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Das ultimative Spiel
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eBook456 Seiten6 Stunden

Das ultimative Spiel

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Über dieses E-Book

Im Juni 2095 wird in einem heruntergekommenen Hotel der Bürgermeister von New York tot aufgefunden. Die Leiche ist mit einem Zinken gekennzeichnet. Eine Markierung, die man sonst bei Avataren im 'ultimativen Spiel' – dem momentan erfolgreichsten Onlinespiel - vorfindet.
Die Polizeichefin Mary Clark Johnson findet schnell die vermeintliche Mörderin. Maya Sommers, Tochter des Solarzellentycoons Ronan Sommers. Es nützt ihr aber nichts, da sie der jungen Frau den Mord nicht nachweisen kann.
Um schneller voranzukommen, schaltet sie die im Rollstuhl sitzende Detektivin Tini Tucker ein. Doch die will sich nicht mit dem Mord beschäftigen. Sie versucht die Sache auszusitzen und beschäftigt sich stattdessen mit gestohlenen Händen, geflohenen Robotern, verschwundenem Samen und anderem.
Mary Clark Johnson lässt aber nicht locker, denn sie hat noch ein anderes Problem. Der ultimative Jäger des Spiels hat sie als neues bedeutendstes Opfer ausgewählt.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum29. Apr. 2014
ISBN9783847666578
Das ultimative Spiel

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    Buchvorschau

    Das ultimative Spiel - Christine Doyle

    Steven Hawking

    "Ich bemühe mich ein normales Leben zu führen, nicht   zu viel über meinen Zustand nachzudenken und

    nicht zu bedauern, dass ich manchmal Dinge

    nicht tun kann. Es sind ohnehin nicht

    viele Dinge."

    Steven Hawking

    Prolog

    Mitte Juni 2095

    Sie betrachtete ihn eingehend. Warum auch nicht? Zeit hatte sie jedenfalls genug. Ihre Arbeit war getan. Er war ordentlich. Das mochte sie. Bei ihm fielen keine Krümel auf den Boden. Es war nicht wie bei den anderen. Am schlimmsten waren die kleinen, die halblangen Menschen, die sie Kinder nannten. Sie sprangen überall herum, ließen ständig etwas auf den Boden fallen. Eigentlich war sie schnell. Trotzdem passierte es oft genug, dass sie zu spät kam und alles bereits in den Öffnungen der Halbwüchsigen verschwunden war. Die hellbraunen Teile kamen auch nicht wieder heraus. Jedenfalls soweit sie es feststellen konnte.

    Eigentlich war sie stolz auf sich. Schließlich verschwand in ihrem Bauch viel mehr, als in dem der kurzen Menschen. Krümel, Sand, Laub, Steinchen, selbst Stifte. Ihre Aufgabe war es, das einzusammeln, was den anderen herunterfiel. Das nahm sie ernst. Sie mochte ihren Job als Reinigungsroboter, auch wenn sie für die anderen nur ein unbedeutender Käfer war. Doch sie war mehr, sie war ein intelligenter Käfer. Das Einzige was sie vermied war Wasser. Grundsätzlich machte sie einen großen Bogen um Pfützen. Das hatte einen einfachen Grund. Sie konnte es nicht vertragen. Wasser machte ihre Innereien feucht. Warum sollte sie denn keinen Bogen machen? Schließlich gab es die großen Roboter, die ohnehin meinten, dass nur sie das Zimmer ordentlich reinigen konnten. Diese Aufschneider schubsten sie herum, gaben Befehle. Dabei sollte sie hier der Boss sein. Sie wohnte die ganze Zeit in diesem Zimmer, während die großen Roboter einmal am Tag kamen und schnell wieder verschwanden. Gut, dafür machten die das Bad sauber. Das würde sie ja auch gern können, doch dann hätte ihr der Konstrukteur Beine geben müssen. Mit den kleinen Rollen, die er ihr verpasst hatte, konnte sie sich gerade mal dicht über den Fußboden bewegen. Aber dafür flinker, als alle anderen.

    Er stand seit einer halben Ewigkeit nackt vor dem Spiegel. Mindestens kam es ihm so vor. Endlich hatte er ausgiebig Zeit, sich zu betrachten. Wenn er ehrlich zu sich selbst war, musste er zugeben, dass er alt geworden war. Dabei achtete er seit frühester Jugend darauf, dass sein Körper gut in Schuss blieb. Unwillkürlich zuckte er bei dem Gedanken zusammen. Falsch. Er war nicht alt, er war reif. Aber auch das Wort ärgerte ihn. Es erinnerte ihn an Obst. War er ein Apfel, der bald vom Baum fallen würde? Ein komisches Gefühl beschlich ihn. Das ist deine Intuition, auf die musst du hören, sagte seine esoterisch angehauchte Frau in solchen Momenten gern. Er schüttelte sich. Der Gedanke an Mrs. Zeleny erzeugte automatisch einen gewissen Widerwillen. Ja, er hatte sie aus reinen Karrieregründen geheiratet. Sie war die Tochter seines damaligen Parteivorsitzenden. Schnell hatte er bemerkt, dass er sie pflücken konnte. Und das tat er. Darin war er gut. Er nutzte seine Chancen gern. Kaum eine blieb ungenutzt am Wegesrand liegen.

