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Des Teufels Tribut
Des Teufels Tribut
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eBook371 Seiten4 Stunden

Des Teufels Tribut

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Über dieses E-Book

Ein Segeltörn der besonderen Art, eine Freundschaft wider Willen und ein Amulett, um das sich eine finstere Legende rankt.

Massalia, 829 n. Chr.

Der junge Nordmann Kjartan Runolfsson pfeift auf sein väterliches Erbe und sucht als Ruderer auf der Söldnerin seinen eigenen Weg. Als er sich in Ashilda, die Gespielin seines Bootsführers, verliebt, verliert er alles. Verstoßen und zurückgelassen im Hafen von Massalia macht sich Kjartan auf, um seine große Liebe zurückzugewinnen.
Dabei begleitet ihn die Diebin Aveline, die ebenfalls hinter den Nordmännern her ist. Ein Amulett von großem Wert befindet sich in deren Besitz, das sie unbedingt zurückbekommen muss. Doch was hat es mit dem Schmuckstück auf sich, das nun Ashildas Hals ziert? Und warum verschwinden überall dort, wo die Söldnerin auftaucht, spurlos Kinder?
Schon bald befinden Kjartan und Aveline sich im Visier des Comte von Massalia, der seine eigenen, dunklen Pläne verfolgt ...

»Des Teufels Tribut« ist der erste Teil der Goldland-Saga um Kjartan Runolfsson!
SpracheDeutsch
HerausgeberXinXii
Erscheinungsdatum13. März 2019
ISBN9783966337236
Des Teufels Tribut

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    Buchvorschau

    Des Teufels Tribut - Rebekka Mand

    Inhaltsverzeichnis

    Impressum

    Auftakt

    1. Kapitel

    2. Kapitel

    3. Kapitel

    4. Kapitel

    5. Kapitel

    6. Kapitel

    7. Kapitel

    8. Kapitel

    9. Kapitel

    10. Kapitel

    11. Kapitel

    12. Kapitel

    13. Kapitel

    14. Kapitel

    15. Kapitel

    16. Kapitel

    17. Kapitel

    18. Kapitel

    19. Kapitel

    20. Kapitel

    21. Kapitel

    22. Kapitel

    Epilog

    Danksagungen

    Weitere Bücher von Rebekka Mand

    Leseprobe Von den Grenzen der Erde

    Rebekka Mand

    Band I der Goldland-Saga

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    Impressum

    Copyright © 2018 by Rebekka Mand

    Römerring 26, 50171 Kerpen

    autorin@rebekkamand.de

    Alle Rechte vorbehalten.

    Inhalte dürfen nicht ohne Zustimmung

    der Autorin weiterverbreitet werden.

    Lektorat/Korrektorat: Silke Lemberger (book-cats.com)

    Cover/Illustrationen: Jacqueline Spieweg (jspieweg.de)

    ISBN: 978-3-96633-723-6

    Verlag GD Publishing Ltd. & Co KG, Berlin

    E-Book Distribution: XinXii

    www.xinxii.com

    Auftakt

    Letzter Eintrag aus dem Tagebuch des Gerome Clemont

    Etwas in mir hat sich verändert in jener Nacht. Etwas ist dort, im Goldland, zurückgeblieben. Da ist dieses schwarze Loch in meiner Seele, diese Finsternis, die sich immer weiter ausbreitet.

    Das ist der Preis des Goldes, des Teufels Tribut. Mein ganzes Leben, mein Schicksal, mein Reichtum – alles hängt mit ihm zusammen.

    Würde ich es noch einmal genauso machen? Wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte, bis zu jenem Tag, an dem Raja ihre Klauen in mein Herz gestoßen hat und ihr Gift darin säte?

    Wer auch immer das hier liest und diese tiefe, drängende Sehnsucht verspürt, nach dem Goldland zu suchen – tu es nicht.

    Es ist das Einzige, was mir zu sagen bleibt.

    Kehre um!

