Irrlicht 51 – Mystikroman: Die Sage um Captain Wratt
Von Gabriela Stein
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Die Provinz Sutherland in Schottland war für ihr rauhes Klima bekannt. Cecile McLane wußte das und hatte warme Sachen vorausgeschickt. Am Tage ihrer Ankunft in Durness war die See stark bewegt, der Himmel grau, mit tief herunterhängenden Regenwolken bedeckt. Es war kalt, und es regnete unaufhörlich. Das junge Mädchen fror. Als sie in Edinburg in den Zug gestiegen war, hatte die Sonne geschienen. Dr. Hutton, bei dem sie als Assistentin arbeitete, hatte sie für einige Wochen zu einem jungen Kollegen nach Wratt geschickt. Sie sollte sich dort erholen und Dr. James Denniston zur Hand gehen, bis dieser eine neue Kraft für seine Praxis gefunden hatte. Cecile freute sich auf Dr. Denniston, den sie von seinen Besuchen bei Dr. Hutton kannte. Daß sie sich heimlich in ihn verliebt hatte, wußte nur sie selbst, denn Dr. Denniston hatte nur wenig mit ihr gesprochen und kaum Notiz von ihr genommen. Ihre kurzen Gespräche waren ausschließlich fachlicher Natur gewesen. Trotzdem hatte sie oft an ihn gedacht. Sie würde ihn also wiedersehen und wenigstens für einige Wochen in seiner Nähe sein. Während der Fahrt hatte das Hochgefühl auf das bevorstehende Wiedersehen angehalten, doch je näher sie ihrem Ziel kam, desto mehr verlor sich dieses freudige Erwarten und machte einer gewissen Besorgnis Platz. Ein Fischerboot brachte Cecile nach Wratt hinüber, denn die Straßen waren seit Stunden so aufgeweicht, daß sie unbefahrbar geworden waren.
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Irrlicht 51 – Mystikroman - Gabriela Stein
Irrlicht
– 51 –
Die Sage um Captain Wratt
Gabriela Stein
Die Provinz Sutherland in Schottland war für ihr rauhes Klima bekannt. Cecile McLane wußte das und hatte warme Sachen vorausgeschickt.
Am Tage ihrer Ankunft in Durness war die See stark bewegt, der Himmel grau, mit tief herunterhängenden Regenwolken bedeckt. Es war kalt, und es regnete unaufhörlich. Das junge Mädchen fror.
Als sie in Edinburg in den Zug gestiegen war, hatte die Sonne geschienen. Dr. Hutton, bei dem sie als Assistentin arbeitete, hatte sie für einige Wochen zu einem jungen Kollegen nach Wratt geschickt. Sie sollte sich dort erholen und Dr. James Denniston zur Hand gehen, bis dieser eine neue Kraft für seine Praxis gefunden hatte.
Cecile freute sich auf Dr. Denniston, den sie von seinen Besuchen bei Dr. Hutton kannte. Daß sie sich heimlich in ihn verliebt hatte, wußte nur sie selbst, denn Dr. Denniston hatte nur wenig mit ihr gesprochen und kaum Notiz von ihr genommen. Ihre kurzen Gespräche waren ausschließlich fachlicher Natur gewesen. Trotzdem hatte sie oft an ihn gedacht. Sie würde ihn also wiedersehen und wenigstens für einige Wochen in seiner Nähe sein.
Während der Fahrt hatte das Hochgefühl auf das bevorstehende Wiedersehen angehalten, doch je näher sie ihrem Ziel kam, desto mehr verlor sich dieses freudige Erwarten und machte einer gewissen Besorgnis Platz.
Ein Fischerboot brachte Cecile nach Wratt hinüber, denn die Straßen waren seit Stunden so aufgeweicht, daß sie unbefahrbar geworden waren. Schon in Durness hatte Cecile das Empfinden gehabt, ans Ende der Welt gekommen zu sein.
Jetzt stand sie neben dem Fischer, der das Ruder fest in der Hand hielt und mit zusammengekniffenen Augen die Regenwand zu durchdringen suchte. Die See war schwarz und drohend.
In der Ferne leuchtete ein Blinklicht auf, vermutlich ein Leuchtturm, der den Schiffen den Weg wies. Ein Mann kam schwankend über die Planken des Bootes. Kurz darauf wurde die Tür aufgerissen. Sein Atem keuchte. Das Wasser lief an seinem Ölzeug in kleinen Bächen herab. Einen kurzen Moment verharrte er, dann schlug er die Tür hinter sich mit einem lauten Knall zu. Das Gesicht war grimmig, und mit einer ruckartigen Kopfbewegung deutete er auf das Licht in der Ferne.