    Er rief sich zur Ordnung, indem er die holde Gattin aus seinen Gedanken verbannte. Sie hatte an diesem Ort nichts zu suchen. Stattdessen konzentrierte er sich auf seine Falten. Der Schönheitschirurg hatte ihm versprochen, dass sein viertes Lifting erfolgreich sein würde. Hoch und heilig. Umsonst. Die tiefen Falten um die Augen waren geblieben. Verlogen diese Brut. Gut, dass er sich fit hielt, gesund ernährte und seine Ausgeglichenheit durch seinen persönlichen Mentaltrainer bekam. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Das Beste in seinem jetzigen Leben war, dass er sich diese ganz besondere Form von Entspannung gönnen konnte. Frauen. Sie taten ihm gut. Besonders eine. Ihre hohen Wangenknochen erinnerten an Nofretete. Jedes Mal, wenn sie vor ihm stand, war er aufs Neue fasziniert. Er mochte zwei Dinge an ihr. Sie war jung und sie war wild. Wenn er an sie dachte, stieg sogleich Sehnsucht in ihm auf.

    Er hatte dieses abgelegene Hotel bewusst ausgesucht. Es besaß eine unschlagbare Kombination. Auf der einen Seite war es unscheinbar und heruntergekommen, auf der anderen Seite gab es an den Wänden Tapeten mit integrierten organischen Leuchtdioden. Damit konnte er die virtuelle Welt auf jede Wand des Zimmers holen. Die Wände wurden zu einem übergroßen Fernseher, der entweder ein Bild produzierte oder viele kleine, ganz wie er es wollte. Er entschied sich für die kleinere Variante. Einige Klicks genügten und er hatte ihr virtuelles Abbild aus dem Netz geholt. Sie war schön wie immer. Mit einem weiteren Klick vervielfältigte er sie auf sämtlichen Wänden. Kein einziger Fleck blieb frei. Verliebt betrachtete er die Bilder. In diesem Moment überkam ihn die Angst, dass sie ihn eines Tages verlassen könnte. Ein Gedanke, der bei ihm einen heftigen Schmerz erzeugte. Natürlich würde er Ersatz finden. Das hatte er in all den Jahren immer hinbekommen, selbst wenn es manchmal schwierig war. Schließlich mochte er es, sich mit den jungen Dingern zu umgeben. Jedenfalls so lange, bis er keine Lust mehr hatte.

    Unvermittelt kam ihm die Frage in den Sinn, was ihn eigentlich umtrieb? Es war wohl das dominante Gefühl, das sich in seinem Inneren ausbreitete, wenn er mit ihnen zusammen war. Es durchzog seinen gesamten Körper von den Haarwurzeln bis zu den Zehenspitzen. Es befriedigte ihn zutiefst, dass er mit ihnen tun und lassen konnte, was er wollte. Keine einzige stellte sich ernsthaft gegen ihn. Die Frauen hatten seinen Anweisungen zu folgen und sie taten es. Nicht dass Reibereien ausgeschlossen waren. Sie kamen immer wieder vor. Meinungsverschiedenheiten löste er auf seine Art. Er schüchterte die jungen Dinger einfach ein, indem er ihnen drohte, ihre Zukunft zu zerstören. Keine leeren Floskeln. Seine Stärke bestand darin, Notweniges zu tun. Schließlich musste er sein Image schützen, denn er war gesellschaftlich hoch angesehen. Es gab glücklicherweise etliche hübsche Frauen, die einem engeren Verhältnis keineswegs abgeneigt waren. Trotzdem musste er zugeben, dass diese eine, deren Abbild jetzt gerade vielfach an den Wänden hing, ihn ganz besonderes berührte. Keine andere war wie sie.

    Er blickte auf das Seil. Es war extra lang. Die obere größere Schlinge hatte er gut hinbekommen und die untere sah auch nicht schlecht aus. Sein Chauffeur kam ihm in den Sinn. Dessen Gesichtsausdruck war ihm im Gedächtnis geblieben, als er das Seil zum ersten Mal gesehen hatte. Wahrscheinlich saß er jetzt draußen im Auto und fragte sich einmal mehr, was genau sein Chef damit vorhatte. Es dauerte einige Wochen, bis er die Knoten halbwegs richtig hinbekam. Sie unterstützte ihn dabei. Dafür liebte er sie. Es gab nur noch wenige Frauen mit dieser fürsorglichen Art.

    Ein Klopfen unterbrach seine Gedanken. Endlich. Hastig lief er zur Tür, dabei übersah den Sessel. Sein linker großer Zeh traf voll das Stuhlbein. Er jaulte auf wie ein Hund. Gleich danach verfluchte er sich selbst. Wie konnte er nur den Sessel übersehen? Er humpelte zur Tür. Ein Spalt genügte und die schmale Person, die davor wartete, schlüpfte hinein. Sofort zog er sie an sich heran. Fest umschlungen standen sie da. Oh, wie sie roch. Mit tiefen Zügen sog er ihren blumigen Duft tief in seine Lungen ein. Es war die Süße des Veilchens, die sich sogleich ausbreitete. In dem Moment wünschte er sich, er könnte ihn konservieren. Gegen seinen Willen befreite sie sich. Dabei ging sie sanft und gleichzeitig konsequent vor.

