Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Der Ruf der wilden Insel
Der Ruf der wilden Insel
Der Ruf der wilden Insel
eBook334 Seiten3 Stunden

Der Ruf der wilden Insel

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Was wäre, wenn du auf einem alten Dachboden eine Entdeckung machst, die dein bisheriges Leben komplett auf den Kopf stellt?
Plötzlich stehst du an einem Flughafen in einem fremden Land, dessen Sprache du nicht verstehst und dein einziger Begleiter sind dein Koffer und ein altes Foto?
Hättest du den Mut, in das Auto eines Mannes zu steigen, von dem du nicht mehr weisst, als seinen Vornamen?
Würdest du es wagen, die Reise deines Lebens zu beginnen, ohne zu wissen, was genau dich erwartet?
Einen Roadtrip, der dein Leben verändern wird?
Würdest du es tun?
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum5. Sept. 2017
ISBN9783742776198
Der Ruf der wilden Insel

Mehr von Stefanie Gislason lesen

Ähnlich wie Der Ruf der wilden Insel

Ähnliche E-Books

Allgemeine Belletristik für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Der Ruf der wilden Insel

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Der Ruf der wilden Insel - Stefanie Gislason

    Kapitel 1

    „Má bjóða þér kaffi?"

    Erschrocken wandte sich Kristín von ihrem Fenster ab.

    Verwirrung zeigte sich in ihrem Gesicht, als ihr Blick auf die Flugbegleiterin fiel.

    Diese schenkte ihr bereits ein entschuldigendes Lächeln.

    „Verzeihung! Möchtest du noch Kaffee? Oder etwas anderes?", übersetzte sie auf Englisch.

    Verneinend schüttelte Kristín den Kopf.

    Wie könnte sie jetzt nur etwas trinken?

    „Wir sollten in einer guten Stunde landen.", fügte die nette Dame dann sanft, mit einem Seitenblick auf Kristíns leicht verkrampfte Hände, an.

    Etwas verlegen lockerte die Angesprochene ihren Griff um die Armlehnen und lächelte schüchtern.

    „Ich bin noch nie mit einem Flugzeug geflogen.", fügte sie hastig hinzu.

    Die Stewardess nickte verstehend und tätschelte ihr mitfühlend die Hand.

    „Beim nächsten Mal geht es besser.", meinte sie dann aufmunternd und zwinkerte belustigt.

    Da drehte sich ein paar Reihen vor ihr ein älterer Mann um.

    Sein Blick fiel zuerst auf Kristín, dann auf die Flugbegleiterin.

    Diese nickte mit dem Kopf zu ihm hinüber.

    „Ich bin gleich bei Ihnen, mein Herr."

    Er drehte sich wieder herum und trommelte nervös mit den Fingern auf dem Tablett herum.

    „Du kommst zurecht?", fragte die Stewardess die junge Frau mitfühlend, während ihr Blick missbilligend zu dem Mann wanderte, der sich bereits wieder in seinem Sitz herumdrehte, um sich zu vergewissern, wo die Dame auch so lange blieb.

    Kristín nickte dankbar und mit einem letzten abschätzenden Blick auf ihren Fluggast war die hilfsbereite Stewardess bereits wieder ein paar Reihen nach vorne zu dem ungeduldigen Mann geeilt.

    Kristín sah ihr einen Moment hinterher und fing dabei den Blick eines weiteren Fluggastes auf, der sie interessiert beobachtete.

    Er war ihr bereits in der Wartehalle aufgefallen, da er die ganze Zeit nervös auf und ab gegangen war, während er hastig und unverständlich telefonierte.

    Sie betrachtete ihn nun etwas genauer.

    Der Sitz eines Flugzeuges war eindeutig nicht für Männer seines Formates gebaut worden.

    Er schien seine liebe Mühe zu haben, um seine Beine auf einigermassen bequeme Weise zu organisieren.

    Sie konnte sich bei seinem Anblick ein amüsiertes Kopfschütteln nicht verkneifen.

    Er liess Kristín die ganze Zeit nicht aus den Augen.