»Da ist es wieder, Vater«, fauchte er mit einer Stimme, in der Angst und Grauen lag und ohnmächtiger Zorn. Seine Lippen bebten.
»Ich habe es längst gesehen«, sagte der Fischer ruhig, ohne sich auch nur im geringsten von dem Benehmen seines Sohnes beeindrucken zu lassen.
Cecile sah die Männer mit verständnislosem Blick an.
»Ist etwas nicht in Ordnung?« fragte sie ängstlich.
Keine Antwort.
»Was sollen wir tun, Vater? Umkehren?«
»Zu spät! Diesmal scheint es, meint er es gut mit uns, er weist uns den rechten Weg. Wird wohl wissen, daß wir eine Lady an Bord haben.« Es klang etwas verächtlich. Auch der Sohn lachte höhnisch auf.
»Weißt du ganz genau, daß er uns nicht gerade ihretwegen in die Klippen lockt?«
»Halt den Mund!« befahl der Fischer grob, ohne die Stimme zu erheben.
Der junge Mann schielte zu dem Mädchen hinüber, als käme alles Unheil allein von ihr. Seine Haltung war die eines Tigers, der jeden Augenblick zum Sprung bereit war, um sein Opfer in seine Fänge zu bekommen.
Cecile stockte der Atem. Sie begriff nicht, was die Männer so in Rage versetzte, aber sie sah mit erhöhter Aufmerksamkeit zu dem Licht, das hoch oben auf dem Kap-Felsen in regelmäßigen Abständen sein Leuchtfeuer aussandte.
Obwohl sie vor Angst und Kälte kaum fähig war, Worte zu formen, trat sie docn näher an den älteren Fischer heran. »Was ist das für ein Leucht-
feuer?« fragte sie mit zitternden Lippen.
Der Sohn antwortete für seinen Vater, aber er gab seine drohende Haltung nicht auf. »Haben Sie noch nie etwas von Captain Wratt gehört, Miß?«
Cecile schüttelte den Kopf. »Sollte ich?« fragte sie verwundert.
»Du sollst gefälligst deinen Mund halten!« schimpfte der Ältere los.
Cecile fing den mahnenden Blick auf, den der Fischer seinem Sohn zuwarf.
»Aber Vater, sie wird es bald erfahren. Warum soll ich es ihr nicht sagen?«
»Du hast schon zuviel geredet!«
Der junge Mann stürmte hinaus. Die Tür blieb hinter ihm offen, und der Wind wehte den Regen herein.
Cecile ging hin und schloß die Tür. Da sah sie, wie sich der Arm des jungen Mannes erhob, wie sich seine Hand zu einer Faust ballte, die sich gegen das Kap in drohender Haltung richtete.
Erschrocken trat sie zurück. »Wer ist Captain Wratt?« fragte sie. »Ein Konkurrent von Ihnen?«
»Haha, so kann man es auch nennen!«
Cecile verstummte augenblicklich. Diese beiden Fischer benahmen sich höchst merkwürdig. Allmählich bedauerte sie, mit ihnen gefahren zu sein. Sie hätte sich in einem Hotel in Durness erst ausschlafen sollen, bevor sie nach Wratt weiterreiste. Auf einen Tag wäre es schließlich nicht angekommen.
