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Gesches Glück: Historischer Kriminalroman aus dem Alten Land
Gesches Glück: Historischer Kriminalroman aus dem Alten Land
Gesches Glück: Historischer Kriminalroman aus dem Alten Land
eBook241 Seiten3 Stunden

Gesches Glück: Historischer Kriminalroman aus dem Alten Land

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Über dieses E-Book

Drei Jahre sind vergangen, seit Gesche die schwangere Magd Else in ihren Haushalt aufgenommen hat. Doch plötzlich packt den Kindsvater das Fernweh, und so entführt er kurzerhand seine kleine Tochter Trine, um mit ihr ins Morgenland zu fahren. Obwohl Wachtmeister Lührs seine Hilfe anbietet, zieht Gesche selbst los, um das Mädchen zu finden. Zusammen mit dem Dichter Rückert und dem Geschäftsmann Stechmann sticht die Altländer Bäuerin in See. Während Gesche in der Türkei die Weisheit der Derwische kennenlernt, entwickeln sich zu Hause die Dinge in eine unvorhergesehene Richtung …

SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum27. März 2021
ISBN9783960451105
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    Buchvorschau

    Gesches Glück - Annelie Schlobohm

    Rumi

    1. Kapitel

    Gesche stand in ihrem Außendeichstück an der Elbe. Das Schilf ging ihr bis zur Taille, dichte Rabatten von Sumpfdotterblumen blühten im Elbschlick zwischen den Reetpflanzen.

    Es duftete nach Elbwasser, das mochte Gesche gern riechen. Doch die frische Mailuft konnte sie nicht von ihrem schweren Kummer ablenken. Nach dem Tod ihrer Magd und Freundin Trine vor drei Jahren waren endlich wieder ein wenig Friede und Freude in ihr Leben eingekehrt, und nun schien das schon wieder vorbei zu sein.

    Sie war erbost. Wie konnte jemand so gemein sein wie dieser Hans und einer Mutter ihr Kind wegnehmen? Und dann war er auch noch entkommen nach seiner Tat, ohne dass ihn jemand aufgehalten hatte!

    Die Elbe natürlich, die machte so was möglich. Jeder konnte an Bord eines Schiffes gehen und wegfahren, der Fluss und der Wind suchten sich das ja nicht aus, wen sie auf einem Schiff woanders hinbrachten. Eigentlich hatte die Elbe noch was wiedergutzumachen nach der großen Sturmflut vor sechs Jahren, als alles kaputt gegangen war. Aber so ging das eben nicht immer im Leben. Die Elbe hatte wieder etwas genommen, statt etwas zu geben.

    „Böser Fluss!", schimpfte Gesche.

    Blinkende Lichtpunkte auf der Wasseroberfläche, wo die kleinen Wellen sie hin- und hertanzen ließen, erinnerten Gesche daran, dass sie früher in diesen Lichtern an sie gerichtete Briefe von Gott gesehen hatte.

    Das war vorbei. Gesche schickte die Briefe ungeöffnet an Gott zurück. Sie verließ sich jetzt erst mal nur noch auf sich selber.

    Das gegenüberliegende Ufer der Elbe war deutlich sichtbar, trotz der Entfernung von zwei Meilen. Frachtsegler fuhren vorbei. Gesche wusste, dass an Bord Lotsen waren, die kannten alle Sandbänke und Untiefen. Einige von ihnen wohnten in Twielenfleth, sie waren hoch angesehen im Alten Land. Wenn man einen sah und grüßte, und er grüßte zurück, war man stolz.

    Gesche hatte gehört, dass es neumodische Schiffe gab, die nicht nur Masten und Segel hatten, sondern auch Dampfmaschinen. Wenn es wie heute fast windstill war, wurden angeblich Öfen angeheizt, dann dampfte es irgendwo, und so kamen die Schiffe auch bei Flaute voran. Aber Gesche glaubte das nicht, sie hatte noch keinen Dampf oder Rauch aus einem Schiff aufsteigen sehen. Manchmal erzählten die Leute eben Sachen, die gar nicht stimmten.

    Auf den Wind konnte man sich zwar nicht immer verlassen, aber man war trotzdem völlig auf ihn angewiesen. So war das nun mal. Da konnten keine Dampfmaschinen was dran machen.