    Sein anfängliches Schmunzeln, beim wissenden Blick auf ihre verkrampften Hände, wuchs zu einem breiten Grinsen, als ihm klar wurde, dass es sein Anblick war, der die junge Frau zu belustigen schien.

    Verlegen wandte sich Kristín von ihm ab und setzte sich so in ihren Sitz, dass er von seinem Platz höchstens noch ihre Schulter bewundern konnte.

    Nach Konversation war ihr nun gerade wirklich nicht zumute.

    Doch auch mit geschlossenen Augen sah sie seinen Anblick lebhaft vor sich.

    Rote Haare.

    Roter Bart.

    Und faszinierend blaue Augen, in welchen der Schalk blitzte.

    Er musste ein Isländer sein, stellte sie fest.

    Sein Aussehen war dem vieler Männern hier in diesem Flugzeug nicht unähnlich.

    Doch seine Ausstrahlung hob ihn eindeutig aus der Masse heraus.

    Kristín atmete tief durch und versuchte sich etwas zu entspannen.

    Sie hatte den ersten Teil des Fluges überlebt.

    Dann wäre der Rest doch auch machbar.

    Immer wieder drangen Gesprächsfetzen an ihr Ohr.

    Worte aus einer Sprache, die ihr so unverständlich war, aber diesen Isländern so flüssig über die Lippen glitt.

    Ungläubig schüttelte sie den Kopf.

    Was hatte sie sich da bloss angetan?

    Wem wollte sie es mit diesem Trip beweisen?

    Sie schloss die Augen und öffnete sie erst wieder, als das Flugzeug etwas holprig auf dem Boden aufsetzte.

    Der Pilot steuerte sicher seinen Standplatz an, um die Menschen im Innern seines Flugzeugs freilassen zu dürfen.

    Auf einer Insel mitten im Atlantik.

    „Velkomin heim.", erklang die Stimme der Flugbegleiterin durch die Lautsprecher.

    Und dann folgte ein Schwall unverständlicher Worte, welche ein sanftes Lächeln auf die Lippen von Kristín zauberten, bevor sie ihren Rucksack unter dem Sitz hervorholte und sich der Reihe der Aussteigenden anschloss.

    Sie war hier.

    In Island.

    Der erste Schritt war geschafft!

    Kapitel 2

    Die unterschiedlichsten Menschen drängten sich am Flughafen Keflavík um das Gepäckband.

    Hallgrímur war einer davon und beobachtete mit unverkennbarer Neugier die junge, etwas unsicher wirkende Frau aus dem Flugzeug, welche sich in dieser Menschenmasse nicht wohl zu fühlen schien.

    Nervös glitt ihr Blick hin und her, während ihre Hand immer wieder in ihre Jackentasche wanderte.

    Was sie dort wohl für einen Schatz verbarg?

    Sie war ihm bereits beim Einstieg ins Flugzeug aufgefallen.

    Ihre blonden Haare hatte sie zu einem lockeren Zopf geflochten.

    Mit aufmerksamem Blick musterte sie immer wieder die Menge an Leuten um sich herum.

    Fast so, als wäre sie auf der Suche nach etwas oder jemandem.

    Als ihre Blicke sich schliesslich trafen, lächelte Hallgrímur sie offen und neugierig an, während Kristín erneut ertappt und verlegen den Kopf abwandte.

    Kurz darauf schallte ein akustisches Signal durch die Halle und das rote Lämpchen an der Gepäckanlage begann hektisch zu blinken. Es dauerte nicht lange, als die ersten Koffer polternd auf dem Förderband landeten und wieder zurück zu ihren Besitzern kamen.

    Der Isländer war einer der Ersten, der das Glück hatte und seinen Koffer vom Band nehmen durfte.

    Sein Blick wanderte wieder suchend durch die Menge.

    Die blonde Frau stand noch immer an derselben Stelle, nervös zupfte sie an den Enden ihres Zopfes herum.

    Er lächelte still in sich hinein.

    Dann schlängelte er sich durch die anderen Wartenden unbemerkt an sie heran.

