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LILLIAN - Im Schatten des Seins
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eBook439 Seiten5 Stunden

LILLIAN - Im Schatten des Seins

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Über dieses E-Book

Louisiana 1850: Warum dürfen Sklaven wie verderbliche Waren behandelt werden? Das fragt sich Lillian Hanson nicht zum ersten Mal. Tatenlos beobachtet sie als Mädchen, wie ein misshandelter Sklavenjunge achtlos am Straßenrand abgelegt wird. Solch ein Vorgehen ist ihr fremd, denn ihre Eltern beschäftigen freie Arbeiter und entlohnen diese gerecht.
Lange, bevor der Bürgerkrieg in Amerika ausbricht, sind der Norden und der Süden entzweit. Diese Zerrissenheit spiegelt sich in den Bewohnern wider. Auch auf der Bennett-Baumwollplantage sind sich die Zwillingsbrüder Finn und Cedric uneins darüber, wie man mit Leibeigenen umzugehen hat. Finn ist skrupellos, während Cedric versucht, trotz seiner Brustkrankheit, die Sklaven vor der sinnlosen Gewalt zu schützen.
Aber kann man in einem Land, in dem Sklaverei per Gesetz erlaubt ist, etwas erreichen? Wird Finn erkennen, dass Schwarze auch Menschen sind, und macht Cedrics Eingreifen überhaupt Sinn?
Hinzu kommt, dass sich die Rivalität der Brüder weiter verschärft, als beide um Lillians Gunst buhlen.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum13. Nov. 2019
ISBN9783750252233
LILLIAN - Im Schatten des Seins
Autor

Bridget Sabeth

Bridget Sabeth, Jahrgang 1977, ist gebürtige Österreicherin. Bereits im Alter von 3 Jahren waren die Schulsachen des Bruders nicht mehr vor ihr sicher. Sie sehnte sich nach der Magie der Buchstaben, die sich zu Wörtern zusammenfügten. Als sie Sätze bilden konnte, entstanden die ersten Geschichten, und brachte diese schließlich aufs Papier. Die Faszination von damals ist bis jetzt nicht in ihr erloschen.

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    Buchvorschau

    LILLIAN - Im Schatten des Seins - Bridget Sabeth

    LILLIAN

    IM SCHATTEN DES SEINS

    Bridget Sabeth

    Impressum

    Texte: © Copyright by Bridget Sabeth

    Umschlag: © Copyright by Bridget Sabeth

    Cover: Coverbearbeitung Bridget Sabeth unter Verwendung einer Lizenz von istockphoto.com

    Stock-Fotografie-ID: 495751612

    Urheberrecht: san4es

    Verlag: Brigitte Kreuzer

    Raningerweg 2

    8761 Pöls-Oberkurzheim

    bridget.sabeth@gmail.com

    BAND 1

    RIVALITÄT DER BRÜDER

    PROLOG – BURNSIDE/LOUISIANA 1829

    Zum Teufel! Wo ist Quentin? Nathaniel Bennetts Augen verengten sich, als er die Gegend nach seinem Aufseher absuchte. Hoch zu Pferd schaute er auf seine Sklaven zwischen den Baumwollstauden hinab. Irgendetwas war anders. Keiner muckte, alle pflückten Baumwolle in Windeseile, niemand bettelte um Wasser, obwohl die Sonne heiß vom Himmel brannte. Warum waren sie heute derart fügsam und fleißig?

    »Wo ist Quentin abgeblieben? Hat jemand von euch ihn gesehen?«, forschte er im herrischen Ton.

    Verneinend schüttelten die Sklaven ihre Wollschöpfe. Sie arbeiteten weiter, ohne aufzuschauen.

    Verlogenes Pack! Irgendetwas verbergen sie! Haben sie Quentin etwas angetan? Sein Blick wanderte durch die Reihen der Untergebenen. Sicherheitshalber zählte er durch. Moment – da fehlt jemand! Die Männer waren vollzählig. Also ein Weib! Befand sich sein Vorarbeiter bei einem heimlichen Stelldichein? In der Nähe?

    Jäh schwang Nathaniel sich vom schwarzen Hengst und stapfte, mit der Peitsche drohend, auf eine Sklavin zu. Er bemerkte, wie ihre Hände zitterten. »Nahla, was ist hier los?« Knallend ließ er die Peitsche durch die Luft sausen.

    Erschrocken duckte sich Nahla. »Sir Bennett, ich bitte Sie, fragen Sie jemand anderen.«

    »Ich frage dich!«

    Ihre Augen glitten zu den entfernten Büschen.

