Hexe Undercover in Westerham
Von Dionne Lister
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Über dieses E-Book
Lily beschließt, in Westerham mehr Spaß zu haben, und meldet sich mit ihrer Freundin Olivia für einen Kurs für Aktzeichnen an. Doch der Ärger lässt nicht lange auf sich warten, als ihre Kunstlehrerin nach der zweiten Stunde spurlos verschwindet.
Sie aufzuspüren erweist sich als unmöglich, und die Hauptverdächtigen des PUB werden ermordet, bevor ermittelt werden kann, was sie wissen. Wieder einmal sind Lilys einzigartige Hexenfähigkeiten gefragt, um zu helfen. Das Problem? Es kann gefährlich für sie werden, ihre Talente zu offenbaren, denn sie ist bereits das Ziel einer geheimen Organisation, die sie entführen will. Und nun befürchten die Menschen, die ihr am nächsten stehen, eine Bedrohung innerhalb der PUB selbst. Um bei der Lösung des Falles zu helfen, trifft Lily eine gefährliche Entscheidung: Sie wird undercover und ohne jede Unterstützung ermitteln.
Aber begeht sie möglicherweise einen fatalen Fehler? So viel zum Thema „Hexen haben es leichter“.
Kann jemand Lily einen Cappuccino holen, aber dieses Mal bitte einen doppelten?
Dionne Lister
I love writing and sharing my stories but I wish they wouldn't keep me awake at night.I'm from Sydney and when I'm not writing I'm tweeting, reading or doing sporty stuff.I'm a USA Today bestselling author, and I've been named by iBooks as "One of 10 emerging fantasy authors you must read." Shadows of the Realm, the first fantasy novel in my Circle of Talia series, has been number one in it's genre categories on Amazon and iBooks, reaching number 1 overall on iBooks Australia. The series is complete with A Time of Darkness and Realm of Blood and Fire.
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Buchvorschau
Hexe Undercover in Westerham - Dionne Lister
Kapitel 1
Ich hatte es geschafft, doch das Bedauern folgte der Begeisterung eines hyperaktiven Welpen auf dem Fuß.
Anfangs schien der Kurs im Aktzeichnen eine gute Idee gewesen zu sein. Olivia, meine erste Freundin in Westerham, war der gleichen Meinung gewesen und hatte sich mit mir angemeldet, und nun standen wir in der zweiten Unterrichtsstunde an unseren Staffeleien und ließen die Kohle über das Papier gleiten. Das Modell – nackt wie am Tag seiner Geburt, aber etwas behaarter – lag bäuchlings auf mehreren Kissen, die in der Mitte der umgebauten Bauernscheune aufgeschichtet waren.
Vermutlich bereute ich es nicht so sehr, mich für den Kurs angemeldet zu haben, sondern eher, wo ich mich in Bezug auf das Modell positioniert hatte – nämlich direkt hinter ihm. Der Mann musste Anfang sechzig sein, und einiges an ihm war, ähm ... schlaff. Es dauerte eine Weile, bis ich mich an diese neue Realität gewöhnt hatte. Es war tatsächlich neu für mich, einen nackten Mann zu sehen, da ich seit Monaten kein Date mehr hatte.
Unsere Lehrerin, Mrs Valentine, kam zu mir herüber marschiert. Sie war eine enthusiastische ältere Dame mit lilafarbenem hoch toupierten Haar, knallrotem Lippenstift und einem farbenfrohen Kaftan, der beim Gehen hinter ihr hin und her schwang. Was ihr an Größe fehlte, machte sie mit ihrer lauten Stimme wett. »Oh, sehr schön, Lily, wobei Sie diese Linie vielleicht etwas verändern könnten.« Sie schob mich sanft zur Seite und übernahm die Kontrolle über meinen schwachen Zeichenversuch. Ich biss mir auf die Lippe, als sie seelenruhig die beleidigende Kurve zwischen den Beinen ausradierte und sie zu ihrer Zufriedenheit neu zeichnete. »So ist es besser. Wunderbar.« Sie lächelte und ging zum nächsten Schüler.
Olivia lehnte sich zu mir herüber und flüsterte: »Oh Gott, was für ein schöner Eiersack. Mrs Valentine weiß definitiv, was sie tut.« Sie versuchte, sich zu beherrschen, aber ich konnte sie leise glucksen hören.
