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Isabellas Plan vom Glück
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eBook356 Seiten4 Stunden

Isabellas Plan vom Glück

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Über dieses E-Book

Die lebenslustige Isabella Thompson lebt in New York ein Leben nach ihrem Geschmack: Sie hält sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser und kümmert sich im Tierheim ihrer Freundin Suzanne aufopferungsvoll um verwaiste Hunde, ohne dafür auch nur einen Cent zu bekommen. Als sie eines Tages durch Zufall dem wohlhabenden Gabriel Dallaway McAllister begegnet, dessen Leben durch Zwänge und Prinzipien kontrolliert wird, ist für beide schnell klar, dass sie es keine Minute miteinander aushalten können ohne sich gegenseitig umbringen zu wollen- zu verschieden sind ihre Ansichten vom Leben! Doch leider meint es das Schicksal nicht gut mit ihnen und so führt eine Krise von Gabriel dazu, dass Isabella einen profitablen Plan ausheckt, der sie stärker aneinander bindet, als ihnen beiden anfangs lieb ist …
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum10. Nov. 2020
ISBN9783752921618
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    Buchvorschau

    Isabellas Plan vom Glück - Laura J. Colerman

    Kapitel 1

    Der Wecker klingelte. Ohne zu zögern schwang er sich aus dem Bett und legte sich auf den Fußboden. Routiniert begann er seinen Oberkörper anzuheben, um seine morgendlichen hundert Sit-ups zu absolvieren. Gabriel war jetzt vierunddreißig Jahre alt und einen nicht unerheblichen Abschnitt seines Lebens begann er mit diesem Ritual. Er wusste nicht mehr genau, wann er damit angefangen hatte, er wusste jedoch, dass er es brauchte.

    Jeden Morgen.

    Tag für Tag.

    So war er, das war sein Leben. Nach genau hundert Wiederholungen stand er auf und ging zügig in das geräumige Badezimmer, ohne auch nur ansatzweise außer Atem gekommen zu sein. Die jahrelange Disziplin zahlte sich eben aus. Da Disziplin die Maxime seines Lebens war, stellte er nie infrage, ob es eine andere Möglichkeit gab, den Tag zu beginnen. Warum auch? Seine Lebensweise war optimal für ihn und auf effektivste Weise an seinen Alltag angepasst, also beließ er es dabei.

    Jeden Morgen.

    Tag für Tag.

    Als Gabriel das Bad betrat, waren die anthrazitfarbenen Natursteinfliesen bereits durch die Fußbodenheizung vorgewärmt worden, sodass er sofort mit seiner Morgentoilette anfangen konnte. Wie immer putzte er als Erstes seine Zähne, die exakt in Reih und Glied in reinem Weiß erstrahlten. Das Richten lassen vor einigen Jahren hatte ihn ein kleines Vermögen gekostet. Der angesehenste Zahnästhetiker von ganz Manhattan hatte äußerste Perfektion an den Tag gelegt und ihn schlussendlich zu diesem überragenden Ergebnis geführt. Und Perfektion war für einen Dallaway McAllister gerade gut genug. Gabriel sah auf die Digitalanzeige an der Steinablage und stellte fest, dass er in der Zeit lag. Er hätte allerdings auch nichts Anderes erwartet. Also zog er seinen Pyjama aus und stieg in die Dusche. Für das Waschen und die vollständige Enthaarung seines Körpers durfte er ganz genau zwölf Minuten brauchen, denn auch für die Rasur seines Gesichts musste er im Anschluss noch etwas Zeit einplanen. Acht Minuten. An diesem Morgen gab es keine Unterbrechungen und er konnte die Dusche planmäßig verlassen und sich der Rasur widmen. Gabriel neigte zu einem dichten Bartwuchs, was ihn massiv störte und was dazu führte, dass er bei spontanen Abendterminen oft noch einmal im Vorfeld den entstandenen Schatten von seinen Wangen entfernen musste. Das war eine jener unvorhergesehenen Situation, die er nicht mochte, denn sie machten ihn nervös. Gabriel behielt gern die Kontrolle, war gern Herr der Lage. Nur dann konnte er hundert Prozent geben.

