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Twielenfleth: Historischer Kriminalroman aus dem Alten Land
Twielenfleth: Historischer Kriminalroman aus dem Alten Land
Twielenfleth: Historischer Kriminalroman aus dem Alten Land
eBook225 Seiten3 Stunden

Twielenfleth: Historischer Kriminalroman aus dem Alten Land

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Über dieses E-Book

Sie wurde im Deich verscharrt, ihr Körper starrt vor Erde, aber trotz ihrer schweren Verletzung ist kein Blut zu sehen. Hat die Elbe es abgewaschen? Als bei der Deichschau im Jahre 1828 im Alten Land die Leiche von Gesche Wulfts Magd Trine entdeckt wird, stehen alle vor einem Rätsel. Wachtmeister Krischan Lührs tut sich schwer damit, Täter und Motiv zu finden. Vielleicht kann die Spökenkiekerin Tante Metta zur Lösung des Rätsels beitragen? Derweil übersetzt Gesches Logiergast Herr Rückert morgenländische Liebesgedichte und ein Kaffeehändler aus Puerto Rico offenbart ihr Geheimnisse aus seiner Kindheit im Alten Land. Annelie Schlobohm ist mit "Twielenfleth" eine mitreißende Fortsetzung ihres Debütromans "Februarflut" gelungen.

SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum20. März 2021
ISBN9783960451020
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    Buchvorschau

    Twielenfleth - Annelie Schlobohm

    Rückert

    1. Kapitel

    Große, schneebedeckte Eisschollen trieben die Elbe hinunter, das graue Wasser trug sie mit Leichtigkeit. Wenn sie zu nah ans Ufer gerieten, war ihre Reise zu Ende. Ein heller Saum aus Eisschollen hatte sich gebildet. Ihre scharfen Kanten ragten nach oben und zu den Seiten.

    Gesche schlang das schwarze Dreieckstuch aus Wolle fester um Kopf und Schultern. Sie war auf den Deich gestiegen, um nach dem Wasserstand zu sehen. Seit der Sturmflut vor drei Jahren tat sie das jeden Tag. Auf keinen Fall wollte sie wieder unvorbereitet sein, wenn das Wasser kam.

    „Nee auch doch, was das friert!" Gesche schüttelte sich.

    „Wenn die Elbe nu zufriert, was denn wohl ist? Hat das Wasser denn immer noch genug Platz unter dem Eis, wenn das wieder aufläuft oder läuft das über dem Eis auf?"

    Wasser über dem Eis hatte sie noch nie gesehen, also musste darunter wohl genug Platz sein.

    Sie sah sich um, hinter ihr der Himmel war grau, aber über der Elbe hingen flache weiße Wolken, die aussahen wie zerfranste Bettlaken. Dazwischen schimmerte ein eisiges Hellblau. Eine große dunkelgraue Wolke bauschte sich mitten im Weiß und Blau, die sah fast aus wie eine Rauchwolke.

    Die Apfel- und Pflaumenbäume am Außendeich hatte der Winter in einen Zauberwald verwandelt, gefrorener Raureif und Schnee bedeckten ihre Äste und Zweige.

    Auf der Elbe segelte ein Schiff mit drei Masten Richtung Hamburg. Das musste ein Handelsschiff sein. Die fuhren sogar zwischen Eisschollen, obwohl das Eis leicht den hölzernen Rumpf beschädigen konnte. Aber die Händler wagten immer viel, um Gewinne zu machen. Wenn mal ein Schiff mit Mann und Maus im Sturm oder Eisgang unterging und alle Matrosen ertranken, weil sie nicht schwimmen konnten, jammerten die Handelsherren eine Zeit lang, steckten dann die Versicherungssumme ein und ließen ein neues Schiff bauen.

    Neuerdings hörte man auch von Dampfschiffen, die von Hamburg aus über das große Meer fuhren. Aber Gesche hatte noch nie gesehen, wie aus einem Schiff Rauch kam. Das würde sicherlich sehr lustig aussehen.