    Gesche lebte richtig gern im Alten Land. Doch wenn sie die Schiffe auf der Elbe sah, stellte sie sich manchmal vor, wohin das Wasser die wohl trug und wie es dort aussah, ob da andere Bäume und Blumen wuchsen und anderes Getreide. Vielleicht gab es woanders sogar andere Vögel. Sie hielt es allerdings für wahrscheinlicher, dass dort dieselben Störche und Sprehen lebten, die aus dem Alten Land in andere Länder flogen und wiederkamen. Dann hatten sie mal Abwechslung, und nach ein paar Monaten flogen sie in ihre alte Heimat zurück. Im Storchennest auf Gesches Dach kamen jeden Frühling die Störche an, da freute sie sich jedes Mal drüber. Die Sprehen konnten allerdings ruhig wegbleiben, die fraßen nur die Kirschen auf. Hinnerk Stechmann hatte ja einen Ara aus Puerto Rico mitgebracht, das sprach dafür, dass es doch auch noch andere Vögel gab in anderen Ländern.

    Am liebsten würde sie die fremden Länder selbst mal sehen, anstatt nur den Erzählungen der Seeleute zu lauschen. Das wusste man ja, dass da viel Seemannsgarn bei war.

    Aber eine Schiffsreise war unmöglich, Frauen wurden an Bord von Schiffen nur als Passagiere und nur in Begleitung geduldet. Zornig stampfte sie mit dem Fuß auf, der in einem Holzschuh steckte. Als Frau ohne Begleitung musste sie an Land bleiben und konnte nicht selbst entdecken, was es in fremden Ländern alles zu sehen gab.

    Hier im Alten Land aber musste sie so viel aushalten! Gott nahm ihr alle Menschen weg, die ihr nahestanden. Gesche verstand nicht, warum ihr Liebster Claas, ihr Bruder Garleff und ihre Magd und Freundin Trine starben und sie selbst dableiben musste.

    In den letzten Jahren hatte sie ihren Bauernhof allein bewirtschaftet, mit der Hilfe von Tagelöhnern. Ohne Magd ging das natürlich nicht, und in der neuen Magd Else stand ihr eine fleißige und tüchtige Frau zur Seite. Um Elses Tochter Lütt-Trine, die nun drei Jahre alt war, kümmerten sie sich gemeinsam. Lütt-Trines Vater hatte auf dem Hof als Knecht gearbeitet, aber er war eigentlich Seemann, und schließlich packte ihn wieder das Fernweh. Er heuerte auf einem Frachtsegler an, der zwischen Hamburg und verschiedenen Häfen am Mittelmeer verkehrte.

    Zunächst kam er noch alle paar Monate nach Hause, dann blieb er weg. Else weinte viel, sie verstand das nicht.

    Gesche hatte versucht, sie zu trösten: „Das hat bestimmt nichts mit dir zu tun. Er kann eben nicht so gut in der Landwirtschaft arbeiten mit seinem steifen Bein. Da kann er doch nichts für, dass er das zurückbehalten hat, als er damals aus dem Mast gestürzt ist."

    „Aber wenn er nu für immer weg ist, was wird denn mit mir und Lütt-Trine?"

    Else war untröstlich.

    „Ihr bleibt hier auf dem Hof! Lütt-Trine kriegen wir schon groß. Sie ist ja auch so niedlich, und ich hab doch keine Kinder."

    „Deswegen, weil du nicht heiraten tust, Bäuerin. Du bist nu über zwanzig. Nimm doch einfach Wachtmeister Krischan Lührs, der freit schon seit Jahrenden um dich. Denn wirst du auch Mutter."

    „Mutter werden möchte ich wohl. Aber nee. Ich hab Krischan nicht genug lieb."

    Gesche fand, sie konnte nicht jemanden heiraten, für den sie nur ganz schwache Gefühle hatte, wenn sie ihn sah.

    „Denn bleib ich lieber ledig."

    „Und der Hof? An wen willst du den vererben? Wenn du dreißig bist, denn kriegst du doch keine Kinder mehr, denn bist du doch schon fast alt. Else schlug sich mit der Faust aufs Knie. „Ist doch so!

    „Trotzdem! Gesche lächelte. „Denn kriegt eben Lütt-Trine den Hof.

    „Das uneheliche Kind von einer Magd! Das wär noch mal was! Seit die Bauern im Alten Land ackern, hat es das bestimmt noch nie gegeben!"

