Und ewig lockt das Meer ...: Klaus Störtebeker 1 – Abenteuerroman
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»Wo ist Klaus denn schon wieder?« Franz von Althum stieß diese Worte sehr ungehalten hervor, als er den Stall betrat, wo seine Frau gerade eine der sieben Kühe molk, die die Familie neben zwei Pferden, etlichen Schweinen und Schafen sowie einer stattlichen Anzahl Geflügel ihr eigen nannte.
»Was weiß denn ich?« erwiderte Gesche mürrisch, während sie dem Schwanz der Kuh auswich, die auf diese Weise die lästigen Fliegen verscheuchen wollte. »Der Teufelsbraten treibt sich doch immer irgendwo herum, statt hier seine Arbeit zu tun. Du nimmst ihn eben nicht hart genug heran.«
»Wie kann ich das, wenn er sich ständig verdrückt?« Der Gutsherr, der eigentlich nur ein Pächter und besserer Bauer war, verließ mit gewichtigen Schritten den Stall, um seinen zweitgeborenen Sohn woanders zu suchen.
Das war ein müßiges Unterfangen, das sah er bald ein, denn Klaus war weder in der Scheune, noch bei den Bienenstöcken oder in der Töpferei. Nachfragen bei seinen Geschwistern blieben ohne Erfolg, so daß der Vater einer siebenköpfigen Kinderschar die Suche schließlich laut fluchend aufgab. Er hatte anderes zu tun, als nach einem Faulpelz zu forschen.
Klaus wußte genau, daß der Vater ihn suchen würde. Sollte er nur, ihn störte das nicht. Seit dem Morgengrauen hatte er auf dem Feld gearbeitet, hatte das Heu gewendet und anschließend Bohnen und Erbsen geerntet und sich wahrhaft geschunden, obwohl er zu Mittag nichts anderes zum Essen gehabt hatte als eine dicke Scheibe Brot und einen Krug mit Wasser. Er und seine Angehörigen kannten leider nichts anderes als Mühe und Plage. Aber er
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Buchvorschau
Und ewig lockt das Meer ... - Gloria von Felseneck
Klaus Störtebeker
– 1–
Und ewig lockt das Meer ...
Er war jung und unerschrocken. Er kannte die Liebe, die Sehnsucht und das Meer.
Gloria von Felseneck
»Wo ist Klaus denn schon wieder?« Franz von Althum stieß diese Worte sehr ungehalten hervor, als er den Stall betrat, wo seine Frau gerade eine der sieben Kühe molk, die die Familie neben zwei Pferden, etlichen Schweinen und Schafen sowie einer stattlichen Anzahl Geflügel ihr eigen nannte.
»Was weiß denn ich?« erwiderte Gesche mürrisch, während sie dem Schwanz der Kuh auswich, die auf diese Weise die lästigen Fliegen verscheuchen wollte. »Der Teufelsbraten treibt sich doch immer irgendwo herum, statt hier seine Arbeit zu tun. Du nimmst ihn eben nicht hart genug heran.«
»Wie kann ich das, wenn er sich ständig verdrückt?« Der Gutsherr, der eigentlich nur ein Pächter und besserer Bauer war, verließ mit gewichtigen Schritten den Stall, um seinen zweitgeborenen Sohn woanders zu suchen.
Das war ein müßiges Unterfangen, das sah er bald ein, denn Klaus war weder in der Scheune, noch bei den Bienenstöcken oder in der Töpferei. Nachfragen bei seinen Geschwistern blieben ohne Erfolg, so daß der Vater einer siebenköpfigen Kinderschar die Suche schließlich laut fluchend aufgab. Er hatte anderes zu tun, als nach einem Faulpelz zu forschen.
Klaus wußte genau, daß der Vater ihn suchen würde. Sollte er nur, ihn störte das nicht. Seit dem Morgengrauen hatte er auf dem Feld gearbeitet, hatte das Heu gewendet und anschließend Bohnen und Erbsen geerntet und sich wahrhaft geschunden, obwohl er zu Mittag nichts anderes zum Essen gehabt hatte als eine dicke Scheibe Brot und einen Krug mit Wasser. Er und seine Angehörigen kannten leider nichts anderes als Mühe und Plage. Aber er träumte doch dann und wann von einem anderen, leichteren und besseren Leben.
Vor einer Stunde hatte er sich heimlich in die Nähe des Strandes geschlichen, dorthin, wo ihn niemand sah. Unter einer uralten Buche hatte er seit geraumer Zeit sein Versteck. Die untersten Äste des Baumes hingen so tief herab und verbargen die leichte Senke, die im Laufe der Zeit entstanden war.
Hier lag Klaus auch jetzt, hatte die Arme hinter dem Kopf verschränkt und die Augen geschlossen, aber er schlief nicht. Wie konnte er schlafen, wenn das Meer rauschte, die Möwen schrien und er jenen Geruch einatmete, der von weither zu kommen schien und ihm wie eine Fata Morgana ein Dasein vorgaukelte, in dem es immer genug zum Essen gab, wo man zahlreiche Abenteuer bestehen mußte und so ganz nebenbei großen Reichtum erwarb. Und dieser Reichtum würde ihn dann unabhängig machen und würde ihm mindestens so viel Macht verleihen, wie sie der Graf von Brackmühlen besaß. Niemand, auch dessen Burgvogt nicht, würde dann etwas dagegen haben, wenn er die Anna heiratete, auch wenn sie dessen einzige Tochter war, und er große Dinge mit ihr vorhatte. Klaus von Althum würde dann eine glänzende Partie sein. Man würde ihn nicht abweisen, sondern mit offenen Armen empfangen.