    Schwimmen konnten die wenigsten Menschen, die an der Küste aufwuchsen. Seeleute dachten, es wäre besser, gleich zu ertrinken bei einem Schiffsunglück als erst noch lange im Wasser zu schwimmen und dann doch unterzugehen. Auch bei Sturmfluten wollte man lieber, dass es schnell vorbei war, das Leben war ja doch nichts mehr wert, wenn man alles verloren hatte.

    Gesche konnte schwimmen, sie hatte es sich selbst beigebracht. Im Sommer, wenn die Elbe warm genug war zum Baden, hatte sie immer wieder die Bewegungen gemacht, die sie einmal bei einem Schwimmer gesehen hatte. Und nach langer Zeit schaffte sie es, sich über Wasser zu halten anstatt unterzugluckern. Da war sie stolz.

    Ein Stück von Gesche entfernt rutschten Kinder den Deich hinunter, manche auf einem Brett, andere auf dem Hosenboden. Der Wind trug ihr Lachen und ihre lauten Worte herüber, die hellen Stimmen klangen fröhlich. Ein kleiner Junge rief: „Mudder, kuck mal!"

    Gesche fragte sich, welche Mutter Zeit hatte, mit ihren Kindern auf den Deich zum Rodeln zu gehen. Zwar fiel im Winter weniger Arbeit an, weil draußen auf den Feldern und im Garten kaum etwas zu tun war, aber die Arbeiten im Haus mussten sommers wie winters erledigt werden: Brot backen, buttern, Kartoffeln schälen, sauber machen, Flachs und Wolle spinnen und der ganze Rest.

    „Mudder, kuck mal, wie schnell ich bin!" Die Stimme des Jungen überschlug sich vor Begeisterung.

    Gesche schaute noch einmal hinüber. Da sah sie, dass auch ein Mann bei den Kindern und Frauen auf dem Deich stand. Er war groß und kräftig. Gerade formte er einen Schneeball und lachte. Gesche stockte der Atem. Der Mann war Claas Butendiek. Der tote Claas! Allerdings trug er eine Wollmütze auf dem Kopf, die sie an Claas nie gesehen hatte. Schnell schaute sie wieder weg.

    Seitdem Claas geköpft worden war, hatte sie sich manchmal eingebildet, ihn zu sehen an den Stellen im Außendeich, wo sie zusammen gewesen waren. Das war einer der Gründe, warum sie aus Huttfleth weggewollt hatte. Und nun tauchte sein Geist auch hier drei Meilen weiter in Twielenfleth auf!

    Mutter seiner Kinder zu werden, wie sie es sich immer gewünscht hatte, das ging nun nicht mehr. Nie würde sie mit ihrem gemeinsamen Kind auf den Deich zum Rodeln gehen. Und nie würde sie wohl noch einmal einen Mann finden, den sie lieben konnte.

    Gesche schaute zur Straße, von wo ein leises Bimmeln zu hören war. Ein Pferdeschlitten fuhr unten auf der Deichstraße vorbei. Der Kutscher auf dem Bock hatte sich mit Wollschal, Wollmütze und dicker Wolljoppe gegen die Kälte geschützt. Von seinem Gesicht sah Gesche kaum etwas, sie konnte nicht erkennen, wer es war. Aber das Pferd kannte sie natürlich, es gehörte Gendarm Krischan Lührs. Der Kutscher winkte Gesche zu, sie winkte zurück, deutlich konnte sie die kleinen Glöckchen am Pferdegeschirr sehen.

    „Brrrr!", rief der Kutscher und zog die Zügel an. Gesche fragte sich, ob er wohl mit ihr klönen wollte. Aber dazu war sie nicht aufgelegt. Sie lief den Deich an der Außendeichseite hinunter, um zur Elbe zu kommen. Aus Spaß versuchte sie, auf ihren Holzschuhen zu rutschen, aber das gelang ihr nicht. Bald lag sie im Schnee.

    Na, ist ja nicht so ein großes Malheur, dachte sie, blieb liegen und kugelte sich den Deich hinunter. Als sie unten ankam, sah sie sich um. Aber niemand schien bemerkt zu haben, dass eine erwachsene Frau sich wie ein Kind benahm und nun wie ein Schneemann aussah, der durch den Außendeich zur Elbe lief.

