Das Kind ohne Lächeln: Fürstenkinder 12 – Adelsroman
Von Regine König
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Über dieses E-Book
Ihre Lebensschicksale gehen zu Herzen, ihre erstaunliche Jugend, ihre erste Liebe – ein Leben in Reichtum, in Saus und Braus, aber oft auch in großer, verletzender Einsamkeit.
Große Gefühle, zauberhafte Prinzessinnen, edle Prinzen begeistern die Leserinnen dieser einzigartigen Romane und ziehen sie in ihren Bann.
»Warten Sie auf jemanden?« Schon seit einer guten Viertelstunde beobachtete der hochgewachsene Mann dies Mädchen, das immer rund um seinen Koffer trippelte, sich dann wieder auf die Zehen stellte, als könne es dann weiter schauen, und dann plötzlich den Kopf hängen ließ. Dabei sah sie gar nicht kopfhängerisch aus, hatte von Natur aus die lustigsten braunen Augen, die Jan Per von Moorlund je begegnet waren. An diesem Morgen hatte er auf der kleinen Station zu tun gehabt, auf der täglich nur zwei Züge hielten. Auf des Mannes Frage schaute das Mädchen jetzt auf. Der Mann wurde seltsam berührt. Mein Gott, welch zauberhaftes Gesichtchen, so jung, so unberührt! Unter dem kleinen roten Kopftuch wellte sich beinahe bubenhaft kurzgeschnittenes dunkles Haar. Und die braunen Augen lachten, obgleich ihrer Besitzerin allem Anschein nach nicht alles nach Wunsch ging. »Sie haben's erraten!« Das Mädchen nickte heftig. »Würden Sie nicht auch aufs Abgeholtwerden warten, wenn Sie in solch weltabgeschiedener Gegend mutterseelenallein herumständen? Nicht mal eine Taxi gibt's hier, hat mir der Bahnhofsvorsteher gesagt. Und mein Telegramm, mit dem ich meine Ankunft angemeldet habe, scheint nicht angekommen zu sein.« »Vielleicht ist es nur noch nicht bestellt!« tröstete der Mann mit Schalk in den Augen. »Der Posthalter ist seit ein paar Wochen krank.« »Ja, aber… er wird doch eine Vertretung haben?« Des Mädchens große braune Augen wurden beinahe riesenhaft. »Sie müssen sich daran gewöhnen, daß Sie in eine – nun – sagen wir mal romantisch abgelegene Gegend gekommen sind!«
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Fürstenkinder
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Buchvorschau
Das Kind ohne Lächeln - Regine König
Fürstenkinder
– 12 –
Das Kind ohne Lächeln
Ein junges Mädchen brachte Sonne in sein Leben
Regine König
»Warten Sie auf jemanden?«
Schon seit einer guten Viertelstunde beobachtete der hochgewachsene Mann dies Mädchen, das immer rund um seinen Koffer trippelte, sich dann wieder auf die Zehen stellte, als könne es dann weiter schauen, und dann plötzlich den Kopf hängen ließ.
Dabei sah sie gar nicht kopfhängerisch aus, hatte von Natur aus die lustigsten braunen Augen, die Jan Per von Moorlund je begegnet waren. An diesem Morgen hatte er auf der kleinen Station zu tun gehabt, auf der täglich nur zwei Züge hielten.
Auf des Mannes Frage schaute das Mädchen jetzt auf.
Der Mann wurde seltsam berührt.
Mein Gott, welch zauberhaftes Gesichtchen, so jung, so unberührt! Unter dem kleinen roten Kopftuch wellte sich beinahe bubenhaft kurzgeschnittenes dunkles Haar. Und die braunen Augen lachten, obgleich ihrer Besitzerin allem Anschein nach nicht alles nach Wunsch ging.
»Sie haben’s erraten!« Das Mädchen nickte heftig. »Würden Sie nicht auch aufs Abgeholtwerden warten, wenn Sie in solch weltabgeschiedener Gegend mutterseelenallein herumständen? Nicht mal eine Taxi gibt’s hier, hat mir der Bahnhofsvorsteher gesagt. Und mein Telegramm, mit dem ich meine Ankunft angemeldet habe, scheint nicht angekommen zu sein.«
»Vielleicht ist es nur noch nicht bestellt!« tröstete der Mann mit Schalk in den Augen. »Der Posthalter ist seit ein paar Wochen krank.«
»Ja, aber… er wird doch eine Vertretung haben?« Des Mädchens große braune Augen wurden beinahe riesenhaft.
»Sie müssen sich daran gewöhnen, daß Sie in eine – nun – sagen wir mal romantisch abgelegene Gegend gekommen sind!«
Jan Per von Moorlund beobachtete des Mädchens beinahe entsetzte Überraschung mit heimlichem Lachen.