    Mit langsamen kreisenden Bewegungen trug er den sahnigen Schaum auf seinen Wangen auf und schabte anschließend in langen akribischen Streifen die dunkelblonden Stoppeln der Nacht von seinem markanten Kiefer. Anschließend bewegte er zur Kontrolle seine manikürten Finger über die weiche Stelle. Nur, wenn sie präzise genug bearbeitet worden war, nahm er sich die nächste Partie vor.

    Einschäumen, Schaben, Prüfen. Einschäumen, Schaben, Prüfen.

    Nachdem er seinen Unterkiefer auf diese Weise behandelt hatte, befand er das Ergebnis als hundertprozentig gelungen und spülte sich gründlich die noch verbliebenen Schaumreste von seiner makellosen Haut. Jetzt konnte er sich seinen Haaren widmen. Dazu nahm er eine kleine Menge Haarwachs und verrieb es zwischen seinen großen Handflächen bis es warm wurde. Dann verteilte er die herb männlich riechende Paste mit gespreizten Fingen in seinem festen Haar und strich es zu einem angedeuteten Seitenscheitel nach hinten. Gabriel kaufte das Wachs bei seinem hauseigenen Coiffeur, der ihm immer sonntags den Nacken frisch ausrasierte und die Konturen bereinigte. Obwohl ihm sein hellbraunes Haar beim Duschen bis über die Augen fiel, so saß jetzt nach dem Stylen jede Strähne an seinem Ort. Nach der Prozedur im Badezimmer, steuerte er in langen gezielten Schritten sein Ankleidezimmer an, das sich direkt an den Master Bedroom anschloss. Insgesamt hatte er in diesem Penthouse drei Schlafzimmer.Wen interessierte das schon. Er lebte hier völlig allein und nutzte nur circa ein Drittel der vierhundertachtzig Quadratmeter, die sich in der siebzehnten Etage mitten an der Upper East Side befanden. Durch das große Panoramafenster konnte man selbst in seinem Ankleidezimmer den Ausblick über die Skyline von New York genießen, was er jedoch nie tat. Gabriel war kein Genussmensch – eher fokussiert und zielstrebig, was ihn in seinem Arbeitsleben oft weitergebracht hatte. Genuss war Zeitverschwendung und deshalb völlig nutzlos. Er schob einige Kleiderbügel zur Seite, die mit einem hölzernen Geräusch aneinanderschlugen. Seine Haushälterin war angewiesen, die Anzüge und Hemden nach Farben zu sortieren, weshalb das Anziehen nie lange dauerte. Er musste nur noch die Farbe von Hemd und Anzug kombinieren. Da er als Sponsor für verschiedene Galerien schon früh ein ausgeprägtes Verständnis für Farben und Formen entwickelt hatte, war dies eine seiner leichtesten Aufgaben. Viel schwieriger hingegen war es, erstklassige Designeranzüge zu bekommen, die Gabriels Ansprüchen entsprachen. Er war äußerst wählerisch und legte Wert auf einen perfekten Sitz. Da er mit einem Meter einundneunzig relativ groß war, lag sein Augenmerk verstärkt auf den Hosenbeinen. Er hasste es, wenn die Hose auch nur einen Zentimeter zu kurz war. Deshalb nahm der Familienschneider oft einige Zeit in Anspruch, die ausgewählten Exemplare auf einen makellosen Sitz anzupassen. Wenn Geld jedoch keine Rolle spielte, bekam man über kurz oder lang eben alles, was man wollte.

    „Alles außer Glück", vervollständigte Gabriels Unterbewusstsein den Satz, blendete das Gesagte aber unverzüglich wieder aus, denn für Hirngespinste hatte er erst Recht keine Zeit.

    „Guten Morgen Mister McAllister, Sir. Ich hoffe Sie hatten eine gute Fahrt."