Ich kicherte. Ich hatte mir definitiv den falschen Platz ausgesucht. Daran würde ich das nächste Mal denken. Aber wenigstens schien der Unterricht Olivia aufzumuntern. Ihr Verlobter war vor einem Monat bei einer schief gelaufenen PUB-Verhaftung getötet worden. Mein Bruder hatte ihn erschossen, aber nur, um mich zu retten, und seitdem kämpfte ich mit den Schuldgefühlen einer Überlebenden. Ich fühlte mich, als hätte ich zum Untergang von Olivias Verlobtem beigetragen, und jedes Mal, wenn ich sie leiden sah, kam alles zurück, als wäre es gestern passiert. Obwohl mir alle immer wieder sagten, dass es nicht meine Schuld war, konnte ich nicht anders denken.
Vielleicht waren schlaffe Eier für uns beide eine gute Therapie.
Ja, die Dinge mussten wirklich schlecht stehen.
Im Nebenzimmer schrillte ein Telefon. Die Scheune war in vier Räume unterteilt: der große Hauptbereich mit hohen Decken und freiliegenden Holzbalken, in dem Kunststunden gehalten wurden, Mrs Valentines Büro, der Vorratsraum und die Toilette.
Mrs Valentine huschte hinaus, wobei sie den Arm hob und damit vor sich her wedelte. »Ich komme schon. Ich komme schon. Reg dich nicht auf.« Schließlich erreichte sie ihr Büro und schloss die Tür hinter sich.
Ich flüsterte Olivia zu: »Meinst du, sie weiß, dass derjenige, der am Telefon ist, sie erst hören kann, wenn sie tatsächlich rangeht?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Ich habe keine Ahnung. Aber du solltest dich besser beeilen. Du bist erst halb fertig.« Sie wandte sich wieder ihrer Staffelei zu und schattierte die Kurve des unteren Rückens des Modells.
»Du bist gar nicht so schlecht im Zeichnen.«
Sie lächelte. »Danke. Es macht mir wirklich Spaß, viel mehr, als ich dachte.«
Ein Glücksgefühl überkam mich und ließ mich grinsen. Wenn jemand es verdiente, glücklich zu sein, dann war es Liv. Sie war einer der nettesten Menschen, die ich je kennengelernt hatte.
Ich biss mir auf die Lippe und begann, den Arm unseres Modells zu zeichnen. Der Trick war offenbar, mehr auf das Motiv zu schauen als auf die Staffelei. Und aus diesem Blickwinkel war alles verkürzt. Ich wäre schon froh, wenn man am Ende erkennen konnte, dass es ein Mensch war.
Gerade als ich in die Arbeit vertieft war, kam Mrs Valentine aus ihrem Büro. Ihr Lächeln war verschwunden und ihr Gesicht gerötet. »Es tut mir sehr leid, aber ich muss gehen – ein familiärer Notfall. Wenn Sie fertig sind, stapeln Sie die Staffeleien bitte im Lagerraum. Henry, Darling, würde es dir etwas ausmachen, abzuschließen?« Sie zog die Schlüssel aus ihrer Tasche und gab sie dem Modell.
»Wird gemacht, Ida. Ich bringe sie dir später vorbei.« Der irische Akzent in seiner tiefen Stimme war unverkennbar. Er zwinkerte ihr zu. Hm, so war das also. Ich gluckste leise. Doch welchen Grund hatte ich, zu lachen? Eine Siebzigjährige hatte mehr Action als ich. Das Leben konnte so unfair sein.
Mrs Valentine zwinkerte zurück und lächelte. »Guter Mann. Bye, ihr Lieben, wir sehen uns nächste Woche.« An der Tür steckte sie die Finger in den Mund und stieß einen lauten, scharfen Pfiff aus. Meine Augen weiteten sich, als ein Rotfuchs – ja, ein Fuchs – auftauchte und mit ihr davon trottete.