Aber es war eben nur ein Trugbild, das nichts, aber auch gar nichts mit der Wirklichkeit zu tun hatte. Die sah nämlich ganz anders aus.
Er dachte an seine Kindheit, in der er nur wenige Jahre mit seinen Brüdern, Schwestern und den Kindern aus dem Dorf hatte spielen können. Sein Vater hatte ihn bald bei der Arbeit gebraucht, denn die Pacht für das kleine Gut mußte pünktlich gezahlt werden. Der Graf von Brackmühlen, dessen wehrhafte Burg auf der sogenannten Klosterhöhe thronte, kannte da kein Erbarmen. Graf Ottokar arbeitete natürlich nicht, er verbrachte seine Zeit damit, seine Kraft und Geschicklichkeit bei Turnieren zu demonstrieren sowie Saufgelage und Freßorgien mit seinen Verwandten und Freunden zu veranstalten, während seine Pächter, die freien Bauern und Handwerker und die vielen Leibeigenen kaum das Nötigste zum Leben hatten.
Klaus hätte ihm gar zu gern einen Tritt in den Allerwertesten verpaßt. Aber er war klug genug, um zu wissen, daß er damit nur seiner Familie und sich selbst schweren Schaden zufügen würde.
Der Burgvogt war auch nicht viel besser als der Graf, er war sogar noch schlimmer. Er war ein Mann, der nach oben auf allen vieren kroch, sein eigenes Gesinde aber außerordentlich schlecht behandelte. Außerdem war er ein Speichellecker und Lügner, der seinesgleichen suchte. Wie der zu so einer hübschen und aufrichtigen Tochter gekommen war, würde Klaus wohl immer ein Rätsel bleiben. Anna war ein Schatz, ein selbstbewußtes und zärtliches Mädchen, in das er sich im letzten Mai rettungslos verliebt hatte. Noch heute erinnerte er sich genau an diesen Tag und glaubte, ihr Lachen und ihre Stimme zu hören, als sie nach ihrer Freundin gerufen hatte.
*
»Martha, schau doch mal! Auf der Wiese da hinten blühen so viele Gänseblümchen. Wollen wir uns daraus einen Kranz winden?«
Martha Bleibtreu, die Tochter des Kämmerers, nickte eifrig und folgte dann der Freundin. Ihre Kleider flatterten im Frühlingswind und ihr Lachen klang weit über die Wiese, als sie die Gänseblümchen pflückten, sich danach ins Gras setzten und mit dem Flechten begannen.
Dem dort grasenden und wiederkäuenden Rindvieh machte die niedliche Gesellschaft nichts aus. Die Buntgescheckten hatten mit sich zu tun und warfen den Mädchen kaum einen Blick zu.
Klaus hingegen, der die Kühe zu hüten hatte, konnte seine Augen kaum noch von Anna abwenden. Sie fielen ihm bald aus dem Kopf angesichts von so viel Schönheit und Liebreiz. Ihr Haar leuchtete in der Sonne wie flüssiges Kupfer, ihr Mund war wie ein Rosenblatt und ihre Brüste wippten aufreizend in dem engen Mieder. Er wußte, daß sie die Tochter des Burgvogtes war und hatte sie schon vor einem Jahr einmal flüchtig gesehen. Damals war sie längst nicht so hübsch gewesen wie jetzt. Aus der kleinen grauen Motte war jetzt ein wunderschöner Schmetterling geworden, den er sich allzu gern einfangen wollte.
Klaus schluckte aufgeregt und beschloß, die Kühe für eine Weile sich selbst zu überlassen und zu den Mädchen zu gehen. Die blonde, noch etwas kindliche Martha interessierte ihn zwar nicht, aber es war natürlich gut, daß sie da war. Als – Anstandsperson – konnte er sie durchaus gelten lassen.
Genau wissend wie er auf das weibliche Geschlecht wirkte, schlenderte er auf die beiden zu und fragte mit sanfter Stimme: »Meint ihr wirklich, daß die Kränze auf eure Köpfe passen?«
Die Mädchen quietschten erschrocken, denn sie hatten den Burschen nicht kommen hören. Martha wurde knallrot und sagte kein Wort, Anna aber antwortete keck: »Du kannst uns ja beim Aufsetzen helfen, Klaus. Dann werden wir sehen, ob die Kränze richtig sitzen.«
»Das mache ich gern – sehr gern.« Klaus sank neben Anna auf die Knie, nahm ihr den inzwischen fertig geflochtenen Kranz aus der Hand und setzte ihn behutsam auf ihre Locken.
»Du siehst wunderschön aus«, flüsterte er ihr dabei so leise zu, daß Martha ihn nicht verstehen konnte. »Und du gefällst mir... so sehr.«
Nun errötete Anna auch, denn sie war einem Mann noch nie so nahe gewesen wie jetzt und spürte instinktiv sein Verlangen nach ihr. »Ich... ich muß nach Hause«, stammelte sie und stand abrupt auf. »Die Mutter... wird schon warten. Sie braucht mich in der Küche...«
»... und dein Vater wird schimpfen, wenn er erfährt, daß du dich von einem anschmachten läßt, der bei uns im Dorf und in der ganzen Umgebung hinter jeder Schürze her ist«, vollendete Martha, die ihre