    Gabriel begrüßte den Securitymann am gläsernen Haupteingang der Dallaway Corporation nur mit einem angedeuteten Nicken, obwohl der große dunkelhäutige Mann ihm die Hand zu Begrüßung entgegenstreckte. Der Sicherheitsmann war neu im Unternehmen und konnte deshalb Gabriels Gepflogenheiten noch nicht kennen. Doch spätestens in einer Woche würde er es kapiert haben. Gabriel gab grundsätzlich niemandem die Hand. Weder zur Begrüßung, noch sonst irgendwann und sein Umfeld musste diese Tatsache früher oder später akzeptieren. Er konnte Berührungen nicht ertragen. Das war schon immer so gewesen, zumindest solange er sich erinnern konnte. Falls es sich nicht vermeiden ließ jemanden anzufassen, wie bei der Maniküre oder beim Schneider, schrubbte er anschließend seine Hände so lange, bis sie rot und wund waren. Wenn dann noch Stress hinzukam, was in seinem Leben eigentlich täglich der Fall war, verfiel Gabriel geradezu in einen Wahn aus Schrubben und Seifen. Meist endete es erst, wenn ihn jemand bei der schmerzhaften Prozedur ertappte oder wenn er so viel rohes Fleisch sah, dass ihm sein Verstand genehmigte, die Pein zu unterbrechen.

    Ohne den Sicherheitsmann weiter zu beachten, ging Gabriel geradewegs zu den Fahrstühlen, die ihn in die achtzehnte Etage befördern würden. Er wartete eine Fahrt ab, weil sich zwei Personen in der Kabine befanden, und er die Enge als unangenehm empfand. Als der nächste freie Fahrstuhl kam stellte er zufrieden fest, dass es trotz der Verzögerung erst sechs Uhr achtundfünfzig war und er somit eine Minute zu früh in der Chefetage ankommen würde. Mit einem Pling öffneten sich die Fahrstuhltüren. Ein hagerer Assistent seines Alters lief an ihm vorbei und grüßte ihn zuvorkommend. Gabriel nickte erneut steif, obwohl jeder Außenstehende meinen könnte, dass sich aufgrund des gleichen Alters schnell ein kurzes Gespräch hätte ergeben können. Nicht so bei Gabriel. Er war zwar stets höflich, legte jedoch keinen Wert auf zwischenmenschliche Beziehungen – weder zu seinen Angestellten, noch zu sonst irgendjemandem. Beziehungen behinderten den Weg, Ziele zu erreichen und außerdem waren sie unnütz. Zumindest war es das, was ihm seine Eltern seit dem achten Lebensjahr beigebracht hatten. Er wusste, dass er acht gewesen war, weil er sich genau an diesen Tag erinnern konnte.

