Juristische Übungsfälle zum Sachenrecht I Bewegliche Sachen
Von Roy Dörnhofer
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Über dieses E-Book
Das Sachenrecht ist ein zentraler Bereich in der Ausbildung an der Universität. Hier sind Kenntnisse unabdingbar, sodass man sich mit dieser Materie vertieft beschäftigen muss. Es werden in dieser Fallsammlung die Kernprobleme des Rechts der beweglichen Sachen behandelt, also nicht das Grundstücksrecht. Nach dem Durchlesen eines Lehrbuchs wird man allerdings angesichts des teilweise recht abstrakten Stoffes Schwierigkeiten haben, das Wissen in eine Klausurlösung umzusetzen. Nachdem in den Klausuren an der Universität sowie in der Staatsprüfung regelmäßig Sachverhalte rechtlich zu begutachten sind, erscheint es angebracht, das Lösen von Fällen intensiv zu üben. Um nicht einer unrealistischen Einschätzung des zu erwartenden Schwierigkeitsgrades zu unterliegen, sind die folgenden Fälle und Lösungen einigermaßen umfangreich und auch anspruchsvoll. Dadurch sollen die Leser/innen ein Gefühl dafür erhalten, was von ihnen an Kenntnissen erwartet werden kann.
Mit über 30 Fällen sollen in dieser recht umfangreichen Sammlung somit möglichst viele Hauptprobleme erörtert werden, die allen Studierenden von Nutzen sein können. Dabei sind in die Fälle mehrere klassische Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in leicht abgewandelter Form eingebaut worden. Wenn man die Fälle in ihrer Gesamtheit durchdringen will, sollte man über solide Grundkenntnisse insbesondere des Schuldrechts verfügen, zumal sich die Lösungen bereichsübergreifend auch auf andere Rechtsgebiete erstrecken, um ein vollständiges Bild abzugeben.
Die Lösungen sind bewusst ausführlich formuliert, damit die Leser/innen ein Gespür dafür bekommen, wie man den gedanklichen Lösungsweg in einer Klausur zu Papier bringen kann. Meiner Ansicht nach sind die oft zu findenden stichpunktartigen Lösungsskizzen nur eingeschränkt nützlich, weil man dadurch nicht mit dem Gutachtenstil vertraut gemacht wird. Auch wenn manche Formulierungen in den hier behandelten Fällen immer wieder auftauchen, hat das einen Sinn. Man muss sich bestimmte Definitionen einfach im Laufe des Studiums einprägen, damit sie dann in der Prüfung ohne längeres Überlegen niedergeschrieben werden können. Um über die Lösung des konkreten Falls hinaus noch möglichst viel Wissen zu vermitteln, habe ich zahlreiche weiterführende Anmerkungen eingeschoben. Jeder Lösung ist des Weiteren eine Gliederung vorangestellt, um den "roten Faden" des Aufbaus zu verdeutlichen.
Auch in der Vorbemerkung zu dieser Fallsammlung will ich die Leser/innen ermutigen, zunächst eine eigene Lösung zu entwerfen und dann meinen Lösungsvorschlag durchzuarbeiten. Dabei kommt es nicht darauf an, dass man exakt denselben Aufbau gewählt hat, sondern dass man die Hauptprobleme erkannt und jedenfalls gut begründet gelöst hat. In vielen Punkten kann man selbstverständlich auch eine andere Meinung vertreten. In der Klausur dürfte es sich aber anbieten, der jeweils herrschenden Meinung zu folgen, damit man sich nicht einen Teil der Lösung abschneidet.
Roy Dörnhofer
Roy Dörnhofer hat in Bayern beide Staatsexamina abgelegt und war dann in den neuen Bundesländern als Richter und Staatsanwalt tätig. Er war unter anderem als Richter am Landgericht im Rahmen einer Abordnung in einem Zivilsenat bei einem Oberlandesgericht beschäftigt.