    Else traute sich nicht, den Gedanken zu fassen, dass sie vielleicht mal die Mutter einer Bäuerin sein würde. Sich so über ihren Stand zu erheben, und sei es nur in Gedanken, das musste Gott ja bestrafen.

    „Ich kann das bestimmen!"

    Gesche hatte ihr Kinn in die Höhe gereckt.

    Aber nun war wieder alles anders. „Bloß weil es dich gibt, böse Elbe, hat Lütt-Trines Vadder mit ihr weg gekonnt, grollte Gesche. „Bloß weil es Schiffe gibt. Wenn er hier geblieben wäre, wäre Lütt-Trine auch noch hier.

    Diesen neuen Schlag würde sie schwer verkraften, so viel stand fest.

    Zornig zog sie einen Holzschuh aus und warf ihn weit hinaus ins Wasser. Dort schwamm er mit dem ablaufenden Wasser in Richtung Meer. Eigentlich hieß es zwar die See, sonst gäbe es ja keine Seeleute und Seefahrt, aber die See hatte mehrere Meere, soweit Gesche wusste. Das erste Meer von hier aus gesehen war die Nordsee. Dann kam der Ärmelkanal und danach der Atlantische Ozean, bevor das Schiff endlich ins Mittelmeer einbog. Außer den Namen wusste Gesche nicht viel von der See, aber sie hatte Vorstellungen von ganz viel Wasser, noch mehr als in der Elbe war, so viel, dass man das andere Ufer nicht sehen konnte. Nicht wegen Nebel, wie hier manchmal, sondern bei jedem Wetter. Das musste komisch sein, nur Wasser sehen zu können, und das Schiffsdeck, die Reling, die Masten, die Segel natürlich.

    Gesche sah erschrocken ihren Schuh davon treiben. Ihre Holzschuhe waren ihr einziges Paar Schuhe, die trug sie jeden Tag. Zwar konnte sie sich einen neuen Holzschuh schnitzen lassen, aber es dauerte Jahre, bis der Fuß und der Schuh sich so aneinander gewöhnt hatten, dass man keine Blasen mehr an den Füßen hatte. Wie hatte sie sich so hinreißen lassen können!

    Sie brach eine lange Weidenrute von einer Krüppelweide ab und ging in den Fluss, um den Schuh zurückzuholen. Das Wasser war kalt; sie schrie leise auf, als die Kälte ihr in die Beine schnitt.

    „Dammi noch mal!", fluchte sie. Sie ärgerte sich über sich selbst.

    Ihr Schuh trieb gemächlich davon. Gesche hoffte, dass sie nicht schwimmen musste, um ihn zu erreichen. Mit nasser Kleidung nach Hause laufen, da würde sie sich bestimmt erkälten.

    Sie versuchte, mit dem Schuh auf gleicher Höhe zu bleiben und mit dem Stock nach ihm zu angeln.

    „Hoffentlich muss ich dir nicht bis zum Meer folgen, Schuh", murmelte sie.

    Schließlich erwischte sie ihn mit der Weidenrute und konnte ihn zu sich heranziehen.

    Als sie wieder am Ufer war, stellt sie fest, dass ihr Rock und die Unterröcke sich mit Wasser vollgesogen hatte. Nun waren sie schwer, Gesche konnte nur mit Mühe gehen. Den Versuch, die Röcke und Unterröcke auszuwringen, gab sie bald auf, es war unmöglich.

    Sie spülte den Schlick aus dem anderen Holzschuh aus. Nun musste sie so schnell wie möglich nach Hause. Aber dort hielt sich Krischan Lührs auf, vor dem Gesche an die Elbe geflohen war, weil sie das nicht mehr aushalten konnte, was er redete und Ermittlungen in Sachen einer Kindesentführung nannte.

    „Nützt nichts. Ich muss zu Hause trockene Sachen anziehen", sagte Gesche zu ihren Holzschuhen.

    Am liebsten hätte sie den Rock und die Unterröcke ausgezogen, um schneller laufen zu können, das ging jedoch nicht. Wenn sie jemand so sah!

    Den Deich hinauf wäre sie am liebsten gekrochen, so sehr zogen die schweren Röcke sie nach unten. Aber sie schaffte es hinauf. Dann musste sie noch ein Stück auf dem Deich gehen, bevor sie ihre Hofgebäude sah. Die Maisonne wärmte überhaupt nicht, ein kühler Wind wirbelte die kleinen weißen Blütenblätter der Kirschblüten herum, die wie winzige Flaumfedern durch die Luft flogen.