    »Ist er dort hinten?«

    Ihr zustimmendes Nicken war kaum wahrnehmbar. Nathaniel beachtete Nahla nicht länger, sondern eilte Richtung besagter Stelle. Er stoppte, bevor er sein Ziel erreicht hatte. Stöhnt da wer? Heißer Zorn brodelte in ihm. Quentin gab sich offenbar irdischen Freuden hin, statt sich um seine Pflichten zu kümmern. Dem werde ich Beine machen! Nathaniel zog die Waffe und schlich weiter. Mit einem Satz sprang er aus dem Busch hervor und befand sich inmitten einer kleinen Lichtung. Er starrte auf Quentins Rücken. Noch immer hatte der Vorarbeiter ihn nicht bemerkt. Es dauerte eine Weile, bis Nathaniel begriff, was da vor sich ging. Die Sklavin Eliza wimmerte, ihre Haut glänzte vor Schweiß, sie atmete röchelnd und stoßweise. Der Boden war ringsum besudelt mit Blut. Bekommt sie ein Kind? Nathaniel ließ die Waffe sinken, steckte sie in die Halterung zurück und trat näher. Selbst jetzt wirkte der Bauch der Sklavin kaum fülliger als sonst. Eliza bäumte sich auf, während Quentin mit seinen Händen einen Säugling aus dem sterbenden Leib zog. Es schrie. Ein Wunder, inmitten des Blutes!

    Nathaniel blickte in die entsetzten Augen seines Vorarbeiters, die feucht schimmerten. Notdürftig schlug Quentin seine Jacke um das Mädchen. Nathaniel kniete sich an die Seite der Sklavin. Ihr Brustkorb senkte sich, sie hauchte den letzten Lebensatem aus. Verblutet. Er schluckte, diese Szene rührte an sein Herz. Nathaniel schloss sanft Elizas leblosen Lider. Seufzend erhob er sich und betrachtete Quentin, der das Neugeborene schützend hielt. Obwohl sein Vorarbeiter nichts gesagt hatte, wusste Nathaniel, dass Quentin der Vater des Säuglings sein musste.

    Könnte das Mädchen ein Ersatz für Fionas totes Kind sein und vermögen, meine Frau aus ihrer Schwermut zu holen? Wenige Monate zuvor hatte sie ein Baby geboren. Es war von schwächlicher Natur gewesen und bereits am dritten Tag in Fionas Armen gestorben. »Komm, gib mir das Mädchen«, forderte Nathaniel Quentin auf.

    Sein Gegenüber zögerte.

    »Vertrau mir, ich habe nichts Böses im Sinn, sondern möchte es Fiona bringen. Die wird mit dem Balg sicher Freude haben.«

    Quentin blickte zitternd auf das kleine Wesen, auf seine Tochter. Er wusste, dass sie kaum einen besseren Platz – als im Haus seines Vorgesetzten – finden würde. Doch wie sollte er sich jemals verzeihen, dass Eliza tot im verdorrten Gras lag? Bereitwillig hatte sie ihm Leidenschaft und Wärme geschenkt. Und nun? Nun verfluchte er sich dafür. Ohne ihn würde es dieses Kind nicht geben und Eliza könnte noch leben. Quentin schaute in die dunklen Augen seiner Tochter und fühlte innige Zuneigung. Der Gedanke, die Kleine könnte irgendwann derart ausgebeutet werden, wie all die anderen Sklaven auf dieser Plantage, zerriss ihm fast das Herz.

    »Bestimmt willst du nicht, dass es in den Baracken groß wird. Ich gebe dir mein Wort: Das Kind muss nicht auf die Felder, sondern soll bei uns im Haus eine Anstellung bekommen, sobald es alt genug dafür ist. Das mache ich, weil ich dich als loyalen Mitarbeiter schätze. Nichtsdestotrotz, Eliza ist mein Eigentum und ihr Nachwuchs ebenfalls. Du hättest ohnehin kein Recht auf das Mädchen, ungeachtet dessen, dass du frei und weiß bist.« Nathaniel nahm ihm den Säugling ab.

    Quentin sank auf die Knie. »Thalia«, flüsterte er rau.

    »Was sagst du?«

    »Es soll Thalia heißen. Das war Elizas letzter Wunsch – wenn es ein Mädchen wird.«

    »Meinetwegen. Aber nun vergiss das Kind und vor allem, dass es deines ist!«

    Sei dankbar!, ermahnte Quentin sich innerlich. Dieses Mädchen würde es zumindest besser haben als einst seine Liebe. »Ich verspreche Ihnen, niemals meine Vaterschaft öffentlich kundzutun. Aber die anderen Sklaven …«

    »Darum kümmere ich mich. Sollte einer von ihnen tratschen, schenke ich demjenigen eine Wanderung durch das Moor.«

    Quentin schluckte. Das kam einem Todesurteil gleich. Früher, vor der Zeit mit Eliza, hätte er darüber gelacht. Doch durch das Beisammensein mit ihr hatte er erst all die Ungerechtigkeiten begriffen. Erschaudernd musste Quentin erkennen, dass er selbst Teil dieses unfairen Systems war, in dem Weiße durch die Ausbeutung der Schwarzen profitierten. Wie konnte er es gutheißen, dass die Tiere im Stall behaglichere Unterkünfte hatten, regelmäßig mit ausreichend Wasser und Futter versorgt wurden, während die Sklaven kaum das Nötigste zum Überleben erhielten? Weshalb lehnte er sich nicht auf? Und aus seiner Hoffnung, Eliza eines Tages freizukaufen, blieb ein bitterer Nachgeschmack. Es gab keine gemeinsamen Träume mehr, sondern seine große Schuld!

