Die Erbtante: Fürstenkrone Classic 66 – Adelsroman
Von Jutta von Kampen
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Über dieses E-Book
In der völlig neuen Romanreihe "Fürstenkrone" kommt wirklich jeder auf seine Kosten, sowohl die Leserin der Adelsgeschichten als auch jene, die eigentlich die herzerwärmenden Mami-Storys bevorzugt.
Romane aus dem Hochadel, die die Herzen der Leserinnen höherschlagen lassen. Wer möchte nicht wissen, welche geheimen Wünsche die Adelswelt bewegen? Die Leserschaft ist fasziniert und genießt "diese" Wirklichkeit.
»Ja, mein Liebster! Du bleibst ewig jung! Aber ich habe gestern meinen siebzigsten Geburtstag gefeiert. Siebzig. Und von wegen gefeiert! Nun ja, da waren meine Freunde. Gott sei Dank habe ich einige wirkliche gute Freunde. Aber vor allem waren die Aasgeier da: Ich spreche von meiner Verwandtschaft. Nun, es ist überstanden. Und irgendwann werde ich alles überstanden haben, und dann werden wir uns wiedersehen. Ein seltsames Paar werden wir beide dann sein: Du, so jung und heiter, und ich … Aber vielleicht hat der Herr der Welten ein Einsehen und lässt mich jung und schön auferstehen. Damit du mich auch erkennst, mein Geliebter …« Mit einem müden Seufzer stellte Fräulein Gundula von Weyarn das silbergerahmte Foto ihres im letzten Krieg gefallenen Verlobten auf seinen Platz auf ihrem Nachttisch zurück. Es zeigte einen strahlend lächelnden jungen Mann von Mitte zwanzig, in schicker Luftwaffenoffiziersuniform. Er sah blendend aus – und würde sicher auch heute, mit Mitte siebzig, blendend aussehen, wenn das grausame Schicksal ihm erlaubt hätte, so alt zu werden. Gundula von Weyarn wandte sich ab und setzte sich vor den Spiegel ihres Schminktisches. Sonst war sie schon immer um diese Zeit auf dem Weg durch ihr Gut. Es war ein prächtiges Rittergut, das sie von ihren Vorfahren geerbt hatte, und dank des geschickt angelegten Vermögens konnte sie sich mehr als alles leisten, was sie sich ein Leben lang erträumt hatte. Wenn sie Wünsche gehabt hätte! Aber da sie keine eigenen Kinder hatte und ihre Neffen und Nichten nicht so waren, wie sie es sich gewünscht hätte, hatte sie sich zu einem drastischen Schritt entschlossen.
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Buchvorschau
Die Erbtante - Jutta von Kampen
Fürstenkrone Classic
– 66 –
Die Erbtante
Warum Gräfin Gundula ein Waisenkind ins Herz schloss
Jutta von Kampen
»Ja, mein Liebster! Du bleibst ewig jung! Aber ich habe gestern meinen siebzigsten Geburtstag gefeiert. Siebzig. Und von wegen gefeiert! Nun ja, da waren meine Freunde. Gott sei Dank habe ich einige wirkliche gute Freunde. Aber vor allem waren die Aasgeier da: Ich spreche von meiner Verwandtschaft. Nun, es ist überstanden. Und irgendwann werde ich alles überstanden haben, und dann werden wir uns wiedersehen. Ein seltsames Paar werden wir beide dann sein: Du, so jung und heiter, und ich … Aber vielleicht hat der Herr der Welten ein Einsehen und lässt mich jung und schön auferstehen. Damit du mich auch erkennst, mein Geliebter …«
Mit einem müden Seufzer stellte Fräulein Gundula von Weyarn das silbergerahmte Foto ihres im letzten Krieg gefallenen Verlobten auf seinen Platz auf ihrem Nachttisch zurück.