    Sie redete nie viel, sondern ging direkt zur Sache. Zügig ließ sie ihre Tasche und nahezu alle Kleider fallen. Aufreizend stand sie in ihrem durchsichtigen Dessous vor ihm. Ihr Körper war wunderbar geformt. Sehr weiblich, sehr frisch. Sie roch wie eine Frühlingswiese. Vor seinem geistigen Auge vermehrten sich die lila Blüten der Viola Odorata rasant.

    Die junge Frau bewegte sich geschmeidig wie eine Katze. Unter ihren geschickten Händen legte sich das Seil fast von allein um seinen Hals. Absichtlich langsam schob sie ihn zum begehbaren Kleiderschrank. Sie benutzten ihn in letzter Zeit gern. Die Höhe der Querstange war ideal für seine Körpergröße. Geschickt lief sie vor und zog ihn hinter sich her. Unterdessen betrachtete er ihren Rücken. Er war weiß wie Milch. Die einzelnen Wirbel der Wirbelsäule stachen grob hervor. Das erregte ihn. Als sie am Bett vorbeiging, griff sie nach dem kleinen Handtuch, das er für sie dort deponiert hatte. Kaum im begehbaren Kleiderschrank angekommen, warf sie das Seil über die Querstange. Aus unerklärlichem Grund packte ihn Angst. Er versuchte sie zu verscheuchen, was ihm aber nicht so richtig gelingen wollte.

    Sein Problem war, dass die Strangulationsmerkmale hinterher auf gar keinen Fall erkennbar sein durften. Beim letzten Mal waren sie es und zwar deutlich. Da er bei diesen tropischen Temperaturen nicht mal ein Tuch tragen konnte, hatten es leider zu viele Menschen gesehen. Niemand hatte ihn darauf angesprochen, doch die Blicke waren eindeutig gewesen. Das mussten sie dieses Mal unbedingt verhindern. Leider ließen sich die kleinen Blutpunkte an Kopf und Brust nicht völlig vermeiden. Doch sie mussten alles dafür tun, dass sie kaum auffielen. Die Öffentlichkeit würde ihn in Stücke zerreißen, wenn das kleinste Gerücht in Umlauf käme. Die Hyänen saßen bereits in ihren Löchern und lauerten. Es gab genug Leute, die seine gesellschaftliche Vernichtung mit einem Freudenfest zelebrieren würden.

    Seine größte Angst jedoch war nicht das Geschwätz, sondern ein Herzanfall. Wie peinlich, wenn er während des Orgasmus eintreten und ihn in so einer Situation erwischen würde. Natürlich ließ er sich regelmäßig checken, trotzdem konnte er diesen Gedanken nie völlig ausschließen. Angeblich war er, obwohl er die siebzig vor etlichen Jahren hinter sich gelassen hatte, in bestem Zustand. Das hatten die Ärzte auch bei seinem alten Kumpel Pete behauptet, trotzdem starb er. Hinterher hieß es lapidar, man sei sich in der Beurteilung einer verkalkten Ader unsicher gewesen.

    Noch vor wenigen Wochen hätte er geschworen, sich niemals auf solche sexuellen Spielchen einzulassen. Schließlich war es diese besondere Art von Betätigung, die er selbst in der Öffentlichkeit als abartig verurteilte. Doch der Tod seines virtuellen Ichs in diesem Onlinespiel hatte sein Leben verändert.

    Ursprünglich betrachtete er die Teilnahme an dem Spiel als freiwilligen Zwang. Er hasste es, denn für ihn war es nichts weiter als eine reine Zeitverschwendung.

    Und dann kam sie. Ihr Avatar war eine Katze. Keine war anhänglicher. Ihr Schnurren machte ihn verrückt. Sie kam und ging, wie sie wollte. Er wusste nie, wie er sie erreichen konnte. Aber wenn sie da war, spielte sie mit ihm. Auf dieser Onlineparty kam sie mit einer virtuellen Kordel. Damit fesselte sie ihn. Überraschenderweise zog sich das Seil um seinen Hals zu. Seine Lebenspunkte verschwanden im Eiltempo. Bevor er es verstanden hatte, waren sie auf Null. Sein Avatar war gelöscht.

    Es störte ihn nicht, denn die Schöne, die hinter der Katze steckte, kam in der realen Welt auf ihn zu und entschuldigte sich sehr persönlich bei ihm. Sie erklärte, dass es aus Versehen passiert wäre. Er glaubte ihr. Sie war viel zu aufreizend, um ihr nicht zu glauben.

    Seine Gedanken verloren den Faden, liefen durcheinander. Das Seil zog sich gleichzeitig an seinem Geschlechtsteil und an seinem Hals fest. Sein Blick hing unterdessen fest an ihrem Busen, den sie inzwischen entblößt hatte. Bilder fluteten sein Gehirn. Frauen, junge, alte, dicke, dünne, seine eigene. Die Kurven der Blonden nahmen ihn gefangen. Kreisten ihn ein. Jede Unze seiner Aufmerksamkeit war auf sie gerichtet. Er wollte sie berühren, doch er konnte seinen Arm kaum anheben. Ihre Kontur verschwamm, stattdessen überflutete ihn grelles Licht.

    Sie betrachte ihn. Die Erregung raubte ihm zunehmend die Sinne. Durch kurze Atemstöße versuchte er sein Gehirn, mit Sauerstoff zu versorgen. Das Wichtigste war die richtige Dosierung des Drucks auf den Hals. Dafür musste sie sorgen und das tat sie.