    1. Kapitel

    Massalia, 829

    Marcel entdeckte die Reiter schon von Weitem. Das Fischernetz, das er geknüpft hatte, sank in seinen Schoß. Er kniff die Augen zusammen und blinzelte gegen die Sonne. Es waren drei, edel gerüstet – und bewaffnet. Sie trugen das Wappen des Comte von Massalia.

    »Ciel! Du musst verschwinden, schnell!« Seine Tochter eilte aus dem Haus ins Freie. »Versteck dich bei den Nachbarn«, sagte er, während er das Fischernetz unter seiner Sitzbank verstaute und das Messer, das dort zum Ausnehmen der Fische lag, unter seinem Hemd in den Gürtel steckte.

    »Aber Papa!«

    »Geh!«, wiederholte er streng.

    Ciel riss furchtsam die Augen auf und nickte. Dann huschte sie davon. Marcel stieß den angehaltenen Atem aus und blickte den Wachen entgegen, als sie ihre Pferde zügelten und langsamer heran trabten. Bei einem von ihnen handelte es sich um keinen Geringeren als Rufus, den Hauptmann der Garde. Er hielt direkt auf ihn zu, die anderen beiden führten ihre Pferde von rechts und links an ihn heran.

    »Guten Tag, Marcel«, sagte Rufus ohne eine Spur Freundlichkeit.

    »Guten Tag, Hauptmann. Was führt Euch zu mir? Meinen Fang von heute Morgen habe ich bereits verkauft.«

    »Nicht deine Fische führen mich her, sondern deine Tochter.«

    »Ciel? Was könntet Ihr von meinem kleinen Mädchen wollen?«

    Rufus runzelte die Stirn. Er war vielleicht dumm, aber nicht so dumm. »Du weißt genau, wen ich meine. Aveline! Wo ist sie?«

    Marcel hob die Schultern. Seine Kehle war staubtrocken. »Hab sie seit vielen Wochen nicht gesehen. Als Dienerin der Comtesse verlangen wichtigere Dinge ihre Aufmerksamkeit, als ihren alten Papa zu besuchen. Steckt sie etwa in Schwierigkeiten?«

    Ein gehässiges Lächeln umspielte Rufus’ Lippen. »Allerdings. Hat den Comte bestohlen. Dafür verliert sie mehr als ihre Anstellung.«

    Marcel schloss die Augen. Oh, Aveline!

    Als er sie wieder öffnete, blickte er den drei Männern streng ins Gesicht. »Ihr beleidigt mich, wenn Ihr glaubt, dass meine Tochter zu so etwas fähig wäre.«

    »Dann ist sie nicht hier?«

    »Natürlich nicht! Schimpft Ihr mich jetzt auch noch einen Lügner?«

    Mit einem Kopfnicken bedeutete Rufus den beiden anderen abzusitzen. »Durchsucht das Haus.«

    Marcel blieb wie versteinert sitzen, dem stechenden Blick des Hauptmanns ausgeliefert, während die Garde sein Haus durchsuchte. Bei jedem Scheppern und Klirren wollte er zusammenzucken, aber er ließ sich nichts anmerken.

    Dein Stolz wird dich eines Tages noch ins Grab bringen! , schimpfte Aveline manchmal. Der Gedanke an seine älteste Tochter schnürte ihm die Kehle zu.

    Die Männer kamen heraus. »Es ist niemand hier, Herr.«

    »Sucht weiter. Sucht alles ab. Die Nachbarhäuser, die Boote. Alles.«

    Marcel sagte kein Wort. Er würde lieber sterben, als Aveline zu verraten. Abgesehen davon wusste er tatsächlich nicht, wo sie war. Sie kam und ging und war dabei so unberechenbar wie die Winde im Herbst. Schon lange hatte er es aufgegeben, sie zur Sesshaftigkeit zu überreden.

    Die Männer verschwanden wieder. Diesmal blieben sie lange fort. Vereinzelt drangen die erschrockenen Rufe der Nachbarn an Marcels Ohren.

    Sie ist zu weit gegangen . Das muss aufhören!