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Juristische Übungsfälle zum Sachenrecht I Bewegliche Sachen - Roy Dörnhofer
Allgemeine Anmerkungen
Das Sachenrecht ist ein zentraler Bereich in der Ausbildung an der Universität. Hier sind Kenntnisse unabdingbar, sodass man sich mit dieser Materie vertieft beschäftigen muss. Es werden in dieser Fallsammlung die Kernprobleme des Rechts der beweglichen Sachen behandelt, also nicht das Grundstücksrecht. Nach dem Durchlesen eines Lehrbuchs wird man allerdings angesichts des teilweise recht abstrakten Stoffes Schwierigkeiten haben, das Wissen in eine Klausurlösung umzusetzen. Nachdem in den Klausuren an der Universität sowie in der Staatsprüfung regelmäßig Sachverhalte rechtlich zu begutachten sind, erscheint es angebracht, das Lösen von Fällen intensiv zu üben. Um nicht einer unrealistischen Einschätzung des zu erwartenden Schwierigkeitsgrades zu unterliegen, sind die folgenden Fälle und Lösungen einigermaßen umfangreich und auch anspruchsvoll. Dadurch sollen die Leser/innen ein Gefühl dafür erhalten, was von ihnen an Kenntnissen erwartet werden kann.
Mit über 30 Fällen sollen in dieser recht umfangreichen Sammlung somit möglichst viele Hauptprobleme erörtert werden, die allen Studierenden von Nutzen sein können. Dabei sind in die Fälle mehrere klassische Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in leicht abgewandelter Form eingebaut worden. Wenn man die Fälle in ihrer Gesamtheit durchdringen will, sollte man über solide Grundkenntnisse insbesondere des Schuldrechts verfügen, zumal sich die Lösungen bereichsübergreifend auch auf andere Rechtsgebiete erstrecken, um ein vollständiges Bild abzugeben.
Die Lösungen sind bewusst ausführlich formuliert, damit die Leser/innen ein Gespür dafür bekommen, wie man den gedanklichen Lösungsweg in einer Klausur zu Papier bringen kann. Meiner Ansicht nach sind die oft zu findenden stichpunktartigen Lösungsskizzen nur eingeschränkt nützlich, weil man dadurch nicht mit dem Gutachtenstil vertraut gemacht wird. Auch wenn manche Formulierungen in den hier behandelten Fällen immer wieder auftauchen, hat das einen Sinn. Man muss sich bestimmte Definitionen einfach im Laufe des Studiums einprägen, damit sie dann in der Prüfung ohne längeres Überlegen niedergeschrieben werden können. Um über die Lösung des konkreten Falls hinaus noch möglichst viel Wissen zu vermitteln, habe ich zahlreiche weiterführende Anmerkungen eingeschoben. Jeder Lösung ist des Weiteren eine Gliederung vorangestellt, um den „roten Faden" des Aufbaus zu verdeutlichen.
Auch in der Vorbemerkung zu dieser Fallsammlung will ich die Leser/innen ermutigen, zunächst eine eigene Lösung zu entwerfen und dann meinen Lösungsvorschlag durchzuarbeiten. Dabei kommt es nicht darauf an, dass man exakt denselben Aufbau gewählt hat, sondern dass man die Hauptprobleme erkannt und jedenfalls gut begründet gelöst hat. In vielen Punkten kann man selbstverständlich auch eine andere Meinung vertreten. In der Klausur dürfte es sich aber anbieten, der jeweils herrschenden Meinung zu folgen, damit man sich nicht einen Teil der Lösung abschneidet.
Viel Erfolg bei der Durcharbeit!