    Er hing mit geschlossenen Augen an der Kleiderstange. Automatisch dachte sie an einen nassen Sack. Seine Gesichtshaut wurde grauer, seine Lippen verfärbten sich bläulich-violett. Seine Finger verformten sich zu Würsten. Schön dick und rund. Die Atmung ging zusehends schneller.

    In diesem Moment verabscheute sie ihn zutiefst. Jetzt war es Zeit. Sie zog das Handtuch, das zwischen Hals und Schlinge steckte und zur Dosierung des Druckes diente, heraus. Er nahm es nicht einmal wahr, so sehr war er mit seiner eigenen Erregung beschäftigt.

    Sie stützte sich auf ihn und drückte ihn gewaltsam nach unten. Er rang nach Luft. Ein komisches Krächzen entwich ihm. Sein Blick lief wirr durch den Raum. Doch sie ließ nicht locker, sondern drückte weiter. Für den Bruchteil einer Sekunde schnallte er, dass etwas Unvorhergesehenes geschah. Er versuchte sich nach oben zu stemmen. Seine Beine versagten. Die Blonde zog das Seil gleichmäßig enger, bis sein Körper regungslos an der Kleiderstange hing. Sie wich zurück. Was einmal ein Mensch gewesen war, hing nun wie ein unförmiges Stück Fleisch an der Querstange des begehbaren Kleiderschrankes. Das einzige was nicht hing, war sein Glied.

    Unwillkürlich gab sie ein leises Sirren von sich. Die Blonde hatte es wahrgenommen, denn die fuhr blitzartig herum. Sie entdeckte sie, obwohl sie sich fast vollständig unter dem Bett versteckt hatte. Wahrscheinlich waren es mal wieder die roten Lämpchen, die sie verrieten. Das war schon öfter vorgekommen. Zum Glück schien die junge Frau keinerlei Interesse an ihr zu haben, denn die zog hastig ihre Kleidung an, ging ins Bad, bürstete ihr Haar und wedelte damit so lange herum, bis es rund um ihren Kopf aufgeschüttelt war.

    Das gab ihr etwas Zeit. Das Gute an jedem Roboter war, dass er eigenständig Informationen aus dem Netz holen konnte. Selbst ein kleiner Reinigungsroboter wie sie. Da die Tür des begehbaren Kleiderschranks immer noch offen stand, konnte sie erst den an der Querstange hängenden Menschen scannen, und danach nach anderen hängenden Menschen online suchen. Schnell fand sie einen Bericht über einen Musiker.

    Slippy P. wurde vor wenigen Wochen in seinem Kleiderschrank erhängt mit einer Vorhangkordel, die er um den Hals und die unteren Extremitäten gewickelt hatte, aufgefunden. Wie bei Tod durch Strangulation üblich, hing der Musiker unterstützt an der Kleiderstange, was übersetzt hieß, seine Füße berührten den Boden. Die statistische Onlinequelle – seriös oder nicht – zeigte eine Tabelle, in der 66,79% der Erhängten im letzten Jahr unterstützt hängend aufgefunden wurden. Bei der Leichenschau des Musikers waren die Abdrücke der Fesselung im Halsbereich und an den Genitalien am auffälligsten. Der Sinn der Fesselung mit der Kordel war die Kompression des Halses und der unteren Extremitäten.

    Der wissenschaftliche Teil des Artikels wies daraufhin, dass das Hängen an Kleiderstangen automatisch zu Angst und damit zur sexuellen Stimulation führt. Schuld am Lustgewinn war der Ausfall des Cortex im Gehirn. Um die Aussagen zu untermauern, gab es einen knappen Rückblick in die Geschichte der Menschheit. So beobachteten erstmals Scharfrichter im 13. Jahrhundert sichtbare Erektionen bei Erhängten.

    Inzwischen war die Blonde so weit, das Hotelzimmer zu verlassen. Erst kurz vor der Tür machte sie kehrt, löschte die unzähligen Bilder auf den Wänden und ging ins Bad. Dort holte sie einen leeren Wäschesack – eigentlich ist er für Handtücher gedacht –, lief zügig zum Kleiderschrank, stülpte ihn über den Kopf des hängenden Mannes und zog kräftig zu. Minutenlang stand sie unbeweglich da und betrachtete ihr Werk. An ihrem Gesichtsausdruck war nicht zu erkennen, ob sie es mochte oder nicht. Die junge Frau ging zu ihrer Handtasche und zog etwas Metallenes heraus. Auf dem Rückweg entzündete sie mit Hilfe ihres Minibunsenbrenners eine Flamme.

    Der kleine Reinigungsroboter war überrascht. Bisher hatte er geglaubt, dass nur Hausmeisterroboter so etwas besitzen würden. Da konnte man mal sehen, selbst ein Reinigungskäfer lernte nie aus.

    Die Blonde hielt den Bunsenbrenner an das Metall, bis es glühte. Dann hob sie den rechten Arm des Mannes und drückte den Stempel kräftig unterhalb der Achselhöhle ins Fleisch. Der süßlich penetrante Geruch verbrannter, menschlicher Haut stieg auf. Zufrieden betrachtete sie den schwarzen Zinken, der sich abgebildet hatte. Kurz darauf ließ sie den Arm los und verfolgte, wie er schlaff herunter fiel.

