Juristische Übungsfälle zum Kreditsicherungsrecht
Von Roy Dörnhofer
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Das Kreditsicherungsrecht ist eine bereichsübergreifende Materie, die Kenntnisse in vielen Büchern des BGB und auch des Handels- und Gesellschaftsrechts erfordert. Gerade aus diesem Grund sind neben einiger Spezialliteratur, die sich mit der Theorie dieser Materie beschäftigt, nur sehr wenige Fallsammlungen existent, die sich ausführlich mit allen möglichen Problemen des Kredits befassen. Für diejenigen Studierenden, die sich intensiv mit dem Kreditsicherungsrecht auseinandersetzen wollen, habe ich deshalb aus meiner Reihe "Juristische Übungsfälle" solche Fälle hier zusammengetragen, die eine gezielte Vorbereitung auf etwaige Prüfungen aus diesem Bereich ermöglichen.
Die Lösungen sind bewusst ausführlich formuliert, damit die Leser/innen ein Gespür dafür bekommen, wie man den gedanklichen Lösungsweg in einer Klausur zu Papier bringen kann. Meiner Ansicht nach sind die oft zu findenden stichpunktartigen Lösungsskizzen nur eingeschränkt nützlich, weil man dadurch nicht mit dem Gutachtenstil vertraut gemacht wird. Ebenso scheinen die gelegentlich anzutreffenden Lösungen ungeeignet, die zwar ausformuliert sind, aber dann doch lehrbuchartige Ausführungen enthalten, die nach meinem Verständnis in einer Klausur völlig fehl am Platz sind. Denn in diesen Büchern fällt es den unbefangenen Lesern/innen schwer herauszufinden, wo denn das Gutachten endet und ein weiterführender Hinweis beginnt. Jeder Lösung ist des Weiteren eine Gliederung vorangestellt, um den "roten Faden" des Aufbaus zu verdeutlichen.
Auf das Feedback von Lesern/innen hin (denen ich an dieser Stelle herzlich danken möchte), habe ich auch in dieser Fallsammlung zahlreiche weitergehende Anmerkungen eingefügt (allerdings in deutlich hervorgehobener Form), die in dem jeweiligen Fall nicht unmittelbar relevant sind. Sie beziehen sich auf alle möglichen Bereiche des Zivilrechts und Zivilprozessrechts. Dadurch wird der Lerneffekt deutlich gesteigert und der Lesefluss nicht behindert, wie sich aus den Rückmeldungen ergibt.
Auch in der Vorbemerkung zu dieser Fallsammlung will ich die Leser/innen ermutigen, zunächst eine eigene Lösung zu entwerfen und dann meinen Lösungsvorschlag durchzuarbeiten. Dabei kommt es nicht darauf an, dass man exakt denselben Aufbau gewählt hat, sondern dass man die Hauptprobleme erkannt und jedenfalls gut begründet gelöst hat. In vielen Punkten kann man selbstverständlich auch eine andere Meinung vertreten. In der Klausur dürfte es sich aber anbieten, der jeweils herrschenden Meinung zu folgen, damit man sich nicht einen Teil der Lösung abschneidet.
Roy Dörnhofer
Roy Dörnhofer hat in Bayern beide Staatsexamina abgelegt und war dann in den neuen Bundesländern als Richter und Staatsanwalt tätig. Er war unter anderem als Richter am Landgericht im Rahmen einer Abordnung in einem Zivilsenat bei einem Oberlandesgericht beschäftigt.
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Juristische Übungsfälle zum Kreditsicherungsrecht - Roy Dörnhofer
Allgemeine Anmerkungen
Das Kreditsicherungsrecht ist eine bereichsübergreifende Materie, die Kenntnisse in vielen Büchern des BGB und auch des Handels- und Gesellschaftsrechts erfordert. Gerade aus diesem Grund sind neben einiger Spezialliteratur, die sich mit der Theorie dieser Materie beschäftigt, nur sehr wenige Fallsammlungen existent, die sich ausführlich mit allen möglichen Problemen des Kredits befassen. Für diejenigen Studierenden, die sich intensiv mit dem Kreditsicherungsrecht auseinandersetzen wollen, habe ich deshalb aus meiner Reihe „Juristische Übungsfälle" solche Fälle hier zusammengetragen, die eine gezielte Vorbereitung auf etwaige Prüfungen aus diesem Bereich ermöglichen.