Ich tauschte einen Blick mit Olivia. »Ähm, ist das normal?«
Sie lachte. »Nicht wirklich. Aber manche Menschen halten Füchse als Haustiere, wobei das meistens gerettete Tiere sind, die sich entschieden haben, zu bleiben. Sie ist tatsächlich die zweite Person, die ich kenne, die einen Fuchs als Haustier hat.«
Oh, ich war so neidisch. Füchse waren einfach nur süß. Falls Sie mir das nicht glauben, schauen Sie sich einfach ein Youtube-Video an – sie sind die perfekte Kombination aus Katze und Hund. Meine Freude verwandelte sich in ein Stirnrunzeln. »In Australien gelten sie als Schädlinge, und die Regierung fängt sie ein.« Sie waren so liebenswert mit ihren buschigen Schwänzen und spitzen Ohren, töteten jedoch eine Menge einheimischer Tiere. Warum konnten sie keine Pflanzenfresser sein, damit sie in Australien glücklich leben konnten?
»Hm.« Olivia legte den Kopf schief und betrachtete ihr Werk. »Was denkst du?«
»Es ist echt gut. Viel besser als meins.« Mein Bild würde in den Mülleimer wandern, wenn ich nach Hause kam.
»Danke. Und danke, dass du mich gefragt hast, ob ich mitkommen möchte. Ich glaube, ich habe etwas gefunden, das mir wirklich Spaß macht.« Sie lächelte.
»Freut mich, wenn ich helfen konnte.«
Fünfzehn Minuten später war es an der Zeit, zusammenzupacken. Wir stellten unsere Staffeleien in den Lagerraum und sammelten unsere Sachen ein. Auf dem Weg nach draußen blieb ich kurz stehen, um mich bei dem Modell zu bedanken, das immer noch unbekleidet war. Also gut. Ich schluckte, versuchte, einen normalen Gesichtsausdruck zu bewahren, und schaute auch nicht nach unten. Auf keinen Fall. Ich starrte auf sein Gesicht und auf sein Lächeln, bis ich an seine schlaffen Eier dachte und rot wurde. Wusste er, was ich dachte? Mein Blick wanderte weiter, aber nicht zu weit. Er glitt hinunter zu seiner Brust, wo er ein herzförmiges Muttermal hatte, direkt über seiner Brustwarze. Ich zog dieses »Mit einer nackten Person sprechen«-Ding komplett durch.
»Danke für heute, Henry.«
Er lächelte breiter und stemmte die Hände in die Hüften, als wolle er meine Aufmerksamkeit nach unten lenken. »Es war mir ein Vergnügen. Wie ist es gelaufen?«
Ich. Werde. Nicht. Nach. Unten. Schauen. Wie konnte er nur so … so … nackt dastehen, ohne sich darum zu kümmern? »Ach, meine Zeichnung war echt schlecht, aber Olivias Bild war richtig gut.«
»Schön zu hören. Bis zum nächsten Mal, Ladys.« Er zwinkerte, dann drehte er sich um und bückte sich, um einige Kissen aufzuheben. Mir fiel die Kinnlade herunter. Und ich hatte gedacht, der vorherige Anblick wäre herausfordernd gewesen. Ich wollte die Augen schließen und wegschauen, aber Sie wissen ja, wie das ist, wenn einen etwas so sehr überrascht, dass man es einfach nicht glauben kann und das Gehirn abschaltet, oder? Ich. Starrte. Weiter.
Olivia zog an meinem Arm und brach den Bann. Gott sei Dank. Wir drehten uns um und eilten hinaus. Dabei blieb ich mit der Stiefelspitze am Türrahmen hängen, stolperte und klammerte mich an Olivia, um mich zu fangen.
Sie lachte. »Mein Gott, das ist doch nur ein nackter Mensch.«
»Ich weiß. Aber kann er sich nicht anziehen, wenn die Stunde vorbei ist? Ich wusste nicht, wo ich hinschauen sollte, und dann, na ja, wer bückt sich schon nackt vor Leuten, die er kaum kennt?«
»Jemand, der sich in seiner Haut wohlfühlt.«
»Ich kann das leider nicht ungesehen machen, aber ich bin froh, dass du so gut damit klarkommst. Wenigstens wird nur eine von uns dieses Bild nicht mehr los. Oh Gott, was ist, wenn ich beim Sex daran denken muss? Mein Leben ist ruiniert.«
»Ha, man muss sich mit jemandem treffen, um Sex zu haben, da bin ich mir ziemlich sicher. Wann war noch mal dein letztes Date?«
»Oh, erinnere mich nicht daran.«
»Was ist mit Mr Groß, Dunkelhaarig und Griesgrämig?«
Sie hatte William in den letzten Wochen ein wenig kennengelernt, und ihre Einschätzung war mehr als treffend. Ich räusperte mich. »Was soll mit ihm sein?«
»Ich sehe, wie ihr beide euch anschaut.«
»Wie denn? Wütend?« Ich schmunzelte.