Literaturverzeichnis
Baur/Stürner, Sachenrecht, 18. Auflage, 2009
Boemke/Ulrici, BGB AT, 2. Auflage, 2014
HK-BGB, 10. Auflage, 2019
Hütte/Hütte, Sachenrecht I, 8. Auflage, 2019
Jauernig, BGB, 18. Auflage, 2020
Klunzinger, Einführung in das Bürgerliche Recht, 17. Auflage, 2019
Koppensteiner/Kramer, Ungerechtfertigte Bereicherung, 2. Auflage, 1988
Larenz, Schuldrecht II, 12. Auflage, 1981
Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, 26. Auflage, 2017
Grüneberg, BGB, 83. Auflage, 2024
Prütting, Sachenrecht, 36. Auflage, 2017
Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, 8. Auflage, 2009
Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2012
Wellenhofer, Sachenrecht, 34. Auflage, 2019
Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, 8. Auflage, 2011
Wieling, Sachenrecht, 5. Auflage, 2007
Fall 1: Besitz, Verbotene Eigenmacht gem. § 858 BGB, Gewaltrechte nach §§ 859, 229 BGB, Possessorischer Besitzschutzanspruch nach § 861 BGB
Sachverhalt
Der Student E saß eines Tages auf einer Wiese im Park gegenüber der Universität und arbeitete an seinem Laptop. Als ein Freund vorbeikam, begannen die beiden ein angeregtes Gespräch über eine vor kurzem geschriebene Klausur. Diese Situation nutzte der Dieb D aus und nahm den Computer unbemerkt an sich und flüchtete. Als der E den D über ein Jahr später im selben Park sah, erkannte er seinen Laptop wieder. Nachdem er den ihm als Kommilitonen namentlich bekannten D zur Rede gestellt hatte und dieser eine Herausgabe verweigerte, nahm der E dem D den Computer gewaltsam weg.
Hat der D nunmehr einen Anspruch gegen den E auf Herausgabe der Sache?
Gliederung
I. Herausgabe, § 985 BGB
1. Unmittelbarer Besitz des E
2. Eigentum des D
3. Ergebnis
II. Herausgabe, § 861 BGB
1. Anspruchsberechtigter
2. Anspruchsgegner
3. Entziehung durch verbotenen Eigenmacht, § 858 I BGB
a) Besitzentziehung ohne Willen
b) Gesetzliche Gestattung
c) Zwischenergebnis
4. Fehlerhafter Besitz
5. Kein Ausschluss, § 861 II BGB
a) Fehlerhafter Besitz des D
b) Zeitraum
6. Kein Erlöschen, § 864 BGB
7. Durchsetzbarkeit
8. Ergebnis
III. Herausgabe, §§ 823 I, II, 858 I BGB
1. Voraussetzungen
2. Ergebnis
IV. Herausgabe, § 812 I 1 2. Alt. BGB
1. Voraussetzungen
2. Ergebnis
Lösung
I. Herausgabe, § 985 BGB
Der D könnte den Laptop vom E herausverlangen, wenn er Eigentümer wäre und der E kein Recht zum Besitz hätte.
1. Unmittelbarer Besitz des E
Da der E die tatsächliche Sachherrschaft über den Computer ausübt, ist er unmittelbarer Besitzer nach § 854 I BGB.
Anmerkung: In Fällen, in denen der Besitz des Anspruchsgegners unproblematisch gegeben ist, kann abweichend vom allgemein gängigen Aufbauschema bei der Vindikationslage dieser Prüfungspunkt auch vorweg vor dem Eigentum erörtert werden. In dieser Fallsammlung wird das sogar regelmäßig so gemacht. Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass man mit dem Anspruch aus § 985 BGB nicht sein Eigentum herausverlangt, wie man das gelegentlich liest, sondern den Besitz, denn das Eigentum hat man ja schon.
2. Eigentum des D
Allerdings hatte der D die Sache dem Eigentümer durch einen Diebstahl weggenommen, sodass er selbst nicht Eigentümer war.
3. Ergebnis
Der D hat keinen Anspruch auf Herausgabe gegen den E aus § 985 BGB.
II. Herausgabe, § 861 BGB
Dem D könnte ein possessorischer Anspruch auf Herausgabe des Laptops gegen den E zustehen, wenn Letzterer ihm den Besitz durch verbotene Eigenmacht entzogen hätte und ihm gegenüber fehlerhaft besitzen würde, § 861 I BGB.
