Die Ehre meiner Seele: Historischer Roman
Von Bridget Sabeth
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Über dieses E-Book
Stephan verschwindet in derselben Nacht spurlos. Als Sara ihren Freund, Thomas Heine, aufsucht, trifft sie in dessen Wohnung auf ihre Schwester. Bestürzt erkennt sie, dass die beiden die Nacht gemeinsam verbracht haben. Obwohl sie darüber sehr enttäuscht und verletzt ist, stimmt sie zu, darüber Stillschweigen zu bewahren.
Doch als Alma bekennt, dass sie schwanger ist, wirbelt es das Leben der Familie völlig durcheinander.
Bridget Sabeth
Bridget Sabeth, Jahrgang 1977, ist gebürtige Österreicherin. Bereits im Alter von 3 Jahren waren die Schulsachen des Bruders nicht mehr vor ihr sicher. Sie sehnte sich nach der Magie der Buchstaben, die sich zu Wörtern zusammenfügten. Als sie Sätze bilden konnte, entstanden die ersten Geschichten, und brachte diese schließlich aufs Papier. Die Faszination von damals ist bis jetzt nicht in ihr erloschen.
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Buchvorschau
Die Ehre meiner Seele - Bridget Sabeth
Vorbemerkung
Die Handlung dieses Romans ist frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt. Das Schloss in Eichstätt hat es nie gegeben.
Einige historische Aspekte sind eingeflossen, die jedoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, und gelegentlich etwas abgeändert wurden.
Erstes Buch
Prolog
1888 – Bayern
Der Wind strich über das Land und die Äste der Bäume wiegten sich sanft in einer luftigen Brise. Langsam brach die Nacht herein und Düsternis legte sich auf den kleinen Hain. Hinter einer Laubhecke verbarg sich eine junge Frau. In der Hand hielt sie eine Laterne. In deren Widerschein offenbarte sich ein harter Zug um den Mund, der ihre Angespanntheit verriet und ein geheimes Treffen vermuten ließ. Nervös schaute sie sich um, als hätte sie Sorge, von jemandem entdeckt zu werden.
Der Schrei einer Eule zerriss die Stille. Es raschelte im Unterholz und ein feiner Lichtstrahl zeigte sich in der Dunkelheit. Die Frau zog die Mantille fester um die Schultern zusammen, als suche sie Schutz darin. Sie erkannte eine schemenhafte Gestalt, hörte alsbald Atemgeräusche. Ein Mann von großer, kräftiger Statur trat hervor und leuchtete mit seiner Laterne in ihr Gesicht.
»Baronin Teresa Königshofer von Eichstätt, welche Freude, dass du meiner Einladung gefolgt bist. Du weißt sicherlich, was ich erwarte!« Trotz der vertraulichen Anrede schwang in seiner Stimme eine spürbare Missachtung mit. Sein Blick verweilte länger an ihren Rundungen, als es der Anstand gebot.
»Mathias Krüger. Zügelt Euer Verlangen!« Die junge Frau presste die Lippen aufeinander. Vor gar nicht langer Zeit hatte sie sich ihm hingegeben, aus freien Stücken, doch eine tiefergehende Verbindung wäre ihr niemals in den Sinn gekommen. »Und senkt das Licht, es blendet mich! Oder wollt Ihr Aufmerksamkeit erregen?«
Der Mann folgte ihrer Aufforderung mit einem leisen Grollen. »Ich bin so allein, seit dem Tod meiner Frau …« Er brach ab, als würde er das tragische Unglück tatsächlich bedauern, aber Teresa wusste es besser.
»Verschont mich mit dieser Heuchelei, denn wie man sich erzählt, haltet Ihr Euch seit Jahren an mancher Dirne schadlos.« Sie war selbst verwundert, dass ihre Stimme nicht derart zittrig klang, wie sie sich im Inneren anfühlte. In der Ferne vernahm sie das Heulen eines Wolfes. Hektisch suchte Teresa mit ihren Augen die Umgebung ab, doch in den dunklen Schatten konnte sie niemanden ausmachen. Sie hoffte indes, dass der Wind ihre Worte nicht für andere hörbar weitertrug. Die Baronin raffte den Umhang fest um sich, bedeckte ihre weiblichen Kurven, die sich unter dem hochgeschlossenen Kleid abzeichneten.
Für eine Weile verschwand Mathias‘ Argwohn. »Ich würde alles für dich tun.« Er klang irritierend liebevoll.
