reden. Und wehe, die kamen nicht mit einem unaufgeklärten Mordfall rüber, dann könnten sie sehen, wer ihnen zur nächsten Faschingsperiode die Krapfen buk!
Ja, das würde sie tun!
Adda war euphorisch. Ihr Jagdfieber war geweckt. Sie hatte Lunte gerochen, und war gierig nach Blut, und danach, einen Fall zu klären. Zu der deutschen, der Mannheimer Miss Marple, zu werden.
Adda Fried, die Oma auf Mörderfang.
Der Schlusstakt von 16:50h ab Paddington Station erklang. Adda stand auf, schaltete die Kiste aus und ging ins Bett. Sie brauchte lange, bis sie endlich in den Schlaf fand. Zu aufgewühlt war sie in ihren Gedanken, zu bestrebt, ein neues Terrain zu betreten. Das Terrain der Verbrecherjagd!
Gleich morgen früh würde sie ihre Tochter Elfriede anrufen, und ihr von ihrem neusten Vorhaben erzählen.
3 - Gereifter Plan
»Adda, das ist der größte Blödsinn, den ich je von dir gehört habe.« Elfriede schüttelte ablehnend ihren blonden Lockenkopf.
»Lass sie doch. Wenn deine Mutter glaubt, die Miss Marple von Mannheim zu sein, dann nur zu.« Kaspar Theater nahm Elfriede seine Coke ab und setzte sich an den Stammtisch des Vereinslokals.
»Du brauchst dich gar nicht lustig über mich zu machen, Kaspar. Besser wär’s, du gäbest mir ’ne Info, ob ihr irgendetwas über einen ungeklärten Mordfall vorliegen habt«, rief Adda dem Polizisten hinterher.
»Adda, du weißt doch, dass, selbst wenn Kaspar etwas wüsste, er darüber schweigen muss.«, verteidigte Elke Theater ihren Mann.
»Papperlapapp, das ist doch nur eine Ausrede!« Adda sah ihre Tochter Hilfe suchend an. »Sag du doch auch mal was, Elfriede!«
»Was soll ich denn dazu sagen? Ich halte deine Idee genauso verrückt wie Kaspar.«
»Ihr werdet schon sehen, nicht mehr lange, und mir fällt ein Mordfall direkt vor die Füße.«
»Ganz bestimmt, wenn du übers Kabel deiner Glotze stolperst«, lachte Kaspar, »und dabei gerade der Tatort läuft.«
»Blödmann! Alter Doofkopp.«
»Nur keine Beamtenbeleidigungen, Adda!« Theater konnte fast nicht mehr vor Lachen.
»Ach, ihr könnt mich alle mal! Elfriede, fahr mich zum Imbiss. Ich muss dort noch sauber machen.« Es war Adda anzumerken, wie angestoßen sie war. Sie nahm ihren Kaffee, setzte sich an einen freien Tisch, und schmollte solange, bis Elfriede endlich Zeit hatte, und sie zum Imbiss fuhr.
»Und wenn auch alle meinen, dass ich verrückt geworden bin, denen werde ich es zeigen! Wollen doch einmal sehen, ob es nicht doch irgendwo einen unaufgeklärten Fall gibt«, schimpfte sie, während sie die Friteuse vom Fett befreite, das Fett wechselte und den Kühlschrank putzte. Adda war so wütend, dass sie den Imbisswagen von oben bis unten wienerte, schrubbte und putzte.
Vorbeigehende Fußgänger sahen ihr belustigt zu.
