Brutmutter: Spiegelmagie Kurzgeschichten Band 1
Von Chris Svartbeck
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Über dieses E-Book
Rahis Ehre – eine Gutsbesitzerstochter stellt fest, dass sie doch eine Alternative hat
Schattentanz – eine exotische Tänzerin zeigt, was sie wirklich kann
Falkenbrut – eine Tochter des Adelshauses Mehme stellt die Weichen für das spätere Königshaus
Ähnlich wie Brutmutter
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Buchvorschau
Brutmutter - Chris Svartbeck
Falkenblut
Spiegelmagie Band 8
Chris Svartbeck
Drachen-Vignette_Fernando_Cortes©Chris Svartbeck 2018
Machandel Verlag
Charlotte Erpenbeck
2019
ISBN 978-3-95959-326-7
Bildquelle cover: Vuk Kostic /www. shutterstock. com
Titelvignette: Fernando Cortes/www.shutterstock.com
Vorwort
In Karapak herrscht ein strenges Patriarchat. Frauen haben genau drei Funktionen: Einen Erben zu gebären, dem Mann im Bett Zufriedenheit zu verschaffen und für ihn zu arbeiten. Entsprechend gelten Frauen in Karapak als Menschen zweiter Klasse (und die Sklaven als Menschen dritter Klasse).
Die Herrschaft eines Mannes über alle Mitglieder seiner Familie und seines Haushaltes ist absolut. Kein Gesetz beschränkt ihn in seinem Handeln. Lediglich die Religion sorgt für eine gewisse Zurückhaltung, da laut Aussage der Priester die Götter zürnen, wenn ein Mann von ihm abhängige Menschen willkürlich quält und verstümmelt.
Schläge bei Ungehorsam gelten nicht als Willkür, auch härtere Strafen bis hin zum Tod oder zum Verkauf in die Sklaverei nicht, wenn es einen Grund dafür gibt. Mangelnde Pflichterfüllung oder gar Aufbegehren wäre so ein Grund. Die Frauen müssen also gehorchen.
Das heißt aber nicht, dass alle Frauen stumm und gehorsam vor sich hin leben.
Und es heißt auch nicht, dass alle Männer Karapaks dumm genug sind, die Fähigkeiten ihrer Frauen zu unterschätzen.
Zur zeitlichen Einordnung:
Rahis Ehre spielt vor den Wüstenkriegen (Band 3)
Schattentanz spielt vor dem Königsfalken (Band 1)
Und Falkenbrut spielt mehrere hundert Jahre früher, als das karapakische Reich gerade erst gegründet war, die Nahne-Dynastie der Zaubererkönige herrschte und das Haus Mehme, das im Königsfalken
Karapak beherrscht, noch nicht mehr war als ein unbedeutendes kleines Lehen am Rande des Reiches.
Rahis Ehre
1. Schulden müssen bezahlt werden
Rahi schluchzte. Flüchtig kam ihr der Gedanke, dass es an ein Wunder grenzte, dass sie überhaupt noch Tränen hatte, so viel hatte sie heute schon geweint. Der Gedanke verflog mit dem nächsten Schluchzer.
Der Seufzer ihrer Mutter klang nicht mehr entsagungsvoll wie noch am Morgen, er klang eindeutig verärgert und ungeduldig.
„Verdammt, Kind, reiß dich zusammen. Davon geht die Welt doch nicht unter! Du weißt so gut wie ich, dass jede Frau irgendwann heiraten muss."
„Aber … er ist so alt!" Eine frische Tränenflut brach aus Rahis Augen.
„Nicht älter als dein Vater. Oder jedenfalls nicht wesentlich älter."
„Und er ist widerlich. Wie der mich angesehen hat, als ob ich eine Sklavin auf dem Markt wäre."
„Wenn du ihn nicht heiratest, könntest du sehr gut so eine Sklavin werden, gab ihre Mutter bissig zurück. „Unsere Schulden sind fällig, wir müssen bezahlen. Entweder durch deine Heirat, oder dein Vater muss andere Mittel finden, zu Geld zu kommen.
Rahis Schluchzen verwandelten sich in ungläubigen Schluckauf. „Du meinst … er würde mich verkaufen?"
„Du bist unsere einzige Tochter. Und solange du in unserem Haus weilst, bist du totes Kapital. Was glaubst du, was er tun wird? Bevor er selbst als Schuldsklave verkauft wird? Oder einer deiner Brüder?"
„Aber ..."
Rahis Stimme versagte. Ihre Augen vermochten keine Tränen mehr hervorzupressen. Das hatte sie nicht bedacht. Natürlich. Wenn ihr Vater ein Kind für entbehrlich hielt, dann seine Tochter. Sie war schließlich ohnehin dazu bestimmt, irgendwann das Haus zu verlassen und ihrem Vater Geld einzubringen. Sei es als Mitgift, oder, in diesem Fall, als Schuldenerlass. Oder – Rahi erschauderte – als Sklavin.