    Natürlich fanden sie Aveline nicht und kehrten unverrichteter Dinge zurück.

    Rufus seufzte. »Marcel, Marcel, was sollen wir nun machen, he? Ich würde ja bleiben und mit dir gemeinsam auf deine Tochter warten. Aber ich bin ein beschäftigter Mann, verstehst du? Dennoch kann ich nicht mit leeren Händen zum Comte zurückkehren.«

    Ein klammes Gefühl breitete sich in Marcels Magen aus.

    »Nehmt ihn fest«, befahl Rufus.

    »Nein!« Marcel sprang auf. Er war vielleicht alt, aber er fuhr Tag für Tag auf See und kümmerte sich um sein kleines Haus und die Tochter. Seine Glieder waren geschmeidig, seine Bewegungen schnell. Früher hatte er selbst bei der Garde gedient. Das war vor Rufus und seiner Söldnerbande gewesen.

    Dennoch – sie waren zu zweit, er allein. Innerhalb weniger Augenblicke hatten sie ihn überwältigt und ihm das Fischmesser entwendet. Eine Faust landete in seinem Gesicht. Er hörte einen erschrockenen Ruf: »Papa!«

    Ciel !

    Sie schleiften ihn vor den Augen seiner Tochter fort.

    2. Kapitel

    Wenn es einen Ort gab, an dem der Christengott seine Sünder briet, dann war es gewiss hier, in dieser Scheune am Rande von Massalia. Es war heiß! So verflucht heiß, dass Kjartan glaubte, zu einer Pfütze zu zerfließen, wenn er noch länger warten musste. Was hätte er für ein kühles Bad in der Bucht gegeben, verborgen im Schatten eines Felsens? Sonne auf nasser, glitzernder Haut, warmer Wind im Haar und Ashilda unter sich im weichen Sand. Aber Ashilda wusste genau, was sie wollte und was nicht. Im Augenblick wollte sie ihn – Kjartan. Was sie nicht wollte, war zu riskieren, von irgendjemandem entdeckt zu werden. Schnaubend ließ er sich ins Heu zurücksinken. Staubkörner tanzten im spärlichen Licht der Sonnenstrahlen, die sich durch die Ritzen der Bretterwände quetschten. Die vereinbarte Stunde war lange vorüber. Warum kam sie nicht?

    Er zerrte sich das Hemd über den Kopf und fächerte sich damit Luft zu. Dass er das alles auf sich nahm – für eine Frau! Aber Ashilda war nicht irgendeine Frau. Sie war die Frau. Die Eine. Niemand sonst dürfte ihn so zum Narren halten. Es sah ihr ähnlich, ihn warten zu lassen. Und doch tat er es mit Freuden. Das Blöde war, dass sie das wusste.

    Dann hörte er Schritte. Endlich! Ein Knarren, als das Scheunentor sich öffnete. Kjartan ging dahinter in Deckung, nur zur Sicherheit, falls es jemand anderes war, doch seine Sorge erwies sich als unbegründet. Geschmeidig wie eine Katze schlüpfte Ashilda durch das Tor und blieb stehen. »Kjartan?«, flüsterte sie in das Halbdunkel und legte aus reiner Gewohnheit die Hand an den Griff ihres Schwertes. Eine Kriegerin durch und durch. Mit durchgedrücktem Rücken und erhobenem Kinn stand sie mitten im Raum. Ohne Furcht, ohne den leisesten Zweifel an ihrem Handeln. Das liebte er am meisten an ihr, dieses Selbstbewusstsein. Er gab sich nicht zu erkennen, drückte sich tiefer in den Schatten. Sein Herz klopfte schnell und hart. Langsam kam sie weiter in den Raum hinein. »Kjartan. Ich habe keine Zeit für …«

    Er trat von hinten an sie heran und hauchte einen Kuss auf ihren Nacken. »Hab dich.«

    Sie wirbelte herum. »Du hast mich erschreckt! Ich hätte dich töten kön-«

    Er legte seine Lippen auf die ihren und der Widerstand schmolz dahin. Stattdessen schlang sie die Arme um seinen Nacken und presste sich an ihn. Sie schmeckte nach Salz und Bier wie ein Seemann. Manchmal zog er sie damit auf. Aber nicht heute. Es war zu lange her. Das Deck eines Schiffes war kein guter Ort für eine heimliche Liebschaft. Dass er sie Tag und Nacht vor Augen hatte, half ihm leider auch nicht, sein Verlangen nach ihr zu schmälern.