    Kaum war die Blonde aus der Tür, legte der Reinigungskäfer los. Endlich. Das wurde aber auch Zeit. Beide Menschen hatten unzählige Hautschuppen, Wollfäden und Haare auf dem Fußboden hinterlassen. Zum Glück gab es sie und sie war gründlich. Nicht das kleinste Teilchen blieb liegen.

    Der kleine Bodensauger war kaum fertig, schon stürmten die beiden großen Reinigungsroboter in das Zimmer. Wie immer kannten sie nur ein Thema. Jeden Morgen nach dem Aufladen zwischen 02:00 Uhr und 05:00 Uhr guckten sie ein Spiel der New York Yankees. Da die Roboter die Spiele der Menschen nicht mochten – das galt genauso umgekehrt – bestanden die Spieler ausschließlich aus Maschinen. Natürlich ging es hier schlagkräftiger zu. Wenn einem etwas nicht passte, zerlegte er seinen Gegner kurzerhand in seine Einzelteile. Am Rand des Spielfeldes standen deshalb verschiedene Sauger, die für das Einsammeln von Metallresten zuständig waren. Am heutigen Morgen waren die Streitigkeiten außer Kontrolle geraten. Die Maschinen hatten sich erfolgreich gegenseitig zerlegt. Also nicht nur die Spieler untereinander, sondern auch die Schiedsrichter und ein Teil des Publikums mussten dran glauben. Die beiden Reinigungsroboter stritten nun seit Stunden darüber, wer angefangen hatte. Einigermaßen unaufmerksam ging der größere der beiden Roboter auf den begehbaren Kleiderschrank zu. Er zoomte kurz auf den an der Querstange hängenden Menschen, zog den Wäschesack vom Kopf des Mannes und faltete ihn ordentlich zusammen. Ohne lange nachzudenken, schloss er die Tür und brachte den Beutel ins Bad. Schließlich gehörten die Handtücher sämtlicher Gäste in den Wäschesack und den musste der nächste Hotelgast im Bad vorfinden.

    Kapitel 1

    zwei Tage später

    Der Klang des Orchesters erfüllte den Raum. Tini folgte der Melodie, sog sie auf. Ihr Oberkörper wippte rhythmisch. Die erste Geige drängte sich in den Vordergrund. Das Orchester war dagegen. Es überrollte das vorlaute Instrument, ließ es verstummen. Die Musik umhüllte die Detektivin wie ein Schwarm Bienen. Bevor sie es merkte, sauste der Schwarm an ihrem Kopf vorbei. Links, rechts, wieder links. Das Zimmer und ihr Gehirn bebten. Ihre Neuronen tanzten gleichmäßig im Takt. Da setzte das Xylophon mit der Hauptmelodie ein, übernahm die Führung und drängte das Orchester weit zurück.

    Hinter den Geigern begannen die virtuellen Skelette hervorzukriechen. Sie verteilten sich gleichmäßig über alle Wohnzimmerwände. Ganz langsam bewegten sie sich in den Raum hinein. Dabei schauten sie grimmig. Scheinbar wollten sie Tini Angst einjagen. Sie spielte mit. Ihre Zähne klapperten im Takt der Musik. Zwischendurch jauchzte sie vor Freude wie ein kleines Kind.

    Tini hatte sich bewusst für dieses Onlinevideo entschieden, weil es mit den neuesten holografischen Effekten ausgestattet worden war. Dabei hatte sie die Position des Orchesterdirigenten gewählt; genau in der Mitte des Wohnzimmers. So konnte sie von allen Seiten gleichzeitig angegriffen werden.

    Die klappernden Knochenteile wurden mutiger. Sie griffen nach ihr. Einer packte sie am Arm. Der heftige Schmerz, der durch ihren Körper lief, überraschte sie.

    Die Schmerzimpulse waren kreiert worden, um das interaktive Erlebnis zu erhöhen. Sie konnten im Takt oder zu speziellen Anlässen losgeschickt werden. Fast jedes Musikvideo war inzwischen damit ausgestattet, egal ob Rap, Soul, Blues oder Rock. So konnte man als Zuschauer bei einem Rockkonzert, durchaus spürbar, eine Gitarre über den Kopf gezogen bekommen. Glücklicherweise ohne bleibende Schäden. Keiner brauchte sich sorgen, dass er künftig mit einem eingeschlagenen Schädel herumlaufen müsste. Natürlich hatten die Programmierer – wegen der unterschiedlichen Sensibilität der Kunden - die Stärke des Schmerzes frei wählbar gemacht.

    In diesem Moment wurde das Orchester wieder lauter. Die Skelette wichen zurück. Etliche verschwanden. Tini entspannte sich. Allerdings nicht lange, denn kaum gab es eine leise Stelle in der Musik, krochen sie wieder aus den Tiefen der virtuellen Welt hervor.

    Die Detektivin ignorierte sie. Stattdessen konzentrierte sie sich auf den Triangel, der die melodische Führung übernommen hatte. Das Orchester war beleidigt. Es wollte das schmächtige Instrument unbedingt zum Schweigen bringen, deshalb drängte es sich erneut nach vorn. Eine gewaltige akustische Welle rollte auf sie zu. Es war wie eine Woge aus Wasser, die über ihrem Kopf zusammenschlug, sie einfing, umhüllte, ganz in sich aufnahm. Das Orchester donnerte mit aller Macht. Die Musik steuerte auf ein furioses Ende zu.