»Mir scheint, Eure hehren Absichten kommen eher einer Erpressung gleich!«
»Erpressung? Was für ein abscheuliches Wort. Nennen wir es eine Vereinbarung. Außerdem, meine Schöne, tu nicht so, als würde ich dir missfallen, sonst hättest du dich wohl kaum an mich gewandt und mir deine Süße geschenkt.«
Wie konnte ich mich nur hinreißen lassen? Übelkeit stieg in Teresa hoch. Sie kannte die bittere Antwort: Sie sah keinen anderen Ausweg. »Ich bin glücklich mit meinem Gemahl. Ich liebe ihn!«
»Liebe …« Abfällig spuckte Mathias auf den Boden. »Da entsinne ich mich an deine wunderschönen Töchter.« Er betonte jedes Wort. »Was für ein Glücksfall, dass sie dir ähneln und nicht …«
»Was wollt Ihr?« Sie stoppte ihn impulsiv im Satz und erntete ein überhebliches Lachen. Mit seinem Hass konnte sie umgehen, nicht jedoch damit, dass er ihr Geheimnis ausplaudern könnte. Er dürfte weder ihre Familie noch ihre Liebe zerstören!
»Bei deinem ersten Mann hast du kein Glück gefunden! Zumal er nicht deine freie Wahl war.«
»Ich bedaure meine frühe Witwenschaft nicht, und bin auch kein unbedarftes Ding mehr.«
Spöttisch verzog Mathias seinen Mund. »Das stimmt. Außerdem wurdest du durch Heinrichs Tod eine reiche Frau. Damals dachte ich, dass ich der Mann an deiner Seite werden könnte, nur war ich nicht standesgemäß.«
Teresas Gesicht glühte vor Aufregung und Scham. Das Blut rauschte in ihren Ohren. Sie senkte das Licht. »Ihr wisst, dass mir diese Standesdünkel nichts bedeuten!«
»Ach ja, ich vergaß, du bist Carl – deiner großen Liebe – begegnet«, spottete er. »Dennoch scheint es mir, dass sich unsere Wege immer wieder kreuzen. In deiner größten Not kamst du zu mir und nun erstaunt es dich, dass ich dafür einen Dankeszoll verlange? Du stehst vor mir wie ein scheues Reh, dabei kenne ich – nur ich – deine geheimen Abgründe.«
Der drohende Unterton blieb ihr nicht verborgen. Sie schluckte ihren Ekel hinunter und reckte stolz das Kinn nach oben. »Erspart mir Eure Belehrungen! Ihr habt mich kaum deswegen zur nächtlichen Stunde an diesen Platz rufen lassen.«
»Stimmt.« Mathias seufzte. »Du bist so sehr um Haltung bemüht, nur gelingt dir das nicht, meine Schöne …« Er strich mit einem Finger über Teresas Gesicht.
Sie entdeckte ein gefährliches Glitzern in seinen Augen. Unbewusst hielt sie den Atem an und verbannte den abstrusen Gedanken, Mathias würde ihr in der nächsten Sekunde die Kleider vom Leib reißen und sich ihrer bemächtigen. Sie zitterte.
»Es gab Zeiten, da hat meine Berührung dir lustvolle Laute entlockt.« Gequält ließ er seine Hand sinken.
»Ich hab mich zu Dingen hinreißen lassen, die Carl sehr verletzen würden. Dafür trage ich ganz allein die Konsequenzen. Also bitte, kommt endlich zur Sache, oder ich werde mich verabschieden.«
»Gut. Wie dir sicher zugetragen wurde, habe ich einen finanziellen Engpass. Deshalb dachte ich mir, du könntest in mich investieren.«
Im ersten Moment spürte sie Erleichterung, dass er nur Geld forderte und nicht ihren Körper. »An welche Summe habt Ihr gedacht?«
»Nun, es wäre mir eine große Hilfe, wenn ich zweitausend Gulden sofort erhalten könnte.«
»Zweitausend?«, wiederholte sie bestürzt.
»Und zu jedem Monatsersten weitere zweihundert Gulden, solange ich lebe. Immerhin muss ich für meinen Sohn sorgen und möchte ihm eine umfassende Schulausbildung ermöglichen.«
»Weitere zweihundert Gulden monatlich? Seid Ihr von Sinnen?«
»Dies wäre nur eine minimale Gegenleistung dafür, dass das Geheimnis bei mir sicher verwahrt bleibt und ich deinen Ehebund nicht stören werde. So kann sich Carl auch künftig mit Hingabe um eure Töchter kümmern. Du willst ihn keineswegs erzürnen, oder? Am Ende hast du mehr zu verlieren als ich.«
Die Baronin hätte ihm am liebsten das selbstgefällige Grinsen aus dem Gesicht geschlagen. »Das ist mehr, als ich beschaffen kann.«
»Ach Weib, lamentiere nicht! Die frühe Ehe hat dich mündig und dein verstorbener Mann wohlhabend gemacht. Du kannst über dein Vermögen frei bestimmen und bist keineswegs vom Wohlwollen des Barons abhängig.