    Seine Augen immer auf ihr Gesicht gerichtet.

    All ihre kleinen Sommersprossen waren ihm noch gar nicht aufgefallen.

    Und die Art, wie sie den Mund verzog, wenn sie sich konzentrierte.

    Hübsch, dachte er im Stillen und lächelte.

    Sie war so beschäftigt damit, ihren Koffer zu finden, dass sie dem grossen Mann, der sich nun entspannt an eine Betonsäule lehnte, keine Beachtung schenkte.

    Hallgrímur jedoch liess sie nicht aus den Augen.

    Da.

    Ihr Koffer schien aufgetaucht zu sein.

    Er konnte die Erleichterung in ihrem Gesicht erkennen.

    Ihr Blick richtete sich auf einen alten, roten Koffer, der seinem Aussehen nach, wohl schon einiges an Reisen mitgemacht hatte.

    Ihre Hände schlossen sich um den Griff, als er vorbeiglitt.

    Überraschung spiegelte sich in ihrem Gesicht, als sie vergeblich versuchte, ihren Begleiter vom Band zu heben.

    Er schien wohl schwerer zu sein, als sie gedacht hatte.

    Sie versuchte es ein weiteres Mal, aber ihr Koffer blieb stur liegen, wo er war.

    Hallgrímur lachte leise, als er sich aus seiner entspannten Position löste, um ihr zu Hilfe zu kommen.

    „Augnablik.. Ég skal hjálpa þér."

    Eine tiefe, samtene Stimme trug diese unverständlichen Worte an ihr Ohr, als plötzlich der rothaarige Isländer aus dem Flugzeug neben sie trat und ihr galant den Koffer vom Band hob.

    Ein dankbares Lächeln glitt über ihr Gesicht, als sie endlich ihren roten Begleiter in Empfang nehmen konnte.

    Suchend tastete ihre Hand in ihre Jackentasche.

    Als sie fand, was sie suchte, begann sie sich etwas zu entspannen und hob ihren Blick zu dem grossen Mann vor sich, der sie mit leicht zur Seite geneigtem Kopf betrachtete.

    Seine blauen Augen waren belustigt auf sie gerichtet.

    Und dann noch dieses entwaffnende Lächeln.

    Trotz all der Hektik an diesen Flughafen strahlte er eine bemerkenswerte Ruhe aus.

    Schon wieder fühlte sie die Hitze in ihrem Gesicht.

    Was hatte dieser Mann nur an sich?

    „Thank you.", bedankte sie sich auf Englisch.

    Verdutzt starrte er sie an.

    „Du siehst aus wie eine Isländerin, sprichst aber wie keine.", erwiderte er dann lächelnd mit einem leichten Akzent.

    „Und was hast du auch in diesem Koffer alles drin? Der ist viel zu schwer für eine Frau."

    Einen Moment war Kristín erstaunt über seine Neugierde, doch dann schmunzelte sie.

    „Mein ganzes Leben."

    Er musterte sie kurz kritisch, als würde er ihre Aussage überdenken, dann begann er zu lachen.

    Ein tiefes, warmes Lachen.

    Und in diesem kleinen Augenblick fasste Kristín Vertrauen zu diesen Bären von einem Mann.

    „Man nennt mich Hallgrímur.", stellte er sich vor, als er sich wieder beruhigt hatte und reichte der jungen Frau die Hand.

    „Für dich bin ich aber auch gerne Halli", fügte er grinsend hinzu, als er ihren verständnislosen Blick bemerkte.

    „Kristín.", antwortete sie einen Augenblick später und legte ihre kleine Hand in seine.

    „Für dich bin ich gerne Kristín."

    Sie grinste ihn frech an.

    Er drückte ihre Hand kurz, dann gab er sie wieder frei..

    Erneut legte er seinen Kopf leicht zur Seite und betrachtete sie neugierig.

    „Was treibt dich hierher, Kristín? Hier, auf diese Insel? Was macht eine junge Dame wie du auf Island?"

    Als die blonde Frau ihren Namen aus dem Mund des Isländers hörte, mit derselben weichen Betonung wie ihr Vater es immer zu tun pflegte, zuckte sie kurz zusammen.