    »Mach schnell«, flüsterte Ashilda, während sie an seiner Hose zerrte.

    Das ließ er sich nicht zweimal sagen.

    Er liebte die kurzen, abgehackten Schreie, mit denen sie sich ihm hingab, dennoch hielt er ihr den Mund zu, damit niemand sie hörte. Sie biss ihm in die Hand und lachte, als er sie keuchend zurückzog. Sie bemühten sich, leise zu sein, aber es blieb bei einem Versuch.

    »Das wurde auch Zeit«, schnurrte sie hinterher und streichelte sein Gesicht.

    Kjartan grinste. Erschöpft und zufrieden löste er sich von ihr. »Du bist spät. Dachte, du kommst nicht mehr.«

    Ashilda zuckte mit den Schultern, während sie ihren goldblonden Zopf richtete. »Es ging nicht eher. Er hätte Verdacht geschöpft.«

    Kjartan biss sich auf die Lippe. Der Gedanke an ihn schnürte seine Eingeweide zusammen. Während Ashilda sich anzog, griff er in seine Tasche und holte das Geschenk hervor, das er am Morgen auf dem Markt gekauft hatte. Wieder trat er von hinten an sie heran, legte einen Arm um ihre Hüfte und ließ den Anhänger mit dem filigranen, blassblauen Stein vor ihrem Gesicht hin und herbaumeln.

    Ashilda drehte den Kopf zu ihm herum, einen alarmierten Ausdruck im Gesicht.

    »Was ist das?«

    »Ein Geschenk für dich.«

    Sie lächelte unglücklich. »Du weißt, dass ich es nicht tragen kann.«

    »Sag, du hättest es selbst gekauft«, wischte er ihren Einwand beiseite. »Oder sag ihm die Wahrheit.«

    Sie lüpfte eine Augenbraue und drehte sich aus seinem Arm. Er stand da wie ein Idiot, den Anhänger noch immer in der Hand. »Und die wäre?«

    »Dass du ihn für mich verlässt!«

    Ihr bitteres Lachen fuhr ihm direkt ins Herz. »Das wäre dein Tod, Kjartan!«

    Störrisch schüttelte er den Kopf. »Denkst du, ich kann es nicht mit ihm aufnehmen?«

    »Würdest du das wirklich wollen? Ihn bekämpfen? Ihn vielleicht sogar töten?« Sie verschränkte die Arme und blitzte ihn herausfordernd an.

    Sie wusste genau, dass er es nicht wollte. Die ganze Situation war zum Verzweifeln.

    Er trat einen Schritt auf sie zu. »Ich würde es tun, Ashilda. Für dich würde ich es tun. Ich liebe dich.«

    Ihr Blick weichte auf. Sie kam ganz nah an ihn heran, streichelte ihn wie einen kleinen Jungen, dem man das Spielzeug zerbrochen hatte. »Ach Kjartan, ich liebe dich auch.«

    »Dann lass uns einfach verschwinden«, drängte er. Hoffnung keimte in ihm auf. Die irrige Hoffnung, sie könnte endlich zustimmen.

    Ashilda zerstörte sie mit einem Schnauben. »Einfach verschwinden? Und dann?«

    »Uns fällt schon was ein.«

    Sie runzelte die Stirn. »Das hatten wir doch schon. Ich will dieses Leben, Kjartan! Mit allem, was es mir zu bieten hat. Und ich will dich. Ist das zu viel verlangt? Können wir nicht einfach so weitermachen wie bisher?«

    Trotzig wies er ihre Liebkosung zurück. »Nein! Können wir nicht! Ich kann es nicht!« Es war nicht das erste Mal, dass sie diese Unterhaltung führten, aber zum ersten Mal wollte er sich nicht zufriedengeben. Er wollte mehr, wollte sie ganz.