    Gabriel hatte aufgrund seines angeborenen Wohlstandes immer Neider gehabt. Also wurde er gehänselt. Anfangs machte er sich unsichtbar und erduldete die Schikanen, aber schnell wurde im bewusst, dass er seinen Peinigern körperlich überlegen war. Deshalb setzte er seine Körpergröße als Waffe ein. Schon bald verzichteten die anderen Jungen darauf, ihn zu schlagen und straften ihn stattdessen mit Nichtachtung, wodurch Gabriel immer allein war. Eines Tages schien es das Schicksal gut mit ihm zu meinen, denn es sandte ihm ein Geschenk in Form eines lausbübischen Jungen. Sein Name war Pete und von einem Tag auf den anderen hatte der kleine Rotschopf mit den grünen Augen und dem schelmischen Lächeln Gabriels gesamten Alltag auf den Kopf gestellt. Er war in etwa so alt wie Gabriel und wurde aufgrund seiner auffälligen Haarfarbe ebenfalls von den Mitschülern geschnitten. So wuchsen Gabriel und er bald zu einer undurchdringbaren Einheit zusammen. Er und Peter hatten viele Gemeinsamkeiten. Vor allem konnten sie zusammen Spaß haben, was Gabriel sonst mit niemandem konnte. Auch wenn Gabriels Eltern die plötzliche Ausgelassenheit ihres Sohnes missbilligten, war er einfach nur unendlich froh darüber gewesen, endlich einen Freund zu haben. Gabriel war es egal, dass er ihn nur in der Schule sehen durfte. Er wusste, dass er irgendwann auf das private Internat gehen würde, wo er schließlich mehr Zeit mit Pete würde verbringen können. Ungefähr ein Jahr lang war Gabriels Welt durch ihn in Ordnung gewesen. Bis die kleine dicke Miss Smith an einem Mittwoch zu Beginn der Mathestunde verkündet hatte, dass Pete bei einem Autounfall gestorben sei. Binnen fünf Sätzen war sein Universum komplett zerstört. Gabriels neue Welt war völlig aus den Fugen geraten. Er hatte nur dagesessen und versucht seine Gedanken zu sortieren, was ihm einfach nicht gelingen wollte. Sie waren so durch seinen Kopf gekreist, dass er spürte wie ihm schlagartig übel davon wurde. Nachdem er sich nach dem Unterricht mehrmals auf der sterilen Schultoilette übergeben hatte, war er weinend nach Hause gelaufen, obwohl er wusste, dass Weinen etwas für Schwächlinge war. Und in seiner Familie gab es keine Schwächlinge, sagte sein Vater. Seine Eltern hatte sich sein Leid zwar angehört, jedoch wie erwartet mit Abweisung reagiert. Er hatte nie Wärme in seiner Kindheit erfahren und so hatte es auch an diesem Tag nur eine Belehrung über die Zwecklosigkeit von Freundschaften gegeben. Danach ging er noch sechs Monate zu einem Psychologen, der ihm auf Wunsch seiner Eltern beibringen musste, wie man negative Energien umwandelte und dazu verwendete, sich auf seine Ziele zu fokussieren. Schlussendlich war er seinen Eltern sogar dankbar für diese Lektion in seinem Leben gewesen. Er hatte es nach Petes Tod geschafft, sein Leben neu zu strukturieren und die gewonnenen Erkenntnisse über Effizienz und Disziplin in seinen Alltag zu übertragen. Es hatte Kraft gekostet, aber es hatte ihn auch zu dem erfolgreichen Geschäftsmann gemacht, der er heute war.

    Kapitel 2

    „Guten Morgen, Mister McAllister. Darf ich Ihnen gleich Ihren Kaffee bringen?"

    „Gern, Jeanine. Welche Termine stehen für heute an?" Gabriel mochte die zarte Blondine, weil sie effektiv war und seine Zeit nicht verschwendete. Er setzte sich an seinen überdimensionalen Mahagonischreibtisch und blätterte seine Post durch, während ihm seine Sekretärin ein Tablett mit schwarzem Kaffee und etwas Obst brachte. Da sie seit zwei Jahren für ihn arbeitete wusste sie inzwischen, dass er vor elf Uhr nur Obst zu sich nahm.

    „Termine?", fragte er knapp. Ohne beleidigt über seinen harschen Ton zu sein, schlug sie das erste Blatt auf ihrem Klemmbrett um und überprüfte ihre Notizen.

    „Es wird ein ruhiger Tag, Sir. Um neun Uhr ist eine Telefonkonferenz mit Mister Ukijari. Mister Dallaway bittet Sie, sich in seinem Büro zu melden, damit sie sich noch über einige Einzelheiten vor dem Gesellschaftermeeting um elf Uhr verständigen können."

    „Danke, Jeanine. Das war dann alles." Unter normalen Umständen, hätte er seine Sekretärin vielleicht sogar attraktiv finden können, in diesem Moment wollte er sie hingegen einfach schnellstmöglich loswerden. Er konnte nur schwer Menschen um sich herum ertragen, weshalb er eigentlich am liebsten allein war.

    „Ja, bitte." Die kalte, tiefe Stimme seines Vaters drang scharf durch die schwere Holztür, an die Gabriel gerade kräftig und selbstbewusst geklopft hatte.

    „Hallo, Vater. Du wolltest mich sprech…?"