Die Lösungen sind bewusst ausführlich formuliert, damit die Leser/innen ein Gespür dafür bekommen, wie man den gedanklichen Lösungsweg in einer Klausur zu Papier bringen kann. Meiner Ansicht nach sind die oft zu findenden stichpunktartigen Lösungsskizzen nur eingeschränkt nützlich, weil man dadurch nicht mit dem Gutachtenstil vertraut gemacht wird. Ebenso scheinen die gelegentlich anzutreffenden Lösungen ungeeignet, die zwar ausformuliert sind, aber dann doch lehrbuchartige Ausführungen enthalten, die nach meinem Verständnis in einer Klausur völlig fehl am Platz sind. Denn in diesen Büchern fällt es den unbefangenen Lesern/innen schwer herauszufinden, wo denn das Gutachten endet und ein weiterführender Hinweis beginnt. Jeder Lösung ist des Weiteren eine Gliederung vorangestellt, um den „roten Faden" des Aufbaus zu verdeutlichen.
Auf das Feedback von Lesern/innen hin (denen ich an dieser Stelle herzlich danken möchte), habe ich auch in dieser Fallsammlung zahlreiche weitergehende Anmerkungen eingefügt (allerdings in deutlich hervorgehobener Form), die in dem jeweiligen Fall nicht unmittelbar relevant sind. Sie beziehen sich auf alle möglichen Bereiche des Zivilrechts und Zivilprozessrechts. Dadurch wird der Lerneffekt deutlich gesteigert und der Lesefluss nicht behindert, wie sich aus den Rückmeldungen ergibt.
Auch in der Vorbemerkung zu dieser Fallsammlung will ich die Leser/innen ermutigen, zunächst eine eigene Lösung zu entwerfen und dann meinen Lösungsvorschlag durchzuarbeiten. Dabei kommt es nicht darauf an, dass man exakt denselben Aufbau gewählt hat, sondern dass man die Hauptprobleme erkannt und jedenfalls gut begründet gelöst hat. In vielen Punkten kann man selbstverständlich auch eine andere Meinung vertreten. In der Klausur dürfte es sich aber anbieten, der jeweils herrschenden Meinung zu folgen, damit man sich nicht einen Teil der Lösung abschneidet.
Viel Erfolg bei der Durcharbeit!
Literaturverzeichnis
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Wieling/Finkenauer, Sachenrecht, 6. Auflage, 2020
Wolff/Raiser, Sachenrecht, 10. Bearbeitung, 1957
Einführung
Der Kredit hat in der Praxis eine sehr große Bedeutung. So ist für viele Privatpersonen der Erwerb des eigenen Hauses nur dann möglich, wenn sie dazu einen Kredit aufnehmen. Gleiches gilt oft für die Anschaffung eines neuen Kfz oder etwa die Renovierung des Hauses oder der Wohnung. Aber auch im Leben eines Unternehmers ist es regelmäßig so, dass eine Teilnahme am Wirtschaftsleben nur dann erfolgreich erfolgen kann, wenn sich der Unternehmer seine Waren unter Aufnahme eines Kredits anschafft.
Natürlich denkt man zuerst an den Kredit in der Form eines Darlehens, bei welchem der Kreditnehmer Geld für einen bestimmten Zeitraum erhält, um es für seine Zwecke zu nutzen, wobei dann Zinsen an den Darlehensgeber abgeführt werden müssen. Allerdings spielen gerade im unternehmerischen Verkehr auch andere Formen des Kredits eine Rolle. Ein solcher Kredit kann auch dadurch gewährt werden, dass ein Zulieferer seine Ware an den Unternehmer übergibt, aber eine Zahlung des Kaufpreises erst später (etwa nach dem Verkauf an den Endabnehmer) erhält. Derartige Stundungen des Zahlungsanspruchs für die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Leistungen kommen sehr häufig vor.