Seit Luitpold das Zepter in der Hand hält, befindet sich unser Land spürbar im wirtschaftlichen Wachstum, weshalb ich mit dem Gedanken spiele, in die Bierbrauerei einzusteigen. Doch dafür fehlt mir gerade das nötige Kleingeld.«
»Wo wollt Ihr Euch noch überall profilieren? Mit Eurem Verstand sollte meine Unterstützung nicht nötig sein!«
»Du irrst. Gerade deshalb brauche ich deine Unterstützung, da die Bedingungen für eine gewinnbringende Anlage im Moment sehr günstig sind. Als Berater in Geldangelegenheiten weiß ich sehr wohl, wie viel deine Besitztümer wert sind. Natürlich achte ich darauf, deinen Schaden gering zu halten, immerhin bin ich kein Unmensch.«
»Eintausendfünfhundert Gulden«, feilschte sie, »und monatlich werdet Ihr nicht mehr als hundert Gulden erhalten.«
»Eintausendfünfhundert Gulden sofort und hundertfünfzig pro Monat.«
»Hundertzwanzig, das ist mein letztes Wort.«
»Du bist nicht in der Position, um zu verhandeln. Was würde Carl sagen, wenn er …«
»Hundertzwanzig«, fiel sie ihm ins Wort, »ansonsten könnte ich mich erinnern, Euch in der Todesnacht Eures Weibes an deren Boot hantieren gesehen zu haben.«
»Was sagst du da?« Seine Hand schnellte nach vorn und umfasste hart ihren Oberarm.
»Ihr tut mir weh!« Gewiss würden Abdrücke seiner Finger zurückbleiben. Sie versuchte, sich aus der Umklammerung zu entwinden.
Er lockerte den Griff. »Du hast es gewusst? All die Zeit?«
»Nun weiß ich es. Ein Mord verjährt nicht!«
»Es würde gewiss sehr eigenartig wirken, wenn du erst jetzt mit dieser Anschuldigung herausrückst. Ohne Beweise steht mein Wort gegen deines.«
»Wollt Ihr es tatsächlich darauf ankommen lassen? Es wäre sicher allein der Verdacht hinlänglich, sodass manche Geschäftspartner eine künftige Kooperation mit Euch genauestens überdenken würden. Womöglich stünde Eure Stellung beim Bankinstitut in Gefahr.«
»Dieses Wissen kann dein Untergang sein!«
»Ihr seid doch kein Narr und verzichtet auf Eure Geldeinnahmequelle, mit der Möglichkeit, Euch weiter hervorzutun!«
»Dann sieh es als Rückversicherung für dein Leben, für das deines Mannes und der Töchter.« Mit diesen Worten ließ er ihren Arm los und Teresa taumelte zurück.
Sie unterdrückte das Bedürfnis, die schmerzende Stelle zu berühren. »Gebt zu, das Geld ist Euch in Wahrheit einerlei, Ihr wollt nur Rache nehmen, da ich mein Glück gefunden habe, nur nicht an Eurer Seite.«
»Baronin, dein Kapital werde ich gewinnbringend einsetzen, und ansonsten sollst du dich zu jedem Ersten im Monat daran erinnern, welche Schuld du auf dich geladen hast. Lass dir gesagt sein: Früher oder später wirst du erkennen, dass deine Verfehlungen nicht geringer sind als meine.«
»Es ging nur um die Erfüllung von Carls sehnlichstem Wunsch. Er wollte einen Erben.«
»Du hättest ihn sicherlich ausreichend zu trösten vermocht, auch ohne Nachfolger!«
»Carl hat mich vor der Einmischung meiner Eltern gerettet, die sich wie Schmarotzer im Böhmer-Hof eingenistet hatten, und holte mich zu sich ins Schloss. Er schenkt mir seine bedingungslose Liebe. Da ist es wohl legitim, dass ich ihm etwas zurückgeben wollte.«
»Dir ging es nie um Carl, sondern nur um dich! Viel zu sehr lechztest du nach einem Adelstitel und wolltest im Reigen der Hochwohlgeborenen aufgenommen werden. Aber glaub mir, ein Kind macht deine einfache Abstammung nicht unvergessen.«
»Am besten schaut Ihr Euch selbst nach einer privilegierten Frau um, dann müsst Ihr mir meinen Aufstieg nicht länger neiden.«
»Ich brauche kein farbloses Weib an meiner Seite, sondern eine, die mich fordert.«
»Wenn ich das sein soll, dann ist Euch nicht zu helfen!«
»Wir beide sind uns ähnlicher, als dir lieb ist. Dein Gemahl hält dich hingegen für eine Heilige und ich weiß schon jetzt, dass du ihn ins Verderben stürzen wirst. Ich habe dich längst durchschaut. Du hast die falsche Wahl getroffen, als du mit ihm zum Traualtar schrittest!«
»Mein Herz hat entschieden!«
Er lachte bitter. »Dein Herz? Wo war dein Herz in jener Nacht, als du zu mir kamst und …?«
»Schweigt!«
»Daher ist Kalkül wohl die passendere Bezeichnung.«
»Nennt es, wie es Euch beliebt. Dessen ungeachtet solltet Ihr endlich aufhören, meiner nachzutrauern, denn ich war niemals Euer Weib und werde es nie sein! Somit ist Eure gekränkte Eitelkeit mehr als unangebracht. Erfreut Euch besser an all den anderen Frauen, die gewiss williger sind als ich, und Euch ihre Gunst schenken.«
»Wir bleiben auch ohne Ehebund aneinandergekettet«, sprach Mathias voller Häme.