    Es kam, aber es war alles andere als furios. Von einer Sekunde auf die andere herrschte eine verwirrende Stille. Die Skelette rührten sich nicht mehr, standen da und grinsten blöd.

    „Diese verdammte Technik. Ist der Mist schon wieder stehen geblieben?", schimpfte Tini.

    Die weltweiten Datennetze waren in letzter Zeit extrem anfällig. Immer wieder fielen große Teile aus. Mal war es eine Sonneneruption, mal das instabile Magnetfeld der Erde, und wenn nicht der viele Regen die Leitungen ertränkte, ging kurzerhand die Technik kaputt. Was es auch war, es war ärgerlich.

    „Störe ich?", fragte jemand in die Stille hinein.

    Erschrocken fuhr Tini herum. In der Tür stand Mary Clark Johnson, oberste Chefin des New York City Police Departments.

    Was macht die denn hier?, schoss es Tini durch den Kopf.

    Die Detektivin konnte ihre unerwartete Besucherin nicht ausstehen, denn sie gehörte zu dem Teil der Bevölkerung, der für gewöhnlich die Leiter im Eilverfahren hochfiel. Grundsätzlich hatte Tini nichts dagegen. Es gab nur ein Problem. Diese Leute fingen an, kaum oben angekommen, kräftig nach unten hin auszuteilen. In diesem Punkt war Mary Clark Johnson besonders gut. Die Polizeichefin diskreditierte Mitarbeiter, die ihr im Weg standen so lange, bis die freiwillig das Handtuch warfen.

    Zwei unendlich lange Ausbildungsjahre hatte sie mit dieser Frau als Chefin verbracht. Eine Ewigkeit. Ohne ihren alten Freund Kommissar Henry Berthod hätte sie es nie geschafft, wäre sie nie Detektivin geworden. Trotzdem versuchte sie, meistens jedenfalls, nett zu Mary Clark Johnson zu sein. Nur nicht in diesem Moment.

    „Was wollen Sie?", knurrte sie feindlich und zog ihren Datenhandschuh, mit dem sie die Onlineverbindung zum Musikvideo hergestellt hatte, von der Hand.

    Anstatt die Frage zu beantworten, kam mit burschikoser Stimme: „Was ist das bloß für ein altertümlicher Kram? Sie enttäuschen mich, Miss Tucker, ich hätte Ihnen wesentlich mehr Geschmack zugetraut, sagte die Besucherin, dabei legte sie die Stirn in tiefe Falten. „Na ja, zum Glück kann man heutzutage an vielen Stellen einer Wohnung die Verbindung ins Netz unterbrechen.

    Für die Polizeichefin des New York City Police Departments war es scheinbar das normalste der Welt, in eine fremde Wohnung zu spazieren und das dort laufende Unterhaltungsprogramm zu beenden.

    Tini wäre am liebsten vor Wut explodiert, dann sah sie die kleinen Schweinsaugen, die nur auf einen Fehler von ihr lauerten. Ein falsches Wort und Mary Clark Johnson konnte sie wegen Beamtenbeleidigung festnehmen.

    „Charles Camille Saint-Saëns, danse macabre aus dem Jahr 1875. Er führte das Xylophon in die Sinfonik ein", presste sie mühsam hervor.

    Kein Wunder, dass in dem Titel das Wort makaber vorkommt. Ich hoffe, der Komponist war kein Amerikaner!

    Die Polizeichefin streckte sich. Ihre Masse füllte dabei nahezu den Türrahmen aus.

    Franzose.

    Ah, das erklärt die schreckliche Musik.

    Tini war kurz davor, aus dem Anzug zu springen. Nur mit größter Anstrengung hielt sie sich zurück, schließlich bekam sie ihre Lizenz von der Polizeichefin.

    „Was wollen Sie?", knurrte sie erneut. Die Feindlichkeit in ihrer Stimme war weiter bedrohlich angestiegen.

    Mary Clark Johnson ließ sich auf das rote Plüschsofa fallen, das ihr die Großmutter geschenkt hatte. Ein quietschender Laut ertönte.

    Muss sich dieses zu schwer geratene Ei eigentlich auf mein Erbe setzen?, fragte sich die Detektivin genervt.

    Sie verglich die Polizeichefin des New York City Police Departments seit Jahren heimlich mit einem Ei. Das lag an ihrem Aussehen. Für eine Frau um die fünfzig war sie stramm beieinander. Ihr Fleisch war fest, nichts schwabbelte. Sie war über 1,90 Meter, hatte einen zu klein geratenen Kopf mit kurz geschorenen blonden Haaren und extrem lange dünne Beine. Das auffälligste war jedoch die Form ihres Körpers. Er war tatsächlich ein Ei. Anders konnte man es beim besten Willen nicht bezeichnen. Oben spitz zulaufend und unten schön rund. Trotz ihrer Unförmigkeit war sie erstaunlich flink.

    Was wollen Sie, Mary Clark?, fragte die Detektivin. Die Gereiztheit in ihrer Stimme war nicht zu überhören.

    Wie Sie sicher, als gut informierter Mensch, gehört haben, ist vor zwei Tagen unser hochgeachteter Bürgermeister Samuel T. B. Zeleny ermordet worden.