Als Adda sich beobachtet fühlte, hielt sie inne, sah zu den Leuten hin und rief: »Ihr werdet’s schon noch sehen, ich bin die deutsche Miss Marple. Mein Plan, der ist ausgesprochen ausgereift. Ich kriege meinen Fall, und dann muss mir jeder Abbitte leisten. Mir, Adda Fried, der Miss Marple von Mannheim!«
Einer der Passanten sah sie kopfschüttelnd an. »Und ich bin der Schah von Persien«, rief er, wandte sich seiner Freundin zu, und sagte: »Lass uns gehen, Schatz, bei der Alten ist doch ‘ne Schraube locker.«
»Das kann man nicht wissen. Manchmal stolpern ganz normale Bürger ins Verbrechen hinein. Und ich weiß, von was ich rede, immerhin lehre ich Kriminologie an der Abendschule«, kam ihr ein vorbei gehender, kleiner dicklicher Mann zu Hilfe. Der ältere Mann zog den Hut, lächelte Adda kurz zu, dann ging auch er wieder seiner Wege.
Adda putzte und schrubbte, bis Elfriede erneut kam, mitgebrachte Getränkekisten in den Imbisswagen stellte, und ihre Mutter danach nach Hause fuhr.
4 - Pommes mit Ketchup
»Wozu soll ich mir eine Pommesfabrik ansehen?«
»Damit, liebe Mutter, du auch einmal siehst, wie diese Dinger gemacht werden, die du jeden Tag verkaufst.« Elfriede hatte ihre Mutter am frühen Samstagmorgen abgeholt und war mit ihr zu einer Pommesfabrik in der Nähe gefahren, in der Hoffnung, sie damit auf andere Gedanken zu bringen.
»Die Verkäufer von McDonald’s müssen auch nicht beim Schlachten der Rinder dabei sein.« Adda Fried hatte so gar keine Lust, sich in eine kalte Fabrik zu begeben und dabei zuzusehen, wie Kartoffeln von einer Schälmaschine ins Wasser kullerten, um danach von scharfen Messern in Pommes große Stücke zerteilt zu werden.
»Hör doch endlich auf zu meckern. Ich bin mir ganz sicher, dass dir der Tag gefallen wird. Ist doch einmal etwas anderes, als den Samstag alleine daheim zu verbringen.«
»Oh ja, und so aufregend«, murrte Adda sarkastisch.
Kurz darauf betraten sie, zusammen mit ihrer Gruppe, die Pommesfabrik. Sie hatten Glück, die nächste Führung begann kurz nach ihrer Ankunft.
Eine junge Frau, in eine dickwattierte Jacke gehüllt, mit festen Sicherheitsschuhen an den Füßen, führte sie herum, während sie dabei nicht vergaß, die Geschichte der Fabrik zu erzählen, von den Gründertagen bis hin zur Gegenwart.
Als sie an der Pommesschneidemaschine vorbeikamen, blieb die Frau stehen und erzählte auch hierzu die Entstehungsgeschichte, während hinter ihr Pommes über Pommes, einem Wasserfall gleich, von einem Förderband von oben nach unten transportiert wurden.
»Hey, Mami, sieh mal dort, die Pommes haben sogar schon Ketchup drauf«, rief ein kleines Mädchen, und zeigte mit der Hand nach oben.
»Wie bitte? Ketchup auf den rohen Pommes frites? Niemals!« Die Gruppenführerin drehte sich um und blickte verwundert nach oben.
»Das ist kein Ketchup, das ist Blut«, flüsterte Adda Elfriede aufgeregt zu.
»Kannst du nicht für einen Moment deinen phantastischen Humbug lassen.« Elfriede streifte ihre Mutter mit einem vorwurfsvollen Blick.
Adda Fried, die Möchtegern-Miss-Marple, griff sich an die Nase. »Nix da, ich weiß, was ich weiß.« Sie deutete auf das Förderband, hin zu den Pommes, die sich immer mehr rot färbten. »Seit wann gibt es tiefgefrorene Pommes mit Ketchup dran? Elfriede, ich muss mich doch sehr über dich wundern.« Sie machte einen Schritt nach vorne, zwängte sich durch die Umstehenden, und an der Gruppenführerin vorbei, die immer noch fassungslos zu den roten Pommes hin schaute.