    „Setz Dich." Wie so oft unterbrach er Gabriel, bevor dieser seine Frage zu Ende stellen konnte. Er war diese Art bereits von früher gewohnt. Schon als Kind hatte ihm sein Vater das Wort abgeschnitten, wenn er seinen Satz als falsch oder unsinnig empfunden hatte. Edward Gabriel Dallaway hasste Gebrabbel oder inhaltsloses Plaudern, wodurch

    Gabriel schon früh gelernt hatte, jedes Wort in die Waagschale zu legen oder lieber zu schweigen, wenn er nicht genau wusste, ob seine Gedankengänge Sinn ergaben. Er setzte sich ihm gegenüber an den Schreibtisch und wartete stumm, was sein Vater ihm zu sagen hatte.

    „Du hast gestern ohne meine Anweisung einen Angestellten gefeuert." Das leichte Lächeln von Edward Gabrielwar trügerisch, denn sein Sohn wusste, dass es nichts über seinen Gemütszustand aussagte.

    „Ja, das stimmt. Du weißt, dass er regelmäßig unentschuldigt gefehlt hat."

    „Das interessiert mich nicht. Es wird in diesem Unternehmen keine Entscheidung ohne mich getroffen."

    Gabriel schluckte hart. Mister Miller war faul gewesen und hatte sich sogar noch erdreistet, Gabriel ins Gesicht zu lügen, nachdem er ihn wegen den vielen Fehlzeiten zum Gespräch gebeten hatte. Er passte nicht in ein leistungsorientiertes Unternehmen wie die Dallaway Corp., weshalb nur eine einzige logische Konsequenz infrage kam. Sein Vater kannte den Sachverhalt, weshalb sich Gabriel nun umso mehr über dessen Belehrung ärgerte. Natürlich kehrte er seine Aggression nicht nach außen, sondern fuhr in ruhigem Ton fort.

    „Vater, ich bin Geschäftsführer. Ich muss so etwas entscheiden können, damit mich meine Angestellten ernst neh…"

    „Du hast mich verstanden. Punkt."

    Gabriel wusste aus Erfahrung, dass es niemals Sinn machte, seinem Vater zu widersprechen.

    „Ja, Vater. War das alles?"

    Obwohl dieser sich schon anderen Dingen zugewendet hatte, antwortete er. „Ja. Ruf deine Mutter an. Es ist Dienstag." Mit einer abwehrenden Handbewegung beförderte er seinen Sohn nach draußen, ohne ihn auch nur noch eines Blickes zu würdigen.

    Kapitel 3

    Die grelle Sonne kitzelte ihre Nase, sodass sie laut und undamenhaft niesen musste. Mit einem ausladenden wohligen Gähnen streckte sie ihre Gliedmaßen von sich, bis sich ihre nackte Zehenspitze in einen warmen flauschigen Fellberg bohrte. Wie auf Kommando, schoss das weiße Riesenknäuel nach oben und schleckte seinem Frauchen ausgiebig über das verschlafene Gesicht.

    „Hey, Buddy. Na, hast du gut geschlafen? Sie wuschelte seine großen cremefarbenen Schlappohren, was er mit einem hektischen Schwanzwedeln quittierte. „Guter Junge. Ja. Er schnuffelte wie verrückt in ihrer Halsbeuge und schien vor Liebe fast überzuquellen. Isabella kuschelte sich noch für einen kurzen Moment an seinen weichen Körper, bevor sie aufstand und zur Eingangstür lief. Er folgte ihr eilig. Wahrscheinlich wusste er, dass sie gleich die Fliegengittertür öffnen würde, um ihn in den kleinen Vorgarten zu entlassen, damit er sein Geschäft erledigen konnte. Sie selbst ging in das weiß geflieste Bad, um sich zu waschen und frische Kleidung anzuziehen. Gerade als sie den Mund voller Zahnpasta hatte, hörte sie von weitem, dass ihr Handy klingelte. Hastig spülte sie den minzigen Schaum aus und stürzte in das Gästezimmer zurück. Dann durchwühlte sie ihren kleinen bunten Strickrucksack, um das blinkende Gerät heraus zu fischen.

    „Yeah?"