    Ich nehme an, Sie haben keine Ahnung wer der Mörder ist, und das, obwohl unser hochgeachtete Bürgermeister rund um die Uhr bewacht wird?, konterte Tini.

    Das musste gesessen haben, denn die Antwort der Beamtin kam einen Tick zu schnell. Wir wissen sehr wohl, wer die Mörderin ist. Sie wurde bereits verhört.

    Was wollen Sie dann von mir?

    Die Polizeichefin zögerte. Wir können kein Geständnis bekommen. Dazu gestaltet sich die Indizienlage schwierig.

    Sie meinen, Ihre modernen Brainwash-Methoden haben versagt?

    Die Detektivin provozierte bewusst. Sie dachte dabei an die neueste Generation der Lügendetektoren, welche elektrische Gehirnströme in lesbare Sätze übersetzen konnten. Die Beamten bekamen dadurch jeden noch so flüchtigen Gedanken eines Tatverdächtigen nachlesbar auf den Bildschirm.

    Mary Clark Johnson räusperte sich nervös. Augenscheinlich ist sie sauber, was ich allerdings stark bezweifle. Wir mussten sie heute Morgen gehen lassen.

    Auf dem Gesicht der Polizeichefin zeichnete sich eine gewisse Ratlosigkeit ab, die Tini entspannte.

    „Könnte der Bürgermeister Opfer eines Zufalls geworden sein? Ich meine, vielleicht war er zur falschen Zeit am falschen Ort."

    „Es gibt keine Zufälle."

    „Gibt es denn Ihrer Meinung nach wenigstens noch Unfälle?"

    „Es war kein Unfall", sagte die Polizeichefin nachdrücklich, ohne auf die Frage der Detektivin einzugehen. Stattdessen wandte sie sich den charakterlichen Untiefen des hochgeachteten Bürgermeisters zu.

    Samuel Theodor Benjamin Zeleny, ein Mann in den besten Jahren und natürlich verheiratet, ließ bis vor wenigen Wochen nichts in der Damenwelt anbrennen. Von einem Tag auf den anderen änderte sich das. Er verliebte sich. Die Identität der Frau hielt er geheim, selbst vor seinem Chauffeur. Das war ziemlich ungewöhnlich, denn er unterhielt ein ausgesprochen enges Verhältnis zu seinem Mitarbeiter. Um diese Liebe zu treffen, ließ er sich regelmäßig etwa fünf Kilometer außerhalb der Stadt zum Sunset-Motel fahren. Die Kamera des Empfangs zeigte, an den entsprechenden Tagen, stets dieselbe junge Frau. Sie checkte jedes Mal innerhalb der nächsten zwanzig Minuten ein.

    Mary Clark Johnson stoppte unvermittelt und starrte Tini an.

    Die zuckte ratlos die Schultern. „Und?"

    „Unser polizeilicher Supercomputer Sherlock Holmes identifizierte sie als Maya Sommers", sagte sie bedächtig, jede einzelne Silbe betonend.

    Die Detektivin stieß einen leisen Pfiff aus. Sprechen Sie etwa von der Tochter von Ronan Sommers, dem Tycoon der Solarzellenindustrie?

    Die Polizeichefin nickte. Leider ist die Kamera, die das Zimmer des Bürgermeisters überwacht seit Monaten defekt.

    „Sie haben keine Zeugen, nehme ich an."

    Mary Clark Johnson nickte.

    Das hieß, die Polizei konnte die Treffen zwischen der jungen Frau und dem Bürgermeister nicht beweisen. Und da Sommers scheinbar kein Geständnis ablegte, war sie nur an Hand der hinterlassenen Spuren im Zimmer zu überführen.

    Bevor die Detektivin etwas sagen konnte, brummte Johnson: Keine Verwertbaren.

    Gibt es ein Motiv?

    Keins was offensichtlich wäre.

    Tini sah gespannt auf die Hängebacken der Polizeichefin. Sie musste noch etwas in der Tasche haben, sonst würde sie nicht so merkwürdig dreinschauen.

    Johnson betonte erneut jede Silbe. Die Leiche wurde markiert. Die Detektivin machte ein ziemlich verdattertes Gesicht. Wie in diesem mörderischen Onlinespiel, erklärte die Beamtin ruhig, „dem ultimativen Spiel. Dort markieren die Jäger ihre erlegte Beute, damit sie ihnen eindeutig zugeordnet werden kann."

    Mary Clark Johnson verzog missbilligend das Gesicht. Sie schien sich zu fragen, wie eine Detektivin so etwas Fundamentales nicht wissen konnte.

    Tinis Gedanken schweiften ab. Die Entwicklung der weltweit vernetzten Onlinespiele war in den letzten Jahren rasant vorangeschritten. Den größten Schub bekamen sie, als sie mit Hilfe von 3D-Effekten begehbar wurden. Das hieß, jeder Spieler konnte sich auf einmal in der Hülle seines Avatars frei im Spiel bewegen. Genauso wie ein echter Mensch im realen Raum.