Adda sah sich um. Wo war nur die Leiche? Wo Blut war, musste es auch eine Leiche geben. Ihr kriminalistischer Spürsinn war geweckt. Ihre Nase, das Kribbeln ihrer Nase, verriet ihr, dass sie Recht hatte. Irgendwo musste es eine Leiche geben. Sie rief Elfriede zu sich. »Siehst du irgendwo die Leiche?«
»Adda!«
»Eine Leiche? Wo?«, riefen die anderen Teilnehmer der Gruppe erschrocken aus, als sie Addas Worte hörten.
»Bitte, meine Damen, meine Herren. Es gibt hier keine Leiche. Wenn Sie mir bitte folgen würden«, versuchte die Gruppenführerin, die Leute zu beruhigen.
Doch Adda Fried ließ sich nicht beruhigen, und schon gar nicht von den roten Pommes wegführen. Sie beugte sich über das Geländer und fischte mit schnellen Fingern, eine rote Pommes zu sich heran, grapschte nach ihr und hielt sie zwischen den Fingern. Sie nahm die Brille ab und besah sich die Pommes genau, dabei schnüffelte sie an dem Rot. Nickte. »Wie ich’s mir gedacht habe. Blut!«
Im gleichen Moment schrie die Gruppe auf.
Adda drehte sich um, sah den Arm, der aus einem Berg geschälter Pommes herausragte.
Adda klopfte Elfriede auf den Rücken. »Na, wer hat jetzt Recht gehabt? Dort liegt die Leiche, an die du nicht geglaubt hast.«
»Bis jetzt ist es nur ein Arm.« Elfriede starrte entgeistert auf den Pommesberg.
Der Alarm ging los. Laut, heulend. Markdurchdringend!
Eine unbekannte Stimme rief ihnen aus Lautsprechern zu: »Bitte verlassen Sie das Gebäude. An der Kasse bekommen Sie Ihren Eintritt zurückerstattet. Aus betriebstechnischen Gründen muss die Führung heute leider entfallen.«
Erneut durchdrang der schrille Alarm die Hallen der Fabrik.
Während alle Teilnehmer nach draußen eilten, manche von ihnen hysterisch schreiend, zog Adda Elfriede zur Seite. »Wir bleiben hier!«
»Bist du verrückt geworden! Wir können doch nicht hier bleiben.«
»Oh doch, und ob wird das können! Wäre ja blöd, wenn ich mir den Fall durch die Lappen gehen ließe!« Die alte Dame war sich sicher: Jetzt hatte sie ihren Mordfall. Und ihre Tochter Elfriede hatte ihr sogar noch dazu verholfen! Wie gut, dass sie die Pommesfabrik aufgesucht hatten!
5 - Der fragende Blick des Kommissars
Edgar Braun, diensthabender Kommissar, hatte zusehends schlechte Laune. Ausgerechnet an seinem freien Samstag musste es eine Leiche in einem Pommesberg geben. Als wenn das nicht auch noch Zeit bis zum Montag gehabt hätte. Immerhin, verwest wäre sie, zwischen all den Kartoffeldingern, sicherlich nicht.
Adda hatte sich, zusammen mit Elfriede, hinter einem Wagen mit Kartoffelschalen versteckt.
»Wir müssen hier raus. Was meinst du, was los ist, wenn man uns hier entdeckt.« Elfriede zog ihre Mutter am Arm.
»Wenn du nicht sofort aufhörst, mich am Arm zu ziehen, dann kannst du gleich dort oben, neben dem Arm Platz nehmen!« Adda Fried war sauer. Noch weiter so, und der Kommissar würde auf sie aufmerksam werden.
»Was redest du denn für ’n Zeug? Das hört sich ja beinahe an, als würdest du mir drohen«, echauffierte Elfriede sich.
»Seit wann bist du denn so empfindlich?« Addas Augen blitzten hinter den Brillengläsern. »Und jetzt sei endlich still, ich versteh sonst kein Wort!«
»Verstehen? Was willst du denn verstehen? Reicht’s dir nicht, dass zwischen den Pommes ein Arm liegt!«
»‘ne Leiche, Elfriede, eine Leiche.«
»Das ist doch noch gar nicht erwiesen.«
Kommissar Braun lauschte. »Ruhig!« Sein Blick schweifte umher. »Da ist irgendwer. Ich hör‘s genau.«
»Bestimmt der Mörder, Herr Kommissar«, flüsterte Polizist Egon Degen.