    „Hey, Bella. Wo steckst du? Ich habe schon mehrmals versucht dich zu erreichen. Mom reißt dir den Kopf ab!"

    Die Stimme ihrer jüngeren Schwester klang so aufgeregt, dass Isabella sofort das Telefon vom Ohr nahm, um auf das Display zu sehen. Tatsächlich zeigte es drei Anrufe in Abwesenheit.

    „Mach mal halblang, Greta. Ich bin bei den Wilbours und passe auf Buddy auf. Die beiden kommen morgen erst aus dem Urlaub zurück." Verstohlen sah sie auf den Funkwecker und erschrak. Es war bereits zwölf Uhr mittags und das war selbst für sie eine späte Zeit zum Aufstehen.

    „Dann sag das Mom bitte. Du weißt doch, dass sie sich Sorgen macht, wenn du dich so lange nicht meldest." Langsam beruhigte sich ihr Tonfall.Isabella hörte, dass Greta trotzdem auf ihren Nägeln kaute, wie sie es immer tat, wenn sie nervös war.

    „Süße, ich bin sechsundzwanzig Jahre alt und wohne seit fünf Jahren allein. Ich muss mich nicht mehr abmelden."

    „Ich weiß. Aber du weißt doch auch, wie sie ist. Sie ist nun mal eine Oberglucke. Also ruf sie kurz an, ja?"

    Isabella musste lächeln, als sie an ihre Mom dachte, die sie über alle Maßen liebte. Sie und ihr Dad hatten es mit ihren drei Kindern sicher nie leicht gehabt. Sie hatten stets am finanziellen Abgrund gelebt. Durch die viele Liebe, die ihre Eltern ihrer Familie immer geschenkt hatten, war die Situation Isabella als Kind jedoch nie bedrückend erschienen. Erst jetzt, da ihr Daddy wegen eines Bandscheibenvorfalls nicht mehr auf dem Bau arbeiten konnte, machte sie sich ernsthaft Sorgen um sie.

    „Geht’s Mom und Dad gut? Ich meine, kommen sie zurecht?" Ihre Stimme klang jetzt besorgt. Auch ihre Schwester seufzte. Solche Dinge musste sie Greta fragen, denn ihre Mom hätte irgendwie vom Thema abgelenkt, um ihre Tochter nicht zu beunruhigen. Weil ihre Schwester allerdings nur einige Straßen von ihren Eltern entfernt in einem Studentenwohnheim wohnte, hatte sie meist einen ganz guten Durchblick, was die finanzielle Lage ihrer Eltern betraf. Sowieso war sie der hellste Stern der Familie und Isabella hoffte, dass wenigstens sie nach dem Universitätsabschluss im nächsten Jahr, den sie zweifelsohne mit Bravour meistern würde, ein sattes Gehalt in irgendeiner Kanzlei ergattern könnte. Dem Himmel sei Dank, dass es Stipendien gab, sonst hätte ihre schlaue Schwester vielleicht nie die Chance zum Studieren bekommen.

    „Na ja, es geht so. Patrick hat Geld geschickt. Damit kommen sie für den Moment über die Runden."

    Ihr älterer Bruder war vor zwei Jahren nach Frankreich gezogen und arbeitete dort als Konditor. Wann immer er ein wenig Geld übrig hatte, schickte er es seinen Eltern.

    „Was treibst du so, wenn du nicht gerade auf die Flohbüchse aufpasst?"

    Isabella hatte sich inzwischen auf ihr unordentliches Gästebett gesetzt und kraulte den Kopf des gutmütigen Bären, der seine feuchte Schnauze in ihren Schoß gelegt hatte und genüsslich vor sich hin döste.

    „Dies und das. Du weißt doch, dass ich es nirgends lange aushalte. Das Leben ist einfach zu schön, um es zu vergeuden." Sie streckte das Gesicht in die heißen Sonnenstrahlen, die durch das Fenster drangen, und lächelte selig. Natürlich wusste sie, dass sie nicht gerade Dinge tat, die im Allgemeinen als erfolgreich galten. Trotzdem war sie für den Moment zufrieden mit ihrem Lebenswandel. Hier und da ein Job, frei und ungebunden die schönen Momente des Lebens genießen und so viele Erfahrungen wie möglich zu sammeln. Das war es was sie tat und was sie liebte. Wenn nur nicht die Sorge um ihre Eltern wäre, die sie manchmal bereuen ließ, dass sie nicht studiert und ihnen ein besseres Leben ermöglicht hatte.