    Der Weg, der sich auf der Landseite an den Deich anschloss, war leer. Gesche überquerte ihn rasch und lief über ihren Hofplatz. Lütje, ihr Hund, kam aus der Großtür heraus, die einen Spalt offen stand. Entgegen seiner sonstigen Gewohnheit begrüßte er sie nicht stürmisch, er schaute sie nicht einmal an.

    „Du bist wohl beleidigt, weil ich dich nicht mitgenommen hab, vermutete Gesche. „Hast ja recht, ich hätte an dich denken sollen. Oder bist du böse mit mir, weil du denkst, ich habe Schuld, dass die Entführung passiert ist? Das lass man, da kann ich nichts für.

    Aber heimlich dachte sie manchmal, dass sie es hätte verhindern müssen. Wenn sie dies und das getan oder nicht getan oder gesagt oder nicht gesagt hätte, denn wäre es anders gekommen. Und alles wäre immer noch wie früher, als das noch gut war.

    Als sie durch die Großtür auf die Diele trat, hörte sie Krischans Stimme.

    Die Tiere in den Ställen waren unruhig, aber Krischans tiefe Stimme tönte lauter als die Geräusche.

    Es roch nach Kohl, offensichtlich war Else am Kochen. Erleichtert stellte Gesche fest, dass sie sich nicht selbst um das Essen kümmern musste. Else konnte trotz des Schicksalsschlages noch arbeiten.

    „Else, das ist nu wichtig, dass du dich an alles erinnerst", dröhnte Krischans Stimme.

    Warum spricht er nur so laut?, dachte Gesche, als sie sich der Kochstelle näherte, wo die beiden auf Hockern saßen.

    Else schluchzte. „Ich zerbrech mir doch schon die ganze Zeit den Kopf! Aber mehr weiß ich beim besten Willen nicht, als was ich schon gesagt hab. Er hat nur den Zettel dagelassen."

    Mit ungeduldig erhobener Amtsstimme fragte der Wachtmeister weiter: „Aus welchen Häfen am Mittelmeer hat er dir mal geschrieben? Auf welchen Schiffen ist er gefahren? Was meint er damit, wenn er schreibt: Ich will, dass meine Tochter eine bessere Zukunft hat als hier, wo sie nur das Kind der Schande ist?"

    „Na, das ist doch wohl klar, Krischan, mischte sich Gesche ein. „Nu ist Lütt-Trine ja noch bannig klein und kriegt das nicht mit, wenn die Leute schlecht über sie schnacken, aber wenn sie größer wird, denn merkt sie das, und das tut ihr immer weh und sie muss andauernd weinen. Und das will man als Vater nicht.

    „Auch nicht als Mutter, schluchzte Else. „Aber warum hat er mich nicht einfach geheiratet? Denn wäre doch alles gut.

    „Auf jeden Fall ist das eine Entführung eines minderjährigen Kindes, weil ihr nicht verheiratet seid, klärte Krischan Lührs über die Rechtslage auf. „Sonst kann natürlich ein Vater mit seinem Kind machen, was er will. Wenn er meint, seine Tochter soll lieber am Mittelmeer leben, geht das klar.

    „Hans hat mich nicht genug lieb gehabt, immerzu wollte er weg. Das ist Fernweh, das hat man oder man hat das nicht, sagt er. So wie Heimweh, bloß anders." Else trocknete ihre Tränen.

    „Da dachte ich, wenn er weg ist, kriegt er vielleicht Heimweh, und denn bleibt er für immer hier. Er hatte zwar Heimweh, aber hier hatte er denn wieder Fernweh. Als wenn ihn etwas getrieben oder vertrieben hat. Vielleicht der Klabautermann. Oder ein Dämon, den er sich irgendwo eingefangen hat. Er sagt, in Türkien gibt es Leute, die haben den bösen Blick, und die können einem einen Dämon anhexen. Aber da gibt es auch Leute, die den Dämon wieder austreiben können."

    Krischan Lührs strich sich mit einer Hand über die Wangen.

    „Da haben wir doch schon mal was! Türkien! Ob er da hin ist?"