    Quentin rückte näher zum leblosen Körper. Er strich über Elizas krauses Haar, ließ es durch seine Finger gleiten.

    »Ich werde dafür sorgen, dass dir jemand beim Abtransport des Leichnams behilflich ist.«

    Tiefe Schluchzer entwichen Quentins Kehle, während Nathaniel mit dem Säugling davonging.

    BURNSIDE/LOUISIANA JULI 1850

    »Lillian«, zischte jemand und zog mich hinters Gebüsch.

    »Grace? Was soll …«

    »Psst.« Meine Freundin hielt mir den Mund zu. »Dort drüben, schau«, flüsterte Grace, ehe sie ihre Hand sinken ließ. Ich lugte zur Seite und entdeckte einen weißen Mann, der einen Schwarzen grob vom Karren zog.

    »Lebt der noch?« Ein gequältes Stöhnen, als dieser auf den Boden prallte, beantwortete meine Frage.

    »Elender Bastard!«, zischte Grace neben mir.

    Ich zitterte. Als der Weiße den armen Kerl heftig trat, um ihn in den Straßengraben zu stoßen, schloss ich entsetzt die Augen. Das gepeinigte Wimmern drang bis zu uns, wurde leiser, bis es verstummte. Kurz darauf fuhr das Gespann an. »Komm, wir müssen nach ihm sehen!«

    »Nein! Lass ihn! Er wird sterben.«

    Ich hörte nicht auf Grace, sondern rannte zum Schwarzen. Entgeistert taumelte ich zurück. Ist er tot? Vor mir lag ein Junge, kaum älter als ich mit meinen knapp neun Jahren. Er war nackt, ihm fehlten sämtliche Finger und aus den Wunden quollen dicke Maden.

    »So eine grausame Verstümmelung, offensichtlich hat er gestohlen.«

    Verdattert konnte ich den Blick nicht von diesem schmächtigen knochigen Körper lösen. Grace wusste so viel mehr, als ich mit meiner unbekümmerten Art. Sie war fünf Jahre älter. Mein Vater hatte einst ihre Eltern als Sklaven gekauft und freigelassen. Seitdem arbeiteten sie mit den anderen Bediensteten gegen Entlohnung auf unseren Tabakfeldern. Es gab Schwarze, Mulatten, Weiße und sie hatten eines gemein: ihre Freiheit. Das unterschied uns grundlegend von den Plantagen ringsum. Da ich keine Geschwister hatte, suchte ich oft Anschluss bei den anderen Kindern. Grace war mir von allen die liebste.

    Meine Freundin nahm mich an der Hand. »Wir müssen verschwinden.«

    Ich entdeckte ein Brandzeichen auf der Brust des Jungen. »B – wofür steht das?«

    Grace seufzte. »Für die Bennett-Baumwollplantage.«

    »Bennett – unser Nachbar?«

    Sie nickte und zog mich fordernd ins schützende Dickicht.

    »Ist … darf man das? Ihn ablegen?«

    »Was weiß ich!«, zischte Grace sauer.

    »Du hältst mich für dumm, nicht wahr?«

    »Du hast keine Ahnung, was es bedeutet, schwarz zu sein! Was würde ich dafür geben, deine helle Haut zu haben!«

    »Für mich ist das nicht wichtig. Ich wäre lieber kaffeebraun, so wie du oder meine Mutter.«

    »Du bist tatsächlich dumm! Die Hautfarbe entscheidet über das Leben. Denkst du, einem Weißen würde so etwas passieren? Dein Vater schätzt uns. Aber du merkst selbst, wenn wir am Hafen sind, wie die Männer mir nachschauen. Ich bin für sie nur eine verderbliche Ware. Sobald ich alt genug bin, gehe ich fort in den Norden.«

    Ich schluchzte.

    »Mein Gott, weinst du jetzt?«

    Mir wurde alles zu viel. Der tote Junge! Und Grace wollte gehen?

    »Entschuldige, ich war grob.« Meine Freundin nahm mich in den Arm. »So rasch lass ich dich nicht allein.«

    Ich wischte mir über die nassen Wangen.

    »Deine Mutter Elina ist sicher froh, dass du hell bist. Sie weiß selbst, wie es sich anfühlt, wenn man von der Gesellschaft nicht akzeptiert wird. Und das, obwohl ihre Eltern die Plantage aufgebaut haben und sie, seit Geburt, frei ist. Es gibt bloß wenige Männer – wie deinen Vater – die sich über die Konventionen hinwegsetzen, besonders bei uns im Süden. Deswegen müssen wir vorsichtig sein, auch du! Denn Sklavenfreunde sind nirgends gern gesehen.«

    »Mutter hat nie etwas gesagt.«

    »Das wird sie nicht tun, weil Elina dich vor allem Unheil auf dieser Welt schützen möchte. Doch der heutige Tag hat dir gezeigt, wie es wirklich ist. Menschen können Bestien sein.«

    Bestien? Demnach musste Bennett eine Bestie sein. Schweigend rannten Grace und ich heim, begleitet von diesem grausigen Bild des Jungen in meinem Kopf.