Anmerkung: Bei den possessorischen Besitzschutzansprüchen wird der tatsächliche Besitz als solcher geschützt, sodass es unbedeutend ist, ob ein Besitzrecht besteht, während es bei den petitorischen Ansprüchen, wie etwa bei §§ 1007, 985, 823 BGB, um den Schutz des Rechts zum Besitz geht.
1. Anspruchsberechtigter
Der D wäre dann anspruchsberechtigt, wenn er der frühere Besitzer gewesen wäre. Unter Besitz wird die nach der Verkehrsanschauung zu beurteilende tatsächliche Herrschaftsbeziehung zu einer Sache mit einem Besitzwillen verstanden (BGHZ 101, 186, 188; Grüneberg-Herrler, § 854 Rn. 4). Hier hatte der D durch den Diebstahl eine solche Sachherrschaft mit Besitzwillen erlangt und damit den unmittelbaren Besitz nach § 854 I BGB begründet.
2. Anspruchsgegner
Als Anspruchsgegner ist derjenige anzusehen, der die Sache derzeit im Besitz hat. Dadurch, dass der E sich seinen Computer im Park wieder vom D zurückgeholt hatte, stellte er seinen eigenen unmittelbaren Besitz wieder her, § 854 I BGB.
3. Entziehung durch verbotenen Eigenmacht, § 858 I BGB
Diese Handlung des E müsste des Weiteren eine verbotene Eigenmacht dargestellt haben. Eine solche ist dann gegeben, wenn dem Besitzer ohne seinen Willen der Besitz entzogen wurde, sofern nicht das Gesetz dies gestattet, § 858 I BGB.
a) Besitzentziehung ohne Willen
Nach der Vorschrift des § 856 I 2. Alt. BGB wird der Besitz „in anderer Weise" bei einem unfreiwilligen Verlust der tatsächlichen Gewalt beendigt. Das ist unproblematisch bei der Wegnahme durch den E gegeben, da dies nicht nur ohne den Willen des D, sondern sogar gegen seinen Willen geschah.
Anmerkung: An der Besitzentziehung ohne Willen würde es also bei einer Zustimmung durch den Besitzer fehlen. Nach der herrschenden Meinung ist bei der Ergreifung und der Aufgabe des Besitzes kein rechtsgeschäftlicher Wille erforderlich, sodass auch ein nur beschränkt Geschäftsfähiger die Zustimmung erklären kann, wenn er einen natürlichen Willen dazu hat (Grüneberg-Herrler, § 858 Rn. 5; a.A. Baur/Stürner, § 9 Rn. 5, da ein Rechtsverzicht vorliege).
b) Gesetzliche Gestattung
Fraglich ist, ob das Gesetz dem E diese Wegnahme gestattet hatte.
Eine Besitzwehr als Gewaltrecht nach § 859 I BGB ist hier nicht mehr gegeben, da die ursprüngliche Besitzentziehung durch den D bereits vollendet war und der E daraufhin keinen Besitz mehr an dem Laptop hatte.
Auch das Gewaltrecht der Besitzkehr gem. § 859 II BGB greift vorliegend nicht ein, denn bei beweglichen Sachen muss Täter auf frischer Tat betroffen oder verfolgt sein, was nicht der Fall ist, da der E den D erst über ein Jahr nach dem Diebstahl im Park konfrontierte.
Letztlich kommt auch die Selbsthilfe nach § 229 BGB nicht in Betracht, da es dem E möglich gewesen wäre, obrigkeitliche Hilfe rechtzeitig zu erlangen. Immerhin wusste er, um wen es sich beim D handelte, sodass er die Hilfe der Gerichte durch eine Klage hätte in Anspruch nehmen können.
Anmerkung: Angesichts des Zeitablaufs und der deshalb offensichtlich nicht gegebenen Selbsthilferechte erscheint es mir angebracht, insoweit den Urteilsstil zu verwenden, um nicht den Eindruck einer falschen Gewichtung der Probleme des Falls zu erwecken.