Wenn man sich die Problematik aus der Sicht des Kreditgebers ansieht, wird schnell klar, dass dieser für die Gewährung des Kredits eine möglichst gute Absicherung haben will, zumal die Rückführung des Kredits in der Zukunft ungewiss ist. Wenn also der Kreditnehmer zahlungsunfähig werden sollte, ist dem Darlehensgeber daran gelegen, sich nicht mit anderen Gläubigern in einer Gesamtvollstreckung auseinandersetzen zu müssen. Vielmehr will er ein stärkeres Recht innehaben, als ihm das durch die Insolvenzordnung eingeräumt wird. Denn bei der Insolvenz bekommt jeder Gläubiger regelmäßig nicht die volle Summe zurück, sondern erhält nur eine Quote und geht teilweise leer aus. Deshalb lässt sich der Sicherungsnehmer durch einen Vertrag das Recht einräumen, auf welches er dann zugreifen darf, wenn die abgesicherte Forderung durch den Sicherungsgeber nicht befriedigt wird.
Es sind bei den Sicherheiten die Personalsicherheiten und die Realsicherheiten zu unterscheiden. Im ersten Fall wird dem Gläubiger das Recht gewährt, auf das Vermögen einer dritten Person zuzugreifen, um die Haftungsmasse zu erweitern, wobei hier natürlich auch wieder die Gefahr besteht, dass dieser Dritte vermögenslos wird und der schuldrechtliche Anspruch ins Leere geht. Allerdings ist dann die Haftung des Dritten mit dessen gesamten Vermögen gegeben, also unbeschränkt, was einen Vorteil zu den Realsicherheiten bieten kann. Wichtigste Personalsicherheit ist die Bürgschaft, während auch der Schuldbeitritt des Öfteren von Bedeutung ist. Bei den Realsicherheiten wird dem Gläubiger ein dingliches Recht an einem Gegenstand des Vermögens des Schuldners oder eines Dritten eingeräumt, was in der Folge eine größere Sicherheit an diesem Vermögensgegenstand gewährt. Zu nennen sind hier Pfandrechte (betreffen beweglichen Sachen, Rechte) sowie die Grundpfandrechte, die Sicherungsübereignung, der Eigentumsvorbehalt und die Sicherungszession (obwohl hier nur ein schuldrechtlicher Anspruch entsteht). Der Nachteil liegt darin, dass dann nur ein Haftungsgegenstand vorliegt, auf welchen zugegriffen werden kann.
Beide Arten der Sicherheiten haben in der Schuldnerkrise eine große Bedeutung. Sofern eine Personalsicherheit besteht, kann sich der Gläubiger an den Dritten halten, der dann oft noch zahlungsfähig ist, sodass der Wettlauf der Sicherungsgeber in der Gesamtvollstreckung gegen den Schuldner umgangen werden kann. Mit einer dinglichen Sicherheit kann der Gläubiger den Sicherungsgegenstand der Gesamtvollstreckung komplett entziehen (etwa durch die Drittwiderspruchsklage gem. § 771 ZPO) oder jedenfalls eine Befriedigung aus dem erzielten Erlös für den Gegenstand vorab erlangen (etwa gem. § 805 ZPO).
Bei den einzelnen Sicherheiten ist des Weiteren nach der Abhängigkeit von der Forderung zu unterscheiden. Die akzessorischen Sicherungsmittel sind mit der zu sichernden Forderung derart verknüpft, dass sie nur dann bestehen, wenn auch die Forderung existiert. Dies betrifft insbesondere die Bürgschaft, die Hypothek und das Pfandrecht an beweglichen Sachen sowie Rechten. Demgegenüber sind die nichtakzessorischen Sicherungsmittel unabhängig von der Forderung und verlangen nach einem gesondert zu schließenden Sicherungsvertrag. Es geht hierbei vorwiegend um den Schuldbeitritt, die Sicherungsgrundschuld, die Sicherungsübereignung und die Sicherungszession.