    *

    »Herr Vater! – Mutter!« Finn Bennett rief schon von Weitem. In einer Hand hielt der Fünfzehnjährige ein Gewehr, mit der anderen schleifte er etwas Schweres hinter sich her. Es fehlte nicht mehr viel, dann würde er ebenso groß und stark wie sein Vater sein. Finn lief zwischen den alleeartigen Eichenbäumen hindurch, folgte dem weißen Kies, der direkt zum Haupthaus führte. Suchend schaute er zu den Fenstern und hoffte, dahinter eine Regung zu bemerken.

    »Vater! – Mutter!« Sein Ruf wurde drängender. Wie zum Trotz standen die Säulen, einem Mahnmal gleich, vor ihm. Erhaben, in stoischer Eintracht, stützten sie das schwere Dach. Um das gesamte Gebäude waren Veranden angeordnet, die Schutz spendeten vor Sonne, Regen und Wind. Von oben konnte man den angrenzenden Fluss sehen. Finn war das einerlei, aber sein schwächlicher Bruder Cedric saß oft dort und starrte stundenlang vor sich hin.

    Als er an Cedric dachte, grunzte er verächtlich. Finn stolperte über einen Ast. Fast wäre er gestürzt. Hastig guckte er sich um. Jemand da? Er entdeckte niemanden. Nur der Wind rauschte durch die Blätter. Das hätte ihm gefehlt, dass er sich wegen einer Unachtsamkeit vor einem Sklaven blamieren würde. Erleichtert stieß er Luft aus, wischte sich über die schweißnasse Stirn. Das Hemd sowie sein schwarzes Haar klebten an der Haut. Finn umfasste das Gewehr und die Beute fester. »Ich hab ihn erwischt – diesen räudigen Köter – erlegt!« Wochenlang hatte er das Versteck ausgekundschaftet und darauf gewartet, bis er zuschlagen konnte.

    Finn eilte weiter. Außer Atem drückte er mit den dreckigen Stiefeln die doppelflügelige Tür auf, zog das tote Tier achtlos über den blank polierten Steinboden ins herrschaftliche Haus. Thalia, die persönliche Haussklavin seiner Mutter Fiona, kam aus der Küche und erschrak, als der Knabe so plötzlich vor ihr auftauchte. Beinahe hätte sie die Wasserschüssel aus ihren Händen fallen lassen. Flüssigkeit schwappte auf den Boden und hinterließ eine kleine Pfütze. »Master Finn, Sie sind heute besonders stürmisch.«

    »Aus gutem Grund.«

    »Das glaube ich aufs Wort.« Ihr Blick glitt über den schmutzigen Knaben. Das sonst weiße Gesicht war vom Staub schlierenartig dunkler gefärbt. Sogleich dachte sie daran, dass Sir Bennett vom äußeren Erscheinungsbild des Sohnes nicht begeistert sein würde. Jedoch der Kadaver des abgemagerten Tiers dürfte ihm noch weniger Freude bereiten, zumindest innerhalb dieser Räumlichkeiten. Thalia war versucht, Finn hinauszuschieben, wie sie es früher getan hatte, damit er oder sein Zwillingsbruder Cedric nicht den Groll des Vaters auf sich zogen. Doch so unberechenbar wie Finn in letzter Zeit war, wagte sie es nicht, sich ungefragt einzumischen. Seine Augen funkelten oft hart. Manchmal schaute er ganz eigenartig und erinnerte sie an einen brünstigen Stier. Momentan strahlten sie hingegen Ungeduld aus.

    »Wo sind meine Eltern?«, herrschte der Bursche Thalia an.

    Die Sklavin wich einen Schritt zurück. Schon jetzt befürchtete sie, dass Finn sich einmal als gnadenloser Herr in diesem Haus erweisen könnte. Zwar war Cedric um einige Minuten älter als sein Bruder, aber niemand auf der Plantage hielt es für möglich, dass der kranke Junge irgendwann den Besitz würde übernehmen können. Es gab Tage, da war dieser dem Tod näher als dem Leben. »Master Finn, sie sind bei Ihrem Bruder Cedric. Es geht ihm nicht gut. Ich bin auf dem Weg zu ihm, um kaltes Wasser zu bringen.«

    Augenblicklich schob sich der junge Mann mit seiner Beute an ihr vorbei, streifte Thalias Busen, die unter dieser Berührung erschauerte. Die Zimmertür war weit geöffnet und bot freie Sicht auf Cedrics Bett. Der Vater stand wachend an der Seite, während seine Mutter auf einem Stuhl saß und unentwegt über die bleichen Wangen des Bruders strich. Wie erbärmlich! Derart umsorgt wurde ich nie!, grollte Finn insgeheim. Er stürmte in den Raum. »Ist er endlich tot? Genauso wie mein erlegter Hund?«

    Tot?! Fiona schluchzte auf. Wie konnte Finn so etwas Grausames sagen? Sie brachte kein Wort heraus, verbarg ihre zittrigen Hände im Schoß, die sie krampfhaft ineinander verschränkte. Cedrics fahles spitzes Gesicht hob sich kaum vom weißen Bettlaken ab. Er schlief, erschöpft. Wenige Minuten zuvor hatte ihn ein heftiger Hustenanfall gepeinigt – wie so oft. Doktor Liam Jackson, der behandelnde Arzt, sprach von der Brustkrankheit, einer schlimmen Form mit dem Namen Asthma. Jedes Mal, wenn Cedric kaum mehr atmen konnte und seine Lippen sich blau verfärbten, hatte sie Angst, nein – schiere Panik – es wären die letzten Minuten mit ihrem Sohn.