Es lag somit keine gesetzliche Gestattung für den E vor.
c) Zwischenergebnis
Der E hatte bei der Wegnahme eine verbotene Eigenmacht begangen.
4. Fehlerhafter Besitz
Da der E die Sache selbst weggenommen hat, war sein dadurch erlangter Besitz auch fehlerhaft, § 858 II 1 BGB.
5. Kein Ausschluss, § 861 II BGB
Ein Anspruch des D könnte jedoch ausgeschlossen sein, wenn der entzogene Besitz dem gegenwärtigen Besitzer gegenüber fehlerhaft war und in dem letzten Jahre vor der Entziehung erlangt worden ist.
a) Fehlerhafter Besitz des D
Hier könnte ein fehlerhafter Besitz des D vorgelegen haben. Durch den Diebstahl hatte der D dem E den unmittelbaren Besitz ohne dessen Willen und ohne gesetzliche Gestattung entzogen, sodass er eine verbotene Eigenmacht begangen hatte, § 858 I BGB. Es lag also ein fehlerhafter Besitz beim D vor.
b) Zeitraum
Diesen Besitz hatte der D allerdings bereits über ein Jahr vor der nachfolgenden Entziehung durch den E erlangt. Damit hatte sein Anspruch infolge des Zeitablaufs Bestand.
6. Kein Erlöschen, § 864 BGB
Der Besitzschutzanspruch erlischt mit dem Ablauf eines Jahres nach der Verübung der verbotenen Eigenmacht, wenn nicht vorher der Anspruch im Wege der Klage geltend gemacht wird, § 864 I BGB.
Anmerkung: Es handelt sich bei dieser Frist um eine Ausschlussfrist und nicht um eine Verjährungsfrist. Somit muss ihr Vorliegen in einem Prozess vom Richter von Amts wegen berücksichtigt werden und nicht nur auf die Erhebung einer Einrede hin.
Die Frist beginnt mit dem Ende der Entziehungshandlung (Grüneberg-Herrler, § 864 Rn. 2). Vorliegend ist noch kein Jahr seit der Wegnahme des Computers durch den E abgelaufen, sodass der Anspruch des D nicht ausgeschlossen ist.
7. Durchsetzbarkeit
Fraglich ist nun, ob der D diesen Anspruch gegen den E auch durchsetzen kann. Insoweit könnte eine Einrede aus § 242 BGB für den E bestehen (dolo facit, qui petit, quod statim redditurus est). Nach diesem Grundsatz soll eine Leistung nicht verlangt werden können, wenn der Anspruchsteller selbst diese sofort zurückzugewähren hätte (BGHZ 110, 30, 33).
Hier könnte der E als Eigentümer nach § 985 BGB den Laptop vom D herausverlangen, da dieser kein Recht zum Besitz hat, § 986 I 1 BGB. Bei einer Herausgabe der Sache an den D müsste dieser also sogleich wieder die Sache an den E zurückgeben. Nach § 863 BGB können solche petitorischen Einwendungen gegen den possessorischen Besitzschutz allerdings nicht geltend gemacht werden. Dem E bliebe lediglich die Verteidigungsmöglichkeit, sich darauf zu berufen, dass keine verbotene Eigenmacht vorlag. Da er aber eine verbotene Eigenmacht begangen hatte (siehe oben), kann er diese Einwendung nicht erheben.
Somit ist der Anspruch des D auch durchsetzbar.
Anmerkung: Falls der D seinen Anspruch gerichtlich geltend machen sollte, könnte der E zwar nicht sein petitorisches Recht aus § 985 BGB einwenden. Er könnte jedoch eine Widerklage auf Herausgabe seiner Sache nach § 985 BGB erheben. Nach herrschender Ansicht wäre dann dieser Klage bei gleichzeitiger Entscheidungsreife stattzugeben und die Klage des D abzuweisen, sodass der E der Vorschrift des § 863 mit dem Verbot der petitorischen Einwendungen entgehen könnte (BGHZ 73, 355, 359; Grüneberg-Herrler, § 863 Rn. 3).