    „Tu, was du nicht lassen kannst, Süße. Ach so, bevor ich es vergesse … Mister Wallace hat Mom wegen deiner Miete angesprochen. Sieh zu, dass du das geregelt bekommst." Manchmal hatte Isabella das Gefühl, zwei Mütter zu haben.

    „Oh, Mist. Ich kümmere mich morgen darum, wenn Miss Wilbour mir mein Geld gibt. Danke, Greta."

    „Ich muss Schluss machen, meine Vorlesung fängt gleich an. Ich hab dich lieb."

    „Ich hab dich auch lieb."

    Sobald sie aufgelegt hatte, zog sich Isabella an, schlüpfte in ihre roten Chucks und zwirbelte ihre langen braunen Haare zu einem lockeren Dutt. Sie schloss die Tür hinter sich ab und pfiff nach Buddy, der sich folgsam an ihre Seite begab.

    „Feiner Junge", lobte sie ihn mit einem Kopfkraulen und legte ihm das braune Lederhalsband an, das sofort in seinem langen zotteligen Fell verschwand.

    Als sie am Tierheim ankam, wurde sie schon von einem wilden Gekläff begrüßt. Sie schritt langsam die Zwinger ab und nahm sich die Zeit, jeden ihrer Freunde mit einer kleinen Liebkosung zu verwöhnen. Seit sie denken konnte kam sie hierher, um ein wenig von ihrer Liebe zu verschenken. Da sie sich selbst nie einen Hund hatte leisten können, war das der optimale Weg gewesen, etwas Gutes zu tun und gleichzeitig ihren eigenen Drang nach einem Haustier zu befriedigen. Das Tierheim, das sich ausschließlich um Hunde kümmerte und deshalb vielmehr ein Hundeheim war, war für sie wie ein zweites Zuhause geworden. Sie wurde innerlich zappelig, wenn sie nicht wenigstens dreimal die Woche hier aufkreuzte und mithalf, obwohl sie dafür keinen Cent bekam. Die Einrichtung steckte in großen Schwierigkeiten, seit ein wichtiger Sponsor ausgestiegen war.

    Als Isabella auf einen der drei Nebentrakte zu schritt, sah sie Buddy, der ausgelassen mit dem quirligen Hofhund Max über die kleine eingezäunte Wiese tobte. Sie schloss sich direkt an das etwas heruntergekommene Haupthaus an und musste im Sommer besonders oft für die legendären BBQ-Abende herhalten. Dementsprechend war sie aktuell stark heruntergetreten, woran sich jedoch weder Mensch noch Hund zu stören schienen.

    „Hallo? Suzie?" Bella ging in den gefliesten Gang, in dem ihre beste Freundin und Leiterin des Tierheims damit beschäftigt war, die Käfige zu reinigen.

    „Hey, Süße. Hältst du mal kurz?" Suzanne drückte ihr zwei kleine schwarze Welpen in die Hand, die noch nicht einmal die Augen geöffnet hatten. Die aufmerksame Mutter, ein liebenswürdiger Corgi-Mix, stand schwanzwedelnd zu Bellas Füßen und verfolgte genau, was mit ihren Kindern passierte.

    „Mannomann, sind die süß. Das hast du ganz toll gemacht, Fluffy."

    „Wieder zwei Mäuler mehr zu stopfen", unterbrach Suzie Bellas euphorische Babystimme, die sie immer bekam, wenn sie mit Hunden sprach.

    „So schlimm? Erst jetzt hielt Suzanne in ihrer Bewegung inne und sah ihre Freundin sorgenvoll an, während sie sich mit dem Kinn auf den Besenstil stützte. „Schlimmer. Wenn noch mehr kommen, können wir schließen.