    »Was erlaubst du dir?«, donnerte die autoritäre Stimme des Vaters durch den Raum. Missbilligend betrachtete Nathaniel seinen verdreckten Jungen.

    Thalia huschte seitlich vorbei. Oh, nein! Sie hatte es geahnt. Deutlich las sie Sir Bennetts Unmut anhand der tiefen Zornesfalte auf der Stirn ab, während Finn hochmütig die Schultern straffte. Wie konnte er gerade jetzt, wo es Cedric elendig ging, derart aufmüpfig sein?

    »Schauen Sie, was ich hier habe!« Triumphierend hielt Finn sein Mitbringsel hoch.

    »Du beschmutzt unser Haus mit einem räudigen Hund?«

    »Erlegt von mir! Ihren Männern ist das nicht gelungen! Aber ich habe sein Versteck gefunden, ihm in der Nähe der Mühle beim großen Pekannussbaum aufgelauert! Was macht stattdessen dieser Taugenichts im Bett? An vielen Tagen kann er nicht einmal einen Löffel halten, geschweige denn eine Waffe!«

    Ohne ein weiteres Wort schritt Nathaniel auf seinen Sohn zu, schlug ihm hart ins Gesicht. Finns Gewehr und Beute fielen zu Boden. Irritiert griff der Bursche auf die malträtierte Wange, sie schmerzte. Er zwinkerte, um die verräterische Nässe der Demütigung aus seinen Augen zu vertreiben. Geschlagen … vor einer Sklavin … vor Thalia!

    »Nathaniel, oh mein Gott …«, wisperte Fiona.

    »Sei still, Fiona!«, wies Nathaniel seine Frau grob zurecht.

    Ich muss hier raus!

    Bevor Finn hinausstürmen konnte, ergriff ihn Vaters Hand. »Äußere dich nie mehr abfällig über deinen kranken Bruder!«

    Immer dreht sich alles um Cedric! Finn stöhnte gereizt.

    »Du nimmst das tote Tier und vergräbst es – ohne jegliche Hilfe – allein!«

    Finn wandte trotzig den Kopf ab.

    »Sieh mich an!«

    Widerwillig kam er diesem Befehl nach.

    »Wenn ich ein weiteres Mal eine derartige Aussage von dir höre, schicke ich dich zur Baumwollernte in die Felder. Hast du mich verstanden?«

    Soll das der Lohn für meinen Mut sein? Finn antwortete nicht.

    »Hast du mich verstanden!« Nathaniels Umklammerung nahm an Intensität zu.

    »Jawohl, Herr Vater«, entgegnete Finn gepresst. Rasch griff er nach dem Köter. Als er zum Gewehr langte, stieß sein Vater dieses mit dem Fuß weg.

    »Das bleibt in meiner Verwahrung. Wie mir dein ungestümes Wesen zeigt, besitzt du nicht die nötige Reife, um mit einer Waffe zu hantieren. Und nun geh mir aus den Augen!«

    Er macht mich zum Gespött innerhalb dieser Mauern! Finn schluckte seinen Hass herunter, rannte wütend aus dem Zimmer.

    Sir Bennett blieb am selben Platz stehen. In seinem Gesicht zuckte ein nervöser Muskel. Verdammter Hitzkopf! Angespannt nestelte er am obersten Hemdknopf, um ihn zu öffnen.

    »Nathaniel.« Fiona war aufgestanden. Beschwichtigend legte sie eine Hand auf seine Schulter. »Verzeih Finn, es ist nicht leicht, vom Kind zum Mann zu werden.«

    »Sein mangelnder Respekt ist unentschuldbar!«

    »Kannst du es ihm verdenken, stolz darauf zu sein, das Tier erlegt zu haben, nach dem wir wochenlang suchten? Diese Kreatur hat sich einen Säugling aus den Baracken geschnappt!« Fionas Stimme schnellte nach oben. Dieser Umstand ging ihr sehr nahe. Sie hatte selbst einst ein Mädchen verloren, und einen derartigen Verlust wünschte sie keiner Mutter – nicht einmal einer schwarzen.

    Nathaniel schüttelte ihre sanfte Geste ab. »Du weißt so gut wie ich, dass er es nicht aus Nächstenliebe getan hat.«

    »Er will sich dir beweisen, möchte deine Anerkennung und dein Lob.«

    »Soll ich ihn zu einem Schwächling erziehen? Es reicht schon, wenn ein Sohn …« Nathaniel brach ab und blickte zur Sklavin, die Cedrics Stirn mit einem feuchten Tuch kühlte. Ein Ruck ging durch seinen Körper. »Thalia, lass uns allein. Und schrubbe die Böden gründlich, damit sich im Haus keine Seuche ausbreitet.«

    »Gewiss, Sir Bennett. Misses.« Thalia raffte ihren einfachen Rock. Sie eilte hinaus, wissend, dass die Anweisungen des Hausherrn keinen Aufschub duldeten.