8. Ergebnis
Der D kann vom E die Herausgabe des Computers verlangen.
III. Herausgabe, §§ 823 I, II, 858 I BGB
Dem D könnten möglicherweise Ansprüche auf Herausgabe des Laptops gegen den E aus einer unerlaubten Handlung zustehen. Eine Wiedereinräumung des Besitzes im Wege der Naturalrestitution gem. § 249 I BGB ist beim Schadensersatz vom Grundsatz her möglich.
1. Voraussetzungen
Zunächst müsste der E im Rahmen des § 823 I BGB ein absolutes Recht verletzt haben. Zwar wird der Besitz nach der herrschenden Meinung als sonstiges Recht geschützt, aber das gilt nur für den rechtmäßigen Besitz (BGHZ 137, 89, 98; Honsell JZ 1983, 531, 532). Da der D als Dieb jedoch kein solches Besitzrecht nach § 986 I 1 BGB gegenüber dem Eigentümer E hat, scheidet ein Schadensersatzanspruch auf Wiedereinräumung des Besitzes aus.
Im Rahmen des Schadensersatzes aus der Verletzung eines Schutzgesetzes nach § 823 II BGB ist anerkannt, dass die Vorschrift über die verbotene Eigenmacht nach § 858 I BGB als Schutzgesetz anzusehen ist (BGH NJW 2009, 2530, Rn. 15; BGHZ 20, 169, 171). Auch hier soll aber der vor der verbotenen Eigenmacht bestehende Besitz nur dann geschützt werden, wenn er rechtmäßig war, um Wertungswidersprüche zu § 823 I BGB zu vermeiden (BGH DtNZ 1996, 20 ff.; Jauernig/Chr. Berger, § 858 Rn. 9; Hütte/Hütte, Rn. 310). Somit kommt auch hier kein Schadensersatzanspruch des D in Frage.
2. Ergebnis
Der D hat keine Ansprüche auf Herausgabe gegen den E aus unerlaubter Handlung.
IV. Herausgabe, § 812 I 1 2. Alt. BGB
Dem D könnte ein Anspruch auf Herausgabe gegen den E aus ungerechtfertigter Bereicherung zustehen.
1. Voraussetzungen
Nachdem der D den Besitz offensichtlich nicht an den E geleistet hatte, kommt hier nur eine Nichtleistungskondiktion in der Form der Eingriffskondiktion in Betracht. Allerdings sollen auch hier wieder die Wertungen der §§ 861 f., 1007 BGB nicht umgangen werden, sodass ein Anspruch auf Herausgabe nur für den rechtmäßigen Besitzer besteht, da erst dann ein Zuweisungsgehalt für den Besitz gegeben ist (BGH NJW 2006, 2323, Rn. 38; BGH NJW 1987, 771; Baur/Stürner, § 9 Rn. 39; Hütte/Hütte, Rn. 313). Ansonsten ist § 861 BGB als eine Sondervorschrift zur Eingriffskondiktion anzusehen (Grüneberg-Herrler, § 861 Rn. 2). Ein rechtmäßiger Besitz des D lag jedoch nicht vor.
2. Ergebnis
Der D hat keinen Anspruch auf Herausgabe gegen den E aus ungerechtfertigter Bereicherung.
Fall 2: Besitz, Petitorischer Besitzschutz gem. § 1007 BGB
Sachverhalt
Der Taschendieb D hatte vor einiger Zeit dem Eigentümer E eine Rolex Armbanduhr gestohlen. Diese Uhr veräußerte er sodann an den K, welcher von dem Diebstahl jedoch nichts wusste. Um seinem Freund F auszuhelfen, der einen Geschäftspartner bei einem Theaterbesuch beeindrucken wollte, lieh der K ihm die Uhr für diesen Anlass. Da der F aber knapp bei Kasse war und dringend Geld benötigte, veräußerte er das Stück an seinen Bekannten G, der wusste, dass der F nur Entleiher war und somit eine unberechtigte Verfügung vornahm. Nunmehr verlangt der K die seiner Ansicht nach ihm zustehende Uhr vom G heraus.