Edgar Braun kratzte sich am Kinn, während er sich nachdenklich auf die Unterlippe biss. »Glauben Sie das tatsächlich, Degen, dass wir den Mörder schon haben?« Dann wäre der Samstag ja doch noch gerettet!
»Nu‘, haben tun wir ihn noch nich‘, nicht wahr. Erst müssen wir ihn ja mal suchen gehen. Aber«, er lauschte, »wenn‘se mich fragen, dann muss der irgendwo dort drüben sein.«
»Na, auf was warten Sie dann noch? Los, hin und festnehmen!«
»Ich?« Egon Degen hatte mit seinen fünfundzwanzig Jahren bisher noch niemanden festnehmen müssen.
»Ja wer denn sonst? Ich vielleicht? Nee, mein Lieber, das ist Ihre Sache. Ich bin später dafür da, der Presse Rede und Antwort zu stehen.« Er sah jetzt schon die Schlagzeilen, in welchen er, auf Grund einer schnellen Verhaftung, lobend erwähnt wurde. Brauns Laune besserte sich bei dieser Vorstellung schlagartig.
»Raus da, aber ’n bisschen plötzlich!«, hörte er Degen rufen. Als er sich umdrehte, sah er, wie der junge Polizist seine Dienstwaffe auf zwei Frauen zuhielt.
»In was hast du uns da nur reingeritten?« Elfriede hob zitternd die Hände übern Kopf, genauso wie sie’s aus den Krimis kannte, und stolperte aus ihrem Versteck.
»Ich, uns in was reingeritten? Wer wollte denn heute unbedingt die Pommesfabrik aufsuchen!«
»Jetzt mach aber mal ‘nen Punkt!« Elfriede ließ die Hände sinken.
»Hände hoch!«, schrie Degen, dem die beiden Frauen nicht geheuer waren. Irgendwo mussten die doch die Tatwaffe haben. Was, wenn er gleich eine übergebraten bekäme? Immerhin, die waren zu zweit und er alleine, gegen den Rest der Welt. Zumindest kam er sich zu Letzterem so vor.
Elfriedes Hände schnellten nach oben. »Ja, klar. Sicher doch«, stammelte sie.
Adda schüttelte entrüstet den Kopf. »Und du willst die Tochter von der Mannheimer Miss Marple sein. Schäm dich, Elfriede. Du tust ja geradeso, als hätten wir die Leiche ermordet.«
»Chef, Kommissar Braun, ich hab ein Geständnis. Die Ältere von den beiden hat gestanden«, rief Degen in Brauns Richtung.
»Geständnisse kommen immer gut. Wirkt sich strafmildernd aus.« Kommissar Braun war sichtlich zufrieden. So schnell hatte er schon lange keinen Mordfall mehr aufgeklärt. Wen interessierte es dabei, dass Degen es war, der die Täter gestellt hatte. Das war immerhin seine Pflicht, dafür wurde er bezahlt.
Edgar Braun ging auf die Frauen zu. Besah sie skeptisch von oben bis unten. »Wie Mörderinnen, seht ihr ja nicht gerade aus. Aber die unschuldig Wirkenden, die haben’s oft faustdick hinter den Ohren. Kennt man, is’ ja nichts Neues.« Er ging um Adda herum. Vor Elfriede blieb er stehen. »Neues Parfüm?«
Elfriede nickte.
»Name!«
»Elfriede Wild.«
»Nich’ von dir, Mädchen, vom Parfüm. Meine Frau hat bald Geburtstag. Dann hätte ich wenigstens ein Geschenk für sie. Bräuchte ich mir nicht weiter den Kopf zu zerbrechen.« Er wusste, dieser Duft, er entsprach genau der Nase seiner Frau. »Oder ich schenk ’s ihr einfach so.«
»Lucky Old Lady«, antwortete Elfriede eingeschüchtert.