    Während Fiona an Cedrics Seite zurückkehrte, schaute Nathaniel der Sklavin nach, wie sie den Gang entlanghuschte. Gedankenverloren strich er über seinen buschigen Schnurrbart. Ein hübsches Ding! Volle Brüste und eine schlanke Taille, das mochte er, nur für dunkle Haut zeigte er keinerlei Vorliebe. Thalia war fügsam, gelehrig und eine verlässliche Stütze, besonders wenn es Cedric schlecht ging. Manchmal verblüffte es ihn, wie sehr sie ihrer Mutter Eliza ähnelte, der es nicht vergönnt war, das eigene Kind ein einziges Mal zu sehen. Er erinnerte sich an die damalige Szene: den leblosen Körper, das viele Blut. Warum machte ihn das rührselig? Er hatte schon Schlimmeres erlebt!

    Nathaniel unterdrückte einen ärgerlichen Seufzer, löste sich von seinem Platz und trat an Cedrics Bett, an dem seine besorgte Frau wachte. Was Fiona wohl dachte? Er beobachtete, wie sie das Tuch in Wasser tränkte, auswrang, um es schließlich sanft auf die Stirn des Jungen zu legen. Liebevoll fuhr sie durch dessen blonde Locken, so wie sie es bei ihm selbst gerne in trauter Zweisamkeit tat. Cedrics Wangen wirkten weniger blass. Das erleichterte Nathaniel und er hoffte, bald wieder in die wissbegierigen, blauen Augen seines Sohnes blicken zu dürfen.

    Warum musst du solch eine Bürde tragen?, fragte er stumm, ohne eine Antwort darauf zu wissen. Trotz allem erduldete Cedric tapfer sein schweres Los. Sein Erstgeborener jammerte nie. Stattdessen las er häufig, manchmal, wenn es sein Zustand erlaubte, bis spät in die Nacht. Sein Französisch stand dem Englisch um nichts nach. Seit Neuestem versuchte er sich an deutschen Schriften. Cedrics Wissbegier und Intelligenz imponierten ihm. Aus diesem Grund hatte Nathaniel vor Monaten Kontakt zu seinem Vetter Hendrik aufgenommen.

    »Noch nie hast du dich beklagt«, fing Fiona zaghaft an. »Ich weiß, es ist nicht leicht mit Cedric. – Aber Doktor Jackson hat gemeint, dass es sich auswachsen kann.«

    »Liam sprach auch davon, dass eine Luftveränderung ihm guttun würde«, entgegnete Nathaniel härter als beabsichtigt.

    Fiona sprang von ihrem Sitzplatz auf. »Wovon redest du?«

    »Ahnst du es nicht längst?«

    Sie raffte ihr Kleid, trat rastlos nach draußen auf die Veranda und blickte über einen Teil der fünfundzwanzigtausend Morgen großen Baumwollplantage hinweg. Vor ihr erstreckte sich eine Eichenallee mit vierundzwanzig Bäumen. Entlang der südlichen Straße standen in über dreieinhalb Meilen siebzig Holzbaracken, in denen die Sklaven auf engsten Raum untergebracht waren. Noch konnte sie den Mississippi-Fluss sehen, der sich nördlich in der Ferne zeigte, aber Jahr für Jahr schossen die Bäume weiter empor und würden in geraumer Zeit die Sicht verbergen. Im Hafen lagerte ein Handelssegler. Dorthin wurde die Baumwolle gebracht, um in fremde Länder verschifft zu werden. Es schmerzte in ihrer Brust. Sie wusste genau, worüber ihr Gemahl sprach. »Du möchtest Cedric nach Europa schicken? Ist es das, was du mir sagen willst?«

    Nathaniel war ihr gefolgt. »Hendrik hat meinem Schreiben geantwortet. Er wird Cedric zu sich nehmen. Die Universität in Gießen zählt zu den anerkanntesten weltweit.«

    »Nach Deutschland? Ich hatte nicht erwartet, dass du es ernst meinst. Cedric würde eine derart anstrengende Reise niemals überstehen! Wie kannst du das in Betracht ziehen?«

    »Wir haben so vieles probiert, auch die neue Lobelien-Tinktur zeigt kaum Wirkung.«

    »Was ist, wenn er auf hoher See stirbt?«, fragte sie tonlos.

    Nathaniel schwieg.

    »Willst du das herausfordern?«

    »Denkst du, dass es für ihn bei uns sicherer ist? Was hat er denn für ein Leben?« Er klang gereizt.

    »Noch bin ich nicht bereit dazu.«

    »In diesem Fall geht es nicht um deine Befindlichkeiten! Cedrics Stärke ist sein Verstand. Bei Hendrik könnte er bestens gefördert werden. Als Professor hat mein Cousin vielfältige Möglichkeiten, sich um unseren Jungen zu kümmern. Sein Haus liegt unmittelbar neben der Lehranstalt. In Gießen könnte Cedric ein Studium der Jurisprudenz abschließen, Erfahrungen fürs Leben sammeln, eine andere Kultur kennenlernen und unsere Familien näher zusammenführen.«

    »Anscheinend hast du alles bis ins Detail geplant.« Sie zitterte.