    „Da hat er jedenfalls viel von erzählt, wenn er mal hier war, mehr als von den anderen Ländern. Von Konstantinopel, wo die Frauen mit ihren Kindern in einem Harem leben, damit ihnen niemand was tun kann. Außer sie stellen was an, dann kriegen sie ihre Strafe." Else zog die Schultern zusammen.

    „Da bringt er Lütt-Trine doch wohl nicht hin, in den Harem!"

    „Nee. Bestimmt nicht!, rief Gesche. „Ich komme gleich wieder, ich muss mir nur schnell was anderes anziehen.

    Krischan Lührs fragte: „Gesche, was hast du wieder angestellt? Warum sind deine Röcke so nass?"

    „Mein Schuh ist weggeschwommen, ich musste da hinterher, ins Wasser."

    Gesche ging in die Kofferkammer zu ihrem Kleiderschrank und nahm zwei Unterröcke und ihren guten Rock heraus. Hinter der offenen Schranktür zog sie sich um. Die nassen Röcke hängte sie an einen der Kleiderhaken, die an den Türrahmen angebracht waren.

    „Ich bringe dich wieder her, Lütte, und wenn ich dich aus Türkien holen muss. Über alle Meere schipper ich. Und ich frage niemanden, ob ich das darf", sagte sie leise.

    „Hast du was gesagt, Gesche?", rief Krischan Lührs.

    „Hast du was gehört, Krischan?", rief sie zurück.

    Sie hatte noch Geld übrig vom Verkauf ihrer beiden Höfe, das wollte sie verwenden, um Lütt-Trine zurückzuholen. Und dafür musste sie über die See segeln, die Spuren von Lütt-Trines Vater Hans verfolgen.

    Die Hände in die Hüften gestemmt, baute sich Gesche vor Krischan Lührs auf: „Ermittel du man hier weiter, ich fahre über die Meere nach Türkien. Denselben Weg wie Hans und Lütt-Trine mit dem Schiff. Ich war vorhin schon richtig böse auf die Elbe, weil die jeden auf sich wegschippern lässt. Sogar Lütt-Trine, die lieber hier bleiben sollte. Das bringt doch nichts, hier sitzen und warten, dass die lütte Deern wiederkommt. Ich will da hinterher."

    „Gesche, da kann doch die Elbe nichts für!, rief Krischan Lührs. „Das ist doch nicht dein Ernst!

    „Ich mein ja bloß", sagte Gesche.

    Else starrte Gesche mit offenem Mund an. „Bäuerin muss ich auch mit?"

    „Nee, du bleibst hier und kümmerst dich um den Hof. Die Ernte muss eingefahren werden, du weißt ja."

    Krischan Lührs war aufgesprungen. „Das erlaube ich auf gar keinen Fall! Du bleibst schön hier!"

    „Du hast mir gar nichts zu sagen!, rief Gesche. „Ich wollte sowieso schon immer mal übers Meer in fremde Länder fahren, nu geht das los. Und ich komme wieder mit Lütt-Trine!

    Die Kuh muhte mehrmals laut.

    „Was hat sie denn?, meinte Else. „Ich habe sie gemolken, ich habe sie gefüttert. Besser ist das, wenn ich mal kucke.

    Vor ihr auf den Steinen stand ein rußgeschwärzter Topf, in dem Kartoffeln im Wasser lagen, und ein Eimer mit Kartoffelschalen. Über dem Feuer hing ein Topf, aus dem der Geruch von Kohl und Speck aufstieg. Nun stand Else auf, wischte sich die Hände an der Schürze ab und lief über die Diele zum Kuhstall auf der rechten Seite vor der Großtür. Sie hörten, wie sie beruhigend auf das Tier einsprach.

    „Gesche, das kannst du nicht. Allein nach Türkien fahren auf einem Schiff, das geht nicht."

    „Doch!"

    „Die sprechen da eine ganz andere Sprache!", rief er.

    „Weiß ich! Gesche machte ihren Rücken gerade. „Da hab ich mir schon was zu überlegt.

    „Gesche, du bleibst hier!"

    „Nee. Ich schreibe einen Brief an Friedrich Rückert, der kann alle diese Sprachen, die sie im Morgenland sprechen, Arabisch, Persisch, Türkisch. Der kommt mit zum Übersetzen."

    Nun dachte Krischan Lührs, dass er sich keine Sorgen mehr machen musste. Friedrich Rückert, der vor

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