Wir kämpfen für Mutti: Sophienlust - Die nächste Generation 34 – Familienroman
Von Ursula Hellwig
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Über dieses E-Book
Denise hat inzwischen aus Sophienlust einen fast paradiesischen Ort der Idylle geformt, aber immer wieder wird diese Heimat schenkende Einrichtung auf eine Zerreißprobe gestellt.
Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren.
»Ich bin richtig stolz auf dich«, sagte Sören Wendland, fuhr seinem ältesten Sohn Marvin anerkennend mit einer Hand durch das dichte braune Haar und reichte ihm das Arbeitsheft zurück. In dem Diktat hatte der Junge keinen einzigen Fehler gemacht und deshalb die Bestnote erhalten. Außerdem hatte seine Deutschlehrerin eine zusätzliche Bemerkung unter die Arbeit geschrieben und die saubere und deutliche Handschrift gelobt. Es dauerte nicht lange, bis Marvins neunjähriger Bruder Daniel erschien. Im Gegensatz zu dem um zwei Jahre älteren Marvin ging Daniel noch in die Grundschule, war aber auch ein ausgesprochen guter Schüler, der nicht viel üben musste, um gute Noten zu erzielen. »Ui, ein glatter Einser«, stellte Daniel bewundernd fest, nachdem er einen Blick in das Arbeitsheft geworfen hatte. »Das ist wirklich toll, und ich freue mich mit dir.« »Danke«, erwiderte Marvin leise und wandte sich ab. Daniel musste nicht unbedingt bemerken, dass seine Augen etwas feucht wurden. Auch sein Vater sollte das nicht sehen. Dass Vater und Bruder stolz auf ihn waren, freute Marvin. Trotzdem fehlte ihm etwas ganz Wichtiges. Früher war da auch immer seine Mutter gewesen, die ihn für gute Leistungen gelobt, ihn in ihre Arme genommen und sich mit ihm gefreut hatte. Diese mütterliche Liebe und Fürsorge fehlte Marvin ungeheuer. Natürlich wusste er, dass es seinem Vater und Daniel nicht anders erging, aber das tröstete ihn wenig. Vor drei Monaten hatte Alice Wendland mit ihrem Mann und ihren beiden Söhnen einen Wochenendausflug unternommen. Nachdem sie in einem Waldrestaurant gegessen hatten, waren sie zu einem historischen Wasserturm gewandert und hatten das stilvolle Bauwerk, zu dem eine Steintreppe hinaufführte, besichtigt.
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Buchvorschau
Wir kämpfen für Mutti - Ursula Hellwig
Sophienlust - Die nächste Generation
– 34 –
Wir kämpfen für Mutti
Marvin und Daniel wollen nicht, dass ihre Familie zerbricht!
Ursula Hellwig
»Ich bin richtig stolz auf dich«, sagte Sören Wendland, fuhr seinem ältesten Sohn Marvin anerkennend mit einer Hand durch das dichte braune Haar und reichte ihm das Arbeitsheft zurück. In dem Diktat hatte der Junge keinen einzigen Fehler gemacht und deshalb die Bestnote erhalten. Außerdem hatte seine Deutschlehrerin eine zusätzliche Bemerkung unter die Arbeit geschrieben und die saubere und deutliche Handschrift gelobt.
Es dauerte nicht lange, bis Marvins neunjähriger Bruder Daniel erschien. Im Gegensatz zu dem um zwei Jahre älteren Marvin ging Daniel noch in die Grundschule, war aber auch ein ausgesprochen guter Schüler, der nicht viel üben musste, um gute Noten zu erzielen.
»Ui, ein glatter Einser«, stellte Daniel bewundernd fest, nachdem er einen Blick in das Arbeitsheft geworfen hatte. »Das ist wirklich toll, und ich freue mich mit dir.«
»Danke«, erwiderte Marvin leise und wandte sich ab. Daniel musste nicht unbedingt bemerken, dass seine Augen etwas feucht wurden. Auch sein Vater sollte das nicht sehen. Dass Vater und Bruder stolz auf ihn waren, freute Marvin. Trotzdem fehlte ihm etwas ganz Wichtiges. Früher war da auch immer seine Mutter gewesen, die ihn für gute Leistungen gelobt, ihn in ihre Arme genommen und sich mit ihm gefreut hatte. Diese mütterliche Liebe und Fürsorge fehlte Marvin ungeheuer. Natürlich wusste er, dass es seinem Vater und Daniel nicht anders erging, aber das tröstete ihn wenig.
Vor drei Monaten hatte Alice Wendland mit ihrem Mann und ihren beiden Söhnen einen Wochenendausflug unternommen. Nachdem sie in einem Waldrestaurant gegessen hatten, waren sie zu einem historischen Wasserturm gewandert und hatten das stilvolle Bauwerk, zu dem eine Steintreppe hinaufführte, besichtigt. Daniel hatte die Stufen gezählt und verkündet, dass es genau achtunddreißig waren. In jenem Moment hatte von der Familie noch niemand geahnt, dass diese achtunddreißig Stufen künftig ihr Schicksal bestimmen sollten.
Beim Verlassen des Wasserturms waren die Besucher von der Sonne geblendet gewesen. Während es Sören und seinen Söhnen trotzdem gelungen war, die Stufen hinabzusteigen, verfehlte Alice gleich zu Anfang eine Stufe, verlor den Halt und stürzte die gesamte Treppe hinunter. Sören hatte noch versucht, den Sturz zu verhindern, aber sein Griff nach Alices Arm war ins Leere gegangen. Mit Entsetzen hatten Sören, seine Söhne und andere Besucher des historischen Wasserturms die schreckliche Szene beobachten müssen.