„Ich wusste, du würdest Vernunft annehmen."
Die Stimme ihrer Mutter klang zufrieden. Zufrieden mit einem kleinen Unterton von Bedauern. Dann nahm sie Rahi in ihre Arme.
„Kind, ich weiß doch, wie er ist. Ich mag deinen zukünftigen Gatten auch nicht. Aber er hat bereits eine Frau, sodass du nicht alleine seine Lust befriedigen musst, und wenn du dich mit ihr gut stellst, dann wirst du ein zufriedenstellendes Leben haben, glaube mir!"
Rahi hätte ihr nur zu gerne geglaubt. Wenn da nicht der Blick des fetten Händlers gewesen wäre, der sich ihr ins Gedächtnis gebrannt hatte.
2. Die Hochzeit
Der Tag ihrer Heirat war viel zu schnell herangekommen. Das schwere Brokatgewand drückte auf ihren Schultern, der Schleier ließ die Luft, so kurz vor der Regenzeit, heiß und abgestanden wie in einer brackigen Scheune erscheinen. Die Brautsänfte wirkte erstickend eng und das Trommeln der Musiker und das Geschaukel der Träger machte es keineswegs besser. Am Schlimmsten aber war für Rahi, dass sie keinen letzten Blick zurückwerfen konnte auf ihr Elternhaus, ihr Zuhause, dass ihr schon nach einer allzu kurzen Kindheit von nur dreizehn Jahren keines mehr sein durfte.
Dass ihr Vater genauso betrübt ausgesehen hatte wie ihre Mutter, versöhnte sie ein kleines bisschen. „Wir hatten keine Wahl in der Sache deiner Bewerber, das verstehst du doch, oder?", hatte er gefragt. In ihrem Hals hatte ein Kloß gesteckt, der sich nicht herunterwürgen ließ. So hatte Rahi nur stumm genickt und ihr Vater hatte sie umarmt, kurz, aber heftig.
Es war ja tatsächlich so. Ihr Vater hatte keine Wahl gehabt. Die Händlergilde bestimmte, welcher Händler welchen Ort versorgen durfte, und ihr Dorf hatte nun einmal nur den dicken Batikir zugewiesen bekommen. Zwei miserable Ernten und ein Blitzschlag, und ihr Vater hatte mehr Schulden bei dem Händler gehabt, als er je hätte durch den Ertrag seiner Arbeit zurückzahlen können. „Wucherzinsen!" hatte ihre Mutter immer geschimpft.
Es hatte nichts geändert. Die Dinge waren, wie sie waren.
Rahi nahm die Schultern zurück, richtete den Blick starr geradeaus auf die Innenseite ihres Schleiers und wartete ergeben, dass die Schaukelei und der Krach ein Ende nahmen. Zum Glück war der Weg nicht lang, er führte nur bis zum Gasthof. Batikir hatte nicht darauf bestanden, dass ihm seine Braut bis nach Hause ins ferne Sawateenatari geliefert wurde.
Was nicht nur ein Vorteil war. Hier gab es keine zweite Frau. Hier gab es nur Rahi. Und den dicken Batikir, dem ein Speichelfaden aus dem Mund gelaufen war, als er seine jugendliche Braut begutachtet hatte.
Die Sänfte wurde abgesetzt. Rahi wartete, bis die Diener des Händlers den Vorhang lüfteten. Dann stieg sie auf wackeligen Beinen heraus. Ihr Vater wartete, den Vertrag in der Hand. Rahi konnte ihn durch den Spitzenstoff des Schleiers sehen. Er selbst würde nichts erkennen können. Er sah nur eine prunkvolle Masse verschiedener bunter Stoffe, in denen irgendwo seine Tochter stecken musste.
Ihr Vater drehte sich um und ging zur Eingangspforte des Gasthofes. Rahi folgte ihm.
Batikir stand bereits dort, einen Anflug von Rot und Schweißtropfen auf seinem Gesicht, umgeben von einem Pulk Männer, die anzügliche Bemerkungen über seine Potenz und Rahis anstehende Entjungferung machten. Rahi erschauderte.
Batikir unterschrieb den Ehevertrag. Ihr Vater drehte sich zu ihr um, mit einem zufriedenen Lächeln, aber ohne sie noch einmal zu berühren. Sie gehörte jetzt nicht mehr ihm. Sie gehörte jetzt Batikir. „Mach mir Ehre, Tochter‟, sagte er, bevor er zur Seite trat und Rahi den Weg zu ihrem Gatten freigab. Rahi nickte in dumpfer Ergebenheit.
Es war so, wie sie es befürchtet hatte. Nein, es war schlimmer. Ihre Arme schmerzten,