Zu Recht?
Gliederung
I. Herausgabe, § 604 IV BGB
1. Voraussetzungen
a) Leihvertrag
b) Gebrauchsüberlassung an Dritten
2. Ergebnis
II. Herausgabe, § 985 BGB
1. Unmittelbarer Besitz des G
2. Eigentum des K
3. Ergebnis
III. Herausgabe, § 861 I BGB
1. Entziehung durch verbotenen Eigenmacht, § 858 I BGB
2. Ergebnis
IV. Herausgabe, § 1007 I BGB
1. Bewegliche Sache
2. Anspruchsteller war früherer Besitzer
3. Anspruchsgegner ist jetziger Besitzer
4. Gutgläubigkeit des Anspruchstellers
a) Unrechtmäßiger Besitz
b) Gutgläubigkeit
5. Kein freiwilliger Besitzverlust des Anspruchstellers
6. Bösgläubigkeit des Anspruchsgegners
7. Anspruchsgegner hat kein Recht zum Besitz
8. Ergebnis
Lösung
I. Herausgabe, § 604 IV BGB
Der K könnte die Uhr vom G herausverlangen, wenn er Verleiher wäre und der F als Entleiher diese dem G überlassen hätte.
Anmerkung: Bei der Unterleihe liegt dasselbe Prinzip wie bei der Untermiete vor, der Herausgabeanspruch gegen den Dritten im Rahmen der Leihe ist jedoch in der Praxis nicht von so großer Bedeutung wie bei der Miete.
1. Voraussetzungen
Überlässt der Entleiher den Gebrauch der Sache einem Dritten, so kann der Verleiher sie nach der Beendigung der Leihe auch von dem Dritten zurückfordern.
a) Leihvertrag
Zunächst müsste zwischen dem K und dem F ein Leihvertrag nach § 598 BGB abgeschlossen worden sein. Laut Sachverhalt hatte der K dem F den Besitz an der Armbanduhr für den Theaterbesuch, also zeitlich begrenzt und unentgeltlich, übertragen. Es könnte darin allerdings auch eine bloße Gefälligkeit und kein Vertrag vorgelegen haben. Angesichts des hohen wirtschaftlichen Wertes einer Rolex Uhr ist nach Auslegung vom objektiven Empfängerhorizont gem. §§ 133, 157 BGB davon auszugehen, dass der K erkennbar nicht bloß eine Gefälligkeit ohne rechtliche Bindung erweisen wollte (vgl. zu den Indizien für das Vorliegen eines Rechtsbindungswillens: BGHZ 21, 102, 107). Damit lag ein Leihvertrag vor.
b) Gebrauchsüberlassung an Dritten
Durch die Übergabe seitens des F an den G hatte dieser seinen Besitz übertragen. Allerdings handelte es sich dabei nicht um die Einräumung eines nur vorübergehenden Besitzes, sondern der G sollte das Eigentum und somit dauerhaft den Besitz erhalten. Dieser Fall wird nicht von der Vorschrift des § 604 IV BGB erfasst. Es lag also keine Gebrauchsüberlassung an einen Dritten vor.
2. Ergebnis
Der K hat keinen Anspruch auf Herausgabe gegen den G aus § 604 IV BGB.
II. Herausgabe, § 985 BGB
Der K könnte die Uhr vom G herausverlangen, wenn er Eigentümer wäre und der G kein Recht zum Besitz hätte.
1. Unmittelbarer Besitz des G
Da der G die tatsächliche Sachherrschaft über sie Sache ausübt, ist er unmittelbarer Besitzer nach § 854 I BGB.
2. Eigentum des K
Fraglich ist, ob der K das Eigentum an der Armbanduhr erworben hatte, als er sie vom Dieb D erhielt. Eine Einigung und Übergabe nach § 929 S.