Es fröstelte Teresa. »Mein Geld gibt es nur, wenn Ihr meine Bedingungen erfüllt!«
»Aber Liebste, welche?«, spottete er.
»Wir werden künftig kein privates Wort mehr miteinander wechseln und vermeiden persönlichen Kontakt. Zudem: Haltet Euch von meinen Töchtern fern!«
»Sollten die Zahlungen pünktlich eintreffen, wird das kein Problem darstellen. Ich hoffe nur, dass du nicht dein Wissen ausnützt und versuchst, meine Geschäfte zu untergraben, ansonsten wird Carl von uns erfahren. Dann dürftest du all deine Privilegien verlieren.«
»Solange meine Interessen nicht leiden, werde ich Eure Geschäfte nicht ruinieren.«
»So sei es.« Mathias ergriff Teresas Hand und deutete einen Kuss an. »Dann sind wir uns einig. Aber ich bin mir sicher, auch wenn du mich aus deinem Leben verbannst, wirst du keine Ruhe finden und dich meiner entsinnen.«
»Diese Erinnerung wird nur Schmerz und Hass hervorrufen.«
»Meine ebenso.« Er ließ ihre Hand los.
Sie sah dem Schein seiner Laterne nach, bis dieser gänzlich in der Dunkelheit verschwand. Angewidert wendete sie sich ab. Was für einen abscheulichen Pakt habe ich geschlossen? Das gutmütige Lächeln ihres Gemahls drängte in den Gedanken empor. Ich tue es für ihn, versicherte sie sich, und für das Wohl meiner Familie.
*
»Herr Baron, ich bitte Euch auf ein Wort«, rief die Hofmeisterin, als sie den Freiherrn Carl Königshofer von Eichstätt erblickte.
»Magdalena, gewiss. Komm, begleite mich ein Stück des Weges.«
Die Bedienstete unterbrach die Arbeit im Garten und strich ihre Hände an der Schürze ab, die sie über dem groben Wollkleid trug.
»Du bist mitten in der Rosenblütenernte, wie ich sehe.«
»Diese Pracht will gut genützt sein, zumal das feine Aroma in den handgemachten Seifen herrlich zur Geltung kommt.«
»Ich hoffe allerdings, dass wir auch die Rosenzucker-Vorräte auffüllen. Du weißt, wie sehr Teresa diesen erlesen Geschmack in ihrem Tee liebt.«
»Natürlich Herr Baron, dafür werde ich sorgen.«
»Fein.«
Seite an Seite gingen die beiden nebeneinander her. Carl war ein herrschaftlicher Mann mit braunem Haar und einem Schnauzer mit nach oben gezwirbelten Spitzen. Die Sonne schien heiß vom Himmel herab, deshalb suchten sie im Schatten eines Kirschbaumes Schutz.
Der Baron wandte sich an Magdalena, die ihm gegenüberstand. »Nun sag schon, worüber möchtest du mit mir sprechen?«
»Ich hätte ein Anliegen und es wirkt mitunter etwas unverfroren.«
»Dies zu beurteilen, obliegt mir.«
»Nun, wie ich von Eurer Gemahlin erfahren habe, soll künftig Eure Stieftochter Sara unterrichtet werden.«
»Ja, das stimmt.«
»Deshalb wollte ich Euch bitten, ob nicht Thomas ebenfalls an den Lehrstunden teilnehmen könnte. Er ist so