»Entschuldigen Sie, wenn ich etwas sagte, das Sie mißbilligen. Ich kenne ja nicht den Grund Ihrer Erregtheit.«
»Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen, Miß. Wenn ich Ihnen aber einen guten Rat geben darf, so reisen Sie schnellstens dahin zurück, woher Sie gekommen sind. Es ist kein Aufenthalt für eine junge und…«, er sah sie von der Seite abschätzend an, »… hübsche Lady.«
»Aber hier wohnen doch auch Menschen, Sir? Warum sollte ich in ihrer Welt keinen Platz finden?«
»Sie mißverstehen mich. Ich kann Ihnen leider nicht mehr verraten. Ich meine es gut mit Ihnen. Sie sollten keine Fragen stellen, sondern danach trachten, von hier wegzukommen. Packen Sie erst gar nicht Ihre Koffer aus!«
»Dazu müßte ich einen triftigen Grund haben, Sir.«
»Nun, Gründe gibt es genug. Ich möchte aber nicht derjenige sein, der sie Ihnen nennt. Es könnte unangenehme Folgen für mich haben. Ich habe Familie.«
»Wollen Sie damit andeuten, daß jeder mir diese Gründe nennen könnte?«
»Ja, das will ich damit sagen. Haben Sie noch niemals die Sage von Captain Wratt gehört?«
Cecile zuckte die Achseln. »Wie sollte ich. Niemand glaubt mehr in der Stadt an Sagen. Sie sind so gut wie ausgestorben, Märchen, wenn Sie wissen, was ich meine.«
»Märchen?« brummte der Alte tonlos. »Also von mir erfahren Sie nichts. Erkundigen Sie sich woanders.«
»Es interessiert mich nicht. Glauben Sie wirklich im Emst, eine alte Sage könnte mich dazu bewegen, Sutherland wieder zu verlassen?«
»Davon bin ich sogar überzeugt, Miß.«
Cecile lächelte. »Ich gebe gern zu, daß alte Geschichten immer ein Körnchen Wahrheit enthalten. Diese Sagen aus längst vergangener Zeit – wer kann wissen, ob es nicht alte Mythen sind. Der Glaube an Götter, die schon lange nicht mehr existieren… Das alles ist. doch überholt. Daran glaubt doch heute kein Mensch mehr.«
Der Alte wurde unruhig. »Diese Sage, Miß, ist so lebendig wie Sie und ich, und – wie alt diese Sage auch sein mag – sie ist aktuell wie der Augenblick, in dem wir leben.«
»Sie verstehen es, Sir, meine Neugierde zu wecken.« Cecile konnte sich eines erneuten Lächelns nicht erwehren. Vielleicht wirkte es auch ein wenig belustigt und ließ sie überheblich erscheinen.
In diesem Augenblick tauchte der Bug des Bootes ins Wasser. Cecile griff haltsuchend nach dem Arm des Fischers, der Mühe hatte, das Ruder zu halten. Es ließ sich kaum noch bändigen und zerrte an seinen Kräften.
Cecile fühlte ein Würgen in ihrer Kehle. Mit einem Male hob sich das Boot empor und schoß auf einem Wellenkamm vorwärts. Sie ließ den Fischer los und taumelte zurück bis zur Wand, dort verharrte sie reglos.
Einen Moment lang schaute er sich um. Seine Augen waren tiefblau und in seinem Blick stand blankes Mitleid. »Sie schlagen meine Warnung in den Wind, Miß. Das ist ein Fehler, glauben Sie es mir!«
Das Boot begann erneut zu schlingern. Die Wellen warfen es hin und her. Der Fischer schwieg jetzt. Er sah aufmerksam und voller Spannung nach vorn.
Cecile beobachtete, wie seine Backenknochen malten.
Ihr Blick glitt zu dem Leuchtfeuer hinauf, daß plötzlich aufgeflammt war. Über den Klippen wurde der Himmel etwas heller. Da entfuhr ihr ein kleiner Schrei.
»Sehen Sie doch, dort oben!« rief sie verhalten. »Ist das nicht ein Mensch, der dort oben steht? Er scheint uns zuzuwinken.«
Die Augen des Mannes weiteten sich vor Entsetzen. »Bei allen guten Geistern, sehen Sie nicht hin, Miß!«
»Vielleicht will er Ihnen etwas mitteilen, Sir. Schauen Sie doch hinauf!«
»Meinen Sie, ich sehe ihn nicht? Das ist Captain Wratt!«
Cecile lachte laut auf. »Aber kein Mensch stellt sich auf die höchste Spitze des Felsens bei diesem Wetter. Er muß ja völlig durchnäßt sein.«
Der Fischer lachte kurz auf. »Das Wetter hat ihm noch nie etwas ausgemacht.«
»Dann kennen Sie ihn?«
»Um Gottes willen, nein, ich kenne ihn nicht und habe auch nicht die Absicht, ihn kennenzulernen!«
»Dann – dann fürchten Sie ihn?«
»Ich hasse ihn!« rief er ärgerlich, und in seinem Ärger schwang Zorn und Bitterkeit mit. Er hob die Faust und streckte sie drohend gegen die Felsen aus.
Cecile sah für einen Augenblick Mauerreste einer verfallenen Burg, die am Felsen zu kleben schien. Sie empfand Mitleid mit dem Mann dort droben, der sich vergeblich zu bemühen schien, eine Nachricht zu übermitteln.
»Was hat er Ihnen getan, Sir, daß Sie ihn so mit Ihrem Haß verfolgen?«
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