    Ungerührt wartete sie seinen Ausbruch ab. »Du weißt, dass ich mir meinen Platz auf der Söldnerin hart erkämpft habe. Aus der Gosse Haithabus habe ich es bis hierhergeschafft, an die Seite eines respektierten Mannes.«

    »Als seine Hure«, knirschte Kjartan.

    Ihre Hand klatschte auf seine Wange, eher er begriff, wie ihm geschah. Er starrte sie an. Waren das Tränen in ihren Augen?

    »Er kann mich jederzeit in diese Gosse zurückstoßen«, fuhr sie fort, als sei nichts gewesen, während seine Wange noch brannte. »Willst du das? Willst du, dass ich alles aufgebe? Für dich?«

    Ja, genau das wollte er. Aber er verstand, dass sie es nicht konnte. Nicht für einen mittellosen Ruderer wie ihn. Er biss die Zähne zusammen und schluckte seinen Stolz hinunter. Irgendwann. Irgendwann würde sie ihm gehören. »Verzeih mir«, flüsterte er.

    Sie küsste seine Wange, dort, wo sie ihn geschlagen hatte, dann trat sie einen Schritt zurück. »Gib mir die Kette. Ich werde sie tragen.«

    Zu überrascht, um etwas zu erwidern, legte er ihr den Anhänger in die ausgestreckte Hand. Mit einem versöhnlichen Lächeln legte sie ihn sich um den Hals. Der Stein passte perfekt zu ihren Augen und der gebräunten Haut.

    »Ich bin die Deine, Kjartan. Hier drin.« Sie tippte sich auf die Brust und er wollte zerbersten vor Glück und Verzweiflung. Dann biss sie sich auf die Lippe. »Wir haben noch etwas Zeit. Willst du …?«

    Bevor sie die Worte zu Ende gesprochen hatte, packte er sie und warf sie ins Heu.

    Nachdem er sich von Ashilda getrennt hatte, ging er nicht gleich zurück zum Hafen, sondern suchte sich eine Stelle am Strand abseits des Trubels, um zu baden. Er hatte versucht, Ashilda zum Mitkommen zu überreden. Sie hatte abgelehnt. Es wäre auch zu schön gewesen. Etwas hatte sich seit ihrem Streit verändert. Ihren Berührungen und Küssen hatte die Leidenschaft gefehlt und beim Abschied konnte sie ihm nicht in die Augen sehen. Missfiel es ihr, dass er Ansprüche auf sie erhob? War es denn so abwegig, sich für ihn zu entscheiden?

    Er warf sich in die Fluten, spülte ihren und seinen Schweiß von sich ab. Das Wasser war warm und klar, ganz anders als im Nordmeer. Die Landschaft, die ihn umgab, so lieblich wie der Wein, den er am Abend trank. Er mochte es hier, aber er vermisste doch den herben Wind der Heimat. Hier hatte er das Gefühl, den ganzen Tag durch klebrigen, süßen Honig zu waten. Das Leben war zu leicht, zu sonnig. Drei Winter waren genug, er freute sich auf die Heimfahrt. Vielleicht würde Ashilda ihn begleiten, wenn er endlich seinen Platz als bóndisson auf dem Karrshof in Jütland einnähme. Hier war er nur ein einfacher Ruderer. Aber dort könnte er mehr sein – wenn er den Mut aufbrächte, heimzukehren.

    Seine Kleidung hatte er am Strand liegen gelassen, denn es war kein Mensch weit und breit zu sehen gewesen, während er ein ums andere Mal eintauchte, den silbrigen Fischschwärmen hinterherjagte und versuchte, Ashildas Duft aus der Nase zu bekommen.

    Als er auftauchte und zum Strand blickte, hockte jemand über seinen Kleidern und wühlte darin herum.

    »He!«, brüllte er und schwamm zurück zum Ufer.