Im Folgenden finden sich zahlreiche ausführliche Klausurfälle, anhand derer man seine theoretischen Kenntnisse des Kreditsicherungsrechts überprüfen kann. Dabei muss man sich verdeutlichen, dass die Materie der Kreditsicherung sich über verschiedene Rechtsgebiete erstreckt und daher solides Wissen im gesamten Zivilrecht erfordert.
Fall 1: Bürgschaft, Anfechtung, Aufrechnung, Vorausklage
Sachverhalt
Der Student S möchte sich eine Wohnung in seiner Universitätsstadt anmieten und tritt in Verhandlungen mit dem Vermieter G ein. Da der G eine Mietsicherheit haben will, gibt er dem S ein Formular mit, das eine Bürgschaftserklärung für die jeden Monat in Höhe von 500 € fällige Miete enthält. Nachdem der S seinen Onkel B dazu gebracht hatte, das Formular mit der Bezeichnung „Selbstschuldnerischen Bürgschaft" zu unterzeichnen, geht er zum G, übergibt ihm das Formular und schließt den Mietvertrag mit Startdatum zum 1.5. ab. Gegen Ende Oktober bemerkt der S, dass im Badezimmer die Heizung nicht mehr funktioniert und teilt dies dem G mit, der aber zunächst nichts unternimmt. Erst am 31.11. lässt er die Heizung reparieren. Obgleich der S die volle Miete für November gezahlt hatte, erklärt er dem G, dass die Miete für diesen Monat in einer (zutreffenden) Höhe von 20% verringert worden sei wegen der Heizung. Deshalb wolle er für den Monat Dezember nur die verringerte Miete in Höhe von 400 € zahlen, sodass man wieder quitt sei. Allerdings zahlt der S im Dezember gar keine Miete, da er das Geld für die Buchung eines Skiurlaubs benötigte. Der G wendet sich daraufhin an den B und verlangt Zahlung von 500 € für Dezember. Letzterer erwidert, dass er sich über die Zahlungsfähigkeit des S getäuscht habe, da dieser von seinen verstorbenen Eltern viel Geld geerbt habe. Deshalb wolle er mit der Sache nichts zu tun haben.
Kann der G vom B Zahlung in Höhe von 500 € verlangen?
Gliederung
Zahlung, §§ 765 I, 535 II, 549 I BGB
1. Entstehen der Bürgschaft
a) Einigung
aa) Garantievertrag, § 311 I BGB
bb) Schuldbeitritt, §§ 311 I, 421 BGB
cc) Bürgschaft
dd) Bestimmtheit der Forderung
b) Schriftform, §§ 766 S. 1, 126 BGB
c) Bestehen der Forderung, § 767 I BGB
d) Zwischenergebnis
2. Kein Erlöschen
a) Nichtigkeit
aa) Anfechtungserklärung
bb) Anfechtungsgrund
cc) Zwischenergebnis
b) Akzessorietät
aa) Aufrechnungserklärung, § 388 S. 1 BGB
bb) Aufrechnungslage, § 387 BGB
(1) Gegenseitigkeit der Leistungen
(a) Zahlungsanspruch des G
(b) Zahlungsanspruch des S
(2) Gleichartigkeit der Leistungen
(3) Aufrechenbarkeit
(4) Kein Ausschluss
cc) Zwischenergebnis
3. Keine Einreden
4. Ergebnis
Lösung
Anmerkung: Zum Bürgschaftsrecht hat der Bundesgerichtshof in einer neueren Entscheidung klargestellt, dass es kein Widerrufsrecht nach dem Verbraucherschutzrecht gibt.
Amtlicher Leitsatz: „Ein Bürge hat kein Widerrufsrecht gemäß § 312g BGB (Abgrenzung zu Senat, Urteil vom 9. März 1993 - XI ZR 179/92, WM 1993, 683)."
Dies war früher eine äußerst umstrittene Problematik. Es kann nicht schaden, wenn man sich die Entscheidung einmal durchliest.