    »Deshalb …« Nathaniel straffte die Schultern. »… müssen wir in die Zukunft schauen. Es werden schwierige Zeiten auf uns zukommen. Der elende Ruf nach der Abschaffung der Sklaverei wird zusehends lauter. Diese Hinterwäldler bedenken nicht, dass, ohne solche Arbeiter, die Felder unmöglich in diesem Ausmaß bewirtschaftet werden können. Wie wir beide wissen, hat Cedric weder die körperliche Voraussetzung noch das Rückgrat dazu, sich gegen diese Hetzer aufzulehnen. Und nebenbei, ich kann die leidige Rivalität zwischen unseren Söhnen nicht länger mitanschauen!«

    Die Sklavenproblematik war im Augenblick Fionas geringste Sorge. Sie ging nicht darauf ein. Mein armer Cedric, kreiste es in ihrem Kopf. »Du willst deinen Erstgeborenen, dein Ebenbild, über Jahre wegschicken?«, brachte sie stoßweise hervor.

    Hart umfasste Nathaniel ihren Oberarm. »Es gibt keinen geeigneteren Ort für ihn. Das weißt du.«

    »Verzeih, ich bin verwirrt. Als Mutter wünsche ich das Beste für unsere Söhne. Vielleicht sehe ich deshalb nicht klar, da ich sie beschützen und behüten möchte. Darüber hinaus vergesse ich, dass sie im Begriff sind, dem Kindesalter zu entwachsen. Das zeigt auch Finns Reaktion und sein überschießendes Temperament.«

    Nathaniel ließ sie los. »Ich werde ihn schon formen.«

    Fiona machte ein unglückliches Gesicht. »Hoffentlich stachelt ihn das nicht weiter auf.«

    Nathaniel schnaufte ungehalten. »Seit wann zweifelst du meine Überlegungen an?«

    »Das möchte ich keineswegs, denn ich weiß, dass deine Entscheidungen mit Bedacht und Umsicht getroffen werden«, lenkte Fiona ein. »Aber, liebster Gemahl, ich bitte dich um etwas Langmut für Cedric. In seinem derzeitigen Zustand schafft er eine solche Reise nicht. Und Nachsicht für Finn, er will dir gefallen. Sei nicht zu streng mit ihm.«

    »Du wiederholst dich.« Nathaniel wirkte weniger grimmig. »Nun gut, wir lassen Cedric erstmal zu Kräften kommen. Trotz allem, meine Entscheidung steht fest. – Wenn es so weit ist, möchte ich von dir keine Widerworte hören.«

    Fiona schluckte. »Gewiss, Liebster.«

    Nathaniel verließ die Veranda, während sie im Schatten Zuflucht suchte. Tränen rannen über die Wangen und tropften auf das Holz zu ihren Füßen. Die Vorstellung, ohne ihr Kind zu sein, brach ihr das Herz. Dennoch musste Fiona sich eingestehen, dass ihr Mann recht hatte. Manchmal erträumte sie, dass die Zwillingsbrüder zu einer Person verschmelzen würden: Finns Stärke und Mut gepaart mit Cedrics Verstand und dessen Güte. Im nächsten Moment hasste sie sich für diese Gedanken. Sie liebte beide Söhne. Nur Finn machte es ihr neuerdings besonders schwer. Er begehrte ständig auf, sogar gegen den Vater. Sie hatte keinen Zugang mehr zu ihm. Fiona ahnte, dass dahinter versteckter Neid lag. Vor allem missbilligte Finn die Fürsorge, die seinem Bruder entgegengebracht wurde. Warum erkannte er nicht, dass, wenn er an Cedrics Stelle wäre, sie ihn ebenso liebevoll pflegen würde? Wie glücklich konnte sich Finn schätzen, gesund zu sein, zu kommen und zu gehen, wie es ihm beliebte!

    Fiona schluchzte. Sie drückte sich tiefer in die seitliche Nische der Wand. Vielleicht ist es tatsächlich überfällig, Cedric wegzuschicken, damit Finn sich nicht länger zurückgestellt fühlt.

    Finn war durstig, hungrig und müde, dabei sollte er den verdammten Köter vergraben. Niemals!, dachte er zornig. Der Junge schlich an den Holzbaracken entlang. Der Zeitpunkt war günstig, denn die Sklaven arbeiteten auf dem Feld. Er öffnete die Tür der letztgereihten Hütte. Rasch duckte Finn sich ab. Ein Schwarm Fliegen gierte dem Licht entgegen, der über die zahlreichen Ritzen ins Innere gelangt war. Als das Surren der Insekten verstummte, spähte er hinein. Leer! Kein nichtsnutziger Nigger da, der auf krank macht!