    Die Gestalt, ein halbstarker Rotzlöffel, soweit er es erkennen konnte, blickte zu ihm auf und grinste. Er hob Kjartans Börse und schwenkte sie in seine Richtung, dann lief er davon. Kjartan stieß die Faust ins Wasser. Das hatte ihm gerade noch gefehlt! »Verfluchter Mist!«

    Er beeilte sich, an Land zu kommen. Das Wasser spritzte um ihn herum, als er mit großen Sprüngen das Ufer erreichte, aber da war der Ziegenschiss längst verschwunden. Mit ihm sein Dolch und seine Börse! Wenn er den erwischte! Kjartan zog sich die Kleider über den nassen Leib und folgte den Fußspuren, die wie erwartet in Richtung Hafen führten. Da heute Markttag war, herrschte reger Betrieb. Dutzende Schiffe tummelten sich in der tiefen Bucht, die von Bergen und Weinhängen gesäumt und so vor starken Winden geschützt war. Unzählige Stimmen flogen an sein Ohr. Massalia erfreute sich großer Beliebtheit bei den Händlern, sowohl aus Byzanz als auch aus dem restlichen Frankenreich und Gothien. Kaum ein nordisches Langschiff verirrte sich so weit in den Süden, nur die Söldnerin steuerte den Hafen regelmäßig nach ihren Beutezügen an, um Handel zu treiben. Wenn sie in die Heimat zurückkehrte, würde sich das ändern. Schon jetzt sprachen die Männer über kaum etwas anderes, als mit mehr Schiffen, mehr Waffen, mehr Kriegern hierher zurückzukehren.

    Kjartan schob sich durch die Menschenmenge und hielt die Augen nach dem Jungen offen, aber da er ihn nur anhand der Kleidung, die jeder Gossenjunge hierzulande trug, identifizieren konnte, stellte sich sein Unterfangen bald als aussichtslos heraus.

    »He, du da! Hast du einen Jungen gesehen, etwa so groß, braune Kappe?«, sprach er ein paar Marktschreier an, doch alle schüttelten bloß den Kopf oder zuckten mit den Schultern. Selbst wenn sie ihn gesehen hätten – hier interessierte sich niemand dafür.

    »Wenn du einen Jungen suchst, dann versuch’s mal beim Comte! Je jünger, umso besser, so munkelt man über ihn.« Ein zerlumpter, langhaariger Mann torkelte auf ihn zu. In der rechten Hand hielt er eine tönerne Flasche, die er beim Sprechen ausladend hin und herschwang.

    »Hältst du dein dummes Maul«, fauchte ein Zweiter, der neben ihm auf den Stufen gesessen hatte, die hinauf zur Kirche führten. »Oder willst du deine Zunge verlieren?«

    Kjartan wandte sich ihnen zu. »Ich suche einen bestimmten Jungen. Er hat mich bestohlen, unten am Ufer.«

    »Tja …«, sagte der erste Sprecher und kratzte sich ratlos an der Augenbraue. »Wenn er dich bestohlen hat … dann lohnt es sich wohl nicht, dich anzubetteln, hä?«

    »Lass ihn! Siehst du nicht, dass er zu den Homme du nord gehört?«

    »Klar seh’ ich das!« Ärgerlich schwang der Kerl seine Flasche in Richtung des anderen, bevor er sich wieder Kjartan zuwandte. Von seinem Kinn troff der Speichel. »Bin ja nich’ blind.« Seine verquollenen Augen suchten Kjartans Erscheinungsbild ab, zweifellos auf der Suche nach etwas, das sich zu stehlen lohnte. Kjartan legte die Hand auf den Griff seines Langschwertes. Das Einzige, was der Dieb ihm nicht genommen hatte. Vermutlich, weil es ihm zu schwer gewesen war.