    „Wir müssen doch irgendetwas tun können. Wo sollen denn alle hin, wenn du zumachen musst?" Bellas Stimme klang verzweifelt, als sie an all die herrenlosen Tierchen dachte, die hier wenigstens ansatzweise ein Zuhause fanden. Suzie zog sich den Handschuh aus und wischte sich das krause blonde Haar aus der verschwitzten Stirn. Normalerweise zierten nur Lachfalten ihr fröhliches Gesicht. Ein geübter Blick, wie Bella ihn besaß, sah jedoch, dass sich in letzter Zeit etliche Sorgenfalten um ihren Mund schlichen.

    „Wir brauchen Geld, Bella. Viel Geld. Sonst wird es uns nächstes Jahr nicht mehr geben. Du weißt, dass wir ohne die Spenden von Mister Applestone total am Arsch sind." An die grobe Ausdrucksweise ihrer Freundin, hatte sich Isabella längst gewöhnt, zumal sie selbst diesbezüglich keinen Deut besser war. Dass ihr ältester und bester Sponsor vor drei Monaten an einem plötzlichen Herzversagen gestorben war, konnte sie nur schwer akzeptieren. Sie wusste in welche finanzielle Bredouille das Ausbleiben der regelmäßigen Gelder das Tierheim bringen würde.

    „Ich lass mir was einfallen, Suz. Mach dir keine Sorgen. Gemeinsam schaffen wir das." Sie packte die Welpen und deren Mutter wieder in die saubere Box und umarmte dann ihre Freundin herzlich.

    „Dein Wort in Gottes Ohr. Hast du Buddy mit?" Suzie wendete sich der nächsten Box zu und begann zu fegen, während sich die kleine braune Hundedame in ihr Körbchen bequemte, um dem Besen auszuweichen.

    „Ja, er spielt draußen mit Max. Er hat sich toll bei den Wilbours eingelebt."

    „Ich bin froh, dass er es so gut getroffen hat. Er ist wirklich ein feiner Kerl."

    „Ich finde es auch toll. Vor allem, dass ich hin und wieder auf ihn aufpassen kann. Bellas Stimme klang nur halbherzig, denn sie war mit den Gedanken schon ganz woanders. „Du hör mal – ich gehe noch mal mit der Spendenbox los. Vielleicht passiert ja doch noch ein Wunder und ich finde einen neuen Sponsor. Sie musste nun lauter sprechen, da Suzie aus ihrem Blickfeld verschwunden war, um Wasser in einen Napf zu füllen.

    „Du musst das nicht machen, Bella." Suzanne kam wieder und stellte die Metallschale in die Box, in der er einen kleinen nassen Fleck auf dem Betonboden hinterließ.

    „Ich möchte aber. Du weißt, wie viel mir an euch liegt. Ich lass dich damit nicht allein stehen."

    „Ich weiß, meine Liebe. Du bist die gutherzigste kleine Nervensäge, die ich kenne." Suzanne knuffte liebevoll Bellas Arm bevor sie sich dem nächsten Zwinger widmete.

    „Ich gehe heute mal in die Innenstadt. Vielleicht kann ich irgendeinen Geldsack auftreiben. Wo ist das Schild?" Suzie steckte den Kopf in eine Holzhütte und schrubbte mit einer Bürste den Boden aus. Ihre mütterliche Stimme klang deshalb meilenweit entfernt und hatte einen dumpfen Hall, als sie antwortete.

    „Schau mal drüben neben dem Telefon. Ich glaube da hatte ich es letztens abgestellt."

    „Ist gut. Ich bin dann erstmal weg. Wenn ich wiederkomme, helfe ich dir noch beim Füttern."

    „Ok, Süße. Pass auf, dass dich niemand beim Betteln erwischt. Du weißt doch, wie die Bonzen das finden. Ach und Bella?, Suzie streckte für einen Moment den Kopf aus der Hütte und sah Bella aus großen blauen Augen an, „Danke!

    Kapitel 4

    „Eleonore McAllister?" Die wohlklingende

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