Sie grinste. »Ja, sexuell angespannt wütend.«
»Oh, sieh sich das einer an. Da ist dein Auto.«
»Du kannst das Thema wechseln, aber du kannst mir nicht ewig aus dem Weg gehen.« Sie gackerte hämisch und schloss ihren Wagen auf.
»Wie läuft's mit dem Lernen?« Olivia absolvierte gerade einen Online-Kurs über Polizeiarbeit. Das war der erste Schritt zu ihrem Eintritt in die PUB. Eigentlich sollte sie bei Angelica und mir einziehen, aber ihre Eltern hatten darauf bestanden, dass sie eine Weile bei ihnen blieb. Sie war einverstanden gewesen, da sie wusste, wie besorgt sie waren, seit ihr Verlobter erschossen worden war, obwohl sie die genauen Umstände nicht kannten.
»Eigentlich großartig. Ich habe fast die Hälfte hinter mir und sollte in fünf Wochen fertig sein. Ich muss heute Abend lernen, deshalb kann ich nicht mit euch ins Restaurant gehen, aber iss einen Nachtisch für mich mit.«
»Was ich nicht alles für meine Freunde tue.« Ich seufzte dramatisch und stieg ins Auto. Angelica, mein Bruder James, seine Frau Millicent und Beren, William und Williams Model-Schwester Sarah wollten später Millicents Geburtstag feiern. Es war das erste Mal, dass ich zu ihrem Geburtstag kommen konnte, und ich freute mich sehr darauf. Ich war endlich wieder Teil einer Familie – zum ersten Mal, seit meine Eltern verschwunden waren, als ich vierzehn war. Es war nicht ganz dasselbe, aber es füllte die Leere, die so lange in meinem Herzen geherrscht hatte. Ich hatte wieder Menschen um mich, auch wenn die meisten Hexen waren.
Olivia schaltete das Radio ein, und wir sangen zu Shake it Off von Taylor Swift mit. Ich lächelte. Ja, ich hatte gute Leute um mich. Die besten hexigen und nichthexigen Leute überhaupt.
Es war dreiundzwanzig Uhr und … dunkel. Endlich. Nicht, dass ich den Sommer und das Tageslicht nicht mochte, aber es war seltsam, im Sonnenlicht zu Abend zu essen. Nun saß ich wieder eingekeilt zwischen Angelica und Beren auf der Rückbank. Wie immer saß William am Steuer seines Range Rovers. Seine Schwester saß auf dem Beifahrersitz, was nicht üblich war, da sie meistens im Ausland arbeitete. Mein Bruder und Millicent hatten ihr eigenes Auto genommen, nachdem wir ein köstliches Abendessen genossen hatten. Und ich hatte Wort gehalten und einen Nachtisch gegessen. Mousse au Chocolat. Lecker. Die Jeans drückte, und ich konnte es kaum erwarten, nach Hause zu kommen und sie auszuziehen.
Sarah drehte sich um und sah mich an. »Wie läuft es mit dem Kunstunterricht?«
»Gut, danke. Also, er macht zwar Spaß, aber ich bin nicht sehr gut. Das wäre die korrektere Antwort.« Ich lachte.