Es zeigte einen strahlend lächelnden jungen Mann von Mitte zwanzig, in schicker Luftwaffenoffiziersuniform. Er sah blendend aus – und würde sicher auch heute, mit Mitte siebzig, blendend aussehen, wenn das grausame Schicksal ihm erlaubt hätte, so alt zu werden.
Gundula von Weyarn wandte sich ab und setzte sich vor den Spiegel ihres Schminktisches. Sonst war sie schon immer um diese Zeit auf dem Weg durch ihr Gut. Es war ein prächtiges Rittergut, das sie von ihren Vorfahren geerbt hatte, und dank des geschickt angelegten Vermögens konnte sie sich mehr als alles leisten, was sie sich ein Leben lang erträumt hatte. Wenn sie Wünsche gehabt hätte!
Aber da sie keine eigenen Kinder hatte und ihre Neffen und Nichten nicht so waren, wie sie es sich gewünscht hätte, hatte sie sich zu einem drastischen Schritt entschlossen.
Sie hatte sich von ihrem alten Freund und Verehrer, dem Rechtsanwalt Gunther Graf von Marsik, einen Termin geben lassen, um mit ihm ihr Testament ausführlich zu besprechen.
Sorgfältig kämmte sie ihr schönes weißes Haar, legte einen Hauch von Rouge auf ihre heute etwas blassen Wangen, zog ganz zart die Augenbrauen nach, tuschte die noch immer dichten Wimpern, so dass das helle Grau ihrer Augen betont wurde, und wählte einen zartrosa Lippenstift.
Das Ergebnis war durchaus befriedigend. Sie war das, was man eine »schöne alte Dame«, nannte, und sie war froh, dass sie nicht zu jenen schnell verblühenden Hübschheiten gehörte, die ihre beste Zeit mit zwanzig hatten. Ganz bestimmt würde sie Gerhard auch heute noch gefallen – wenn er da wäre!
Wieder seufzte sie. Aber nein, sie wollte nicht traurig sein! Sie wollte gut gelaunt zu Gunther fahren und sich wieder einmal darüber amüsieren und auch ein wenig geschmeichelt fühlen, dass er noch immer in sie verliebt war.
Graf Marsik hatte erst mit achtundfünfzig Jahren geheiratet, weil er bis dahin verzweifelt darauf gehofft hatte, Gundula möchte doch noch sein Werben erhören. Aber sosehr sie ihn auch mochte und schätzte – sie konnte sich nie vorstellen, einmal einem anderen zu gehören, nachdem sie sich Gerhard auf seinem letzten Urlaub hingegeben hatte. Wohl aus einer bitteren Ahnung heraus. Und weil sie ihn wirklich von Herzen liebte.
Es tat ihr leid, dass er ausgerechnet die dumme Gans von Christa Walsenberg genommen hatte. Sie hätte ihm gleich sagen können, dass er mit ihr nicht glücklich würde – auch wenn sie eine Prinzessin war!
Ein Wunder, dass die beiden einen so reizenden Sohn wie Erik bekommen hatten! Er erinnerte sie sehr an den jungen Gunther: klug, amüsant und sehr gut aussehend. Ja, seltsam, dass sie sich nie in ihn verliebt hatte – damals …
Dafür war Eriks ältere Schwester ein Abklatsch ihrer grässlichen Mutter. Sie fing schon jetzt, mit Mitte zwanzig an, ihre Hübschheit einzubüßen. Der scharfe Zug um ihren immer schmaler werdenden Mund, der böse Blick ihrer porzellanharten blauen Augen – da konnte sie noch so süß lächeln und flöten und die Erbtante umtanzen – nein, sie war nicht der Typ, den Gundula einst nach ihrem Tod auf Weyarn sehen wollte!
Es klopfte an die Tür ihres Ankleidezimmers, und ihre Zofe trat ein.
»Verzeihung, gnädiges Fräulein. Der Chauffeur wartet bereits. Bei dem zu erwartenden Verkehr auf der Straße meint er, dass Sie sonst zu spät zu Ihrem Anwaltstermin kommen.«
Gundula lachte leise.