    Erleichtert atmete er auf und huschte in die Baracke. Bald gewöhnten sich seine Augen an die Düsternis. Es gab nur das Licht, das zwischen den Holzbrettern hindurch schien. Die Hütte war in zwei Hälften aufgeteilt, in jeder schliefen acht bis zehn Sklaven. Der Fußboden bestand aus gestampfter Erde. Als Betten dienten Planken und Holzscheite ersetzten die Kissen. Finn schleppte das tote Tier zur seitlichen Wand. Neben der einfachen Feuerstelle lag etwas Zunder, den er auf dem Kadaver drapierte. Er nahm das Schlageisen sowie den Feuerstein und entfachte mit den Funken eine Flamme. Als er diese anblies, züngelte sie größer werdend empor. Schnell legte er Planken und Holzscheite hinzu, verließ die Baracke, um sich hinter einem nahegelegenen Busch zu verschanzen.

    »Das passiert, wenn man meinen Einsatz nicht würdigt.« Finns Hände waren zu Fäusten geballt. Es prasselte. Das Feuer fraß sich knisternd rasch durch die dünnen Holzwände, der Wind trug die Funken Richtung Himmel empor. Erst, als die Flammen das Dach erfasst hatten, löste er sich aus seinem Versteck und lief zufrieden zum Herrenhaus zurück.

    »Sir Bennett!«, rief Thalia entsetzt. »Es brennt!«

    »Was zum Teufel …« Nathaniel hatte eine Rüge auf den Lippen, anlässlich Thalias Unverfrorenheit unerlaubt in sein Büro zu laufen. Er hielt inne, als er die Rauchschwaden durch das Fenster entdeckte. »Verdammt! Läute den Alarm, schicke alle zum Teich! Nehmt Eimer mit! Ich reite voraus!«

    Mit einer Hacke in der Hand zog Sir Bennett einen tiefen Graben, um ein unkontrolliertes Ausbreiten des Feuers zu unterbinden. Die glühende Hitze durchdrang seine Kleider, er schwitzte. Endlich eilte Unterstützung herbei und Nathaniel musste nicht mehr alleine schuften. Plantagenarbeiter, aufgeschreckt durch den Alarm, bildeten eine Menschenkette von der Feuerstelle zum Teich und gaben reihum die gefüllten Wassereimer weiter.

    Eine Windböe ließ Flammenfunken tanzen und wirbelte Asche umher. Nathaniel hustete. »Schneller!«, krächzte er. Diese Baracke war verloren, das stand fest. Wird der Graben die Feuersbrunst aufhalten können?

    »Hierhin, das Wasser muss an diese Seite!« Sir Bennett goss an vorderster Front kontinuierlich das Nass über die Flammen. Endlich zeigte der Einsatz Wirkung. Das Feuer wurde kleiner, erstickte unter dem Inhalt der vielen Eimer Wasser. Der dicke Qualm verzog sich und im Hintergrund stiegen feine Rauchfäden auf. Dieser Umstand steigerte Nathaniels Laune nicht im mindesten.

    »Wer von euch Halunken hat mit dem Feuer hantiert und mein Hab und Gut zerstört?« Sir Bennett schritt an der Sklavenreihe entlang. Stetig ließ er einen Stock klatschend in seine Handfläche sausen. Die vornehme Kleidung war bedeckt mit einer Schicht aus Ruß und Staub, sodass er sich kaum von den Untergebenen unterschied. »Nun, was ist!?«

    Keiner antwortete. Die ausgemergelten Männer und Frauen senkten ihre Köpfe. Sie fürchteten sich vor dem Zorn ihres Herrn.

    »Niemand? Wenn dem so ist, lasse ich euch alle nacheinander an den Pfahl stellen und auspeitschen!«

    Ein Geraune ging durch die Reihen. Niemals wollten sie freiwillig dorthin, schon gar nicht schuldlos!

    »Verzeihen Sie, Sir Bennett, aber wir waren alle in den Baumwollfeldern.«

    »Lawrence – war es deine Unachtsamkeit?« Nathaniel stellte sich direkt vor den jungen Sklaven, der mutig genug war, um zu sprechen.

    »Nein, Sir Bennett, ich …«

    »Hast du dich früher entfernt?«

    »Es ist nicht so, wie Sie denken!«

    »Quentin!«, rief Nathaniel seinen Vorarbeiter zu sich. »Kannst du mir bestätigen, dass Lawrence sich durchgehend auf den Feldern befand?«

    »Er war nicht ständig in meinem Blickfeld«, entgegnete Quentin und rückte seinen Hut zurecht. Wie auch, fügte er gedanklich hinzu, immerhin hatte er sich selbst entfernt, um nach der Stute zu sehen, die bald fohlen sollte. Dabei war ihm Finn in der Nähe der Sklavenunterstände aufgefallen. In dessen Hand hatte er einen Kadaver gehalten. Ob er der Brandstifter war? Quentin forschte in Finns Gesicht, entdeckte darin eine Mischung aus Belustigung und Hohn. Dennoch wäre es ein Unding, den Jungen des Hauses öffentlich zu denunzieren.

    »Sir, ich … ich würde niemals meine Schlafstelle abfackeln!« Hilfesuchend schaute Lawrence zu Quentin. Der Aufseher schwieg.

    »War das ein

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