Sie zuckte mit den Schultern. »Hey, jeder muss irgendwo anfangen, und mit der Zeit wirst du besser werden. Malt ihr Landschaften und so?«
Beren grinste, dann hustete er. »Unser wildes Aussie-Mädchen zeichnet Akte, richtig?«
Sarahs Augen weiteten sich, bevor sie nickte. »Okay, das hätte ich nicht erwartet, aber gute Entscheidung. Der nackte menschliche Körper ist wirklich etwas Schönes.«
Ich wurde rot. »Irgendwie schon. Bisher haben zwar nur alte Leute Modell gestanden, aber das ist in Ordnung. Ich gehe schließlich nicht dorthin, um andere lüstern anzustarren. Ich brauchte allerdings eine Weile, um mich daran zu gewöhnen. Es ist manchmal etwas peinlich, und ich muss mich zwingen, nicht über irgendeinen komischen Gedanken zu lachen. Sonst halten mich die anderen noch für eine Idiotin.«
»Vielleicht könnten sie dort einen heißen jungen Mann für dich finden.« Beren tippte sich mit dem Zeigefinger ans Kinn und tat so, als würde er nachdenken. Dann stieß er mit dem Finger in die Luft. »Ich weiß! Will wäre perfekt. Wie ich gehört habe, hat er einen schönen festen Hintern.«
Ich schnaubte, bevor ich wie Sarah losprustete.
William dagegen schaute finster drein. »Sehr witzig, Schwachkopf. Obwohl, was den Hintern angeht, hast du recht.«
Sarah beugte sich vor und befühlte seinen Bizeps. »B hat nicht ganz unrecht, Will. Du könntest dir so etwas Geld dazu verdienen.«
Er errötete. Das Scharlachrot wanderte seine Wangen hinauf und umhüllte seine Ohren, wie in einem Zeichentrickfilm, wenn jemand eine scharfe Chilischote aß. Wow, ich wusste gar nicht, dass das tatsächlich passieren konnte.
Ich grinste. »Ich habe den perfekten Rotstift, mit dem ich dein Gesicht zeichnen könnte.« Angelica und ich lachten, während William mich mit zusammengekniffenen Augen im Rückspiegel anstarrte.
Plötzlich erregte eine Bewegung im Scheinwerferlicht meine Aufmerksamkeit. Oh, mein Gott! »Stopp!«
William reagierte in dem Moment, in dem ich schrie. Er musste es auch gesehen haben. Die Reifen quietschten, und ein leiser dumpfer Schlag ertönte. Mir zog sich der Magen zusammen, und dann hielt das Auto an. Wir hatten ein Tier überfahren. Da war ich mir sicher.
William schnallte sich ab und sprang heraus. Ich wollte den Schaden nicht sehen, musste es aber tun. Was, wenn das, was auch immer es war, nicht tot war? Beren war ebenfalls ausgestiegen und lief bereits zum vorderen Teil des Wagens. Ich schnallte mich los und folgte ihm. Bitte sei nicht tot, Tier.
Ich schluckte, während ich um die Motorhaube lief. Ein kleiner pelziger Körper, etwa so groß wie ein Australian Shepherd, lag mitten auf der Straße, ein paar Meter vor dem Auto. Beren hielt die Hände auf seinem Kopf, William stand schweigend daneben, die Arme schlaff an den Seiten. Als ich sie erreichte, konnte ich sehen, dass es ein Fuchs war. Oh nein.
»Beren, ist er …?«
Er sah zu mir auf, und der Fuchs blinzelte. »Nein. Gib mir eine Minute, und ich werde ihn heilen.« Wenn Beren nicht schon vorher mein Lieblingsmensch gewesen wäre, wäre er es jetzt. Offensichtlich half Hexenheilung nicht nur Menschen.
William biss sich auf die Lippe. Tiefe Falten zeichneten sich auf seiner Stirn ab. »Hey, bist du okay?« Ich legte die Hand auf seinen Arm, und er schaute zu mir hinunter. »Es war nicht deine Schuld, sondern eher meine, weil ich dich abgelenkt habe. Es tut mir leid.«
Er schüttelte den Kopf. »Ich hätte besser aufpassen müssen. Aber selbst dann hätte ich es wohl kaum vermeiden können, da er aus dem Gebüsch am Straßenrand kam, das im Dunkeln liegt. Eigentlich trifft niemanden eine Schuld, aber ich fühle mich trotzdem schlecht.«
Angelica rief aus dem Auto heraus. »Vielleicht solltest du deine Schutzkleidung anlegen, Will.«
»Ja, Ma‘am.« Er kehrte zum Range Rover zurück.