    Die Betonung ihres Namens entstammte also der isländischen Sprache?

    Ihr Vater war tatsächlich der isländischen Sprache mächtig gewesen.

    Und Kristín begann zu begreifen, wie sehr das Geheimnis ihres Vaters ihr Leben verändern würde.

    Halli entging ihre Reaktion nicht, er liess ihr aber die Zeit, sich zu ordnen.

    „Ich suche jemanden.", antwortete Kristín schliesslich leise.

    Ihre Hand glitt erneut in ihre Jackentasche.

    Mit zittrigen Händen streckte sie dem Isländer das alte Foto hin.

    Ihr einziger Anhaltspunkt.

    Sie holte tief Luft.

    „Sie heisst Sigrún. Und sie ist meine Schwester."

    Dann seufzte sie leise, als sie seinen fragenden Blick bemerkte.

    „Leider habe ich keine weiteren Informationen..."

    Sie senkte beschämt den Kopf.

    „Ich suche wohl einen Geist..."

    Erstaunen huschte über Hallis Gesicht, als er schliesslich die Personen auf dem Foto betrachtete, doch die junge Frau vor ihm bemerkte es nicht.

    Zu sehr fürchtete sie sich vor seiner Reaktion.

    Würde er sie auslachen?

    Sie einen Dummkopf nennen, weil sie Hals über Kopf hierher gekommen war, ohne weitere Details zu kennen?

    Der Isländer studierte das Foto sehr lange, bevor er es ihr zurückgab.

    Seine Augen suchten ihren Blick.

    „Nun gut, Kristín… Dann komm mal mit. Lass uns deine Schwester suchen. Ich hab da vielleicht eine Idee, wer uns helfen könnte…"

    Und mit diesen Worten packte er ihren Koffer, liess ihr keine Zeit für eine Reaktion und steuerte zielstrebig den Ausgang am Flughafen an.

    Kristín folgte ihm hastig, ohne einen Augenblick daran zu denken, dass dieser Mann, der so leichtfüssig ihren Koffer hinter sich her zog, als er den Parkplatz ansteuerte, ein völlig Fremder war.

    Ein unbekannter Mann, von dem sie nicht mehr wusste, als seinen Vornamen.

    Und noch dazu in einem völlig fremden Land, von dessen Verbindung zu ihrem Leben sie bis vor wenigen Tagen keine Ahnung hatte.

    Aber es war Kristín in diesem Augenblick egal.

    Halli war bereit, ihr zu helfen.

    Für ein bisschen Verstand war später auch noch Zeit.

    Kapitel 3

    Als Kristín die ersten Schritte über die Schwelle am Flughafen nach draussen trat, hielt sie einen Moment verblüfft inne.

    Sie schloss ihre Augen und atmete tief ein.

    Wie konnte die Luft, bei all diesen Flugzeugen um sie herum, so klar und belebend sein?

    Doch weiter kam sie mit ihren Gedanken nicht, als sie plötzlich spürte, wie sie angerempelt und zur Seite gedrängt wurde.

    Leicht angesäuert wandte sie sich nach dem Übeltäter um.

    Aber das ältere Ehepaar hastete an ihr vorbei, ohne sich zu entschuldigen und steuerte wild diskutierend den grossen Bus an, der direkt vor dem Flughafen auf seine Fahrgäste wartete.

    Kristín liess ihren Blick staunend über den riesigen Parkplatz wandern und konnte gerade noch erkennen, wie ihr roter Koffer zwischen all diesen Autos verschwand.

    Hastig überquerte die junge Frau die Strasse und folgte Halli.

    Sie musste beinahe rennen, um mit dem Isländer Schritt halten zu können.

    Zum Glück war er aber so gross, dass er gut sichtbar mit seinen roten Haaren, immer wieder zwischen den Autos auftauchte.

    Das machte die Verfolgung etwas leichter.

    Neugierig musterte Kristín die Fahrzeuge, die hier herumstanden, als Halli plötzlich stehen blieb und in seiner Jacke nach dem Schlüssel zu suchen begann.