»Hier hören Sie selten Telefonate oder Motorengeräusche. Auf der Flugstrecke liegen wir auch nicht. Dafür gibt’s das Geschrei der Möwen und das Brausen des Meeres.«
Lix von Wrangen streckte ihren Kopf einen Augenblick lachend vor. Ja, der Mann hatte recht. Die Luft war erfüllt von Meerbrausen. Und Vögel mußte es hier auch mehr geben, als sie von der Stadt her gewohnt war. Ihr Schreien, Lachen und Keckern klang ein wenig unheimlich. Des Mädchens große Augen schlossen sich für einen Herzschlag. Das Gesichtchen wurde blaß.
»Angst?« fragte der Mann.
Da schlug Lix die Augen schon wieder auf.
»Angst? I wo. Ich habe mich noch nie in meinem Leben gefürchtet!« Das klang sehr überzeugt. Und dann fügte sie hinzu: »Wie könnte man auch als Lehrerin Angst haben.«
Einen Augenblick war der Mann versucht zu lachen.
Lehrerin? Dies kleine, knabenhaft-zierliche Geschöpf mit den lachenden Augen eine Lehrerin?
»Sie wollen mir doch nicht weismachen, daß Sie hier irgendwo als Lehrerin angestellt sind?«
»Allerdings!« Lix nickte. »Bin ich. Erste Stelle. Ich wollte noch nicht sofort in den öffentlichen Schuldienst gehen. Deshalb habe ich eine private Stellung angenommen. Vorab für ein Jahr. Auf Schloß Haldersee.«
»Auf Haldersee?«
Nun schrak der Mann beinahe etwas zurück. Er betrachtete sein Gegenüber prüfend. So heiter war dies frische, junge Geschöpf, so von Leben erfüllt. Und dann auf Schloß Haldersee?
»Haben Sie«, seine Worte tasteten ganz vorsichtig, »haben Sie sich eigentlich vorher ausreichend nach dieser Stellung erkundigt?«
»Halten Sie mich für einfältig?« Lix reckte sich herausfordernd. »Schließlich stehe ich mitten im Leben!«
»Wer bestreitet es?« Der Mann lächelte jetzt jungenhaft übermütig, aber mit einem Beigeschmack von Mitleid. »Auf jeden Fall haben Sie sich kaum persönlich vorgestellt.«
»Eine Tante von mir hat mir die Stelle beschafft!« erklärte Lix. »Tante Klarissa meinte, mir täte Landluft nach dem Studium gut. Und sie kenne den Fürsten von Haldersee. Zudem ist es eine ungewöhnlich gut bezahlte Stellung.«
Des Mädchens Gesicht wurde plötzlich ein wenig rot. Ihr war, als hätte sie zuviel von sich preisgegeben. Schließlich brauchte sie diesem wildfremden Mann nicht mitzuteilen, daß sie Vollwaise war, die Eltern ihr keinen Pfennig Geld zurückgelassen hatten und sie ihr Studium nur mit Hilfe von einem Darlehen, das sie so bald wie möglich zurückzahlen mußte, finanziert hatte.
Jan Per von Moorlund schaute von seiner stattlichen Höhe beinahe nachdenklich auf das Mädchen herab.
»Ja, sicher gut bezahlt. Daran zweifle ich keinen Augenblick. Man erwartet ja auch etwas Besonderes von Ihnen.«
Lix nickte. »Der Junge soll sehr anfällig sein. Ich weiß. Ich habe aber auch kranke Kinder gern. Gerade ihnen sollte man helfen.«
»Vielleicht kann dem kleinen Gert keiner helfen!« murmelte der Mann vor sich hin.
Aber das hörte das Mädchen nicht. Es schaute jetzt noch einmal rund um sich.
»Ich werde zu Fuß gehen!« erklärte Lix entschlossen, als sich auch jetzt noch keiner zum Abholen zeigte. »Sie können mir vielleicht die Richtung angeben?«
Da lachte der Mann lauthals. Das Lachen tanzte förmlich über sein junges, wettergebräuntes Gesicht mit den leuchtendblauen Augen. »Wann gedenken Sie dann auf Haldersee einzutreffen, kleines Fräulein Lehrerin?«
»Nun, einmal wird es ja werden, wenn ich einen Schritt zulege. Nur eben der Koffer…« Lix schwankte zwischen Ärger und Hilflosigkeit, als sie dem Mann ins übermütige Gesicht schaute.
»Einen Schritt zulegen?« Jan Per von Moorlunds Lachen konnte sich gar nicht beruhigen. »Haldersee liegt fünfzehn Kilometer von hier entfernt, kleine Lehrerin. Ich an Ihrer Stelle hätte mich vor der Abreise einmal gründlich orientiert.«
»Ich… ich…« Lix wurde nun ein wenig unsicher. »Ich dachte, ich könnte mit Sicherheit aufs Abholen rechnen. Man hat es mir brieflich zugesagt.«
»Na, und nun stimmt das Exempel nicht!« stellte der Mann fest. »Aber wissen Sie was? Eine Taxe gibt’s zwar nicht. Aber wenn Sie mit einem Boot vorliebnehmen wollen… Meins liegt unmittelbar hinter der Station vertäut!«
»Hm!« Lix wich einen Schritt zurück. Ihre Augen suchten ungewiß am Boden.