    Eigentlich ja wie eine Schneefrau, dachte Gesche. Der Schnee knirschte unter ihren Füßen.

    Sie schüttelte einige Äste, nun fiel noch mehr Schnee auf sie herab. Als sie schließlich auf einer Eisscholle am Elbufer stand, spürte sie, dass ihre Kleidung inzwischen vom Schnee durchnässt war bis auf die Haut.

    Aber sie konnte sich nicht so schnell losreißen von dem Anblick vor ihr. Es kam ihr so vor, als habe sie das Wasser noch nie so gesehen. Zwischen den treibenden Eisschollen war es von Nahem betrachtet nicht mehr grau, sondern weiß und blassblau. Die Wellen sahen gar nicht aus wie Wellen, sondern eher wie Linien oder Schnüre, in denen die verschiedenen Farben des Himmels immer wieder auseinandergerissen wurden und ständig neue Muster bildeten.

    „So was aber auch, nee! Immer fällt dir was Neues ein", sagte Gesche zu Gott.

    Wo zwei Eisschollen aneinanderstießen, gab es ein leises knackendes Geräusch. Und manchmal hörte sie etwas anderes, das so klang, als rutschte Schnee von einem Dach. Ansonsten war alles still. Gesche lauschte. Sie spürte die nasse Kleidung auf der Haut gar nicht mehr.

    Nur an wenigen Stellen konnte man direkt ans Ufer gelangen, dort wo der dichte Schilfgürtel unterbrochen war. Bald würde das hellbraune Schilf gemäht werden, um dann zu lagern, zu trocknen und später zum Decken der Reetdächer benutzt zu werden.

    Die Kälte kniff sie in die Wangen.

    „Nee, nu wird mir das aber doch zu doll kalt!", rief Gesche. Zitternd lief sie so schnell sie konnte wieder zum Deich. Die rodelnden Kinder mit ihren Müttern waren verschwunden, auch der Geist von Claas Butendiek. Den Deich hinauf musste sie auf allen Vieren kriechen, weil sie immer wieder zurückrutschte.

    In ihrem Haus eilte sie durch die Diele, nahm in der Kofferkammer rasch ein paar trockene Kleidungsstücke aus dem Schrank und kletterte in ihren Alkoven. Dort riss sie sich den nassen Leinenrock und die feuchten selbstgestrickten Wollunterröcke vom Leib, von denen sie im Winter immer mindestens zwei übereinander trug, zog das selbstgewebte Oberhemd und das Unterhemd aus Leinen aus, dann die dreiviertellange Leinenunterhose. Nun trug sie nur noch die nassen Wollstrümpfe, die bis zu den Knien reichten, sie band die Strumpfbänder auf, zog die Strümpfe aus und kroch zitternd unter ihr Federbett.

    Nach einer Weile fing ihre Haut an zu prickeln, Gesche zog unter der Decke die trockenen Sachen an.

    Gern wäre sie noch eine Weile liegen geblieben, doch es gab Arbeit zu tun wie immer. Rasch stand sie auf und band die gestreifte Schürze um, die sie im Haus stets trug. Dann nahm sie die nasse Kleidung und hängte sie an Haken in der Kofferkammer.

    Sie hörte Trine im Küchenfach rumoren. „Trine! Es wird Zeit zum Kartoffelschälen."

    „Bin schon dabei, Bäuerin!, kam Trines Stimme klar und deutlich aus dem Küchenfach. „Und was soll das heute dazu geben? Steckrüben? Schwarzsauer? Grünkohl wäre man schlecht, da hätten wir früher mit anfangen müssen, der wird nu nicht mehr gar.

    Gesche überlegte kurz. „Steckrüben mit Speck!"

    Sie lief durch die Tür zur Diele und griff nach dem großen Messer, mit dem sie immer das grobe Gemüse und die Rüben zerschnitt. Sie mochte die Farbe der Rüben unter der Schale gern, so ein Gelb oder Braun, das weder das eine noch das andere war, und eigentlich aber doch beides.

    „Da spielen Kinder am Deich", berichtete Gesche.

    „Das glaub ich woll, meinte Trine, „haben wir ja früher als Kinder auch gemacht, wenn Schnee lag.