»Was geht das dich an!« Braun glaubte, seinen Ohren nicht zu trauen. Seit wann erdreistete sich eine Tatverdächtige, seine Frau als Lucky Old Lady zu bezeichnen. Das war unerhört. Einfach unmöglich war das! »Ob meine Frau glücklich ist, das geht dich gar nichts an. Und ‘ne Old Lady, das ist sie schon mal gar nicht!«
»Wie bitte?«, stammelte Elfriede. Als sie begriff, sagte sie rasch: »Lucky Old Lady ist der Name meines Parfüms. Den wollten Sie doch wissen.«
»Ach so. Klar. Habe auch nichts anderes verstanden. Degen, dass Sie aber auch immer falsch kombinieren«, fuhr er den Polizisten an.
»Ich, Chef, aber was habe ich denn …?«
»Still jetzt. Kein Ton mehr!« Braun wandte sich Adda zu. »Ihr Name?«
»Ich hab kein Parfüm an mir.« Adda schnupperte an sich. Mit viel Wohlwollen konnte man eventuell noch leichten Frittengeruch wahrnehmen, aber das war’s auch schon.
»Habe ich etwa nach Parfüm gefragt? Ich will wissen, wie Sie heißen, und warum Sie das Opfer getötet haben!«
Adda hob die Hand. »Jetzt hören Sie mir einmal gut zu, junger Mann …«
»Edgar Braun. Kommissar Edgar Braun. Und ich ermittle hier, nicht Sie. Folglich, wenn hier jemand zuzuhören hat, dann sind Sie das, und nicht ich!«
»Das ist mir ganz egal. Sie übersehen wohl ganz, wen Sie hier vor sich haben!«
Braun lachte. »Zwei ältere Mädchen.«
»Nix da, von wegen älteren Mädchen. Ich bin mal gerade neunundsechzig, und meine Kleene hier, die hat bald ihren Fünfzigsten. Von wegen ältere Mädels!« Sie funkelte ihn böse an. »Außerdem, spricht man in dieser Art mit einer Kollegin?«
»Adda!« Amtsanmaßung, auch das noch! Elfriede überlegte bereits, wie viel Monate oder Geldstrafe das einbrachte.
»Adda Fried«, stellte sich Adda vor. »Meine Tochter, Elfriede Wild, kennen Sie ja bereits.«
»Und weiter?« Braun zog eine Packung mit Zahnstochern aus der Tasche und schob sich einen zwischen die Zähne.
»Was heißt hier und weiter? Ich sagte doch bereits, dass ich so etwas wie eine Kollegin bin. Habe, wenn man’s genau betrachtet, eigentlich täglich mit Totem zu tun.«
Braun wurde hellhörig. Er konnte ja nicht ahnen, dass Adda Fried in diesem Moment mehr an Wiener Würstchen, Hamburger und all solche fleischigen Darbietungen dachte, als sie dies sagte.
Braun schwenkte um: »Nun, wenn wir Kollegen sind«, er zog die Packung Zahnstocher aus der Tasche, »auch eins?«, bot er Adda an.
»Nein danke. Gummibärchen sind mir lieber. Mag den Gottschalk nämlich, der macht immer Werbung für diese Dinger.«
»Gummibärchen hab ich nicht. Leider.«
»Geht auch ohne. Ich besitze ja auch keinen Gottschalk.« Adda sah zu dem Arm, der immer noch zwischen den Pommes frites hervorragte. »Schon eine Ahnung, um wen es sich bei der Leiche handelt?«
Braun schüttelte den Kopf. »Nee, muss erst noch die Spurensicherung ran. Bisher weiß ich noch nicht einmal, ob Männlein oder Weiblein.«
»Weiblein«, stellte Adda fest. »Sieht man doch an den lackierten Fingernägeln.«
»Adda, wirst du wohl!«
Adda drehte sich zu