Die Argumentation geht dahin, dass der Anwendungsbereich der Vorschriften des Verbraucherschutzes gem. § 312 BGB schon nicht eröffnet sei. Denn es wäre ein Vertrag nötig, der auf eine entgeltliche Leistung des Unternehmers gerichtet sei. Es müsse nämlich dem Verbraucher aus dem Verbrauchervertrag selbst ein Entgelt geschuldet sein, weshalb die Kreditgewährung an einen Dritten nicht ausreiche. Darüber hinaus sei auch keine Analogie oder richtlinienkonforme Auslegung oder Rechtsfortbildung möglich,
Ab 1.1.2022 hat sich allerdings der Wortlaut des § 312 I BGB geändert, sodass nun verlangt wird, dass sich der Verbraucher zur „Zahlung einen Preis" verpflichtet haben muss, damit die Anwendbarkeit des Verbraucherschutzes ermöglicht ist. An dem Ergebnis dürfte sich dadurch aber nichts ändern, denn die Übernahme der Bürgschaft stellt keine Verpflichtung zur Zahlung eines Preises gegenüber dem Unternehmer dar.
Wohlgemerkt sind aber bei einem Schuldbeitritt zu einem Darlehensvertrag die Vorschriften der §§ 491 ff. BGB entsprechend anwendbar (BGH XI ZR 650/20). Denn hier sei der Beitretende nach der Ansicht des Bundesgerichtshofs noch stärker schutzbedürftig als der Darlehensnehmer, denn er Beitretende erhalte trotz voller Mitverpflichtung keine Rechte gegen den Darlehensgeber, insbesondere keinen Anspruch auf Auszahlung des Darlehens.
Zahlung, §§ 765 I, 535 II, 549 I BGB
Der G könnte gegen den B einen Anspruch auf Zahlung in Höhe von 500 € haben, §§ 765 I, 535 II, 549 I BGB. Dann müsste eine wirksame Bürgschaft vorliegen und die Hauptforderung bestehen.
1. Entstehen der Bürgschaft
Die Bürgschaft ist ein Vertrag, der durch Angebot und Annahme gem. §§ 145, 147 BGB zustande kommt.
a) Einigung
Fraglich ist, ob sich der G und der B über den Abschluss eines Bürgschaftsvertrags geeinigt haben. Als Sicherungsmittel könnte auch ein Garantievertrag oder ein Schuldbeitritt in Betracht kommen.
aa) Garantievertrag, § 311 I BGB
Durch den Garantievertrag wird eine selbstständige Verpflichtung zum Einstehen für eine Schuld des Hauptschuldners begründet, die unabhängig von der Hauptschuld bestehen soll. Ob dies gewollt ist, muss im Wege der Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB ermittelt werden. Da ein Garantievertrag ein äußerst gefährliches Sicherungsmittel für den Versprechenden darstellt, weil die Schuld nicht akzessorisch ist, sind hohe Anforderungen an die Abgabe einer solchen Erklärung zu stellen. Im vorliegenden Fall sind keine besonderen Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der B unbedingt und unabhängig von der Hauptschuld haften wollte. Ein eigenes wirtschaftliches Interesse des B ist nicht ersichtlich (BGH MDR 1972, 138). Insofern ist kein Garantievertrag gegeben.
bb) Schuldbeitritt, §§ 311 I, 421 BGB
Es könnte aber ein Schuldbeitritt durch den B erklärt worden sein. In diesem Fall hätte sich der B verpflichtet, neben dem S für die Hauptschuld einzustehen. Auch hier muss im Wege der Auslegung ermittelt werden, ob ein Schuldbeitritt gewollt war. Dabei ist im Zweifel nur dann von einem Schuldbeitritt auszugehen, wenn der Erklärende eine eigenes, unmittelbares, wirtschaftliches Interesse an der Erfüllung der Verpflichtung hat (BGH NJW 1986, 347). Vorliegend sind aber keine Anhaltspunkte gegeben, dass der B neben dem S als Gesamtschuldner haften wollte. Er ließ sich lediglich vom S dazu bringen, das Formular des G zu unterschreiben, weshalb nicht davon ausgegangen werden kann, dass der B ein eigenes Interesse wirtschaftliches Interesse an der Befriedigung des G hatte. Sein persönliches Interesse an der Erfüllung als Onkel reicht dazu nicht aus.