    „Krischan Lührs fuhr mit seinem Pferdeschlitten am Deich lang!"

    „Och! Bestimmt keine Spazierfahrt, meinte Trine. „Du, Bäuerin, du glaubst nicht, wer auf Besuch kommt ins Alte Land, schon Ostern oder Pfingsten.

    „Wer denn?"

    „Hinnerk Stechmann aus Borstel! Der handelt mit Kaffee und tut in Aguadilja leben, das liegt in einem Reich mit zwei Namen."

    „Agu-a-dil-ja?"

    „Jo. Das schreibt sich mit zwei l."

    „Zwei l und j dahinter?", staunte Gesche. Ihr war nun wunderbar warm. Sie füllte die klein geschnittene Steckrübe in den großen Topf, in dem schon der durchwachsene Speck kochte.

    „Nee, nur zwei l, und man spricht das mit j. Das Reich heißt Puerto Rico. Es ist in Amerika-Süd."

    „Was das für Namen gibt!"

    „Ich weiß das von Stechmann ihre Köksch", strahlte Trine. Sie freute sich immer, wenn sie eine Neuigkeit zu erzählen hatte. Seitdem sie auf Gesches neuem Hof in Twielenfleth arbeitete und mit Tönjes verheiratet war, hatte sie sich sehr verändert. Fleißig und tüchtig war sie schon immer gewesen, aber nun lachte sie oft, freute sich über Kleinigkeiten und ging regelmäßig zur Kirche, wo sie inbrünstig betete und die Kirchenlieder laut mitsang. Sie konnte gut singen, das hörten alle nun.

    „Hinnerk Stechmann schreibt jeden Monat einmal an seinen Vater, nicht nur wegen geschäftlichem Kram, er fragt auch nach jedem Einzelnen in der Familie, wie denen das geht, auch nach der Verwandtschaft und Nachbarschaft, sogar nach dem Gesinde, berichtete Trine. „Manchmal ist so ein Brief fünf oder sogar acht Monate unterwegs, das kommt daher, dass das Schiff, mit dem Hinnerk Stechmann den Brief schickt, oft nicht gleich nach Hamburg fährt, erst noch woanders hin, und dann wieder woanders. Und es kommt natürlich auch drauf an, wie der Wind steht, wenn das Schiff über das große Meer fährt.

    „So lange unterwegs! Nee! Das kann doch gar nicht angehen!" Gesche stach mit einer Gabel in ein Steckrübenstückchen.

    „Wir können jetzt die Kartoffeln aufsetzen. Der Topf mit den geschälten hellgelben Kartoffeln stand schon bereit, Gesche hängte ihn über das Feuer. „Ist doch schon Salz drin?

    Trine nickte. „Hinnerk Stechmann hofft immer, er verdient mal so viel, dass er wieder in Borstel leben kann. Aber bis jetzt reicht das nur für einen Besuch. Kannst du dir das vorstellen, Bäuerin, Monate auf See, nur um die Heimat mal wiederzusehen? Er kommt über England, denn die Nordsee und die Elbe rauf, und schwupps ist er in Hamburg."

    „Warum bleibt er nicht gleich da? In Hamburg kann man doch auch gute Geschäfte machen?"

    „Tja. Es muss einer da sein, wo der Kaffee wächst, und einer, wo man ihn mit Gewinn verkaufen kann, sagt Stechmann ihre Köksch. Man gut, dass das Wetter in Aguadilla fast immer schön warm ist, das ist wenigstens was. Früher war er in Bahia, das liegt in dem Reich Brasilien. Ich hol mal das Butterfass. Bis die Kartoffeln gar sind, kann ich noch ein bisschen was tun. Passt ganz gut, ich habe den Rahm schon abgeschöpft von der Milch, der war genau richtig, denn geht das schneller."

    „Mach man." Gesche verließ sich völlig auf Trine, die die meisten Sachen besser konnte als sie.

    Vom offenen Küchenfach aus sah Gesche Tönjes mit dem Hund Lütje durch die Großtür in die Diele kommen.

    „Bringst du das Abendessen, Tönjes?", rief sie.