Alice war zu Anfang noch ansprechbar gewesen, hatte dann aber das Bewusstsein verloren, noch bevor sie in ein Krankenhaus gebracht worden war.
Seit jenem verhängnisvollen Tag lag Alice im Koma. Ihre Verletzungen waren längst abgeheilt, aber ihr Gehirn wollte einfach nicht wieder aufwachen. Die Ärzte hatten alles versucht, aber keinen Erfolg gehabt. Noch wollten sie nicht aufgeben und hielten es nicht für unmöglich, dass Alice irgendwann von ganz allein wieder erwachen würde. Aber mit jedem Tag, den sie länger im Koma lag, schwand diese Hoffnung um ein kleines Stück.
Sören und die beiden Jungen besuchten Alice regelmäßig und hatten sich inzwischen daran gewöhnt, dass sie auf nichts reagieren konnte, sondern einfach nur regungslos in ihrem Bett lag. Im Gegensatz zu Sören, der sich innerlich zerrissen fühlte und nicht wusste, was er denken sollte, glaubten Marvin und Daniel fest daran, dass ihre Mutter früher oder später wieder aufwachen und dann alles so sein würde, wie es früher gewesen war. Sie wollten überhaupt nicht daran denken, dass sie sich möglicherweise irrten, und klammerten sich an ihre Hoffnungen.
»Du siehst so nachdenklich aus«, bemerkte Sören, als Marvin mit seinem Arbeitsheft noch immer vor ihm stand. »Hast du etwas auf dem Herzen?«
Marvin schüttelte den Kopf. »Nein, ich musste nur gerade daran denken, dass Mutti sich auch über die gute Note gefreut hätte. Schade, dass sie das nicht kann. Aber wenn sie wieder aufgewacht ist, dann werde ich noch ganz viele gute Arbeiten schreiben, über die sie sich freuen kann.«
»Ich strenge mich in der Schule auch so richtig an«, verkündete Daniel. »Dann kann ich Mutti auch mit guten Noten eine Freude machen, wenn sie wieder aufgewacht und zu Hause ist.«
Sören nickte nur zustimmend und lächelte etwas schief. Er selbst wünschte sich nichts mehr, als dass seine Frau aus dem Koma erwachte und keine Hirnschäden davongetragen hatte. Aber er konnte daran nicht so recht glauben und war längst nicht so zuversichtlich wie seine Söhne. Manchmal erfüllte ihn sogar die Angst, dass Alice schon sehr bald sterben könnte. Diesen schrecklichen Gedanken musste er immer wieder gewaltsam von sich schieben. Sören war froh, dass er seine beiden Kinder hatte, die ihn forderten und für die er stark sein musste. Außerdem war da sein Geschäft, für das er da sein musste. Vor fast zehn Jahren hatte er zusammen mit Alice einen Großhandel eröffnet, in dem alle nur denkbaren Artikel für Haustiere angeboten wurden. Nach anfänglichen kleinen Problemen hatte sich dieser Großhandel hervorragend entwickelt und beschäftigte inzwischen zweiundzwanzig Angestellte. Damit er selbst ein bisschen entlastet wurde, hatte Sören einen Geschäftsführer eingestellt. Roland Wegener war seine rechte Hand, auf ihn konnte er sich in allen Situationen verlassen. Der Großhandel hatte Alice und Sören Wendland zu wohlhabenden Leuten gemacht, die keine finanziellen Probleme kannten. Bis zu dem Tag, an dem dieser furchtbare Unfall passiert war, hatte die Familie ein rundherum glückliches Leben geführt. Jetzt war alles anders geworden. Trotzdem glaubten Marvin und Daniel fest daran, dass ihre Mutter irgendwann wieder aufwachen und genauso fröhlich sein würde, wie sie es früher gewesen war. Dieser unerschütterliche Glaube half den beiden Jungen und schützte sie davor, in Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung zu stürzen.
*
Als Sören an diesem Tag in sein Geschäft kam, wartete eine unangenehme Überraschung auf ihn. Seine Sekretärin Therese Heinen empfing ihn ausgesprochen aufgeregt.
»Herr Wegener hat vorhin angerufen«, teilte sie Sören mit. »Er hatte gestern Abend einen Unfall mit seinem Motorrad. Er ist in einer Kurve auf eine Ölspur geraten. Dadurch ist er von der Fahrbahn abgekommen und in ein Feld geschliddert, das jenseits des Straßengrabens lag. Abgesehen von mehreren Schrammen und Beulen ist sein rechtes Bein gebrochen, das schon operiert wurde. Herr Wegener machte am Telefon zum Glück einen für diese Situation recht heiteren Eindruck. Aber er wird wohl für die nächste Zeit ausfallen. Die Ärzte haben ihm gesagt, dass mit sechs bis acht Wochen Arbeitsunfähigkeit zu rechnen ist.«
»Ach du liebe Zeit«, entfuhr es Sören, und er schüttelte sofort den Kopf. »Ich meine damit nicht, dass ich in erster Linie daran denke, jetzt für eine lange Zeit auf Herrn Wegener verzichten zu müssen. Natürlich ist das problematisch, weil er praktisch meine rechte Hand ist, aber mir tut einfach dieser Unfall leid und die Folgen, die sich für Roland daraus ergeben. Abgesehen von den Schmerzen, die er sicher hat, wird es ihm, so wie ich ihn kenne, ungeheuer schwerfallen, zur Untätigkeit verdammt in einem Krankenhausbett liegen zu müssen. Ich werde ihn noch heute besuchen.«
Eine halbe Stunde später saß Sören in seinem Büro und dachte darüber nach, wie es jetzt weitergehen sollte. Er selbst hielt sich seit dem Unfall seiner Frau nur noch