cc) Bürgschaft
Da keine besonderen Anhaltspunkte für die Annahme eines anderen Sicherungsmittels vorliegen, kann der ausdrückliche Wortlaut des Formulars mit „Selbstschuldnerische Bürgschaft" zugrunde gelegt werden. Es ist deshalb anzunehmen, dass der B durch das Unterschreiben des Formulars eine Hilfsverpflichtung eingehen wollte, durch die eine Forderung gegen einen anderen abgesichert werden sollte. Damit hat er eine Bürgschaftserklärung abgegeben. Dieses Angebot hat der B auch an den G übermitteln lassen, der es konkludent angenommen hatte.
dd) Bestimmtheit der Forderung
Zur Wirksamkeit der Bürgschaft müsste die zu sichernde Forderung hinreichend bestimmt sein. Das könnte hier problematisch sein, da es um die jeden Monat neu anfallende Miete geht, die zur Zeit des Abschlusses des Bürgschaftsvertrags noch gar nicht entstanden war. Allerdings reicht auch eine Bestimmbarkeit aus, d.h., die Forderung muss nur im Zeitpunkt ihrer Entstehung eindeutig zuordenbar sein, § 765 II BGB. Hier war allen Parteien klar, dass die jeweilige Monatsmiete für die Dauer des Mietvertrags von der Bürgschaft erfasst sein sollte. Damit liegt eine Bestimmbarkeit vor.
b) Schriftform, §§ 766 S. 1, 126 BGB
Zwar hat der G auf dem Formular mit der Bürgschaftserklärung nicht unterschrieben. Eine Formnichtigkeit gem. § 125 S. 1 BGB trat aber dennoch nicht ein, da lediglich das Bürgschaftsversprechen der Schriftform bedarf, nicht aber dessen Annahme. Nachdem der B das Formular unterschrieben hat, ist die Schriftform gewahrt.
c) Bestehen der Forderung, § 767 I BGB
Des Weiteren müsste eine Hauptforderung des G gegen den S bestehen. Hier haben die beiden einen wirksamen Mietvertrag geschlossen, aus dem der S zur Zahlung der Miete für den Monat Dezember verpflichtet war, §§ 535 II, 549 I BGB.
d) Zwischenergebnis
Es ist somit ein wirksamer Bürgschaftsvertrag zwischen dem G und dem B entstanden.
2. Kein Erlöschen
a) Nichtigkeit
Der Bürgschaftsvertrag könnte hier durch eine Anfechtung der Willenserklärung seitens des B rückwirkend (ex tunc) nichtig sein, § 142 I BGB. Dann müssten eine Anfechtungserklärung und ein Anfechtungsgrund gegeben sein.
aa) Anfechtungserklärung
Fraglich ist, ob der B überhaupt eine Anfechtungserklärung abgegeben hat. Seine Äußerung gegenüber dem G ist nach §§ 133, 157 BGB auszulegen, wobei § 157 BGB entgegen seinem Wortlaut nicht nur für Verträge, sondern in entsprechender Anwendung auch für Willenserklärungen gilt (BGHZ 47, 87).
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs reicht es aus, wenn der Erklärende erkennen lässt, dass er das Geschäft rückwirkend nicht gelten lassen wolle, wobei das Wort Anfechtung nicht verwendet werden muss und das Bestreiten der Verpflichtung genügen kann (BGHZ 88, 245).
Hier ist zweifelsfrei der Wille des B erkennbar, dass er infolge seines Irrtums nicht an die Bürgschaftserklärung gebunden sein wollte, da er dem G mitgeteilt hat, dass er mit der Sache nichts mehr zu tun haben wolle. Eine Anfechtungserklärung ist deshalb gegeben. Sie ist auch dem richtigen Erklärungsempfänger zugeleitet worden, § 143 II BGB. Ebenso wäre die Anfechtungsfrist iSd. § 121 I 1 BGB eingehalten, da der B seine Erklärung unverzüglich nach Kenntnis des Anfechtungsgrundes abgegeben hat.
Damit liegt eine wirksame Anfechtungserklärung vor.
bb) Anfechtungsgrund