    „Wenn ich ein Gewehr hätte! Da könnten wir einen Rehbraten oder Kaninchenbraten essen! In den Reusen war kein Fisch, jetzt ist nicht die Zeit."

    „Macht nichts, meinte Gesche. „Denn essen wir eben Schwarzbrot mit Mettwurst, schmeckt doch auch gut.

    „Jo. Tönjes lächelte, als er seine Frau Trine mit dem Butterfass kommen sah. Natürlich würde er ihr niemals in Gesches Anwesenheit einen Kuss geben, aber er streichelte ihr zärtlich über die Wange. „Na du, sagte er leise.

    Gesche schaute weg. Seit ihrer unglücklichen Liebe zu Claas Butendiek kannte sie sich gar nicht mehr aus in Liebesdingen. Vor allem seit Claas wegen Mordes an Krischans Schwester zum Tode verurteilt und geköpft worden war, hatte sie sich ganz in sich selbst zurückgezogen und traute sich nicht mehr, an eine neue Liebe zu denken.

    Allerdings war sie vor zwei Jahren mal mit Krischan Lührs in Hamburg gewesen und mit ihm auf dem Jungfernstieg spazieren gegangen, direkt an der Alster. Sie hatte die schönen Kutschen und die flanierenden vornehmen Hamburger Damen in ihren engen Miedern gesehen, die bewegten sich so, als ob sie Schmerzen hätten. Die Kleider mit den weiten gerafften Röcken, an denen viele Rüschen waren, sahen zwar schön aus, aber wegen der eng geschnürten Mieder konnten die Frauen oft nicht richtig Luft holen. Zwei waren sogar in Ohnmacht gefallen und mussten mit Riechfläschchen wieder ins Leben zurückgeholt werden.

    Man hatte Gesche schon im Alten Land davon erzählt, aber sie glaubte es erst, als sie es selbst sah. Nun war sie froh über ihre bequeme Kleidung, das ging ja auch gar nicht anders, bei der Arbeit musste man sich doch bewegen können in der Kleidung. Gesche taten die armen vornehm gekleideten Damen leid, sie stellte sich vor, dass die zu Hause stundenlang bewegungslos auf einem Stuhl sitzen mussten.

    Gesche in ihrer Altländer Tracht fiel auf dem Jungfernstieg kaum auf, denn es waren auch recht viele junge Mädchen in den Trachten des Hamburger Umlands unterwegs, die meisten aus den Vierlanden, die trugen Körbe mit Gemüse. Gesche hatte eigentlich gedacht, dass sie sich auch mal ein Kleid, wie man es in der Stadt trug, schneidern lassen wollte, denn sie konnte es sich neuerdings leisten, für so was Geld auszugeben. Aber nun war sie froh über ihre Kleidung, die sie nicht einengte, bei der Arbeit und beim Spazierengehen.

    „Krischan, man gut, dass ich mal hier war, sagte sie damals. „Nu weiß ich, dass ich hier nicht so gern sein mag.

    „Musst du ja auch nicht, Gesche, meinte Krischan. „Wir gehen einfach wieder zur Anlegestelle, das Boot von Tante Mettas Vetter legt sowieso bald wieder ab.

    Gesche hatte gar nicht richtig zugehört. Sie hakte sich bei Krischan ein und ging, wohin er ging. Es wurde ihr klar, dass dieser Ausflug nach Hamburg, den sie sich so sehr gewünscht hatte, ein Fehler gewesen war. Tante Metta hatte sie gefragt, ob es die richtige Zeit dafür war, die ahnte das wohl.

    Erst vor vier Wochen war Claas Butendiek geköpft worden. Im Alten Land sprach man seitdem kaum von etwas anderem, denn solch ein Ereignis hatte es lange nicht mehr gegeben. Gesche hatte mit sich gerungen, ob sie zu der Enthauptung gehen sollte, dann war sie lieber zu Hause geblieben. Aber es gab kein Entrinnen, jeder sprach von dem Blut, das aus seinem Hals gespritzt war und dass Gott sei Dank der Henkersknecht mit einem Hieb den Kopf abgetrennt hatte, das war ja nicht immer so, es gab auch in

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