    „Gefunden.", rief er ihr schliesslich zu, hielt den Schlüssel triumphierend in die Höhe und lächelte etwas verlegen.

    Ihre Augen folgten ihm, als er zielstrebig sein Auto ansteuerte.

    Der Geländewagen hatte die besten Jahre wohl schon hinter sich gebracht.

    Kritisch musterte die junge Frau das Gefährt von oben bis unten.

    An vielen Stellen war die rote Farbe abgesplittert und liess den Rost durchschimmern.

    Überhaupt schien der Rost ein treuer Begleiter zu sein.

    Und als Halli schliesslich ihre beiden Koffer in das Heck einlud und das Auto unter der Last zu ächzen begann, bekam sie eine kleine Ahnung davon, wie es um den Restzustand des Autos stand.

    Der Isländer bemerkte ihren Blick und schien plötzlich zu wachsen, als er stolz die Brust reckte.

    „Sein Aussehen täuscht. Er ist sehr zuverlässig. Hat mich noch nie im Stich gelassen, der Gute."

    Seine grosse Hand tätschelte das Dach des Suzukis, als würde er einem Pferd lobend auf den Hals klopfen.

    Der Geländewagen knarrte zustimmend.

    Ein grosses Grinsen erschien in Hallis Gesicht, als er sich der Komik dieser Situation bewusst wurde, dann schritt er um das Auto herum und hielt Kristín galant die Tür auf.

    „Na los, komm her und steig ein. Er beisst dich nicht und ich verspreche dir, dass er sich benehmen wird."

    Die junge Frau schüttelte belustigt den Kopf und kam näher, den Blick immer noch misstrauisch auf den roten Suzuki gerichtet.

    „Augnablik…", rief Halli plötzlich, als sie gerade neben ihn trat.

    Er kletterte ins Auto und man konnte hören, wie einige Dinge auf dem Rücksitz landeten.

    Kristín wagte einen Blick durch die Scheibe, um zu sehen, was vor sich ging.

    Der Isländer war geschäftig dabei, eine Unmenge an leeren Flaschen, Plastiktüten und Getränkedosen auf dem Rücksitz und in dessen Fussablage zu verstauen.

    Leicht verlegen kratzte er sich am Kopf, als er wieder auftauchte und ihr nun mit einer einladenden Geste den Beifahrersitz anbot.

    „Tut mir leid.. Ich war nicht auf eine Mitfahrerin vorbereitet. Hab nicht aufgeräumt…"

    Kristíns Blick glitt über das Chaos auf der Rückbank, als sie sich auf den Sitz fallen liess, doch sie sagte nichts.

    Stattdessen lächelte sie still in sich hinein, als sie dem grossen Mann dabei zusah, wie er sich behände auf den Fahrersitz gleiten liess und den Schlüssel ins Schloss steckte.

    Sein Gesicht strahlte vollste Konzentration aus, als er den Motor startete.

    Würde es peinlich werden?

    Oder bewies der Gute vierrädrige Begleiter Anstand in Gegenwart einer schönen Frau?

    Der Geländewagen sprang knatternd an und Halli atmete erleichtert aus.

    „Guter Junge. Ich wusste, dass ich mich auf dich verlassen kann…"

    Erneut wurde Kristín Zeuge davon, wie der Isländer lobend den Suzuki tätschelte, dieses Mal jedoch weniger kraftvoll.

    Es war eher ein Streicheln des Armaturenbrettes.

    Doch die junge Frau nahm es belustigend zur Kenntnis.

    „Áfram... Bist du bereit, Kristín?"

    Halli wandte sich ihr zu, als er den Gang einlegte und die Handbremse des Wagens löste.

    Sie suchte in ihrer Jackentasche nach dem Foto.

    Als sie es zwischen ihren Fingern spürte, begegnete sie dem Blick des Isländers.

    Dann nickte Kristín zustimmend.

    „Ich bin bereit."

    Ihre Augen trafen sich einen Moment länger als nötig.