    Der Mann hob abwehrend die Hände. »Muss ein mutiger Bursche gewesen sein, einen wie dich zu beklauen.«

    »Er wird es bereuen, nicht auch noch mein Schwert genommen zu haben«, versicherte ihm Kjartan und sah sich um. Je länger er hier rumstand und plauderte, umso geringer wurden seine Chancen, seine Börse je wiederzusehen. »Also?«

    »Hab nix gesehn«, sagte der Mann mit einem schiefen Lächeln, bei dem er seine Zahnstümpfe entblößte.

    Kjartan fluchte und machte sich ohne ein Wort des Abschieds davon. Noch eine Weile lief er über den Markt und die umliegenden Gassen, die sich von der Bucht aus nach oben schlängelten. Dort thronte über allem der Palas des Comte von Massalia, dem Stellvertreter des Kaisers der Franken in dieser Provinz, wer auch immer das gerade war. Ludwig der Fromme befand sich im Zwist mit seinen Söhnen. Welcher von jenen nun gerade das Fränkische Reich regierte, wusste Kjartan nicht. Es war ihm auch egal. Die Christen mit ihrem einen Gott waren ebenso unfähig, ein Land zu einen, wie es seine eigenen Landsleute waren. Kjartan folgte lieber dem Ruf der See, denn dort regierten allein die Götter und bestimmten das Geschick der Menschen, nicht irgendein feiner Herr auf einem Thron aus Gold.

    Nachdem er den gesamten Platz abgesucht hatte, musste er einsehen, dass er die Spur des Diebes verloren hatte, und machte sich auf den Rückweg zur Söldnerin. Außer Thorbjorn, der gerade Wache schob, war niemand an Bord.

    »He, Kjartan! In welcher Hure hast du dich herumgetrieben?«, brummte er schlecht gelaunt zur Begrüßung und blickte doch kaum von seiner Schnitzerei auf.

    Kjartans Eingeweide zogen sich zusammen, alles Blut sackte aus seinem Gesicht. »Wie kommst du denn darauf?«, fragte er leutselig, während er seinen Seesack aus dem Laderaum holte.

    »Du hast dieses dämliche Grinsen. Wie ’ne Jungfrau, die zum ersten Mal flachgelegt wurde. Außerdem hast du deinen Wachdienst versäumt.«

    »Oh, scheiße!«

    »Tja, scheiße. Hab was gut bei dir.« Thorbjorn grinste verschlagen. »Nu’ sag schon, wer war’s? Oder ist das etwa ein Geheimnis?«

    »Kein Geheimnis«, erwiderte Kjartan betont gelassen. »Bloß nicht der Rede wert. Wie du schon sagtest – nur irgendeine Hure.«

    Thorbjorn musterte ihn weiter, viel zu lange. Ob er etwas ahnte? Er war nicht dumm und ihm entging fast nichts. Was, wenn er sich verraten hatte? Eine Geste, ein Blick, eine heimliche Berührung könnte schon genügt haben. Unbehaglich zählte er seine Münzen ab. Er war nicht so dumm, sein gesamtes Silber mit sich herumzutragen. Einen Teil ließ er stets bei seinen Sachen auf dem Langschiff zurück, das Tag und Nacht bewacht wurde. Allerdings war sein Reichtum dank des Diebstahls und dem Kauf der Kette für Ashilda nun erheblich zusammengeschrumpft. Um nicht länger Thorbjorns bohrenden Fragen ausgeliefert zu sein, verließ er das Schiff schnell wieder.

    Wie erwartet fand er Hjalmar und die anderen in der Schenke, wo - obwohl es erst früher Nachmittag war - schon ordentlich Bier und Wein floss. Sie saßen in ihrer Stammecke, Ashilda war bei ihnen. Hjalmar hatte seinen Arm um ihre Schultern gelegt und zog sie zu sich heran, um sie zu küssen. Kjartan ballte die Faust in der Tasche. An diesen Anblick war er gewöhnt, trotzdem schmerzte er ihn heute mehr als sonst. Vielleicht, weil Ashilda ihn wieder einmal abgewiesen hatte.