»Danke, Frieda! Holen Sie mir bitte das hellgraue Kostüm und den dazugehörenden Schmuck. Ich bin schon fast fertig.«
Keine Sorge! Auch wenn sie eine Stunde zu spät kam – sie wusste, dass Gunther sich den ganzen Vormittag für sie reserviert hatte und außerdem noch auf ein gemeinsames Mittagessen hoffte.
Zu dem klassisch geschnittenen hellgrauen Kostüm trug Gundula eine Hemdbluse aus etwas dunklerer Seide im gleichen Ton und die passenden Pumps mit halbhohem Absatz. Ganz hohe Absätze waren ihr inzwischen unbequem. Man wurde eben älter! Eine lange Perlenkette aus rosig schimmernden Perlen mit einem funkelnden Brillantschloss, passende Perlen mit einem kleinen Brillanten als Ohrstecker, den Verlobungsring mit dem Wappenring an der Linken und an der Rechten den Brillantring, den ihr Gunther schenkte, als er sich damals mit der dummen Christa verlobte. Es war der Verlobungsring seiner Mutter und er bestand darauf, dass sie, Gundula, ihn annahm.
»Sie sehen wunderbar aus, gnädiges Fräulein!«, sagte Frieda. »Niemand würde glauben, dass Sie schon siebzig Jahre sind!«
»Danke, Frieda«, erwiderte Gundula und lächelte die treue Frau freundlich an. Sie waren gleich alt. Nur war Friedas Verlobter aus dem Krieg zurückgekehrt. Wenn auch nur mit einem Bein. Bis zu seiner Pensionierung hatte er im Gutsbüro als Buchhalter gearbeitet. Frieda hatte sich geweigert, in Rente zu gehen.
Mein Arzt sagt etwas anderes!, dachte Gundula, während sie durch den breiten Gang zu der schönen, geschnitzten Holztreppe ging, die hinunter in die Eingangshalle führte, in der bereits Karsten, der Chauffeur, mit der Mütze in der Hand auf sie wartete.
»Guten Morgen, gnädiges Fräulein!«, begrüßte er seine Arbeitgeberin.
»Guten Morgen, Karsten. Es tut mir leid, dass Sie warten mussten! Aber auf gestern hin, war ich heute etwas spät dran!«
»Das macht doch nichts, gnädiges Fräulein!«, antwortete er und hielt ihr mit einer Verbeugung die schwere Eingangstür auf. Dann eilte er vor ihr die Treppe hinunter und öffnete den Schlag ihres großen Wagens. Erst als er hinter dem Steuer saß, setzte er wieder seine Dienstmütze auf.
Gundula von Weyarn hatte ihr Leben lang darauf bestanden, dass man sie mit »Fräulein«, ansprach. Zu ihrer Jugendzeit war das üblich gewesen, und sie fand es albern, dass jede Achtzehnjährige heute schon auf der Anrede »Frau« bestand.
Es wurde Herbst. Auch in der Natur. Und, so fand Gundula, eigentlich war der Herbst mit seinen prächtigen Farben, den Nebelschleiern über den feuchten Wiesen und dem tiefblauen Föhnhimmel eine wunderschöne Jahreszeit!
Auch im Leben eines Menschen konnte der Herbst sehr schön sein.
Wenn man nicht allein war.
Wenn man Kinder hatte.
Oder wenigstens Verwandte, von denen man sicher sein konnte, dass sie nicht nur darauf warteten, wann man endlich das Zeitliche segnete!
Nun ja! Sie würden sich schön anschauen!
Gundula lächelte mit boshafter Freude.
Gunther Marsik tat ihr ein wenig leid. Sie wusste, dass er es gerne gesehen hätte, wenn Erik einmal alles erbte. Aber im Gegensatz zu seiner Schwester hielt der sich sehr zurück. Er besuchte die Nenntante nur bei offiziellen Anlässen – so wie dem gestrigen siebzigsten Geburtstag, oder wenn sie