    Dann rollte der Rothaarige den Wagen zielsicher über den Parkplatz Richtung Ausgang.

    Kapitel 4

    Zerklüftete, moosbewachsene Felder, die verschiedensten herbstlichen Farben und die unendliche Weite des Landes zogen Kristín in ihren Bann, während Halli sicher und ruhig das Auto auf der Strasse hielt.

    Immer wieder warf er ihr einen kleinen Seitenblick zu und lächelte warm und belustigt über ihre Faszination, doch sie bemerkte es nicht.

    Erst, als wieder vermehrt Häuser in Sichtweite kamen, wandte sich Kristín dem Fahrer zu.

    „Wohin fahren wir eigentlich?"

    Halli grinste breit und deutete auf seine Tankanzeige.

    „Wir sollten wohl als Erstes eine Tankstelle ansteuern. Der gute Junge hat Durst."

    Wie um seine Worte zu unterstreichen, verliess er die Strasse nach links und fuhr auf einen grossen Platz, auf dem sich eine Tankstelle und ein Supermarkt niedergelassen hatten.

    Zielsicher steuerte er die letzte freie Tanksäule an, schaltete den Motor aus und öffnete die Fahrertür.

    Doch er stieg nicht gleich aus.

    Halli begann erneut wie bereits auf dem Flughafenparkplatz, in den Tiefen seiner Jackentasche zu wühlen.

    Dann beförderte er ein Handy ans Tageslicht, das dem Zustand des Autos in Nichts nachstand.

    Er grinste schief, als er ihren skeptischen Blick bemerkte.

    „Nicht mehr das neueste Modell, aber es erfüllt seinen Zweck."

    Er drehte den Autoschlüssel etwas im Schloss und fummelte am Radio herum.

    Plötzlich erklang leise Musik.

    „Du entschuldigst mich, Kristín? Ich tanke das Auto und erledige noch kurz einen Anruf. Wartest du hier drin?"

    Doch wirklich Zeit, zu antworten, liess er der jungen Frau nicht.

    Er drehte die Musik lauter und mit dem Zuknallen der Tür war er auch schon am hinteren Teil des Autos verschwunden.

    Sie konnte hören, wie er am Tankdeckel herumschraubte und einen Moment später sprang die Säule an und begann das Benzin in den Suzuki zu pumpen.

    Kristín drehte die Musik wieder etwas leiser und konnte nun deutlich hören, wie Halli ein angeregtes Telefonat führte.

    Einen Moment war sie versucht, ihn auf das Schild „Telefonieren verboten" aufmerksam zu machen, dann überlegte sie es sich jedoch anders, als ihr zwei weitere Isländer auffielen, die sich ebenfalls nicht um diese Tafel zu kümmern schienen.

    Wofür ein Verbots-Schild, wenn sich doch keiner dran hielt?

    Verständnislos schüttelte sie den Kopf.

    Dann konnte sie deutlich ihren Namen hören.

    Halli war immer noch in ein angeregtes Gespräch vertieft.

    Sie konnte durch den Rückspiegel erkennen, wie er aufgebracht hinter dem Auto hin und her lief.

    Mit wem sprach er wohl?

    Doch weiter kam sie mit ihren Gedanken nicht, denn der Isländer beendete das Telefonat abrupt, klapperte erneut mit dem Tankdeckel und trat wieder neben die Fahrertür.

    Als er diese öffnete, war die Verärgerung aus seinem Gesicht verschwunden und er lächelte sie schelmisch an.

    „Na, hast du Durst? Wir könnten uns hier mit etwas Proviant eindecken."

    Halli deutete in Richtung Supermarkt.

    Kristín nickte zustimmend.

    „Das ist eine gute Idee. Mein Magen könnte nach dem Flug eine Kleinigkeit vertragen."

    Erneut knallte Halli seine Tür zu, setzte sich zurecht und startete dann den Motor.

    Dann lenkte er den Suzuki auf einen Parkplatz und kam dann um das Auto herum auf ihre Seite.

    Wie ein Gentleman hielt er ihr die Hand hin.

    Seine Hand war gross und rau, als er ihr

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1