    Die Detektivin erinnerte sich dunkel, dass sie vor einigen Monaten vom ultimativen Spiel gehört hatte. Irgendeiner verglich das Ganze mit der Jagd aus früherer Zeit. Nur wurden hier keine Füchse oder Wildschweine von Reitern und Hunden gehetzt, sondern Avatare von Avataren. Jagende Avatare hießen Jäger und gejagte Avatare Beute. Die erbeuteten Avatare wurden gelöscht und kamen anschließend auf einen virtuellen Friedhof. Glaubte sie wenigstens.

    Verstehe ich richtig? Sie haben eine Markierung beim menschlichen Bürgermeister gefunden, die sonst erbeutete Avatare haben?

    Mary Clark Johnson nickte heftig.

    Die Polizei hatte die Markierung des Bürgermeisters in die virtuelle Welt verfolgt und dabei festgestellt, dass sein gelöschter Avatar mit dem gleichen Zeichen gestempelt worden war.

    Tini dachte einen Moment lang nach, dann sagte sie erstaunt: Aber man kann jedem Jäger einen realen Menschen zuordnen. Es gibt eindeutige IP-Adressen, die bei der Anmeldung verteilt werden.

    Mary Clark Johnson schüttelte den Kopf.

    Das Onlinespiel war bewusst anders angelegt worden. Die Identität der Spieler war außerordentlich gut geschützt. Der größte Clou bestand eben darin, dass sich der Datensatz eines Jägers nicht zuordnen ließ. Es sollte sicher gestellt werden, dass selbst ein geschickter Hacker die menschliche Identität nicht herausbekam. Das begeisterte die Spieler so sehr, dass die Zuwachsraten steil in die Höhe schnellten. Um selbst die letzte Zuordnungsmöglichkeit auszuschließen, bekamen die Jäger bei jedem Eintritt ins Spiel automatisch eine neue City-IP-Adresse per Zufallsgenerator zugewiesen. Dadurch wusste nicht mal der Betreiber der Plattform aus welcher realen Stadt die virtuellen Mörder kamen.

    Und Maya Sommers spielt dieses Spiel?, fragte Tini.

    Davon gehe ich aus.

    Tini betrachtete die Polizeichefin neugierig. Die schnaufte wie ein altes Walross. Tonnen mussten auf ihren Schultern liegen.

    Nach einer verdächtig langen Pause sagte Mary Clark Johnson: „In dem Spiel gibt es dreizehn andere erbeutete Avatare, die mit genau dieser Markierung gekennzeichnet wurden."

    Sind die dazugehörenden Menschen ebenfalls tot?

    „Das wissen wir nicht. Jede Zuordnung zu realen Personen ist in diesem verflixten Spiel schwierig. Selbst bei denen, die keine Jäger sind."

    Hintergrund war, dass jeder Spieler seine Identität so stark verändern konnte, dass sich keinerlei Rückschlüsse auf den Menschen dahinter ziehen ließen. Ein Mann, der eigentlich ein Schuhverkäufer war, konnte in der virtuellen Welt ein Bankier, ein Schönheitschirurg, oder eine Hausfrau sein.

    Die Einzigen, die ihre Identität nicht ändern durften waren Politiker und Polizisten. Deren Anwesenheit sollte das ultimative Spiel einerseits prickelnder machen und andererseits für Recht und Ordnung sorgen. Wie konnte man sich sonst bei einem Polizisten Hilfe suchen und sich gleichzeitig sicher sein, dass er nicht ein verkappter Jäger war. Durch diese Regel blieb der Bürgermeister von New York eben auch im virtuellen Spiel der Bürgermeister von New York.

    Sind beide Zelenys auf die gleiche Art und Weise gestorben? Die Polizeichefin hatte ihre Neugierde geweckt.

    Der virtuelle wurde während eines autoerotischen Spiels stranguliert, der reale erstickte vermutlich bei der gleichen Art von Unterhaltung, sagte Mary Clark emotionslos. Ohne auf den verdatterten Gesichtsausdruck der Detektivin einzugehen, fügte sie hinzu: „Zuerst starb der virtuelle."

    Bürgermeister Zeleny liebte Partys. Ganz besonders liebte er die virtuellen Partys in dem Onlinespiel. Regelmäßig lud er die erfolgreichsten Jäger in seine Villa ein. Und das, obwohl er wusste, dass er als ultimatives Opfer – also als Beute mit der höchsten Punktzahl - ausgesucht worden war.

    Mary Clark Johnson war sich sicher, dass Zeleny regelmäßig mit dem einen oder anderen Jäger die Privatgemächer aufsuchte. Vielleicht glaubte er das Risiko sei überschaubar. Schließlich war er ständig von seinen virtuellen Sicherheitsleuten umringt. Doch er irrte sich. Einer der Jäger war geschickter. Der erlegte Avatar des Bürgermeisters wurde erst entdeckt, als die Party längst vorüber war.

    Die Polizeichefin machte erneut eine ungewöhnlich lange Pause: Es gibt noch ein Problem.

    Was denn noch?

    Sie haben ein neues ultimatives Spiel auf der höchsten Ebene, dem ultimativen Level, gestartet. Mary Clark Johnson war dicht davor in Tränen auszubrechen. „Das Ziel ist ..." Ihre Stimme versagte.

    Tini wartete geduldig. Dabei starrte sie ihr Gegenüber regungslos an. Gerade als sie Luft holte, um etwas zu sagen, sprach die Polizistin mit brüchiger Stimme weiter: Das Ziel ist die bedeutendste Person umzubringen. Pause. „Sie haben sich

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