»Angst?« erkundigte sich der Mann zum zweitenmal während ihres Gespräches.
»Angst, wovor?« Lix’ Augen blieben gesenkt.
»Vielleicht vor mir?« erklärte der Mann mit einer gewissen Bedächtigkeit, hinter der der Schalk lauerte. Er zog jetzt eine Pfeife aus der Hosentasche, zündete sie sich gemächlich an.
»Schließlich sehen Sie nicht nach einem Räuber und Mörder aus!« antwortete Lix und wußte genau, wie albern diese Worte klangen. Der Mann lachte auch, während er schon ihren Koffer aufhob.
»Man kann sich im Aussehen irren, kleines Fräulein Lehrerin. Hat Ihnen das noch niemand gesagt? Aber Ihrer Seelenruhe wegen: Ich heiße Jan Per von Moorlund und kann es durch meinen Paß erhärten, wenn Sie ihn sehen wollen.«
»Wir sind ja nicht bei der Paßkontrolle an einer Grenze!« Lix ärgerte sich über sich selbst.
»Es gibt vielerlei Grenzen!« meinte der Mann vieldeutig. »Manchmal sehen wir sie nicht einmal.«
»Ich sehe immer alles!« Lix steifte den Nacken sichtbar.
»Sie sind ja auch eine studierte Lehrerin!« neckte der Mann. »Aber nun kommen Sie wirklich. Hoffentlich sind Sie aber auch seefest. Ich bin heute nur mit einem Ruderboot hier.«
»Ruderboot?« Lix’ Gesicht verzog sich zweifelnd. In ihren Ohren klang das gewaltige Rauschen der unfernen Meeresbrandung. »Rudern auf dem Meer?«
»Bis jetzt bin ich noch nicht ertrunken und bin viele hundert Male auf dem Boot gerudert. Und wenn es Ihnen eine Beruhigung ist, Fräulein Landratte – ich bin ein erprobter Rettungsschwimmer.«
Da raffte das Mädchen sich zusammen. »Ich habe nie Angst!« verwahrte sie sich.
»Na also, Fräulein Lehrerin, dann wollen wir mal!«
»Ich heiße Lix von Wrangen!« Lix fühlte sich verpflichtet, sich nun auch vorzustellen.
»Also Fräulein von Wrangen, dann wollen wir uns beeilen. Wir müssen die Flut abpassen, um das Ufer bei Haldersee zu erreichen.«
»Grenzt Haldersee denn ans Meer?« Lix versuchte mit dem Mann Schritt zu halten.
Jan Per von Moorlund nickte. »Hier grenzt alles irgendwie ans Wasser.
An Wasser müssen Sie sich gewöhnen.«
Von der offengelegenen Bahnstation, die nicht einmal ein richtiges Bahnhofsgebäude besaß, waren es tatsächlich nur wenige hundert Meter bis ans Meer hinab.
Grün-grau schimmernd, mit tausend kleinen Schaumkrönchen übersät, schlug das Meer hier gegen die etwas steinige Küste.
»Kein Badestrand!« erklärte der Mann, der schon den Laufsteg hinunterging, an dem ein breites Boot sich sacht hin und her wiegte.
»Also, dann hopp!« Jan Per von Moorlund reichte Lix die Hand zum Einsteigen.
»Es schaukelt!« stellte Lix fest.
Der Mann antwortete auf diesen etwas ängstlichen Einwurf allein mit einer Rauchwolke aus seiner kurzen Schifferpfeife. Er löste das Boot jetzt, ergriff die Ruder. In wenigen Minuten schon trieb es auf dem Wasser.
Es war warm an diesem Mittag, und das Rudern nahm den ganzen Körper in Anspruch. Der Mann rollte die Ärmel seines Overalls auf. Kräftig spannten sich die Muskeln an den festen braunen Armen.
Diesen Armen konnte man sich gewiß anvertrauen. Lix beruhigte sich trotz des Schaukelns des Bootes.
Jan Per von Moorland sprach jetzt kein Wort mehr. Er hatte die Augen zusammengekniffen. In den Augenwinkeln zeigten sich trotz der sonst so jungen, straffen Haut ein paar Fältchen, wie bei Seeleuten, die viel über glitzerndes, blendendes Wasser geschaut haben.
»Sind Sie Kapitän?« fragte Lix plötzlich aus tiefem Nachdenken heraus.
»Kapitän?« Der Mann lachte. »Na, wie man’s nimmt. Ich steuere mein Lebensschifflein. Aber zu einem Patent vor dem Seeamt habe ich es noch nicht gebracht.«
Wer war dieser Mann?«
Lix strengte alle psychologischen Kenntnisse an, die man ihr während ihrer Ausbildung vermittelt hatte. Aber alles Erlernte versagte. Dieser Mann war außergewöhnlich.
Jetzt steuerte er Land an. Weicher, feiner Sand breitete sich