Ich kniete neben Beren und studierte das Gesicht des Fuchses. An seiner spitzen Schnauze klebte Blut, aber seine Augen waren offen und starrten Beren an. Außerdem bewegte sich sein Brustkorb eindeutig auf und ab, was darauf hindeutete, dass er atmete. Gott sei Dank.
Beren löste langsam die Hände. »Fertig. Du bist ein Glücksfuchs. Hätte dich jemand anderes angefahren, wärst du gestorben.«
Da war etwas um seinen Hals. Ich wollte gerade die Hand ausstrecken und nachsehen, aber dann fiel mir ein, dass dieser Fuchs, so niedlich er auch war, ein wildes Tier war und mich wahrscheinlich beißen würde. »Was hat er da um seinen Hals?«
Der Fuchs zappelte und wollte aufstehen, aber Beren murmelte etwas, und er blieb ruhig liegen. Seine Augen öffneten sich weiter und zeigten das Weiße. Er war erschrocken.
Beren fuhr mit den Fingern um den Hals des Fuchses. »Das ist ein Halsband. Hier ist ein Anhänger.« Er beugte sich nach unten. »Da steht: ‚Knight. Falls er aufgefunden wird, rufen Sie bitte 7724886340 an.‘«
»Das ist ein Haustier? «
»Scheint so.«
»Ich rufe die Nummer an.« Ich zog gerade mein Handy aus der Jackentasche, als William mit Sarah im Schlepptau wieder zu uns kam. Ich wählte die Nummer, während Beren ihnen erklärte, was vor sich ging.
Das Telefon klingelte ein paar Mal, bevor mein Anruf auf eine Mailbox umgeleitet wurde. »Hallo!«, rief eine begeisterte und vertraute Frauenstimme. »Hier ist der Anschluss von Ida Valentine und ihrem Naked Art Studio. Bitte hinterlassen Sie eine Nachricht nach dem Signalton. Ich rufe Sie dann umgehend zurück. Tschüssi!«
Eine Miniexplosion detonierte in meinem Gehirn. Denk schnell nach, Lily. Von all den Leuten, denen der Fuchs hätte gehören können … Wie viel konnte ich verraten? »Ähm, hallo, Mrs Valentine. Hier spricht Lily Bianchi aus einem Ihrer Kurse. Ähm, Ihr Fuchs läuft draußen auf der Straße herum, und ich dachte, Sie sollten das wissen. Wir bringen ihn jetzt zu Ihnen, nur für den Fall, dass Sie sich fragen, wo er ist. Bye.« Mist, ich hatte meine Nummer nicht hinterlassen. Aber sie stand ja in meiner Anmeldung zum Kunstunterricht. Okay, alles gut.
Ich drehte mich um. In der Zwischenzeit hatte Beren den Fuchs zum Straßenrand gebracht.
William sah mich an und verschränkte die Arme. »Was hast du gerade getan?«
»Das war meine Kunstlehrerin. Es ist ihr Fuchs. Ich habe ihn heute Nachmittag tatsächlich mit ihr gesehen. Sie musste sich um einen familiären Notfall kümmern, und er begleitete sie. Wir müssen ihn nach Hause bringen, damit er nicht noch einmal überfahren wird.«
»Du bringst keinen Fuchs in mein Auto.«
Ich warf ihm einen ungläubigen Blick zu. »Warum nicht?«
»Füchse stinken. Ich will mein Auto nicht vollstinken.«
»Oh, um Himmels willen. Von hier aus sind es fünf Minuten Fahrt zu ihrer Wohnung.« Ihr Atelier befand sich auf der Rückseite ihres Wohnblocks und wurde durch einen hübschen Cottage-Garten mit ihrem Haus aus den 1850er-Jahren auf der Vorderseite verbunden.
Der Fuchs kläffte.
»Ich kann ihn nicht mehr lange halten, und dein Auto steht immer noch mitten auf der Straße, Will.« Da hatte Beren recht.
Ich übernahm das Kommando, und wenn William wütend auf mich sein wollte, sollte er es sein. Es war ja nicht so, dass ich nicht daran gewöhnt war. Außerdem war ich noch nicht an seinem Zorn gestorben. »Lasst uns fahren. Beren, kannst du ihn beruhigen und hinten in den Wagen legen?«
Beren sah in Williams