    Ashildas Blick streifte ihn kurz, als er an den Tisch herantrat, aber sie sah gleich wieder weg. »Wo hast du dich herumgetrieben, Kjartan?«, fragte Hjalmar. »Wollte schon ’nen Suchtrupp losschicken. Du hast deine Wache versäumt.«

    Kjartan biss sich von innen auf die Wange. »Es tut mir leid. Hab nicht mehr dran gedacht.«

    Hjalmar schob Ashilda fort, als wäre sie ihm lästig, während er Kjartan streng musterte. »Alles in Ordnung, Junge? Hast du Probleme, von denen ich wissen sollte?«

    Lieber nicht , dachte Kjartan und schüttelte schnell den Kopf. »Soll ich Thorbjorn jetzt ablösen gehen?«

    Hjalmar winkte ab. »Lass gut sein. Setz dich und trink was. Du siehst aus, als hättest du es nötig.«

    Das Schlimmste war, dass Kjartan ihn mochte. Er war ein Freund seines Onkels Eirik und lange Zeit ein Teil dessen Mannschaft gewesen, bevor er die Söldnerin erwarb. Hjalmar war ein Riese von einem Mann, mit rostroten Locken am ganzen Leib. Er war grobschlächtig, trinkfest und grausam zu seinen Feinden. Seine Männer behandelte er mit Respekt und Anstand, weshalb niemand auf die Idee käme, ihn zu hintergehen.

    Niemand außer ihm, Kjartan Runolfsson.

    Kjartan schlich an das untere Ende der langen Tafel und setzte sich. Sogleich brachte die Schankmaid ihm einen Krug Wein. Er beteiligte sich halbherzig an den Gesprächen, aber irgendwann versank er in brütendem Schweigen und nur der Wein leistete ihm noch Gesellschaft. Er trank zu viel davon. Als er aufsah, verschwammen die Ränder seines Blickfeldes. Draußen war es dunkel geworden. Die Schankmaid stellte Kerzen auf die Tische. Hjalmar und ein paar andere hatten zu würfeln begonnen. Münzen, Silber und Schmuckstücke lagen als Einsatz auf dem Tisch. Auch einige Zuschauer hatten sich eingefunden. Ob Ashilda seine Kette trug? Verstohlen spähte er zu ihr hinüber. Sie verfolgte gespannt, wie Hjalmar würfelte, und schenkte Kjartan keinerlei Aufmerksamkeit. Wahrlich, sie beherrschte dieses Spiel besser als er. Als Hjalmar wieder einmal gewann, jubelte sie und küsste seine Wange. Kjartan zerbrach sich den Kopf darüber, ob sie Hjalmar womöglich wahrhaft liebte und ihn, Kjartan, deshalb hinhielt. Er hatte es noch nicht gewagt, sie danach zu fragen.

    Ashilda stand auf und die Männer machten ihr Platz. Mit einem Zug leerte Kjartan seinen Krug, bedeutete der Maid, ihm nachzuschenken, und folgte Ashilda nach draußen. Trotz der Dunkelheit hatte sich die schwüle Luft kaum abgekühlt. Wie eine Glocke lag sie über dem Hafenbecken. Selbst der schwache Wind züngelte heiß über seine Haut. Ashilda schlug den Weg über den Hinterhof zum Abort ein. Die wenigsten Frauen würden ihn zu dieser Stunde allein beschreiten. Aber Ashilda war nicht wie andere Frauen. Sie war eine Schildmaid und konnte es mit jedem Mann aufnehmen. Kjartan ging ihr nach und wartete. Erst, als sie das Häuschen verließ, machte er sie mit einem Pfiff auf sich aufmerksam.

    Sofort wirbelte sie mit dem Schwert in der Hand herum.

    »He, ich bin’s nur«, beruhigte er sie.

    »Kjartan!« Sie stieß das Schwert ruppig zurück in die Scheide.

    Er nahm ihre Hand und zog sie in den Schatten des Aborts, um sie zu küssen. »Ich kann dich nicht den ganzen Abend ansehen, ohne das hier zu tun.«

    Sie erwiderte den Kuss zwar, aber er spürte, dass sie nicht bei der Sache

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